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Priester und Detektiv: G. K. Chesterton (1874 - 1936), Gilbert Keith Chesterton: Der geheime Garten Teil 1

Gilbert Keith Chesterton: Der geheime Garten Teil 1

Der geheime Garten Aristide Valentin, Chef der Pariser Polizei, hatte sich zu seinem Diner etwas verspätet und einige seiner Gäste begannen vor ihm einzutreffen.

Sie wurden jedoch von seinem getreuen Diener Iwan beruhigt, dem Alten mit der Narbe und einem Gesichte, das beinahe ebenso grau war wie sein Schnurrbart, und der immer an seinem Tische in der Vorhalle saß, einer mit Waffen behängten Vorhalle. Valentins Haus war vielleicht ebenso eigenartig und berühmt wie dessen Besitzer. Es war ein altes Haus mit hohen Mauern und mächtigen Pappeln, welche beinahe die Seine überhingen; aber das Seltsame seiner Bauart – und vielleicht sein Polizeiwert– bestand darin, daß es gar keinen anderen Ausgang ins Freie besaß, als den durch die Eingangstüre, die von Iwan und der Waffensammlung bewacht wurde. Der Garten war groß und gut gepflegt und es gab verschiedene Zugänge aus dem Hause in den Garten; aber es gab keinen Ausgang aus dem Garten in die Außenwelt. Ringsherum lief eine hohe, glatte unersteigbare Mauer mit eigentümlichen Stacheln auf dem Rücken, wohl kein übler Garten für einen solchen Mann, wenn man bedenkt, daß einige Hundert Verbrecher geschworen hatten, ihn aus der Welt zu schaffen. Wie Iwan den Gästen erklärte, hatte ihr Gastgeber telephoniert, er sei noch auf zehn Minuten zurückgehalten.

In Wirklichkeit war er dabei, noch einige letzte Anordnungen für Hinrichtungen und ähnliche garstige Dinge zu treffen, und obwohl ihm diese Pflichten von Grund aus widerwärtig waren, vollzog er sie doch stets mit aller Pünktlichkeit. Unbarmherzig in der Verfolgung von Verbrechern, war er sehr nachsichtig bezüglich ihrer Bestrafung. Seit er an der Spitze des französischen und im allgemeinen auch europäischen Polizeiwesens stand, verwandte er seinen großen Einfluß ehrlich zugunsten einer Milderung der Verurteilungen und einer Säuberung der Gefängnisse. Er war einer jener menschenfreundlichen Freidenker, welche das einzige Schlimme an sich haben, daß sie das Erbarmen sogar noch kälter als die Gerechtigkeit machen. Als Valentin eintraf, steckte er bereits in schwarzer Kleidung mit der roten Rosette – eine elegante Gestalt mit dunklem, jedoch bereits ergrauendem Barte.

Er begab sich geradeaus durch sein Haus in sein Studierzimmer, welches auf den dahinter liegenden Grundbesitz hinausging. Die Gartentüre war offen, und nachdem er seine Handtasche an ihren dafür bestimmten Platz versperrt hatte, stand er zwei Sekunden am offenen Fenster und blickte in den Garten hinaus. Die scharfe Mondsichel kämpfte mit den fliegenden Fetzen und Trümmern eines Sturmes und Valentin betrachtete ihn mit einer für eine wissenschaftlicheNatur, wie es die seinige war, ungewöhnlichen Nachdenklichkeit.

Vielleicht besitzen solche wissenschaftliche Naturen irgendeinen seelischen Weitblick auf die schrecklichsten Probleme ihre Lebens. Wenigstens beeilte er sich, eine solche Stimmung von sich abzuschütteln, denn er wußte, er war spät daran und seine Gäste hatten schon begonnen einzutreffen. Ein Blick in den Salon genügte ihm bei seinem Eintreten, ihn zu vergewissern, daß sein hauptsächlichster Gast jedenfalls noch fehlte. Er sah all die anderen Stützen der kleinen Gesellschaft: er sah Lord Galloway, den englischen Gesandten, einen cholerischen alten Herrn mit einem rotbraunen Gesichte wie ein Apfel, und dem blauen Bändchen des Hosenbandordens. Er sah Lady Galloway, schmächtig und dünn wie ein Faden, mit silbernem Haar und einem empfindsamen und überlegenen Gesicht. Er sah deren Tochter, Lady Margaret Graham, ein bleiches und hübsches Mädchen mit einem Elfengesicht und kupferfarbenem Haar. Er sah die Herzogin von Mont St. Michel, schwarzäugig und üppig, und mit ihr ihre zwei Töchter, ebenfalls schwarzäugig und üppig. Er sah Dr. Simon, den typischen französischen Gelehrten mit Brille, braunem Spitzbart und einer von jenen parallelen Runzeln durchfurchten Stirne, welche die Strafe des Hochmutes sind, da sie durch fortwährendes Hochziehen der Brauen entstehen. Er sah Father Brown aus Cobhole in Essex, den er vor kurzem in England kennen gelernt hatte. Er sah – vielleicht mit mehr Interesse als irgend jemand vonall diesen – einen großen Mann in Uniform, der sich zu den Galloways herabbeugte, ohne jedoch ein besonders herzliches Entgegenkommen zu finden, und nun herantrat, dem Gastgeber seine Aufwartung zu machen. Das war Hauptmann O'Brien von der französischen Fremdenlegion. Er war eine geschmeidige und doch etwas großtuerische Gestalt, glattrasiert, dunkelhaarig, blauäugig und, wie es bei einem Offizier jenes berühmten Regimentes siegreicher Mißerfolge und erfolgreicher Selbstmorde natürlich schien, mit einem Ausdrucke von Ungestüm sowohl wie von Schwermut. Er war von Geburt Irländer und hatte in jungen Jahren die Galloways gekannt – besonders Margaret Galloway. Von Gläubigern bedrängt, hatte er seine Heimat verlassen und brachte jetzt seine vollständige Verachtung für britische Etikette dadurch zum Ausdruck, daß er in Uniform und mit Säbel und Sporen umherschlenderte. Als er sich Zur Familie des Gesandten herniederbeugte, verneigten sich Lord und Lady Galloway steif und Lady Margaret blickte zur Seite. Doch aus welchen alten Gründen auch immer solche Leute aneinander interessiert sein mochten, ihr ausgezeichneter Gastgeber nahm kein besonderes Interesse an ihnen.

Keines von ihnen war wenigstens in seinen Augen der Gast des Abends. Valentin erwartete aus besonderen Gründen einen Mann von welt umfassendem Rufe, dessen Freundschaft er sich auf einigen seiner großen Detektivreisen in den Vereinigten Staaten erworben hatte. Er erwartete Julius A. Brayne, jenen Multimillionär, dessen riesige und selbst erdrückende Schenkungen zugunsten kleiner Religionsgemeinschaften den amerikanischen Blättern Anlaß zu manchem leichten Scherz und zu manchem leichten Ernst gaben. Niemand konnte genau angeben, ob Mr. Brayne Atheist war oder Mormone oder Gesundbeter; aber er war stets bereit, Geld in jedes geistige Gefäß zu schütten, solange dieses keins war, das sich überlebt hatte. Eines seiner Steckenpferde bestand darin, auf den amerikanischen Shakespeare zu warten – ein Steckenpferd, das mehr Geduld erforderte als Angeln. Er bewunderte Walt Whitman, hielt aber Lukas P. Tanner aus Paris, Pa., für »fortschrittlicher« als Whitman. Er hatte eine Vorliebe für alles, was er für fortschrittlich hielt. Auch Valentin hielt er für fortschrittlich, tat ihm damit aber ein großes Unrecht an. Das Erscheinen Julius K. Braynes im Zimmer wirkte so entscheidend wie die Tischglocke.

