Die Schlacht von Verdun 1916
In diesem Video geht es um eine Schlacht,
die zum Mythos geworden ist?
Die Schlacht von Verdun.
Die erste und eine der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs.
Klar ist, dass hundert Tausende junge deutsche und Franzosen
bei Verdun ihr Leben lassen.
Nicht so ganz klar ist, warum diese Schlacht überhaupt geschlagen wird.
Wie es zur "Hölle von Verdun" kam,
welchen Verlauf die Schlacht genommen hat
und welche Folgen sie hatte.
Alles das erklären wir euch jetzt.
(Aufziehen, Bimmeln)
Die Schlacht um Verdun.
Lasst euch nicht von dem Begriff "Schlacht" irreführen.
Normalerweise versteht man ja unter einer Schlacht ein Ereignis,
das in mehreren Stunden erledigt ist.
Vielleicht nach drei Tagen.
Aber die Schlacht dauert mehr als 300 Tage.
Vom 21. Februar bis zum 19. Dezember 1916.
In dieser schier ewigen Schlacht
werden so viele Menschen getötet und verwundet,
werden so viele Granaten und Munitionen verschossen
wie noch nie zuvor in der Geschichte.
25 Millionen Sprenggranaten und 100.000 Giftgasgranaten
gehen auf die Soldaten nieder.
Jeden Tag sterben mehr als 1.000 Mann.
Mehr noch werden verwundet, oft verstümmelt - jeden Tag.
Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt zwei Wochen.
Kein Wunder, dass die Soldaten von einer Knochenmühle
oder von der Hölle sprechen.
Wie kommt es zu dieser Schlacht?
Ende 1915 ist die Lage im Ersten Weltkrieg
für die Deutschen und ihre Verbündeten schlecht.
Zwar haben sie in den vergangenen Monaten einige Siege errungen,
aber das lag vor allem daran, dass die Alliierten damals,
Briten, Franzosen, Italiener und Russen,
ihre Militäraktionen nicht ausreichend koordinierten.
Zahlenmäßig waren die Deutschen klar unterlegen.
Auch in der Rüstung, in der Waffen- und Munitionsproduktion
fallen sie zurück.
Zum Kriegsverlauf haben wir bereits ein Video,
findet ihr oben und in der Infobox.
Um die Niederlage abzuwenden,
entwickelt der deutsche General Erich von Falkenhayn einen Plan.
Er will den Feind mit einer Offensive so sehr schwächen,
dass der den Krieg nicht mehr fortführen kann.
So erzählt es Falkenhayn zumindest nach dem Krieg.
Mit einem gewaltigen Angriff will der General
eine gut zu verteidigende Stellung erobern
und dann die Franzosen dagegen anrennen lassen.
Bis sie am Ende erschöpft sind.
Der Gegner soll regelrecht ausbluten.
Für diesen Plan wählt er den Ort Verdun,
eine der wichtigsten französischen Verteidigungsanlagen.
Ein Köder, damit die Franzosen
sich in eine nicht zu gewinnende Schlacht stürzen.
Sie sollen so schwere Verluste erleiden,
dass sie nicht mehr weiterkämpfen können.
Es ist wahrscheinlicher, dass die Zivilbevölkerung
einen Friedensschluss verlangt, weil die Opfer zu groß sind.
Das ist die militärische Idee hinter der Schlacht von Verdun.
Von Falkenhayn setzt darauf,
Tausende und Abertausende der eigenen Männer zu opfern,
um möglichst viele der Gegner zu töten.
Wie gesagt, so stellt es der General nach dem Ersten Weltkrieg dar.
Zur Zeit des Krieges wird behauptet,
dass man mit dem Angriff den Stellungskrieg beenden will,
um wieder in die Offensive zu kommen.
Im Ersten Weltkrieg
liegen sich die Feinde in Schützengräben gegenüber,
die Front verschiebt sich nur um ein paar Meter.
Der Krieg wird zu einer Materialschlacht.
Wer mehr Männer und Munition hat, bleibt am Ende übrig und ist Sieger.
Das ist die Logik.
Die Schlacht von Verdun wird daran nichts ändern.
Einige Historiker meinen,
von Falkenhayn habe die erste Begründung, die mit dem Ausbluten,
nur erfunden, um den militärischen Misserfolg kleinzureden.
Wie läuft die Schlacht ab?
