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Video lessons from YouTube, Auschwitz verpflichtet uns, die Erinnerung wach zu halten

Auschwitz verpflichtet uns, die Erinnerung wach zu halten

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Direktor, Exzellenzen,

vor allem: sehr geehrte Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, sehr geehrte Damen und Herren,

heute hier zu stehen und als deutsche Bundeskanzlerin zu Ihnen zu sprechen,

fällt mir alles andere als leicht.

Ich empfinde tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen verübt wurden.

Verbrechen, die die Grenzen alles Fassbaren überschreiten.

Vor Entsetzen über das, was Frauen, Männern und Kindern an diesem Ort angetan wurde,

muss man eigentlich verstummen.

Denn welche Worte könnten der Trauer gerecht werden −

der Trauer um all die vielen Menschen, die hier gedemütigt, gequält und ermordet wurden?

Und dennoch: So schwer es an diesem Ort, der wie kein anderer

für das größte Menschheitsverbrechen steht, auch fällt:

Schweigen darf nicht unsere einzige Antwort sein.

Dieser Ort verpflichtet uns, die Erinnerung wachzuhalten.

Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern, die hier begangen wurden, und sie klar benennen.

Auschwitz − dieser Name steht für den millionenfachen Mord an den Jüdinnen und Juden Europas,

für den Zivilisationsbruch der Shoa, dem sämtliche menschlichen Werte zum Opfer fielen.

Auschwitz steht auch für den Völkermord an den Sinti und Roma Europas,

für das Leid und die Ermordung von politischen Gefangenen und Vertretern der Intelligenz in Polen,

von Widerstandskämpfern, von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und anderen Ländern,

von Homosexuellen, von Menschen mit Behinderungen sowie unzähligen anderen Menschen aus ganz Europa.

Das Leiden der Menschen in Auschwitz, ihr Tod in den Gaskammern, Hunger, Kälte, Seuchen,

qualvolle pseudomedizinische Versuche, Zwangsarbeit bis zur völligen Erschöpfung −

was hier geschah, lässt sich mit Menschenverstand nicht erfassen.

Allein im Lagerkomplex Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Juden,

planvoll und mit kalter Systematik ermordet.

Jeder dieser Menschen hatte einen Namen, eine unveräußerliche Würde, eine Herkunft, eine Geschichte.

Schon die Deportation hierher, eingepfercht in Viehwaggons, die Prozedur bei der Ankunft

und die sogenannte Selektion an der Rampe zielten darauf, diese Menschen zu entmenschlichen,

sie ihrer Würde und Individualität zu berauben.

Offiziell trägt dieser Ort als Teil des UNESCO-Welterbes heute den Namen

„Auschwitz-Birkenau −

deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager (1940–1945)“.

Dieser Name als voller Name ist wichtig.

Oświęcim liegt in Polen, aber im Oktober 1939 wurde Auschwitz als Teil des Deutschen Reichs annektiert.

Auschwitz war ein deutsches, von Deutschen betriebenes Vernichtungslager.

Es ist mir wichtig, diese Tatsache zu betonen. Es ist wichtig, die Täter deutlich zu benennen.

Das sind wir Deutschen den Opfern schuldig und uns selbst.

An die Verbrechen zu erinnern, die Täter zu nennen und den Opfern ein würdiges Gedenken zu bewahren −

das ist eine Verantwortung, die nicht endet. Sie ist nicht verhandelbar;

und sie gehört untrennbar zu unserem Land.

Uns dieser Verantwortung bewusst zu sein, ist fester Teil unserer nationalen Identität,

unseres Selbstverständnisses als aufgeklärte und freiheitliche Gesellschaft,

als Demokratie und Rechtsstaat.

Heute haben wir in Deutschland wieder ein blühendes jüdisches Leben.

Mit Israel verbinden uns vielfältige und freundschaftliche Beziehungen.

Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das ist ein großes Geschenk.

Es gleicht gar einem Wunder. Aber es kann Geschehenes nicht ungeschehen machen.

Es kann die ermordeten Jüdinnen und Juden nicht zurückbringen.

In unserer Gesellschaft wird immer eine Lücke klaffen.