Er besaß jene große Eigenschaft, welcher sehr wenige von uns sich rühmen können, nämlich daß seine Gegenwart so fühlbar wirkte wie seine Abwesenheit. Er war von mächtiger Gestalt, ebenso fett wie stark, steckte in tadelloser Abendtoilette, ohne ihr auch nur durch so viel wie eine Uhrkette oder einen Ring nachzuhelfen. Sein Haar war weiß und wie bei einem Deutschen glatt nach rückwärts gekämmt, das Gesicht rot, leidenschaftlich und unschuldig, mit einem dunklen Knebelbarte an der Unterlippe, was diesem sonst kindlichen Gesichte etwas Theatralisches, ja selbst Mephistophelisches verlieh. Nicht lange jedoch beschränkte sich dieser Salon darauf, den berühmten Amerikaner anzustarren, sein verspätetes Kommen war schon ein häusliches Problem geworden und mit aller Beschleunigung wurde er mit Lady Galloway am Arme in das Speisezimmer geschickt. Einen Punkt ausgenommen, waren die Galloways ganz heiter und unbefangen.

Solange Lady Margaret nicht den Arm jenes Abenteurers O'Brien nahm, war ihr Vater ganz zufrieden, und sie hatte es nicht getan, sie war, wie es sich geziemte, mit Dr. Simon eingetreten. Nichtsdestoweniger war der alte Lord Galloway unruhig und beinahe grob. Während des Diners benahm er sich noch halbwegs als Diplomat, als aber bei den Zigarren drei von den jüngeren Herren – Simon, der Doktor, Brown, der Priester, und der störende O'Brien, der Verbannte in fremder Uniform – sich verzogen, um sich unter die Damen zu mischen oder im Gewächshause zu rauchen, wurde der englische Diplomat in der Tat sehr undiplomatisch. Alle sechzig Sekunden stachelte ihn der Gedanke auf, der Taugenichts von einem O'Brien könnte irgendwie Lady Margaret Zeichen machen; auf welche Weise, bemühte er sich erst gar nicht sich vorzustellen. Er war mit Brayne, dem weißhaarigen Yankee, der an alle Religionen glaubte, und Valentin, dem ergrauenden Franzosen, der an gar keine glaubte, seinem Kaffee überlassen. Miteinander streiten, das konnten sie, aber keiner von ihnen war imstande, ihn ins Gespräch zu ziehen. Nach einiger Zeit hatte die fortschreitende Wortklauberei den Gipfelpunkt der Langweile erreicht und Lord Galloway erhob sich und suchte den Salon auf. Sechs bis acht Minuten verlor er in den langen Gängen seinen Weg, bis er die hochgestimmte, dozierende Stimme des Doktors und dann die langsame des Priesters gefolgt von allgemeinem Gelächter hörte. Aber im Augenblicke, da er die Salontüre öffnete, sah er nur eines – er sah was nicht dort war. Er sah, daß Hauptmann O'Brien fehlte und daß auch Lady Margaret nicht da war. Ungeduldig, wie er das Speisezimmer verlassen hatte, den Rauchsalon verlassend, stampfte er nochmals den Gang entlang.

Sein Bestreben, seine Tochter vor dem irisch-algerischen Tunichtgut zu beschützen, war etwas wie der Mittelpunkt seines Geistes, eine nahezu fixe, verrückte Idee geworden. Als er der Rückseite des Hauses zuschritt, wo Valentins Arbeitszimmer lag, war er überrascht, seine Tochter zu treffen, welche mit blassem, achtlosem Gesichte vorüberschoß, was ein zweites Rätsel darstellte. Wenn sie mit O'Brien zusammen war, wo war O'Brien? Wenn sie mit O'Brien nicht zusammengewesen war, wo war sie gewesen? Mit dem dem Alter eigenen leidenschaftlichen Verdachte strebte er vorwärts dem hinteren, dunklen Teile des Hauses zu und traf zufällig auf eine Dienstbotentüre, welche auf den Garten hinausführte. Der Mond hatte jetzt mit seiner Sichel die ganzen Reste des Sturmes zerrissen und vor sich hergewälzt. Sein Silberlicht erhellte alle vier Winkel des Gartens. Eine hohe Gestalt in Blau schritt über den Rasen der Türe des Arbeitszimmers zu und ein Schimmer des Mondlichtes auf ihrem Umrisse ließ sie als den Hauptmann O'Brien erkennen. Er verschwand durch die französische Glastüre in das Haus und ließ Lord Galloway in einer ganz unbeschreiblichen Geistesverfassung, giftig und zugleich unentschlossen.

Der Garten, der in seinem Blau und Silber wie die Bühne eines Theaters erschien, schien ihn zu verhöhnen mit all jener aufdringlichen Zartheit, gegen die seine weltliche Überlegenheit vergebens anzukämpfen suchte. Die Länge und Eleganz der Schritte des Irländers versetzten ihn auch in Zorn, als wäre er nicht der Vater, sondern der Nebenbuhler, und das Mondlicht machte ihn vollends rasend. Wie in einer Watteauschen Märchenlandschaft fühlte er sich von dem Zauber eines Troubadourgartens gefangen, und entschlossen, sich solch verliebten Verrücktheiten durch Unterhaltung zu entziehen, lief er hinter seinem Feinde drein. Er strauchelte dabei über eine Wurzel oder einen Stein im Grase. Er blickte zu Boden, zuerst ärgerlich, dann ein zweites Mal neugierig. Im nächsten Augenblick schien der Mond und sahen die hohen Pappeln auf etwas ganz Außergewöhnliches hernieder – auf einen ältlichen englischen Diplomaten, der davon sprang und dabei schrie oder brüllte. Seine heiseren Schreie riefen ein bleiches Gesicht in die Türe des Studierzimmers, die blitzende Brilleund die hochgezogenen Brauen Dr. Simons, der des Edelmannes erste klare Worte vernahm.

Lord Galloway schrie: »Eine Leiche im Grase, eine blutige Leiche!«

An O'Brien dachte er gar nicht mehr.

»Wir müssen sofort Valentin davon verständigen,« meinte der Doktor, als der andere in abgerissenen Worten alles beschrieb, was er zu erkennen gewagt hatte.

»Ein Glück, daß er hier ist!« und eben als er sprach, trat der große Detektiv ins Studierzimmer, herbeigerufen durch den Schrei. Es war beinahe amüsant, seine typische Veränderung zu beobachten. Er war eingetreten mit der gewöhnlichen Unruhe des Gastgebers und Gentlemans, welcher fürchtet, daß einer seiner Gäste oder Dienstboten erkrankt ist. Als er jedoch die blutige Tatsache erfuhr, wurde er bei all seinem feierlichen Ernste plötzlich munter und geschäftsmäßig, denn, so unerwartet und gräßlich es sein mochte, es war sein Beruf. »Seltsam, meine Herren,« sagte er, als sie in den Garten hinauseilten, »daß ich Geheimnisse um die Erde herum verfolgt haben sollte und nun kommt eines und nistet sich in meinem eigenen Garten ein.

Wo ist der Ort?« Sie überquerten den Rasen mit etwas weniger Zuversicht, da ein leichter Dunst vom Flusse sich zu erheben begonnen hatte, doch unter der Führung des verstörten Galloway fanden sie den in das tiefe Gras gesunkenen Körper, den Körper eines sehr großen und breitschulterigen Mannes.