Am 21. Februar 1916 donnern mehr als 1.500 deutsche Kanonen los.
40 Divisionen stehen zum Angriff bereit,
gegen neun französische Divisionen.
Deutsche Stoßtrupps greifen unter dem Schutz der Artillerie
verschiedene Forts an, also Befestigungsanlagen
rund um die Stadt Verdun an.
Vier Tage später ist das Fort Douaumont eingenommen.
Im Mai erobern die Deutschen die Höhenstellung "Toter Mann"
und Höhe 304.
Der Vormarsch geht dabei viel langsamer voran,
als die Befehlshaber erhofft haben.
Denn die Franzosen schießen natürlich auch mit Artillerie zurück,
um ihre Stellungen zu verteidigen.
Die Eroberungen führen zu erheblichen Verlusten.
Genau das ist ja in der Strategie der Deutschen auch einkalkuliert.
Wenn man die gut zu verteidigenden Höhenzüge erobert hat,
will man selbst auf der günstigen Seite sitzen.
So wird erbittert um jedes Dorf, jedes Fort und jede Anhöhe gekämpft.
Die Granaten pflügen den Boden regelrecht um.
In der Gegend schließt ein Bombenkrater an den nächsten an.
Die Tausenden Toten verwesen auf dem Schlachtfeld.
Ratten laufen in den Schützengräben herum
und Krankheiten verbreiten sich.
Der erbarmungslose Dauerbeschuss, der grausame Nahkampf,
die ständige Angst vor dem Tod.
Was die Soldaten körperlich und psychisch erleben,
das können wir uns heute kaum vorstellen.
Tagebücher und Briefe geben zumindest einen Eindruck.
Der französische Soldat Gaston Biron
schreibt am 18. April 1916 an seine Mutter:
Gaston Biron wird die Schlacht nicht überleben.
Er wird wenige Monate später verwundet
und stirbt nach dreitägigem Todeskampf.
Zitate wie dieses zeigen: Verdun ist wirklich die Hölle.
Und es ist erst der Anfang.
Am 11. Juli bleibt der deutsche Angriff stecken.
Die wichtigen Stellungen sind nur zum Teil erobert.
Jetzt greifen die Franzosen an.
Meter für Meter erobern sie das, was sie verloren haben, zurück,
bis auch sie am 19. Dezember erschöpft sind.
Dass die Franzosen überhaupt so lange durchhalten,
verdanken sie dem französischen General Philippe Pétain.
Seine Taktik verhindert, dass das Kalkül der Deutschen aufgeht.
Pétain nämlich führt ständig neue Truppen heran
und tauscht die Soldaten immer wieder aus.
So stellt sich lange kein Gefühl der übergroßen Erschöpfung ein,
es kommt keine Resignation auf.
Etwa zwei Drittel aller französischen Soldaten
kämpft im Verlauf der Schlacht bei Verdun mit.
Die Deutschen dagegen füllen immer nur ihre Lücken auf.
Während der Name Verdun in Frankreich für ein gemeinsames Opferbringen,
für das Durchhalten gegen alle Höllenqualen steht,
bedeutet Verdun in Deutschland ein Loch ohne Boden,
wo Abertausende junge Männer verschwinden.
Ein sinnloses Opfer.
Zu Pétain haben wir ein Video, das empfehle ich euch sehr.
Ist oben auf dem "i" oder in der Infobox.
Er wird nach dem Ersten Weltkrieg als Held von Verdun verehrt,
aber der Mythos bröckelt schnell.
Er hat im Zweiten Weltkrieg wieder den Oberbefehl
über französische Truppen,
kollaboriert aber nach der Niederlage mit den Nationalsozialisten.
Er regiert im von der Wehrmacht unbesetzten Teil Frankreichs
wie ein Diktator.
Nun wieder zurück ins Jahr 1916.
Welches Ergebnis hat die Schlacht von Verdun?
Elend, Leid und Not.
Ruinen, Krater, verwüstete Landschaft.
Deutsche und Franzosen haben am Ende der Schlacht
700.000 Tote, Vermisste und Verwundete zu beklagen.
Aber die Geländegewinne sind lächerlich
und völlig unbedeutend.
Die Schlacht hat praktisch keinen militärischen Nutzen.
Sie ist keine entscheidende Schlacht des Krieges.