Vor 70 Jahren trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Darin flossen die Lehren aus den Schrecken der Vergangenheit ein. Aber wir wissen auch:

Die unantastbare Würde des Menschen, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit −

so kostbar diese Werte auch sind, so verletzlich sind sie auch.

Deshalb müssen wir diese grundlegenden Werte immer wieder aufs Neue festigen

und verbessern, schützen und verteidigen −

im täglichen Zusammenleben ebenso wie im staatlichen Wirken und politischen Diskurs.

In diesen Tagen ist das keine Rhetorik. In diesen Tagen ist es nötig, das deutlich zu sagen.

Denn wir erleben einen besorgniserregenden Rassismus, eine zunehmende Intoleranz,

eine Welle von Hassdelikten.

Wir erleben einen Angriff auf die Grundwerte der liberalen Demokratie

und einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus

im Dienste einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit.

Besonders richten wir unser Augenmerk auf den Antisemitismus,

der jüdisches Leben in Deutschland, in Europa und darüber hinaus bedroht.

Umso klarer und deutlicher müssen wir bekunden: Wir dulden keinen Antisemitismus.

Alle Menschen müssen sich bei uns in Deutschland, in Europa, sicher und zu Hause fühlen.

Gerade Auschwitz mahnt und verpflichtet jeden Einzelnen von uns, täglich wachsam zu sein,

Menschlichkeit zu bewahren und die Würde unseres Nächsten zu schützen.

Denn es ist so, wie es Primo Levi, der vor 100 Jahren in Turin geboren wurde

und der Auschwitz als Zwangsarbeiter in Monowitz überlebte, später schrieb:

„Es ist geschehen. Folglich kann es wieder geschehen.“

Daher dürfen wir unsere Augen und Ohren nicht verschließen,

wenn Menschen angepöbelt, erniedrigt oder ausgegrenzt werden.

Wir müssen denen widersprechen, die gegen Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft

Vorurteile und Hass schüren.

Wir alle tragen Verantwortung. Und zu dieser Verantwortung gehört auch das Gedenken.

Wir dürfen niemals vergessen. Einen Schlussstrich kann es nicht geben − und auch keine Relativierung.

Oder um es mit Worten des Auschwitz-Überlebenden und ehemaligen Präsidenten

des Internationalen Auschwitz Komitees Noach Flug auszudrücken:

„Die Erinnerung […] ist wie das Wasser. Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege

in neue Räume und zu anderen Menschen. […] Sie hat kein Verfallsdatum

und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“

Dass sich diese lebensnotwendige Erinnerung Wege sucht, wie Noach Flug sagte, und auch findet,

das haben wir in besonderer Weise vielen Zeitzeugen zu verdanken.

Es freut mich deshalb sehr, hier einige von ihnen begrüßen zu dürfen.

Sie haben in den vergangenen Jahren wieder und wieder und auch für uns heute aus ihrer Leidenszeit berichtet.

Wer kann sich vorstellen, wie viel Kraft es kostet,

sich diese schmerzhaften Erfahrungen immer wieder vor Augen zu führen

oder gar wieder an diesen Ort zurückzukehren?

Sie teilen ihre Geschichte, damit jüngere Menschen daraus lernen.

Sie bringen den Mut und die Kraft zur Versöhnung auf.

Sie zeigen wahrhaft menschliche Größe.

Ich bin sehr dankbar, dass wir von ihnen hören und lernen dürfen.

Es ist bald 75 Jahre her, dass Auschwitz befreit wurde.

Immer weniger Menschen können ihre Geschichte aus dieser Zeit erzählen.

Dies veranlasste den Schriftsteller Navid Kermani, sehr zutreffend festzuhalten:

„[…] Damit sich überhaupt eine Erinnerung ins Herz brennt,

auf die sich die Mahnmale, Stolpersteine, Gedenkrituale beziehen,

wird es für künftige Generationen noch wichtiger sein, mit eigenen Augen die Orte zu sehen,

an denen Deutschland die Würde des Menschen zermalmte,

jene Länder zu bereisen, die es in Blut ertränkte.“

An vielen Orten hatten die Täter versucht, ihre Spuren zu verwischen −

sei es in Vernichtungslagern wie Bełżec, Sobibór und Treblinka,

sei es an Orten wie Malyj Trostenez, Babyn Jar oder an den Tausenden anderen Orten in Europa,

an denen Juden, Sinti und Roma, viele andere Menschen und sogar ganze Dorfgemeinschaften ermordet wurden.