Er lag mit dem Gesichtenach unten, so daß man nur gewahrte, daß seine starken Schultern von schwarzem Tuche bekleidet waren und sein mächtiger Kopf außer einigen Haarbüscheln, die wie nasses Seegras an dem Schädel klebten, kahl war. Eine Scharlachschlange von Blut kroch unter seinem Gesichte hervor. »Wenigstens,« meinte Simon mit einem tiefen und eigentümlichen Ausdruck, »ist es niemand aus unserer Gesellschaft!«

»Untersuchen Sie ihn, Doktor,« rief Valentin ziemlich hastig, »er könnte noch nicht ganz tot sein.«

Der Doktor bückte sich nieder.

»Er ist nicht ganz kalt, aber ich fürchte, er ist tot genug,« entschied er.

»Helfen Sie mir einmal, ihn aufzurichten.« Sorgfältig hoben sie ihn einen Zoll hoch vom Boden empor, und alle Zweifel, ob er wirklich tot sei, waren sofort aufs gräßlichste beseitigt, denn – das Haupt fiel herab.

Es war gänzlich vom Körper getrennt gewesen. Wer immer ihm den Hals durchgeschnitten haben mochte, der hatte ihm auch den Nacken durchgeschnitten. Selbst Valentin erschrak ein wenig. »Er muß stark gewesen sein wie ein Gorilla,« murmelte er.

Obwohl an anatomische Operationen gewöhnt, hob Dr. Simon den Kopf nicht ohne einiges Beben auf.

Er war am Nacken und der Kinnlade leicht zerfranst, das Gesicht aber zeigte keinerlei Verletzung. Es war ein plumpes, gelbes Gesicht, gleichzeitigeingefallen und doch aufgedunsen, mit einer Adlernase und schweren Augenlidern – das Gesicht eines lasterhaften römischen Kaisers mit vielleicht einer leichten Annäherung an einen chinesischen Kaiser. Alle Anwesenden schienen es mit dem kältesten Auge des Fremden anzusehen. Nichts anderes ließ sich beim Aufheben des Körpers über den Mann feststellen, als der weiße Schimmer eines Vorhemdes, befleckt von einem roten Schimmer von Blut. Es war, wie Dr. Simon sagte, der Mann hatte nicht zu ihrer Gesellschaft gehört. Er konnte aber ganz gut versucht haben, sich zu ihr zu gesellen, denn er war in einer, solcher Gelegenheit entsprechenden Weise gekleidet. Valentin ließ sich auf seine Hände und Knie nieder und untersuchte auf etwa zwanzig Meter im Umkreise mit seiner peinlichsten beruflichen Sorgfalt den Boden, wobei er etwas weniger sorgfältig von dem Doktor und ganz oberflächlich von dem englischen Lord unterstützt wurde.

Nichts belohnte ihr Herumkriechen, als einige ganz kurze Stücke abgezwickter oder abgehackter Zweige, die Valentin für einen Augenblick prüfend aufhob und dann beiseite warf. »Zweige,« sagte er gravitätisch, »Zweige und ein ganz Fremder mit abgeschnittenem Kopfe, das ist alles, was auf der Wiese zu finden ist.«

Eine beinahe schaudernde Stille entstand, und dann stieß der fassungslose Galloway scharf hervor:

»Wer ist dort?

Wer ist dort drüben an der Gartenmauer?« Eine kleine Gestalt mit einem lächerlich großen Kopfe näherte sich ihnen unschlüssig im Mondscheindunste; einen Augenblick sah sie wie ein Kobold aus, doch entpuppte sie sich schließlich als der harmlose, kleine Priester, den sie im Salon zurückgelassen hatten.

»Übrigens,« bemerkte er bescheiden, »Sie wissen, es gibt keine Tore zu diesem Garten.«

Valentins schwarze Augenbrauen zogen sich etwas ärgerlich zusammen, wie sie es angesichts der Soutane grundsätzlich taten.

Doch er war zu gerecht, um die Bedeutung der Bemerkung abzuleugnen. »Sie haben recht,« erwiderte er, »ehe wir herausfinden, wie er getötet wurde, müßten wir herausfinden, wie er dazu kam, hier zu sein.

Nun hören Sie mich an, meine Herren! Wenn es ohne Beeinträchtigung meiner Stellung und Pflichten sich machen läßt, werden wohl alle einverstanden sein, daß gewisse ausgezeichnete Namen besser aus der Geschichte ausgeschaltet bleiben. Es sind Damen hier und ein fremder Gesandter. Wenn wir es als ein Verbrechen ansehen, muß es auch als ein Verbrechen verfolgt werden. Bis dahin aber kann ich von meiner eigenen Verschwiegenheit Gebrauch machen. Ich bin das Haupt der Polizei: ich bin so öffentlich, daß ich mir gestatten kann, privat zu sein. Wenn es dem Himmel gefällt, werde ich jeden meiner Gäste entlassen, ehe ich meine Leute hereinrufe, um nach irgend jemand anderem zu suchen. Meine Herren, auf Ihr Ehrenwort, niemand von Ihnen wird das Haus bis morgen mittags verlassen: es sind Schlafzimmer für jedermannbereit. Simon, ich glaube, Sie wissen, wo mein Diener Iwan in der Vorhalle zu finden ist; er ist ein vertrauenswürdiger Mann. Sagen Sie ihm, er solle einen anderen Diener als Wache lassen und sofort zu mir kommen. Lord Galloway, Sie sind sicherlich die geeignetste Person, den Damen mitzuteilen, was geschehen ist, und eine Panik zu verhindern. Auch Sie müssen bleiben. Father Brown und ich werden bei der Leiche bleiben.« Wenn dieser Geist des Befehlshabers aus Valentin sprach, gehorchte man ihm wie einem Signalhorne.

Dr. Simon ging nach dem Waffensaal hinein und störte Iwan auf, des amtlichen Detektivs Privatdetektiv. Galloway begab sich nach dem Salon und erzählte äußerst taktvoll die schreckliche Neuigkeit, so daß zur Zeit, als sich die Gesellschaft dort zusammenfand, die Damen schon bestürzt und wieder beschwichtigt waren. Inzwischen standen der gute Priester und der gute Atheist bewegungslos zu Haupt und Füßen des toten Mannes im Mondlicht gleich symbolischen Statuen ihrer eigenen beiden Philosophien des Todes. Iwan, der Vertraute mit der Narbe und dem Schnurrbarte, kam aus dem Hause geschossen wie eine Kanonenkugel und lief über den Rasen auf Valentin zu wie ein Hund auf seinen Herrn.

Sein fahles Gesicht hatte sich ganz belebt von der Glut dieser häuslichen Detektivgeschichte und mit beinahe unangenehmer Gier fragte er seinen Herrn um Erlaubnis, die Überreste untersuchen zu dürfen. »Ja, sieh nach, Iwan, wenn du willst,« erlaubte Valentin.

»Aber mache nicht zu lange, wir müssen hineingehen und dies drinnen alles durchdreschen.« Iwan griff nach dem Kopfe – und ließ ihn dann fast wieder fallen.

»Wie?« keuchte er, »es ist – nein, nicht, er kann es nicht sein.

Kennen Sie diesen Mann, Sir?« »Nein,« erwiderte Valentin gleichgültig, »wir werden besser hineingehen.«

Sie trugen den Körper mitsammen auf ein Sofa im Studierzimmer und versammelten sich dann alle im Salon.

Der Detektiv ließ sich ruhig und sogar zögernd an einem Schreibtische nieder, aber sein Blick war der stählerne Blick eines Richters beim Urteilsspruche.

Er machte rasch ein paar Notizen auf ein Stück Papier und fragte dann kurz: »Ist alles hier?«

»Mr.

Brayne fehlt,« bemerkte die Herzogin von Mont St. Michel umherblickend. »Nein,« fügte Lord Galloway mit heiserer, grimmer Stimme hinzu.

»Und auch Mr. Neil O'Brien nicht, kommt mir vor. Ich sah diesen Herrn im Garten herumlaufen, als die Leiche noch warm war.« »Iwan,« befahl der Detektiv, »geh und hole Hauptmann O'Brien und Mr. Brayne.

