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2020-7 Imported from YouTube, Überfülltes Venedig: Müssen wir anders reisen?

Überfülltes Venedig: Müssen wir anders reisen?

Venedig – Disneyland für Touristen.

Leben können hier immer weniger Menschen.

Das ist die beste und schönste Stadt, aber für junge Menschen ist es unmöglich hier zu bleiben.

Der Alltag ist teuer und Jobs gibt's fast nur im Tourismus.

Dann kam Corona und für drei Monate war die Stadt wie ausgestorben.

Vielleicht hat die Stadt es gebraucht zu atmen. Einfach einen tiefen Atemzug zu nehmen.

Wir sind vier Tage hier und treffen Menschen, die jetzt ihre Stadt zurückerobern wollen.

Wir wollen eine andere Stadt und das ist möglich.

Es ist die Art, wie sie reisen, die Art, in der die Gesellschaft sie hierher bringt, die falsch ist.

Nach Jahren des Massenandrangs fragen wir uns: Braucht die Stadt einen anderen Tourismus?

Venedig hat einen ganz besonderen Zauber.

Das empfindet aber auch die ganze Welt so, weswegen die Stadt von Touristen fast zu Tode geliebt wurde.

Es ist so schön hier. Es ist wie eine Zeitreise.

Seht euch das Orchester hinter uns an, das sieht aus, als wäre es direkt den 20er Jahren entsprungen.

Gerade kann man sich Venedig auch leisten - Werbung, Werbung - weil es überall Rabattaktionen gibt.

Nur eine Sache ändert sich nie und das sind die Preise auf dem Markusplatz.

Wir zahlen 36 Euro für zwei Aperol Sprizz.

Normalerweise sind die Gassen Venedigs voller Menschen.

Über 20 Millionen Touristen kommen jedes Jahr hierher, dabei hat die Stadt gerade mal 50 000 Einwohner.

Tendenz stark sinkend.

Wir waren beide schon öfter hier.

In der Hauptsaison haben wir die Stadt jedoch immer gemieden.

Wir hatten beide keine Lust auf die Touristenmassen.

Jetzt ist Juli. Eigentlich Hochsaison. Aber nicht im Jahr von Corona.

Und deswegen sind wir hier. Wir wollen wissen wie es den Einheimischen geht, ohne die Touri-Massen.

Marta lebt hier.

Danke, dass du dir so kurzfristig für uns Zeit nimmst.

Sie ist 28, für das Studium hergezogen und engagiert sich dafür,

dass die Stadt wieder dass die Stadt wieder lebenswert wird.

Sie nimmt uns mit in das Büro ihrer Organisation „No Grandi Navi“, auf deutsch „keine großen Schiffe“.

Marta kämpft gegen Massentourismus.

Ihr ist wichtig zu sagen, dass sie nichts gegen Touristen an sich hat.

Es geht uns nicht darum, dass Menschen sich schämen sollen, weil sie hier und so viele sind,

sondern es geht um die Organisation von großen Menschenmassen.

Gemeinsam mit ihren Mitstreitern organisiert sie Demonstrationen,

an denen in den letzten Jahren zehntausende Venezianer teilgenommen haben.

So sah es letzten Juli bei der Demo aus.

Und so voll wie bei der Demo ist es in der in Venedig jeden Tag, wenn Besucher auf den Markusplatz strömen.

Marta, erzähl mal, weshalb hat deine Organisation ein Problem mit Tourismus in Venedig?

Das Hauptproblem mit dem Tourismus hier in Venedig ist, dass er die Stadt als Konsumprodukt sieht,

statt einem Ort, an dem Menschen ihr tägliches Leben leben.

Menschen wollen hier nicht mehr bleiben, weil Dinge wie Dienstleistungen, Wohnungen und Jobs fehlen.

Für mich als junger Mensch, der vor ein paar Jahren seinen Abschluss gemacht hat,

ist es unmöglich einen Job zu finden, der nicht in der Tourismusindustrie ist.

Das ist ein sehr großes Problem.

Und was bedeutet das konkret?

Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, um Venedig einen besseren Ort für alle zu machen?

Das Problem ist, dass immer mehr Raum an den Tourismus geht,

der weggenommen wird von den Einwohnern und Einheimischen und Menschen,

die hier arbeiten und ihr Leben verbringen wollen.

Martas Botschaft: Mehr Wohnraum für die Locals, weniger Hotels und Airbnbs,

so kommen automatisch weniger Touristen.

Ihr wollt also, dass wir alle bewusster reisen, weil es sowohl der Umwelt als auch Orten wie Venedig allgemein hilft.

Ja, ganz genau.

Aber ist es trotzdem okay, dass wir hier sind?

Na klar, klar.

Da bin ich froh.

Von den 50.000 Einwohner Venedigs arbeitet die Hälfte im Tourismus.

Damit ist die ganze Stadt abhängig von einer Industrie.

Und auch wir merken schon nach wenigen Tagen, was das heißt.

Wir sind seit zwei Tagen unterwegs, auf der Suche nach einem Laden und zwar in allen Himmelsrichtungen,

wo ich einfach nur eine Batterie für dieses Mikrofon kaufen kann und wir finden nichts,

weil es gibt nur Touristenläden überall.

In erster Linie: Masken und Kostüme.

Sonst Restaurants, Pizzaläden, sonst keine Infrastruktur für Einheimische in irgendeiner Form.

Und dann können wir die Venezianer schon so ein bisschen verstehen, dass sie es leid sind,

dass sich ihre Stadt so vollständig dem Tourismus unterordnet. Absolut.

Kaum einer steht so sehr für Tourismus in Venedig wie die Gondoliere.

Sie alle hatten monatelang kein Einkommen.

Wir treffen Chiara, eine der wenigen Frauen, die diesen Beruf ausüben.

Die 43-Jährige arbeitet seit 2014 als Gondoliera.

„Ciao.“ „Ciao.“

Nachi – vertraut ihm nicht, er ist gefährlich!

Venedig ist ein Dorf. Das merken wir sehr schnell, als wir mit ihr unterwegs sind.

Während Corona haben sie und ihr Gondoliere-Freund von Erspartem gelebt.

Jetzt reicht es gerade so zum Rechnungen zahlen.

„Hoooi!“

Ist das deine Ankündigung, dass wir gleich kommen?

Denn jetzt biegen wir in den Canal Grande.

Wir sind hier, weil wir verstehen wollen, wie es in Venedig nach Corona weitergeht.

Es ist ja quasi die Eröffnung der Stadt.

Es fängt jeden Tag von vorne an.

Ich hoffe vielleicht auf ein bisschen mehr Bewusstsein, dass wir alles etwas mehr respektieren.

Wenn man sich an Dinge gewöhnt, auch wenn sie etwas Besonderes sind,

merkt man irgendwann nicht mehr, dass sie was Besonderes sind.

Und jetzt fühlt es sich wieder nach was Besonderem an?

Ja, ich bin glücklich. Ich bin glücklich auf dem Boot, ich bin glücklich über die Luft.

Ich freue mich wieder mit Kunden zu sprechen.

Wie war das früher, als man als Venezianer sein Haus kaum verlassen konnte,

weil die Straßen so voller Touristen waren?

Was denkst du über die Menschenmassen, die in den letzten Jahren hierher gekommen sind?

Es ist die Organisation, die nicht funktioniert. Die Menschen an sich sind nicht das Problem.

Wenn du dich mit Menschen unterhälst, sind sie meistens nett.

Es ist die Art, wie sie reisen und wie die Gesellschaft sie her bringt, die falsch ist.

Gerade fahren wir unter der Rialto-Brücke durch, einem Wahrzeichen Venedigs.

Dieser ganze Bereich ist normalerweise voller Menschen, was fühlst du, wenn du die Leere siehst?

Ich mag es. ich fühle die Schönheit. Ich sehe die Stadt, wie sie sein sollte.

Doch wie lange wird diese Schönheit noch zu genießen sein? Langsam macht alles wieder auf.