Hier in Auschwitz hingegen haben es die SS und ihre Schergen nicht geschafft, ihre Spuren zu verwischen.

Dieser Ort legt Zeugnis ab. Und dieses Zeugnis gilt es zu erhalten.

Wer nach Auschwitz kommt und die Wachtürme und den Stacheldraht, die Baracken und die Gefängniszellen,

die Reste der Gaskammern und Krematorien sieht, den wird die Erinnerung nicht mehr loslassen.

Sie wird sich, wie Kermani schreibt, „ins Herz brennen“.

Vor zehn Jahren hatte der frühere polnische Außenminister Władysław Bartoszewski,

der selbst politischer Häftling in Auschwitz war, die Gründung der Stiftung Auschwitz-Birkenau angestoßen.

Lieber Herr Cywínski,

Ihnen und allen, die sich in der Stiftung den Erhalt dieser Gedenkstätte

als Mahnmal und Dokumentationszentrum zur Aufgabe gemacht haben,

danke ich von Herzen.

Ich danke auch allen Beteiligten an den Restaurierungs- und Konservierungsprojekten.

Mit großem Engagement wurde und wird dafür gesorgt, dass dieser Ort weiter Zeugnis ablegt.

Ziegelsteinbaracken wurden dauerhaft gesichert, Ausgrabungen durchgeführt, Stützmauern errichtet,

Schutzzelte aufgebaut, die geraubten Kleider und Habseligkeiten der Opfer restauriert und konserviert.

Die Konservierungspläne erfordern für die nächsten 25 Jahre eine deutlich

höhere Summe für das Stiftungskapital.

Deutschland wird sich wesentlich an diesen Mitteln beteiligen.

Das haben wir gestern gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossen.

Dank der Stiftung sowie der vielen internationalen Fremdenführer

ist diese Gedenkstätte ein Ort des Lernens, des Innehaltens und des Bewusstwerdens −

ein Ort, der die Botschaft des „Nie wieder“ so eindrucksvoll ausspricht.

Dafür bin ich sehr dankbar.

Doch nichts kann die Menschen, die hier ermordet wurden, zurückbringen.

Nichts kann diese präzedenzlosen Verbrechen ungeschehen machen.

Diese Verbrechen sind und bleiben Teil der deutschen Geschichte.

Diese Geschichte muss erzählt werden, immer und immer wieder, damit wir aufmerksam bleiben,

damit sich solche Verbrechen auch nicht in Ansätzen wiederholen können,

damit wir gegen Rassismus und Antisemitismus in all ihren widerwärtigen Erscheinungen

entschlossen vorgehen.

Diese Geschichte muss erzählt werden, damit wir heute und morgen

die Würde eines jeden Menschen bewahren − und damit wir den Opfern ein ehrendes Andenken bewahren.

Wir erinnern an die Menschen, die aus den verschiedenen Ländern ganz Europas

nach Auschwitz deportiert wurden.

Wir erinnern an diesem Ort insbesondere an die vielen polnischen Opfer

− auch politische Gefangene −,

für die das KZ Auschwitz zunächst errichtet worden war.

Wir erinnern an die sechs Millionen ermordeten Juden und hier vor allem an die etwa eine Million Juden,

die in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Wir erinnern an die Sinti und Roma,

die deportiert, gequält und ermordet wurden.

Wir erinnern an die Opfer des Massenmords durch Erschießungen.

Wir erinnern an jene, die in Ghettos deportiert wurden, sich in Todesangst versteckt hielten,

und an die, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.

Wir erinnern an alle, die alles verloren hatten: ihre Familien und Freunde, ihre Heimat und ihr Zuhause,

ihre Hoffnungen und Pläne, ihr Vertrauen und ihre Lebensfreude − und ihre Würde.

Wir erinnern an diejenigen, die auch nach dem Krieg noch jahrelang umherirrten −

an die, die in Lagern für „displaced persons“ ausharren mussten.