Mr. Brayne raucht, wie ich weiß, im Speisezimmer eine Zigarre zu Ende. Hauptmann O'Brien geht, glaube ich, im Rauchzimmer auf und nieder. Ich bin nicht ganz sicher.« Der getreue Diener verschwand blitzartig aus dem Zimmer, und ehe noch jemand sich rühren oder sprechen konnte, fuhr Valentin mit der gleichen soldatischen Kürze in seiner Auseinandersetzung fort:

»Jedermann hier weiß, daß ein toter Mann im Garten gefunden wurde, dessen Kopf glatt vom Rumpfe abgeschnitten ist.

Dr. Simon, Sie haben ihn untersucht. Glauben Sie, daß es, um jemand den Hals in dieser Weise durchzuschneiden, großer Kraft bedürfen würde? Oder vielleicht nur eines sehr scharfen Messers?« »Ich möchte behaupten, daß es mittels eines Messers überhaupt nicht getan werden könnte,« bemerkte der bleiche Doktor.

»Haben Sie irgendeine Idee,« fuhr Valentin fort, »mit was für einem Werkzeug es getan werden könnte?«

»Um mit zeitgemäßer Wahrscheinlichkeit sprechen zu können, ich habe wirklich keine,« erwiderte der Doktor, indem er wie im Schmerze seine Brauen hochzog.

»Es ist nicht leicht, selbst plump einen Nacken durchzuschlagen, und dieser war glatt abgeschnitten. Man konnte das mit einer Streitaxt oder einem alten Scharfrichterbeil tun, oder auch mit einem Zweihänder.« »Aber beim Himmel nochmal!« rief die Herzogin beinahe in einem hysterischen Anfalle aus, »hier herum gibt es doch keine Streitäxte und Zweihänder?«

Valentin war noch mit dem Papiere vor sich beschäftigt.

»Sagen Sie mir,« fragte er rasch weiterschreibend, »hätte man es mit einem langen französischen Kavalleriesäbel tun können?«

Ein leises Klopfen kam von der Türe, das aus irgendwelchem unbekannten Grunde jedermanns Blut erstarren machte wie das Klopfen in »Macbeth«.

Inmitten dieses eisigen Schweigens vermochte Dr. Simon zu sagen: »Einen Säbel – ja.

ich glaube, das ginge.« »Danke Ihnen,« bemerkte Valentin.

»Herein, Iwan!« Der getreue Iwan öffnete die Türe und ließ Hauptmann O'Brien eintreten, den er endlich, von neuem den Garten durchmessend, gefunden hatte.

Der irische Offizier stand unentschlossen und herausfordernd auf der Schwelle.

»Was wollen Sie von mir?« fragte er.

»Bitte, setzen Sie sich,« lud Valentin in glattem Tone ein.

»Wie, Sie tragen Ihren Säbel nicht? Wo ist er?« »Ich ließ ihn auf dem Tische in der Bibliothek,« erwiderte O'Brien, bei seiner aufgeregten Stimmung sich in seinen irischen Dialekt verlierend.

»Er war mir lästig, er war so –« »Iwan,« befahl Valentin, »bitte, geh und hole des Hauptmanns Schwert aus der Bibliothek,« und dann, während der Diener verschwand: »Lord Galloway sagt, er sah Sie den Garten verlassen, geradebevor er die Leiche fand, was machten Sie im Garten?«

Der Hauptmann warf sich sorglos in einen Stuhl.

»O, mein Junge,« rief er in reinem Irisch, »den Mond bewundern, mich mit der Natur unterhalten.«

Ein dumpfes Schweigen trat ein und verweilte, und endlich kam von neuem jenes schwache und schreckliche Klopfen.

Iwan erschien wieder und trug eine leere Säbelscheide. »Das ist alles, was ich finden kann,« bemerkte er.

»Leg es auf den Tisch,« befahl Valentin, ohne aufzublicken.

Ein Schwelgen erfüllte den Raum gleich jenem Meere unendlichen Schweigens rings um die Anklagebank des verurteilten Mörders.

Die schwachen Ausrufe der Herzogin waren längst verklungen und Lord Galloways geschwollener Haß war befriedigt und sogar ernüchtert. Die Stimme, die sich erhob, kam somit ganz unerwartet. »Ich glaube, ich kann Ihnen sagen,« fiel Lady Margaret mit jener klaren, zitternden Stimme ein, mit der eine mutige Frau öffentlich spricht, »ich kann Ihnen sagen, was Mr. O'Brien im Garten machte, nachdem er selbst zum Schweigen gezwungen ist.

Er machte mir einen Heiratsantrag. Ich lehnte ab; ich sagte ihm, unter meinen familiären Verhältnissen könne ich ihm nichts als Achtung entgegenbringen. Er war darüber ein wenig ärgerlich; er schien nicht viel auf meine Achtung zu geben. Ich bezweifle,« fügte sie mit kaum merklichem Lächeln hinzu, »obihm jetzt überhaupt noch etwas daran liegt. Denn ich biete sie ihm jetzt an. Ich will überall beschwören, daß er nie etwas Derartiges begangen hat.« Lord Galloway war zu seiner Tochter hinübergesteuert und suchte sie mit etwas, was er für Flüstern halten mochte, einzuschüchtern.

»Halte deinen Mund, Maggie,« sagte er, »weshalb solltest du den Burschen decken?

Wo ist sein Säbel? Wo ist sein verdammter Kavallerie – –« Er hielt inne, zurückgehalten durch den sonderbaren Blick, mit dem seine Tochter ihn betrachtete, einen Blick, der in der Tat eine geisterhafte Anziehungskraft für die ganze Gruppe besaß.

»Du alter Tor!« sagte sie mit leiser Stimme, ohne sich um irgendwelche Rücksichtnahme zu bekümmern, »was glaubst du denn beweisen zu können?

Ich sagte dir, dieser Mann war unschuldig, solange er bei mir war. Aber wenn er nicht unschuldig war, so war er doch bei mir. Wenn er einen Mann im Garten ermordete, wer war es, der es gesehen haben mußte? Wer mußte zum mindesten darum gewußt haben? Ist dein Haß gegen Neil so groß, daß du deine eigene Tochter –?«. Lady Galloway kreischte auf.

Jedermann saß in Gruseln bei dem Gedanken an jene teuflischen Tragödien, die einst zwischen Liebenden sich abgespielt haben. Sie sahen das stolze, weiße Gesicht der schottischen Aristokratin und ihres Verehrers, des irischen Abenteurers, gleich alten Ahnenbildern in einem düsteren Hause. Das lange Schweigen warvoll von formlosen, geschichtlichen Erinnerungen an ermordete Ehemänner und vergiftete Buhlerinnen.


Gilbert Keith Chesterton: Der geheime Garten Teil 1

Der geheime Garten Aristide Valentin, Chef der Pariser Polizei, hatte sich zu seinem Diner etwas verspätet und einige seiner Gäste begannen vor ihm einzutreffen.