Aber bei Verdun wird einiges ausprobiert, das neu ist.
Die Deutschen setzen hier erstmals neue Waffen und Geräte ein.
Zum Beispiel Giftgas.
Das wird zwar nicht zum allerersten Mal angewendet,
aber es wird zum ersten Mal mit Granaten verschossen.
Das Gas ist gar nicht so wirksam, wie es immer dargestellt wird.
An Giftgas zu sterben oder davon verwundet zu werden ist grausam.
Aber nur relativ wenige Soldaten werden getroffen.
Gas ist eben sehr flüchtig.
Trotzdem eine fürchterliche Waffe, keine Frage.
Eine weitere grausame Waffe ist der Flammenwerfer,
der gegen die Bunker der Franzosen bei Verdun eingesetzt wird.
Das brennende Öl, das lässt sich mit den Bunkern nicht abhalten.
Es dringt durch jede Ritze ein.
Eine dritte Neuerung ist der Stahlhelm,
der die Pickelhaube aus Leder ersetzt,
die die Deutschen noch zu Beginn des Krieges tragen.
Der schützt relativ gut vor Granatsplittern
und herumfliegendem Gestein, sodass ihn bald alle Armeen nutzen.
Gas, Flammenwerfer, Stahlhelm.
Drei Waffen und Ausrüstungsgegenstände,
die zum Symbol der modernen Kriegsführung werden.
Auch dafür steht Verdun.
Die moderne Welt, die Errungenschaften der Technik
und die industrielle Produktionsweise wenden sich gegen den Menschen.
Der einzelne Soldat ist selbst nur noch Material in einer Schlacht.
Verdun zeigt, dass es völlig egal ist,
ob man einen Schuss abgibt oder 100.000,
dass es egal ist, ob einer stirbt oder 100.000,
es ändert nichts
an der menschenverachtenden militärischen Logik
des modernen Krieges.
Es ändert offenbar auch nichts daran, wer gewinnt oder verliert.
Was ist das Erbe von Verdun?
In Frankreich sieht man in der Schlacht
lange den Wendepunkt des Krieges, der zum Sieg führt.
Aber schon bald wird Verdun zum Symbol für den Ersten Weltkrieg.
Anfangs für heldenhafte Aufopferung, später für das sinnlose
und lebensverachtende Verheizen von Menschen.
In den 1980er-Jahren erhält Verdun ein weiteres Sinnbild.
Und zwar für die Aussöhnung der ehemaligen angeblichen Erzfeinde
Frankreich und Deutschland.
Das kommt so:
1984 jährt sich die Landung der Alliierten in der Normandie
im Zweiten Weltkrieg zum 40. Mal.
Dieses Jubiläum wollen die ehemaligen Alliierten
noch ohne Deutschland feiern.
Zum Ausgleich wird aber
ein gemeinsames deutsch-französisches Gedenken organisiert.
Das findet in Verdun statt.
Der französische Präsident und der deutsche Bundekanzler Helmut Kohl
verneigen sich am 22. September 1984
gemeinsam vor den Toten des Krieges.
Um zu zeigen, dass man aus der Geschichte lernen kann,
wie Kohl in seiner Autobiografie schreibt.
Er schreibt weiter, dass Mitterrand spontan seine Hand ergriff,
wobei dieses Foto hier entsteht.
Im Fragenkatalog zur deutschen Einbürgerung
wird das Bild auch gezeigt.
Es wird gefragt, was es bedeutet.
Ich finde, es ist wirklich eine starke Geste. Kann man so sagen.
Heute ist Verdun ein Mythos.
Im Guten wie im Schlechten.
Es ist wichtig, dass wir begreifen,
wie zynisch und menschenverachtend die Logik des Krieges ist.
Und wie lange es dauert, bis man sie überwindet
und zur Versöhnung kommt.
Deshalb die Frage an euch:
Was empfindet ihr denn, wenn ihr den Begriff Verdun hört?
Welche Lehren müssen wir daraus ziehen?
Kommentiert gerne.
Falls ihr mehr über das Ende
und die Folgen des Ersten Weltkrieges wissen wollt,
findet ihr hier ein Video zum Versailler Vertrag.
In dem Video von Terra X erklären wir euch ausführlicher
den Verlauf des Krieges und was in den 1910er-Jahren
noch Wichtiges passiert ist.
Danke und bis zum nächsten Mal.