Wer überlebt hatte, war von den widerfahrenen Schrecken schwer gezeichnet.

Margot Friedländer schrieb in ihren Erinnerungen über sie:

„Sie mussten erst wieder lernen, dass sie Menschen waren. Menschen, die einen Namen hatten.“

Viele fragten sich, warum gerade sie überlebt hatten. Warum nicht die kleine Schwester?

Warum nicht der beste Freund? Warum nicht die eigene Mutter oder der Ehemann?

Viele fanden lange nicht oder auch nie heraus, wie und wo ihre nächsten Angehörigen ermordet worden waren.

Diese Wunden heilen nie.

Umso mehr danke ich jedem, der es schafft, darüber zu sprechen, um Schmerz und Erinnerung zu teilen

und um Versöhnung zu stiften.

Ich verneige mich tief vor jedem dieser Menschen.

Ich verneige mich vor den Opfern der Shoa.

Ich verneige mich vor ihren Familien.

Vielen Dank, dass ich heute hier dabei sein darf.


Auschwitz verpflichtet uns, die Erinnerung wach zu halten Auschwitz obliges us to keep the memory alive Auschwitz nos obliga a mantener vivo el recuerdo Auschwitz obriga-nos a manter viva a memória

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Direktor, Exzellenzen,

vor allem: sehr geehrte Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, sehr geehrte Damen und Herren,

heute hier zu stehen und als deutsche Bundeskanzlerin zu Ihnen zu sprechen, to stand here today and speak to you as German Chancellor,

fällt mir alles andere als leicht.

Ich empfinde tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen verübt wurden. I feel deep shame at the barbaric crimes committed here by Germans.

Verbrechen, die die Grenzen alles Fassbaren überschreiten. Crimes that transcend the boundaries of all that is comprehensible.

Vor Entsetzen über das, was Frauen, Männern und Kindern an diesem Ort angetan wurde, In horror at what was done to women, men and children in this place,

muss man eigentlich verstummen. you really have to be silent.

Denn welche Worte könnten der Trauer gerecht werden − For what words could do justice to the grief −

der Trauer um all die vielen Menschen, die hier gedemütigt, gequält und ermordet wurden? the grief for all the many people who were humiliated, tortured and murdered here?

Und dennoch: So schwer es an diesem Ort, der wie kein anderer And yet: It's so difficult in this place, like no other

für das größte Menschheitsverbrechen steht, auch fällt:

Schweigen darf nicht unsere einzige Antwort sein.

Dieser Ort verpflichtet uns, die Erinnerung wachzuhalten.

Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern, die hier begangen wurden, und sie klar benennen.

Auschwitz − dieser Name steht für den millionenfachen Mord an den Jüdinnen und Juden Europas,

für den Zivilisationsbruch der Shoa, dem sämtliche menschlichen Werte zum Opfer fielen. for the breach of civilization caused by the Shoa, to which all human values fell victim.

Auschwitz steht auch für den Völkermord an den Sinti und Roma Europas,

für das Leid und die Ermordung von politischen Gefangenen und Vertretern der Intelligenz in Polen,

von Widerstandskämpfern, von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und anderen Ländern,

von Homosexuellen, von Menschen mit Behinderungen sowie unzähligen anderen Menschen aus ganz Europa.

Das Leiden der Menschen in Auschwitz, ihr Tod in den Gaskammern, Hunger, Kälte, Seuchen,

qualvolle pseudomedizinische Versuche, Zwangsarbeit bis zur völligen Erschöpfung −

was hier geschah, lässt sich mit Menschenverstand nicht erfassen. What happened here cannot be comprehended by common sense.

Allein im Lagerkomplex Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Juden,

planvoll und mit kalter Systematik ermordet.

Jeder dieser Menschen hatte einen Namen, eine unveräußerliche Würde, eine Herkunft, eine Geschichte. Each of these people had a name, an inalienable dignity, an origin, a history.

Schon die Deportation hierher, eingepfercht in Viehwaggons, die Prozedur bei der Ankunft Even the deportation here, crammed into cattle cars, the procedure upon arrival

und die sogenannte Selektion an der Rampe zielten darauf, diese Menschen zu entmenschlichen,

sie ihrer Würde und Individualität zu berauben.