Sie wurden jedoch von seinem getreuen Diener Iwan beruhigt, dem Alten mit der Narbe und einem Gesichte, das beinahe ebenso grau war wie sein Schnurrbart, und der immer an seinem Tische in der Vorhalle saß, einer mit Waffen behängten Vorhalle. Valentins Haus war vielleicht ebenso eigenartig und berühmt wie dessen Besitzer. Es war ein altes Haus mit hohen Mauern und mächtigen Pappeln, welche beinahe die Seine überhingen; aber das Seltsame seiner Bauart – und vielleicht sein Polizeiwert– bestand darin, daß es gar keinen anderen Ausgang ins Freie besaß, als den durch die Eingangstüre, die von Iwan und der Waffensammlung bewacht wurde. Der Garten war groß und gut gepflegt und es gab verschiedene Zugänge aus dem Hause in den Garten; aber es gab keinen Ausgang aus dem Garten in die Außenwelt. Ringsherum lief eine hohe, glatte unersteigbare Mauer mit eigentümlichen Stacheln auf dem Rücken, wohl kein übler Garten für einen solchen Mann, wenn man bedenkt, daß einige Hundert Verbrecher geschworen hatten, ihn aus der Welt zu schaffen. Wie Iwan den Gästen erklärte, hatte ihr Gastgeber telephoniert, er sei noch auf zehn Minuten zurückgehalten.

In Wirklichkeit war er dabei, noch einige letzte Anordnungen für Hinrichtungen und ähnliche garstige Dinge zu treffen, und obwohl ihm diese Pflichten von Grund aus widerwärtig waren, vollzog er sie doch stets mit aller Pünktlichkeit. Unbarmherzig in der Verfolgung von Verbrechern, war er sehr nachsichtig bezüglich ihrer Bestrafung. Seit er an der Spitze des französischen und im allgemeinen auch europäischen Polizeiwesens stand, verwandte er seinen großen Einfluß ehrlich zugunsten einer Milderung der Verurteilungen und einer Säuberung der Gefängnisse. Er war einer jener menschenfreundlichen Freidenker, welche das einzige Schlimme an sich haben, daß sie das Erbarmen sogar noch kälter als die Gerechtigkeit machen. Als Valentin eintraf, steckte er bereits in schwarzer Kleidung mit der roten Rosette – eine elegante Gestalt mit dunklem, jedoch bereits ergrauendem Barte.

Er begab sich geradeaus durch sein Haus in sein Studierzimmer, welches auf den dahinter liegenden Grundbesitz hinausging. Die Gartentüre war offen, und nachdem er seine Handtasche an ihren dafür bestimmten Platz versperrt hatte, stand er zwei Sekunden am offenen Fenster und blickte in den Garten hinaus. Die scharfe Mondsichel kämpfte mit den fliegenden Fetzen und Trümmern eines Sturmes und Valentin betrachtete ihn mit einer für eine wissenschaftlicheNatur, wie es die seinige war, ungewöhnlichen Nachdenklichkeit.

Vielleicht besitzen solche wissenschaftliche Naturen irgendeinen seelischen Weitblick auf die schrecklichsten Probleme ihre Lebens. Wenigstens beeilte er sich, eine solche Stimmung von sich abzuschütteln, denn er wußte, er war spät daran und seine Gäste hatten schon begonnen einzutreffen. Ein Blick in den Salon genügte ihm bei seinem Eintreten, ihn zu vergewissern, daß sein hauptsächlichster Gast jedenfalls noch fehlte. Er sah all die anderen Stützen der kleinen Gesellschaft: er sah Lord Galloway, den englischen Gesandten, einen cholerischen alten Herrn mit einem rotbraunen Gesichte wie ein Apfel, und dem blauen Bändchen des Hosenbandordens. Er sah Lady Galloway, schmächtig und dünn wie ein Faden, mit silbernem Haar und einem empfindsamen und überlegenen Gesicht. Er sah deren Tochter, Lady Margaret Graham, ein bleiches und hübsches Mädchen mit einem Elfengesicht und kupferfarbenem Haar. Er sah die Herzogin von Mont St. Michel, schwarzäugig und üppig, und mit ihr ihre zwei Töchter, ebenfalls schwarzäugig und üppig. Er sah Dr. Simon, den typischen französischen Gelehrten mit Brille, braunem Spitzbart und einer von jenen parallelen Runzeln durchfurchten Stirne, welche die Strafe des Hochmutes sind, da sie durch fortwährendes Hochziehen der Brauen entstehen. Er sah Father Brown aus Cobhole in Essex, den er vor kurzem in England kennen gelernt hatte. Er sah – vielleicht mit mehr Interesse als irgend jemand vonall diesen – einen großen Mann in Uniform, der sich zu den Galloways herabbeugte, ohne jedoch ein besonders herzliches Entgegenkommen zu finden, und nun herantrat, dem Gastgeber seine Aufwartung zu machen. He saw, perhaps with more interest than any of these, a tall man in uniform, who bent down to the Galloways, but without finding a particularly warm welcome, and now approached to pay his respects to the host. Das war Hauptmann O’Brien von der französischen Fremdenlegion. Er war eine geschmeidige und doch etwas großtuerische Gestalt, glattrasiert, dunkelhaarig, blauäugig und, wie es bei einem Offizier jenes berühmten Regimentes siegreicher Mißerfolge und erfolgreicher Selbstmorde natürlich schien, mit einem Ausdrucke von Ungestüm sowohl wie von Schwermut. Er war von Geburt Irländer und hatte in jungen Jahren die Galloways gekannt – besonders Margaret Galloway. Von Gläubigern bedrängt, hatte er seine Heimat verlassen und brachte jetzt seine vollständige Verachtung für britische Etikette dadurch zum Ausdruck, daß er in Uniform und mit Säbel und Sporen umherschlenderte. Als er sich Zur Familie des Gesandten herniederbeugte, verneigten sich Lord und Lady Galloway steif und Lady Margaret blickte zur Seite. Doch aus welchen alten Gründen auch immer solche Leute aneinander interessiert sein mochten, ihr ausgezeichneter Gastgeber nahm kein besonderes Interesse an ihnen.

Keines von ihnen war wenigstens in seinen Augen der Gast des Abends. Valentin erwartete aus besonderen Gründen einen Mann von welt umfassendem Rufe, dessen Freundschaft er sich auf einigen seiner großen Detektivreisen in den Vereinigten Staaten erworben hatte. Er erwartete Julius A. Brayne, jenen Multimillionär, dessen riesige und selbst erdrückende Schenkungen zugunsten kleiner Religionsgemeinschaften den amerikanischen Blättern Anlaß zu manchem leichten Scherz und zu manchem leichten Ernst gaben. He was expecting Julius A. Brayne, the multimillionaire whose huge and self-overwhelming gifts in favor of small religious communities gave the American papers occasional jokes and seriousness. Niemand konnte genau angeben, ob Mr. Brayne Atheist war oder Mormone oder Gesundbeter; aber er war stets bereit, Geld in jedes geistige Gefäß zu schütten, solange dieses keins war, das sich überlebt hatte. No one could say whether Mr. Brayne was an atheist or a Mormon or prayer worker; but he was always ready to pour money into any mental vessel as long as it wasn't one that survived. Eines seiner Steckenpferde bestand darin, auf den amerikanischen Shakespeare zu warten – ein Steckenpferd, das mehr Geduld erforderte als Angeln. One of his hobbyhorses was waiting for the American Shakespeare - a hobbyhorse that required more patience than fishing. Er bewunderte Walt Whitman, hielt aber Lukas P. Tanner aus Paris, Pa., für »fortschrittlicher« als Whitman. Er hatte eine Vorliebe für alles, was er für fortschrittlich hielt. Auch Valentin hielt er für fortschrittlich, tat ihm damit aber ein großes Unrecht an. Das Erscheinen Julius K. Braynes im Zimmer wirkte so entscheidend wie die Tischglocke.