Heute das Bauer Palazzo, eines der traditionsreichsten Luxushotels der Stadt.

Es ist frühmorgens, die Angestellten treffen letzte Vorbereitungen bevor die Gäste kommen.

Noch klemmt die Drehtür. Sie wurde ja schließlich auch seit Ende März nicht mehr benutzt.

Der Hoteldirektor stimmt seine Angestellten auf den ersten Tag nach der Krise ein.

„Danke an alle, dass ihr hier seid. Schön, wirklich schön ist es, sagen zu können:

Heute öffnen wir wieder. Also viele Glückwünsche an euch, an eure Familien und alle, die euch nahestehen.

Danke!“

Und wenige Minuten später schon kommen die ersten Gäste an.

Willkommen! Willkommen im Bauer. Sie sind die ersten Gäste seit der Öffnung.

Claudia und Lorenz aus München werden herzlich und mit einem Upgrade willkommen geheißen.

Mir gefällts gerade ziemlich. Sonst wäre ich auch nicht gekommen, unter den normalen Zuständen.

Warum nicht? - Bin nicht so der Menschenmassen-Typ.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg war das Hotel nicht mehr geschlossen.

Hoteldirektor Vincenzo Finizzola ist die Erleichterung anzumerken.

Wie ist gerade das Gefühl, die Atmosphäre in der Stadt?

Jetzt ist es etwas wie eine Wiedergeburt. Wissen Sie, wie die Renaissance. Ich sage gerne Renaissance.

Es herrscht wieder Freude in der Lagune.

Die Motorboote fahren wieder. Die Gondeln auch.

Zu sehen, wie die Stadt wieder zum Leben erwacht, ist wirklich sehr sehr schön.

Es gab viel Übertourismus in Venedig.

Leute sagen sogar, dass Venedig förmlich missbraucht wurde von Touristen.

Jetzt sieht man die Straßen fast leer.

Es ist immer ein Kompromiss, wissen Sie? Wenn es zu viel ist, ist es zu viel. Wenn es zu wenig ist, ist es zu wenig.

Ich denke, es sollte eine Regulierung geben. Venedig ist ein offenes Museum.

Nur wenn du ein Museum betrittst und es schon voll ist, dann stoppen Sie den Einlass.

Das kann man hier nicht.

Gerade braucht die Stadt keine Regulierung. Viele Länder sind noch immer im Lockdown.

Mit die einzigen Touris, die hier durch die Straßen laufen: Deutsche.

Zwei Tage später treffen wir die Münchner, Claudia und Lorenz, wieder.

Wir finden‘s halt total genial. Ich meine, die Stadt ist so super leise.

Am Markusplatz waren das höchste 30 Leute, Maximum. Da hab ich auf dem Marienplatz mehr.“

Später am Abend besuchen wir nochmal Marta, die mit einem Mitbewohner ein Haus in Venedig besetzt.

Marta erzählt uns, dass es 130 besetzte Häuser in der Lagunenstadt gibt.

Das ist ein schönes Gebäude!

Ihr besetzt schöne Häuser in Venedig.

Wir haben gehört, dass es in Venedig mehr AirBnB-Wohnungen gibt als irgendwo anders auf der Welt im Verhältnis zu den Einwohnern.

Es gibt sogar noch mehr als die Anzahl, die ihr gefunden habt. Es ist ein großes Problem.

Aber auch wir sind Teil des Problems. Auch wir übernachten in einem Airbnb.

Deshalb bedeutet die Hausbesetzung für uns auch, dass wir uns etwas wiederholen, was bereits uns gehört.

Für mich ist das ein politisches Statement.

Wie hast du dich entschieden, ein Haus zu besetzen?

Als Studentin mit Abschluss konnte ich nur Jobs finden in Bereichen wie Einchecken,

ich habe als Kellnerin gearbeitet und als Babysitterin.

Ich hatte drei Jobs u nd ich hatte trotzdem nicht genug Geld, um die Miete zu bezahlen.

Sie beschreibt einen Teufelskreis.