Offiziell trägt dieser Ort als Teil des UNESCO-Welterbes heute den Namen

„Auschwitz-Birkenau −

deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager (1940–1945)“. German National Socialist concentration and extermination camp (1940-1945)”.

Dieser Name als voller Name ist wichtig.

Oświęcim liegt in Polen, aber im Oktober 1939 wurde Auschwitz als Teil des Deutschen Reichs annektiert.

Auschwitz war ein deutsches, von Deutschen betriebenes Vernichtungslager.

Es ist mir wichtig, diese Tatsache zu betonen. Es ist wichtig, die Täter deutlich zu benennen.

Das sind wir Deutschen den Opfern schuldig und uns selbst. We Germans owe that to the victims and to ourselves.

An die Verbrechen zu erinnern, die Täter zu nennen und den Opfern ein würdiges Gedenken zu bewahren − To commemorate the crimes, to name the perpetrators and to preserve a dignified memory of the victims −

das ist eine Verantwortung, die nicht endet. Sie ist nicht verhandelbar; this is a responsibility that never ends. It is non-negotiable;

und sie gehört untrennbar zu unserem Land. and it is inseparable from our country.

Uns dieser Verantwortung bewusst zu sein, ist fester Teil unserer nationalen Identität,

unseres Selbstverständnisses als aufgeklärte und freiheitliche Gesellschaft,

als Demokratie und Rechtsstaat.

Heute haben wir in Deutschland wieder ein blühendes jüdisches Leben. Today we have a flourishing Jewish life in Germany again.

Mit Israel verbinden uns vielfältige und freundschaftliche Beziehungen.

Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das ist ein großes Geschenk. This is anything but a matter of course. That's a great gift.

Es gleicht gar einem Wunder. Aber es kann Geschehenes nicht ungeschehen machen. It even looks like a miracle. But it cannot undo what has happened.

Es kann die ermordeten Jüdinnen und Juden nicht zurückbringen.

In unserer Gesellschaft wird immer eine Lücke klaffen. There will always be a gap in our society.

Vor 70 Jahren trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. The Basic Law of the Federal Republic of Germany came into force 70 years ago.

Darin flossen die Lehren aus den Schrecken der Vergangenheit ein. Aber wir wissen auch: It incorporated the lessons of the horrors of the past. But we also know:

Die unantastbare Würde des Menschen, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit − The inviolable dignity of man, freedom, democracy and the rule of law −

so kostbar diese Werte auch sind, so verletzlich sind sie auch. precious as these values are, they are also vulnerable.

Deshalb müssen wir diese grundlegenden Werte immer wieder aufs Neue festigen That's why we have to constantly reaffirm these fundamental values

und verbessern, schützen und verteidigen − and improve, protect and defend −

im täglichen Zusammenleben ebenso wie im staatlichen Wirken und politischen Diskurs. in daily coexistence as well as in government activities and political discourse.

In diesen Tagen ist das keine Rhetorik. In diesen Tagen ist es nötig, das deutlich zu sagen. It's not rhetoric these days. These days it is necessary to state this clearly.

Denn wir erleben einen besorgniserregenden Rassismus, eine zunehmende Intoleranz, Because we are witnessing worrying racism, increasing intolerance,

eine Welle von Hassdelikten. a wave of hate crimes.

Wir erleben einen Angriff auf die Grundwerte der liberalen Demokratie We are witnessing an attack on the fundamental values of liberal democracy

und einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus

im Dienste einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. in the service of group-focused enmity.

Besonders richten wir unser Augenmerk auf den Antisemitismus, We pay particular attention to anti-Semitism,

der jüdisches Leben in Deutschland, in Europa und darüber hinaus bedroht. which threatens Jewish life in Germany, in Europe and beyond.

Umso klarer und deutlicher müssen wir bekunden: Wir dulden keinen Antisemitismus. We must state all the more clearly: We do not tolerate anti-Semitism.

Alle Menschen müssen sich bei uns in Deutschland, in Europa, sicher und zu Hause fühlen.