Er besaß jene große Eigenschaft, welcher sehr wenige von uns sich rühmen können, nämlich daß seine Gegenwart so fühlbar wirkte wie seine Abwesenheit. He had that great quality that very few of us can boast of, that his presence seemed as palpable as his absence. Er war von mächtiger Gestalt, ebenso fett wie stark, steckte in tadelloser Abendtoilette, ohne ihr auch nur durch so viel wie eine Uhrkette oder einen Ring nachzuhelfen. Sein Haar war weiß und wie bei einem Deutschen glatt nach rückwärts gekämmt, das Gesicht rot, leidenschaftlich und unschuldig, mit einem dunklen Knebelbarte an der Unterlippe, was diesem sonst kindlichen Gesichte etwas Theatralisches, ja selbst Mephistophelisches verlieh. Nicht lange jedoch beschränkte sich dieser Salon darauf, den berühmten Amerikaner anzustarren, sein verspätetes Kommen war schon ein häusliches Problem geworden und mit aller Beschleunigung wurde er mit Lady Galloway am Arme in das Speisezimmer geschickt. Einen Punkt ausgenommen, waren die Galloways ganz heiter und unbefangen. Except for one point, the Galloways were very cheerful and unbiased.

Solange Lady Margaret nicht den Arm jenes Abenteurers O’Brien nahm, war ihr Vater ganz zufrieden, und sie hatte es nicht getan, sie war, wie es sich geziemte, mit Dr. Simon eingetreten. As long as Lady Margaret didn't take the arm of that adventurer O'Brien, her father was completely satisfied and she hadn't, she was, as befitted, Dr. Simon entered. Nichtsdestoweniger war der alte Lord Galloway unruhig und beinahe grob. Nonetheless, old Lord Galloway was restless and almost rude. Während des Diners benahm er sich noch halbwegs als Diplomat, als aber bei den Zigarren drei von den jüngeren Herren – Simon, der Doktor, Brown, der Priester, und der störende O’Brien, der Verbannte in fremder Uniform – sich verzogen, um sich unter die Damen zu mischen oder im Gewächshause zu rauchen, wurde der englische Diplomat in der Tat sehr undiplomatisch. Alle sechzig Sekunden stachelte ihn der Gedanke auf, der Taugenichts von einem O’Brien könnte irgendwie Lady Margaret Zeichen machen; auf welche Weise, bemühte er sich erst gar nicht sich vorzustellen. Every sixty seconds he started to think that the good-for-nothing of an O'Brien could somehow signal Lady Margaret; in what way, he did not even bother to imagine. Er war mit Brayne, dem weißhaarigen Yankee, der an alle Religionen glaubte, und Valentin, dem ergrauenden Franzosen, der an gar keine glaubte, seinem Kaffee überlassen. Miteinander streiten, das konnten sie, aber keiner von ihnen war imstande, ihn ins Gespräch zu ziehen. Nach einiger Zeit hatte die fortschreitende Wortklauberei den Gipfelpunkt der Langweile erreicht und Lord Galloway erhob sich und suchte den Salon auf. Sechs bis acht Minuten verlor er in den langen Gängen seinen Weg, bis er die hochgestimmte, dozierende Stimme des Doktors und dann die langsame des Priesters gefolgt von allgemeinem Gelächter hörte. He lost his way in the long corridors for six to eight minutes until he heard the doctor's high-pitched, lecturing voice, and then the priest's slow, followed by general laughter. Aber im Augenblicke, da er die Salontüre öffnete, sah er nur eines – er sah was nicht dort war. Er sah, daß Hauptmann O’Brien fehlte und daß auch Lady Margaret nicht da war. Ungeduldig, wie er das Speisezimmer verlassen hatte, den Rauchsalon verlassend, stampfte er nochmals den Gang entlang.

Sein Bestreben, seine Tochter vor dem irisch-algerischen Tunichtgut zu beschützen, war etwas wie der Mittelpunkt seines Geistes, eine nahezu fixe, verrückte Idee geworden. Als er der Rückseite des Hauses zuschritt, wo Valentins Arbeitszimmer lag, war er überrascht, seine Tochter zu treffen, welche mit blassem, achtlosem Gesichte vorüberschoß, was ein zweites Rätsel darstellte. Wenn sie mit O’Brien zusammen war, wo war O’Brien? Wenn sie mit O’Brien nicht zusammengewesen war, wo war sie gewesen? Mit dem dem Alter eigenen leidenschaftlichen Verdachte strebte er vorwärts dem hinteren, dunklen Teile des Hauses zu und traf zufällig auf eine Dienstbotentüre, welche auf den Garten hinausführte. Der Mond hatte jetzt mit seiner Sichel die ganzen Reste des Sturmes zerrissen und vor sich hergewälzt. Sein Silberlicht erhellte alle vier Winkel des Gartens. Eine hohe Gestalt in Blau schritt über den Rasen der Türe des Arbeitszimmers zu und ein Schimmer des Mondlichtes auf ihrem Umrisse ließ sie als den Hauptmann O’Brien erkennen. A tall figure in blue strode across the lawn to the study door and a glimmer of moonlight on its outline made her look like Captain O'Brien. Er verschwand durch die französische Glastüre in das Haus und ließ Lord Galloway in einer ganz unbeschreiblichen Geistesverfassung, giftig und zugleich unentschlossen. He disappeared into the house through the French glass door and left Lord Galloway in an indescribable state of mind, poisonous and at the same time indecisive.

Der Garten, der in seinem Blau und Silber wie die Bühne eines Theaters erschien, schien ihn zu verhöhnen mit all jener aufdringlichen Zartheit, gegen die seine weltliche Überlegenheit vergebens anzukämpfen suchte. The garden, which appeared in its blue and silver like the stage of a theater, seemed to taunt him with all that intrusive delicacy against which his worldly superiority tried in vain to fight. Die Länge und Eleganz der Schritte des Irländers versetzten ihn auch in Zorn, als wäre er nicht der Vater, sondern der Nebenbuhler, und das Mondlicht machte ihn vollends rasend. The length and elegance of the Irishman's footsteps also made him angry, as if he were not the father but the rival, and the moonlight made him furious. Wie in einer Watteauschen Märchenlandschaft fühlte er sich von dem Zauber eines Troubadourgartens gefangen, und entschlossen, sich solch verliebten Verrücktheiten durch Unterhaltung zu entziehen, lief er hinter seinem Feinde drein. Er strauchelte dabei über eine Wurzel oder einen Stein im Grase. Er blickte zu Boden, zuerst ärgerlich, dann ein zweites Mal neugierig. Im nächsten Augenblick schien der Mond und sahen die hohen Pappeln auf etwas ganz Außergewöhnliches hernieder – auf einen ältlichen englischen Diplomaten, der davon sprang und dabei schrie oder brüllte. Seine heiseren Schreie riefen ein bleiches Gesicht in die Türe des Studierzimmers, die blitzende Brilleund die hochgezogenen Brauen Dr. Simons, der des Edelmannes erste klare Worte vernahm.

Lord Galloway schrie: »Eine Leiche im Grase, eine blutige Leiche!«

An O’Brien dachte er gar nicht mehr.

»Wir müssen sofort Valentin davon verständigen,« meinte der Doktor, als der andere in abgerissenen Worten alles beschrieb, was er zu erkennen gewagt hatte.

»Ein Glück, daß er hier ist!« und eben als er sprach, trat der große Detektiv ins Studierzimmer, herbeigerufen durch den Schrei. Es war beinahe amüsant, seine typische Veränderung zu beobachten. Er war eingetreten mit der gewöhnlichen Unruhe des Gastgebers und Gentlemans, welcher fürchtet, daß einer seiner Gäste oder Dienstboten erkrankt ist. Als er jedoch die blutige Tatsache erfuhr, wurde er bei all seinem feierlichen Ernste plötzlich munter und geschäftsmäßig, denn, so unerwartet und gräßlich es sein mochte, es war sein Beruf. »Seltsam, meine Herren,« sagte er, als sie in den Garten hinauseilten, »daß ich Geheimnisse um die Erde herum verfolgt haben sollte und nun kommt eines und nistet sich in meinem eigenen Garten ein. "Strange, gentlemen," he said as they hurried out into the garden, "that I should have kept secrets around the world and now one is coming and nesting in my own garden.