Unterbezahlter Job, eine Wohnung kannst Du Dir nicht leisten, sobald du weg bist,

wird aus Deiner Wohnung ein Airbnb.

Eine Menschen glauben durch die Pandemie und alles was sonst so in der Welt passiert,

könne der Tourismus und das Leben in Venedig besser werden als es für sehr lange Zeit war. Glaubst du das?

Ich habe gemischte Gefühle darüber. Denn einerseits ist alles entschleunigt,

nur wir sind hier, keine Touristenmassen.

Andererseits macht die Tatsache, dass Venedig jetzt als Geisterstadt bezeichnet wird, sehr traurig.

Auch ohne Touristen sollte Venedig doch wie eine Stadt aussehen, und das tut es nicht.

Alle sind sich einig. Vom Manager des Luxushotels bis zur linken Aktivistin:

Es muss sich etwas ändern. Die Stadt muss wieder lebenswert sein.

Es muss möglich sein, Geld zu verdienen, hier wohnen zu können, Infrastruktur zu haben,

sich frei in der Stadt bewegen zu können.

Doch Tourismus bedeutet, schneller Profit.

Um Dinge wirklich zu ändern, müsste die Stadt umdenken, investieren und konkret werden.

Vielen, vielen Dank fürs Anschauen.

Wir hoffen sehr, dass es euch gefallen hat und freuen uns über eure Kommentare und Reaktionen.

Und auf die werden wir nächste Woche im Q&A eingehen - insofern kommentiert fleißig und gebt uns Futter. Uns würde außerdem interessieren: Was habt ihr denn auf euren Reisen in den letzten Jahren verändert?

Wie hat sich euer Verhalten verändert? Mal ganz abgesehen auch von Corona.

Genau. Dann wollen wir euch noch eine Reportage von Flo empfehlen,

der in Tschernobyl war und über Dark Tourism berichtet hat, was echt ein ziemlich geiles Thema ist.

Überfülltes Venedig: Müssen wir anders reisen? Crowded Venice: Do we need to travel differently? Venise surpeuplée : devons-nous voyager autrement ? 混雑するベネチア:別の旅が必要か? Overvol Venetië: moeten we anders reizen? Veneza apinhada de gente: será necessário viajar de forma diferente? Kalabalık Venedik: Farklı şekilde mi seyahat etmeliyiz?

Venedig – Disneyland für Touristen.

Leben können hier immer weniger Menschen.

Das ist die beste und schönste Stadt, aber für junge Menschen ist es unmöglich hier zu bleiben.

Der Alltag ist teuer und Jobs gibt's fast nur im Tourismus.

Dann kam Corona und für drei Monate war die Stadt wie ausgestorben.

Vielleicht hat die Stadt es gebraucht zu atmen. Einfach einen tiefen Atemzug zu nehmen.

Wir sind vier Tage hier und treffen Menschen, die jetzt ihre Stadt zurückerobern wollen.

Wir wollen eine andere Stadt und das ist möglich.

Es ist die Art, wie sie reisen, die Art, in der die Gesellschaft sie hierher bringt, die falsch ist.

Nach Jahren des Massenandrangs fragen wir uns: Braucht die Stadt einen anderen Tourismus?

Venedig hat einen ganz besonderen Zauber.

Das empfindet aber auch die ganze Welt so, weswegen die Stadt von Touristen fast zu Tode geliebt wurde.

Es ist so schön hier. Es ist wie eine Zeitreise.

Seht euch das Orchester hinter uns an, das sieht aus, als wäre es direkt den 20er Jahren entsprungen.

Gerade kann man sich Venedig auch leisten - Werbung, Werbung - weil es überall Rabattaktionen gibt.

Nur eine Sache ändert sich nie und das sind die Preise auf dem Markusplatz.

Wir zahlen 36 Euro für zwei Aperol Sprizz.

Normalerweise sind die Gassen Venedigs voller Menschen.

Über 20 Millionen Touristen kommen jedes Jahr hierher, dabei hat die Stadt gerade mal 50 000 Einwohner.

Tendenz stark sinkend.