Gerade Auschwitz mahnt und verpflichtet jeden Einzelnen von uns, täglich wachsam zu sein, Auschwitz, in particular, reminds and obliges each and every one of us to be vigilant every day,

Menschlichkeit zu bewahren und die Würde unseres Nächsten zu schützen. To preserve humanity and to protect the dignity of our neighbor.

Denn es ist so, wie es Primo Levi, der vor 100 Jahren in Turin geboren wurde Because it's like Primo Levi, who was born in Turin 100 years ago

und der Auschwitz als Zwangsarbeiter in Monowitz überlebte, später schrieb: and who survived Auschwitz as a forced laborer in Monowitz, later wrote:

„Es ist geschehen. Folglich kann es wieder geschehen.“ "It happened. Consequently, it can happen again.”

Daher dürfen wir unsere Augen und Ohren nicht verschließen,

wenn Menschen angepöbelt, erniedrigt oder ausgegrenzt werden.

Wir müssen denen widersprechen, die gegen Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft

Vorurteile und Hass schüren. stir up prejudice and hatred.

Wir alle tragen Verantwortung. Und zu dieser Verantwortung gehört auch das Gedenken.

Wir dürfen niemals vergessen. Einen Schlussstrich kann es nicht geben − und auch keine Relativierung. We must never forget. There can be no final stroke - and no relativization either.

Oder um es mit Worten des Auschwitz-Überlebenden und ehemaligen Präsidenten Or in the words of the Auschwitz survivor and former president

des Internationalen Auschwitz Komitees Noach Flug auszudrücken: of the International Auschwitz Committee Noach Flug:

„Die Erinnerung […] ist wie das Wasser. Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege “Memory […] is like water. It is vital and it finds its own way

in neue Räume und zu anderen Menschen. […] Sie hat kein Verfallsdatum into new spaces and to other people. […] It has no expiration date

und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.“ and it is not to be resolved or declared terminated.”

Dass sich diese lebensnotwendige Erinnerung Wege sucht, wie Noach Flug sagte, und auch findet, That this vital memory seeks a way, as Noach Flug said, and finds it,

das haben wir in besonderer Weise vielen Zeitzeugen zu verdanken. We owe this in a special way to many contemporary witnesses.

Es freut mich deshalb sehr, hier einige von ihnen begrüßen zu dürfen. I am therefore very pleased to be able to welcome some of you here.

Sie haben in den vergangenen Jahren wieder und wieder und auch für uns heute aus ihrer Leidenszeit berichtet. Over the past few years, they have reported again and again, and also for us today, about their time of suffering.

Wer kann sich vorstellen, wie viel Kraft es kostet, Who can imagine how much strength it takes

sich diese schmerzhaften Erfahrungen immer wieder vor Augen zu führen remind yourself of these painful experiences again and again

oder gar wieder an diesen Ort zurückzukehren? Or even return to this place?

Sie teilen ihre Geschichte, damit jüngere Menschen daraus lernen. They share their story so that younger people can learn from it.

Sie bringen den Mut und die Kraft zur Versöhnung auf. They muster the courage and strength to reconcile.

Sie zeigen wahrhaft menschliche Größe. They show truly human size.

Ich bin sehr dankbar, dass wir von ihnen hören und lernen dürfen. I am very grateful that we can hear and learn from them.

Es ist bald 75 Jahre her, dass Auschwitz befreit wurde. It will be almost 75 years since Auschwitz was liberated.

Immer weniger Menschen können ihre Geschichte aus dieser Zeit erzählen. Fewer and fewer people can tell their story from that time.

Dies veranlasste den Schriftsteller Navid Kermani, sehr zutreffend festzuhalten: This prompted writer Navid Kermani to very aptly state:

„[…] Damit sich überhaupt eine Erinnerung ins Herz brennt, "[...] So that a memory burns into your heart at all,

auf die sich die Mahnmale, Stolpersteine, Gedenkrituale beziehen, to which the memorials, stumbling blocks, memorial rituals refer,

wird es für künftige Generationen noch wichtiger sein, mit eigenen Augen die Orte zu sehen, will it be even more important for future generations to see with their own eyes the places

an denen Deutschland die Würde des Menschen zermalmte, where Germany crushed human dignity,

jene Länder zu bereisen, die es in Blut ertränkte.“ to travel those lands it drowned in blood.”