Wo ist der Ort?« Where's the place? ” Sie überquerten den Rasen mit etwas weniger Zuversicht, da ein leichter Dunst vom Flusse sich zu erheben begonnen hatte, doch unter der Führung des verstörten Galloway fanden sie den in das tiefe Gras gesunkenen Körper, den Körper eines sehr großen und breitschulterigen Mannes. They crossed the lawn with a little less confidence as a slight haze from the river had begun to rise, but under the guidance of the troubled Galloway, they found the body sunk into the deep grass, the body of a very tall and broad-shouldered man.

Er lag mit dem Gesichtenach unten, so daß man nur gewahrte, daß seine starken Schultern von schwarzem Tuche bekleidet waren und sein mächtiger Kopf außer einigen Haarbüscheln, die wie nasses Seegras an dem Schädel klebten, kahl war. He lay face down, so that one could only notice that his strong shoulders were covered in black cloth and his mighty head was bald except for a few tufts of hair that stuck to the skull like wet seaweed. Eine Scharlachschlange von Blut kroch unter seinem Gesichte hervor. A scarlet snake of blood crept out from under his face. »Wenigstens,« meinte Simon mit einem tiefen und eigentümlichen Ausdruck, »ist es niemand aus unserer Gesellschaft!«

»Untersuchen Sie ihn, Doktor,« rief Valentin ziemlich hastig, »er könnte noch nicht ganz tot sein.«

Der Doktor bückte sich nieder.

»Er ist nicht ganz kalt, aber ich fürchte, er ist tot genug,« entschied er.

»Helfen Sie mir einmal, ihn aufzurichten.« Sorgfältig hoben sie ihn einen Zoll hoch vom Boden empor, und alle Zweifel, ob er wirklich tot sei, waren sofort aufs gräßlichste beseitigt, denn – das Haupt fiel herab.

Es war gänzlich vom Körper getrennt gewesen. Wer immer ihm den Hals durchgeschnitten haben mochte, der hatte ihm auch den Nacken durchgeschnitten. Selbst Valentin erschrak ein wenig. »Er muß stark gewesen sein wie ein Gorilla,« murmelte er.

Obwohl an anatomische Operationen gewöhnt, hob Dr. Simon den Kopf nicht ohne einiges Beben auf. Although used to anatomical surgery, Dr. Simon's head doesn't open without some tremors.

Er war am Nacken und der Kinnlade leicht zerfranst, das Gesicht aber zeigte keinerlei Verletzung. His neck and jaw were slightly frayed, but his face showed no signs of injury. Es war ein plumpes, gelbes Gesicht, gleichzeitigeingefallen und doch aufgedunsen, mit einer Adlernase und schweren Augenlidern – das Gesicht eines lasterhaften römischen Kaisers mit vielleicht einer leichten Annäherung an einen chinesischen Kaiser. It was a clumsy, yellow face, concurrently sunken and puffy, with an eagle nose and heavy eyelids - the face of a vicious Roman emperor, perhaps with a slight approach to a Chinese emperor. Alle Anwesenden schienen es mit dem kältesten Auge des Fremden anzusehen. Everyone present seemed to be looking at it with the coldest eye of the stranger. Nichts anderes ließ sich beim Aufheben des Körpers über den Mann feststellen, als der weiße Schimmer eines Vorhemdes, befleckt von einem roten Schimmer von Blut. There was nothing more to be seen when the body was lifted over the man than the white shimmer of a shirt, stained with a red shimmer of blood. Es war, wie Dr. Simon sagte, der Mann hatte nicht zu ihrer Gesellschaft gehört. It was like Dr. Simon said the man hadn't been part of their company. Er konnte aber ganz gut versucht haben, sich zu ihr zu gesellen, denn er war in einer, solcher Gelegenheit entsprechenden Weise gekleidet. Valentin ließ sich auf seine Hände und Knie nieder und untersuchte auf etwa zwanzig Meter im Umkreise mit seiner peinlichsten beruflichen Sorgfalt den Boden, wobei er etwas weniger sorgfältig von dem Doktor und ganz oberflächlich von dem englischen Lord unterstützt wurde. Valentin settled on his hands and knees and, with his most painstaking professional care, examined the floor at about twenty meters around, a little less carefully supported by the doctor and superficially by the English Lord.

Nichts belohnte ihr Herumkriechen, als einige ganz kurze Stücke abgezwickter oder abgehackter Zweige, die Valentin für einen Augenblick prüfend aufhob und dann beiseite warf. Nothing rewarded her crawling around but a few very short pieces of twisted or chopped off branches that Valentin picked up for a moment and then tossed aside. »Zweige,« sagte er gravitätisch, »Zweige und ein ganz Fremder mit abgeschnittenem Kopfe, das ist alles, was auf der Wiese zu finden ist.« "Twigs," he said gravely, "twigs and a complete stranger with his head cut off, that's all you can find in the meadow."

Eine beinahe schaudernde Stille entstand, und dann stieß der fassungslose Galloway scharf hervor: There was an almost shuddering silence, and then the stunned Galloway came out sharply:

»Wer ist dort? "Who's there?

Wer ist dort drüben an der Gartenmauer?« Eine kleine Gestalt mit einem lächerlich großen Kopfe näherte sich ihnen unschlüssig im Mondscheindunste; einen Augenblick sah sie wie ein Kobold aus, doch entpuppte sie sich schließlich als der harmlose, kleine Priester, den sie im Salon zurückgelassen hatten.

»Übrigens,« bemerkte er bescheiden, »Sie wissen, es gibt keine Tore zu diesem Garten.« "By the way," he said modestly, "you know there are no gates to this garden."

Valentins schwarze Augenbrauen zogen sich etwas ärgerlich zusammen, wie sie es angesichts der Soutane grundsätzlich taten.

Doch er war zu gerecht, um die Bedeutung der Bemerkung abzuleugnen. »Sie haben recht,« erwiderte er, »ehe wir herausfinden, wie er getötet wurde, müßten wir herausfinden, wie er dazu kam, hier zu sein.

Nun hören Sie mich an, meine Herren! Wenn es ohne Beeinträchtigung meiner Stellung und Pflichten sich machen läßt, werden wohl alle einverstanden sein, daß gewisse ausgezeichnete Namen besser aus der Geschichte ausgeschaltet bleiben. Es sind Damen hier und ein fremder Gesandter. Wenn wir es als ein Verbrechen ansehen, muß es auch als ein Verbrechen verfolgt werden. Bis dahin aber kann ich von meiner eigenen Verschwiegenheit Gebrauch machen. Ich bin das Haupt der Polizei: ich bin so öffentlich, daß ich mir gestatten kann, privat zu sein. Wenn es dem Himmel gefällt, werde ich jeden meiner Gäste entlassen, ehe ich meine Leute hereinrufe, um nach irgend jemand anderem zu suchen. Meine Herren, auf Ihr Ehrenwort, niemand von Ihnen wird das Haus bis morgen mittags verlassen: es sind Schlafzimmer für jedermannbereit. Simon, ich glaube, Sie wissen, wo mein Diener Iwan in der Vorhalle zu finden ist; er ist ein vertrauenswürdiger Mann. Sagen Sie ihm, er solle einen anderen Diener als Wache lassen und sofort zu mir kommen. Lord Galloway, Sie sind sicherlich die geeignetste Person, den Damen mitzuteilen, was geschehen ist, und eine Panik zu verhindern. Auch Sie müssen bleiben. Father Brown und ich werden bei der Leiche bleiben.« Wenn dieser Geist des Befehlshabers aus Valentin sprach, gehorchte man ihm wie einem Signalhorne.