Wir waren beide schon öfter hier.

In der Hauptsaison haben wir die Stadt jedoch immer gemieden.

Wir hatten beide keine Lust auf die Touristenmassen.

Jetzt ist Juli. Eigentlich Hochsaison. Aber nicht im Jahr von Corona.

Und deswegen sind wir hier. Wir wollen wissen wie es den Einheimischen geht, ohne die Touri-Massen.

Marta lebt hier.

Danke, dass du dir so kurzfristig für uns Zeit nimmst.

Sie ist 28, für das Studium hergezogen und engagiert sich dafür,

dass die Stadt wieder dass die Stadt wieder lebenswert wird.

Sie nimmt uns mit in das Büro ihrer Organisation „No Grandi Navi“, auf deutsch „keine großen Schiffe“.

Marta kämpft gegen Massentourismus.

Ihr ist wichtig zu sagen, dass sie nichts gegen Touristen an sich hat.

Es geht uns nicht darum, dass Menschen sich schämen sollen, weil sie hier und so viele sind,

sondern es geht um die Organisation von großen Menschenmassen.

Gemeinsam mit ihren Mitstreitern organisiert sie Demonstrationen,

an denen in den letzten Jahren zehntausende Venezianer teilgenommen haben.

So sah es letzten Juli bei der Demo aus.

Und so voll wie bei der Demo ist es in der in Venedig jeden Tag, wenn Besucher auf den Markusplatz strömen.

Marta, erzähl mal, weshalb hat deine Organisation ein Problem mit Tourismus in Venedig?

Das Hauptproblem mit dem Tourismus hier in Venedig ist, dass er die Stadt als Konsumprodukt sieht,

statt einem Ort, an dem Menschen ihr tägliches Leben leben.

Menschen wollen hier nicht mehr bleiben, weil Dinge wie Dienstleistungen, Wohnungen und Jobs fehlen.

Für mich als junger Mensch, der vor ein paar Jahren seinen Abschluss gemacht hat,

ist es unmöglich einen Job zu finden, der nicht in der Tourismusindustrie ist.

Das ist ein sehr großes Problem.

Und was bedeutet das konkret?

Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, um Venedig einen besseren Ort für alle zu machen?

Das Problem ist, dass immer mehr Raum an den Tourismus geht,

der weggenommen wird von den Einwohnern und Einheimischen und Menschen,

die hier arbeiten und ihr Leben verbringen wollen.

Martas Botschaft: Mehr Wohnraum für die Locals, weniger Hotels und Airbnbs,

so kommen automatisch weniger Touristen.

Ihr wollt also, dass wir alle bewusster reisen, weil es sowohl der Umwelt als auch Orten wie Venedig allgemein hilft.

Ja, ganz genau.

Aber ist es trotzdem okay, dass wir hier sind?

Na klar, klar.

Da bin ich froh.

Von den 50.000 Einwohner Venedigs arbeitet die Hälfte im Tourismus.

Damit ist die ganze Stadt abhängig von einer Industrie.

Und auch wir merken schon nach wenigen Tagen, was das heißt.

Wir sind seit zwei Tagen unterwegs, auf der Suche nach einem Laden und zwar in allen Himmelsrichtungen,

wo ich einfach nur eine Batterie für dieses Mikrofon kaufen kann und wir finden nichts,

weil es gibt nur Touristenläden überall.

In erster Linie: Masken und Kostüme.

Sonst Restaurants, Pizzaläden, sonst keine Infrastruktur für Einheimische in irgendeiner Form.

Und dann können wir die Venezianer schon so ein bisschen verstehen, dass sie es leid sind,

dass sich ihre Stadt so vollständig dem Tourismus unterordnet. Absolut.

Kaum einer steht so sehr für Tourismus in Venedig wie die Gondoliere.

Sie alle hatten monatelang kein Einkommen.

Wir treffen Chiara, eine der wenigen Frauen, die diesen Beruf ausüben.

Die 43-Jährige arbeitet seit 2014 als Gondoliera.