An vielen Orten hatten die Täter versucht, ihre Spuren zu verwischen − In many places the perpetrators had tried to cover their tracks −

sei es in Vernichtungslagern wie Bełżec, Sobibór und Treblinka, be it in extermination camps like Bełżec, Sobibór and Treblinka,

sei es an Orten wie Malyj Trostenez, Babyn Jar oder an den Tausenden anderen Orten in Europa, be it in places like Maly Trostenets, Babyn Yar or in the thousands of other places in Europe,

an denen Juden, Sinti und Roma, viele andere Menschen und sogar ganze Dorfgemeinschaften ermordet wurden. where Jews, Sinti and Roma, many other people and even entire village communities were murdered.

Hier in Auschwitz hingegen haben es die SS und ihre Schergen nicht geschafft, ihre Spuren zu verwischen. Here in Auschwitz, on the other hand, the SS and their henchmen didn't manage to cover their tracks.

Dieser Ort legt Zeugnis ab. Und dieses Zeugnis gilt es zu erhalten. This place bears witness. And this testimony must be preserved.

Wer nach Auschwitz kommt und die Wachtürme und den Stacheldraht, die Baracken und die Gefängniszellen, Whoever comes to Auschwitz and the watchtowers and the barbed wire, the barracks and the prison cells,

die Reste der Gaskammern und Krematorien sieht, den wird die Erinnerung nicht mehr loslassen. sees the remains of the gas chambers and crematoria, the memory will never let go.

Sie wird sich, wie Kermani schreibt, „ins Herz brennen“. As Kermani writes, it will “burn into your heart”.

Vor zehn Jahren hatte der frühere polnische Außenminister Władysław Bartoszewski, Ten years ago, former Polish Foreign Minister Władysław Bartoszewski,

der selbst politischer Häftling in Auschwitz war, die Gründung der Stiftung Auschwitz-Birkenau angestoßen. who was himself a political prisoner in Auschwitz, initiated the founding of the Auschwitz-Birkenau Foundation.

Lieber Herr Cywínski, Dear Mr. Cywinski,

Ihnen und allen, die sich in der Stiftung den Erhalt dieser Gedenkstätte You and everyone involved in the Foundation's preservation of this memorial

als Mahnmal und Dokumentationszentrum zur Aufgabe gemacht haben, as a memorial and documentation center have made it their task

danke ich von Herzen. I thank you from the bottom of my heart.

Ich danke auch allen Beteiligten an den Restaurierungs- und Konservierungsprojekten. I also thank everyone involved in the restoration and conservation projects.

Mit großem Engagement wurde und wird dafür gesorgt, dass dieser Ort weiter Zeugnis ablegt. With great commitment it was and is ensured that this place continues to bear witness.

Ziegelsteinbaracken wurden dauerhaft gesichert, Ausgrabungen durchgeführt, Stützmauern errichtet, Brick barracks were permanently secured, excavations carried out, retaining walls erected,

Schutzzelte aufgebaut, die geraubten Kleider und Habseligkeiten der Opfer restauriert und konserviert. Protective tents erected, the stolen clothes and belongings of the victims restored and conserved.

Die Konservierungspläne erfordern für die nächsten 25 Jahre eine deutlich Conservation plans call for a significant over the next 25 years

höhere Summe für das Stiftungskapital. higher sum for the endowment capital.

Deutschland wird sich wesentlich an diesen Mitteln beteiligen. Germany will make a significant contribution to these funds.

Das haben wir gestern gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossen. We decided that yesterday together with the prime ministers of the federal states.

Dank der Stiftung sowie der vielen internationalen Fremdenführer Thanks to the Foundation and the many international tourist guides

ist diese Gedenkstätte ein Ort des Lernens, des Innehaltens und des Bewusstwerdens − this memorial is a place of learning, pausing and becoming aware −

ein Ort, der die Botschaft des „Nie wieder“ so eindrucksvoll ausspricht. a place that speaks the message of "never again" so impressively.

Dafür bin ich sehr dankbar. I am very grateful for that.