„Ciao.“ „Ciao.“

Nachi – vertraut ihm nicht, er ist gefährlich!

Venedig ist ein Dorf. Das merken wir sehr schnell, als wir mit ihr unterwegs sind.

Während Corona haben sie und ihr Gondoliere-Freund von Erspartem gelebt.

Jetzt reicht es gerade so zum Rechnungen zahlen.

„Hoooi!“

Ist das deine Ankündigung, dass wir gleich kommen?

Denn jetzt biegen wir in den Canal Grande.

Wir sind hier, weil wir verstehen wollen, wie es in Venedig nach Corona weitergeht.

Es ist ja quasi die Eröffnung der Stadt.

Es fängt jeden Tag von vorne an.

Ich hoffe vielleicht auf ein bisschen mehr Bewusstsein, dass wir alles etwas mehr respektieren.

Wenn man sich an Dinge gewöhnt, auch wenn sie etwas Besonderes sind,

merkt man irgendwann nicht mehr, dass sie was Besonderes sind.

Und jetzt fühlt es sich wieder nach was Besonderem an?

Ja, ich bin glücklich. Ich bin glücklich auf dem Boot, ich bin glücklich über die Luft.

Ich freue mich wieder mit Kunden zu sprechen.

Wie war das früher, als man als Venezianer sein Haus kaum verlassen konnte,

weil die Straßen so voller Touristen waren?

Was denkst du über die Menschenmassen, die in den letzten Jahren hierher gekommen sind?

Es ist die Organisation, die nicht funktioniert. Die Menschen an sich sind nicht das Problem.

Wenn du dich mit Menschen unterhälst, sind sie meistens nett.

Es ist die Art, wie sie reisen und wie die Gesellschaft sie her bringt, die falsch ist.

Gerade fahren wir unter der Rialto-Brücke durch, einem Wahrzeichen Venedigs.

Dieser ganze Bereich ist normalerweise voller Menschen, was fühlst du, wenn du die Leere siehst?

Ich mag es. ich fühle die Schönheit. Ich sehe die Stadt, wie sie sein sollte.

Doch wie lange wird diese Schönheit noch zu genießen sein? Langsam macht alles wieder auf.

Heute das Bauer Palazzo, eines der traditionsreichsten Luxushotels der Stadt.

Es ist frühmorgens, die Angestellten treffen letzte Vorbereitungen bevor die Gäste kommen.

Noch klemmt die Drehtür. Sie wurde ja schließlich auch seit Ende März nicht mehr benutzt.

Der Hoteldirektor stimmt seine Angestellten auf den ersten Tag nach der Krise ein.

„Danke an alle, dass ihr hier seid. Schön, wirklich schön ist es, sagen zu können:

Heute öffnen wir wieder. Also viele Glückwünsche an euch, an eure Familien und alle, die euch nahestehen.

Danke!“

Und wenige Minuten später schon kommen die ersten Gäste an.

Willkommen! Willkommen im Bauer. Sie sind die ersten Gäste seit der Öffnung.

Claudia und Lorenz aus München werden herzlich und mit einem Upgrade willkommen geheißen.

Mir gefällts gerade ziemlich. Sonst wäre ich auch nicht gekommen, unter den normalen Zuständen.

Warum nicht? - Bin nicht so der Menschenmassen-Typ.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg war das Hotel nicht mehr geschlossen.

Hoteldirektor Vincenzo Finizzola ist die Erleichterung anzumerken.

Wie ist gerade das Gefühl, die Atmosphäre in der Stadt?

Jetzt ist es etwas wie eine Wiedergeburt. Wissen Sie, wie die Renaissance. Ich sage gerne Renaissance.

Es herrscht wieder Freude in der Lagune.

Die Motorboote fahren wieder. Die Gondeln auch.

Zu sehen, wie die Stadt wieder zum Leben erwacht, ist wirklich sehr sehr schön.

Es gab viel Übertourismus in Venedig.

Leute sagen sogar, dass Venedig förmlich missbraucht wurde von Touristen.

Jetzt sieht man die Straßen fast leer.

Es ist immer ein Kompromiss, wissen Sie? Wenn es zu viel ist, ist es zu viel. Wenn es zu wenig ist, ist es zu wenig.

Ich denke, es sollte eine Regulierung geben. Venedig ist ein offenes Museum.

Nur wenn du ein Museum betrittst und es schon voll ist, dann stoppen Sie den Einlass.

Das kann man hier nicht.

Gerade braucht die Stadt keine Regulierung. Viele Länder sind noch immer im Lockdown.

Mit die einzigen Touris, die hier durch die Straßen laufen: Deutsche.

Zwei Tage später treffen wir die Münchner, Claudia und Lorenz, wieder.

Wir finden‘s halt total genial. Ich meine, die Stadt ist so super leise.

Am Markusplatz waren das höchste 30 Leute, Maximum. Da hab ich auf dem Marienplatz mehr.“

Später am Abend besuchen wir nochmal Marta, die mit einem Mitbewohner ein Haus in Venedig besetzt.

Marta erzählt uns, dass es 130 besetzte Häuser in der Lagunenstadt gibt.

Das ist ein schönes Gebäude!

Ihr besetzt schöne Häuser in Venedig.

Wir haben gehört, dass es in Venedig mehr AirBnB-Wohnungen gibt als irgendwo anders auf der Welt im Verhältnis zu den Einwohnern.

Es gibt sogar noch mehr als die Anzahl, die ihr gefunden habt. Es ist ein großes Problem.

Aber auch wir sind Teil des Problems. Auch wir übernachten in einem Airbnb.

Deshalb bedeutet die Hausbesetzung für uns auch, dass wir uns etwas wiederholen, was bereits uns gehört.

Für mich ist das ein politisches Statement.

Wie hast du dich entschieden, ein Haus zu besetzen?

Als Studentin mit Abschluss konnte ich nur Jobs finden in Bereichen wie Einchecken,

ich habe als Kellnerin gearbeitet und als Babysitterin.

Ich hatte drei Jobs u nd ich hatte trotzdem nicht genug Geld, um die Miete zu bezahlen.

Sie beschreibt einen Teufelskreis.

Unterbezahlter Job, eine Wohnung kannst Du Dir nicht leisten, sobald du weg bist,

wird aus Deiner Wohnung ein Airbnb.

Eine Menschen glauben durch die Pandemie und alles was sonst so in der Welt passiert,

könne der Tourismus und das Leben in Venedig besser werden als es für sehr lange Zeit war. Glaubst du das?

Ich habe gemischte Gefühle darüber. Denn einerseits ist alles entschleunigt,

nur wir sind hier, keine Touristenmassen.

Andererseits macht die Tatsache, dass Venedig jetzt als Geisterstadt bezeichnet wird, sehr traurig.

Auch ohne Touristen sollte Venedig doch wie eine Stadt aussehen, und das tut es nicht.

Alle sind sich einig. Vom Manager des Luxushotels bis zur linken Aktivistin:

Es muss sich etwas ändern. Die Stadt muss wieder lebenswert sein.

Es muss möglich sein, Geld zu verdienen, hier wohnen zu können, Infrastruktur zu haben,

sich frei in der Stadt bewegen zu können.

Doch Tourismus bedeutet, schneller Profit.

Um Dinge wirklich zu ändern, müsste die Stadt umdenken, investieren und konkret werden.

Vielen, vielen Dank fürs Anschauen.

Wir hoffen sehr, dass es euch gefallen hat und freuen uns über eure Kommentare und Reaktionen.

Und auf die werden wir nächste Woche im Q&A eingehen - insofern kommentiert fleißig und gebt uns Futter. Uns würde außerdem interessieren: Was habt ihr denn auf euren Reisen in den letzten Jahren verändert?

Wie hat sich euer Verhalten verändert? Mal ganz abgesehen auch von Corona.

Genau. Dann wollen wir euch noch eine Reportage von Flo empfehlen,

der in Tschernobyl war und über Dark Tourism berichtet hat, was echt ein ziemlich geiles Thema ist.