Doch nichts kann die Menschen, die hier ermordet wurden, zurückbringen. But nothing can bring back the people who were murdered here.

Nichts kann diese präzedenzlosen Verbrechen ungeschehen machen. Nothing can undo these unprecedented crimes.

Diese Verbrechen sind und bleiben Teil der deutschen Geschichte.

Diese Geschichte muss erzählt werden, immer und immer wieder, damit wir aufmerksam bleiben, This story needs to be told, over and over again, for our attention to remain

damit sich solche Verbrechen auch nicht in Ansätzen wiederholen können, so that such crimes cannot be repeated in the slightest,

damit wir gegen Rassismus und Antisemitismus in all ihren widerwärtigen Erscheinungen so that we can stand up against racism and anti-Semitism in all their disgusting manifestations

entschlossen vorgehen. act decisively.

Diese Geschichte muss erzählt werden, damit wir heute und morgen

die Würde eines jeden Menschen bewahren − und damit wir den Opfern ein ehrendes Andenken bewahren. preserve the dignity of every human being - and so that we keep the victims' memories alive.

Wir erinnern an die Menschen, die aus den verschiedenen Ländern ganz Europas

nach Auschwitz deportiert wurden.

Wir erinnern an diesem Ort insbesondere an die vielen polnischen Opfer

− auch politische Gefangene −,

für die das KZ Auschwitz zunächst errichtet worden war. for which the Auschwitz concentration camp was originally built.

Wir erinnern an die sechs Millionen ermordeten Juden und hier vor allem an die etwa eine Million Juden, We commemorate the six million murdered Jews and above all the approximately one million Jews

die in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Wir erinnern an die Sinti und Roma, who were murdered in Auschwitz-Birkenau. We remember the Sinti and Roma,

die deportiert, gequält und ermordet wurden.

Wir erinnern an die Opfer des Massenmords durch Erschießungen. We commemorate the victims of mass murder by shootings.

Wir erinnern an jene, die in Ghettos deportiert wurden, sich in Todesangst versteckt hielten, We remember those who were deported to ghettos, hid in fear of death,

und an die, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. and to those who had to flee their homes.

Wir erinnern an alle, die alles verloren hatten: ihre Familien und Freunde, ihre Heimat und ihr Zuhause,

ihre Hoffnungen und Pläne, ihr Vertrauen und ihre Lebensfreude − und ihre Würde. their hopes and plans, their trust and zest for life − and their dignity.

Wir erinnern an diejenigen, die auch nach dem Krieg noch jahrelang umherirrten − We commemorate those who wandered around for years after the war −

an die, die in Lagern für „displaced persons“ ausharren mussten. to those who had to endure in camps for "displaced persons".

Wer überlebt hatte, war von den widerfahrenen Schrecken schwer gezeichnet. Those who survived were badly scarred by the horrors they had experienced.

Margot Friedländer schrieb in ihren Erinnerungen über sie: Margot Friedländer wrote about her in her memoirs:

„Sie mussten erst wieder lernen, dass sie Menschen waren. Menschen, die einen Namen hatten.“ “They had to learn again that they were human. people who had a name.”

Viele fragten sich, warum gerade sie überlebt hatten. Warum nicht die kleine Schwester? Many wondered why they had survived. Why not the little sister?

Warum nicht der beste Freund? Warum nicht die eigene Mutter oder der Ehemann? Why not the best friend? Why not your own mother or husband?

Viele fanden lange nicht oder auch nie heraus, wie und wo ihre nächsten Angehörigen ermordet worden waren. For a long time, many did not find out, or never found out, how and where their closest relatives had been murdered.

Diese Wunden heilen nie. These wounds never heal.

Umso mehr danke ich jedem, der es schafft, darüber zu sprechen, um Schmerz und Erinnerung zu teilen All the more I thank everyone who manages to talk about it to share pain and memory

und um Versöhnung zu stiften. and to bring about reconciliation.

Ich verneige mich tief vor jedem dieser Menschen. I bow deeply to each of these people.

Ich verneige mich vor den Opfern der Shoa.

Ich verneige mich vor ihren Familien. I bow to their families.

Vielen Dank, dass ich heute hier dabei sein darf. Thank you for allowing me to be here today.