Dr. Simon ging nach dem Waffensaal hinein und störte Iwan auf, des amtlichen Detektivs Privatdetektiv. Galloway begab sich nach dem Salon und erzählte äußerst taktvoll die schreckliche Neuigkeit, so daß zur Zeit, als sich die Gesellschaft dort zusammenfand, die Damen schon bestürzt und wieder beschwichtigt waren. Inzwischen standen der gute Priester und der gute Atheist bewegungslos zu Haupt und Füßen des toten Mannes im Mondlicht gleich symbolischen Statuen ihrer eigenen beiden Philosophien des Todes. Iwan, der Vertraute mit der Narbe und dem Schnurrbarte, kam aus dem Hause geschossen wie eine Kanonenkugel und lief über den Rasen auf Valentin zu wie ein Hund auf seinen Herrn.

Sein fahles Gesicht hatte sich ganz belebt von der Glut dieser häuslichen Detektivgeschichte und mit beinahe unangenehmer Gier fragte er seinen Herrn um Erlaubnis, die Überreste untersuchen zu dürfen. »Ja, sieh nach, Iwan, wenn du willst,« erlaubte Valentin.

»Aber mache nicht zu lange, wir müssen hineingehen und dies drinnen alles durchdreschen.« Iwan griff nach dem Kopfe – und ließ ihn dann fast wieder fallen.

»Wie?« keuchte er, »es ist – nein, nicht, er kann es nicht sein.

Kennen Sie diesen Mann, Sir?« »Nein,« erwiderte Valentin gleichgültig, »wir werden besser hineingehen.«

Sie trugen den Körper mitsammen auf ein Sofa im Studierzimmer und versammelten sich dann alle im Salon.

Der Detektiv ließ sich ruhig und sogar zögernd an einem Schreibtische nieder, aber sein Blick war der stählerne Blick eines Richters beim Urteilsspruche.

Er machte rasch ein paar Notizen auf ein Stück Papier und fragte dann kurz: »Ist alles hier?«

»Mr.

Brayne fehlt,« bemerkte die Herzogin von Mont St. Brayne is missing, «remarked the Duchess of Mont St. Michel umherblickend. Michel looking around. »Nein,« fügte Lord Galloway mit heiserer, grimmer Stimme hinzu. "No," added Lord Galloway in a hoarse, grim voice.

»Und auch Mr. Neil O’Brien nicht, kommt mir vor. “And neither does Mr. Neil O'Brien, it seems to me. Ich sah diesen Herrn im Garten herumlaufen, als die Leiche noch warm war.« I saw this gentleman running around in the garden when the body was still warm. ” »Iwan,« befahl der Detektiv, »geh und hole Hauptmann O’Brien und Mr. Brayne. "Ivan," ordered the detective, "go and get Captain O'Brien and Mr. Brayne.

Mr. Brayne raucht, wie ich weiß, im Speisezimmer eine Zigarre zu Ende. Mr. Brayne, I know, ends up smoking a cigar in the dining room. Hauptmann O’Brien geht, glaube ich, im Rauchzimmer auf und nieder. Captain O'Brien is walking up and down the smoke room, I think. Ich bin nicht ganz sicher.« Der getreue Diener verschwand blitzartig aus dem Zimmer, und ehe noch jemand sich rühren oder sprechen konnte, fuhr Valentin mit der gleichen soldatischen Kürze in seiner Auseinandersetzung fort:

»Jedermann hier weiß, daß ein toter Mann im Garten gefunden wurde, dessen Kopf glatt vom Rumpfe abgeschnitten ist.

Dr. Simon, Sie haben ihn untersucht. Glauben Sie, daß es, um jemand den Hals in dieser Weise durchzuschneiden, großer Kraft bedürfen würde? Oder vielleicht nur eines sehr scharfen Messers?« »Ich möchte behaupten, daß es mittels eines Messers überhaupt nicht getan werden könnte,« bemerkte der bleiche Doktor.

»Haben Sie irgendeine Idee,« fuhr Valentin fort, »mit was für einem Werkzeug es getan werden könnte?«

»Um mit zeitgemäßer Wahrscheinlichkeit sprechen zu können, ich habe wirklich keine,« erwiderte der Doktor, indem er wie im Schmerze seine Brauen hochzog.

»Es ist nicht leicht, selbst plump einen Nacken durchzuschlagen, und dieser war glatt abgeschnitten. “It's not easy to clumsily crack a neck yourself, and it was cut off smoothly. Man konnte das mit einer Streitaxt oder einem alten Scharfrichterbeil tun, oder auch mit einem Zweihänder.« »Aber beim Himmel nochmal!« rief die Herzogin beinahe in einem hysterischen Anfalle aus, »hier herum gibt es doch keine Streitäxte und Zweihänder?«

Valentin war noch mit dem Papiere vor sich beschäftigt.

»Sagen Sie mir,« fragte er rasch weiterschreibend, »hätte man es mit einem langen französischen Kavalleriesäbel tun können?«

Ein leises Klopfen kam von der Türe, das aus irgendwelchem unbekannten Grunde jedermanns Blut erstarren machte wie das Klopfen in »Macbeth«.

Inmitten dieses eisigen Schweigens vermochte Dr. Simon zu sagen: »Einen Säbel – ja.

ich glaube, das ginge.« »Danke Ihnen,« bemerkte Valentin.

»Herein, Iwan!« "Come in, Ivan!" Der getreue Iwan öffnete die Türe und ließ Hauptmann O’Brien eintreten, den er endlich, von neuem den Garten durchmessend, gefunden hatte. Faithful Ivan opened the door and let Captain O'Brien enter, whom he had finally found, measuring the garden again.

Der irische Offizier stand unentschlossen und herausfordernd auf der Schwelle. The Irish officer stood on the threshold, indecisive and challenging.

»Was wollen Sie von mir?« fragte er.

»Bitte, setzen Sie sich,« lud Valentin in glattem Tone ein.

»Wie, Sie tragen Ihren Säbel nicht? 'How are you not carrying your saber? Wo ist er?« »Ich ließ ihn auf dem Tische in der Bibliothek,« erwiderte O’Brien, bei seiner aufgeregten Stimmung sich in seinen irischen Dialekt verlierend. "I left him on the table in the library," replied O'Brien, his excited mood losing his Irish dialect.

»Er war mir lästig, er war so –« "He was annoying to me, he was so -" »Iwan,« befahl Valentin, »bitte, geh und hole des Hauptmanns Schwert aus der Bibliothek,« und dann, während der Diener verschwand: »Lord Galloway sagt, er sah Sie den Garten verlassen, geradebevor er die Leiche fand, was machten Sie im Garten?« "Ivan," ordered Valentin, "please go and get the captain's sword from the library," and then while the servant disappeared: "Lord Galloway says he saw you leaving the garden just before he found the body, what were you doing in the garden?"

Der Hauptmann warf sich sorglos in einen Stuhl.

»O, mein Junge,« rief er in reinem Irisch, »den Mond bewundern, mich mit der Natur unterhalten.«

Ein dumpfes Schweigen trat ein und verweilte, und endlich kam von neuem jenes schwache und schreckliche Klopfen.

Iwan erschien wieder und trug eine leere Säbelscheide. »Das ist alles, was ich finden kann,« bemerkte er.

»Leg es auf den Tisch,« befahl Valentin, ohne aufzublicken.

Ein Schwelgen erfüllte den Raum gleich jenem Meere unendlichen Schweigens rings um die Anklagebank des verurteilten Mörders. A wallow filled the room like that sea of infinite silence around the dock of the convicted murderer.

Die schwachen Ausrufe der Herzogin waren längst verklungen und Lord Galloways geschwollener Haß war befriedigt und sogar ernüchtert. The Duchess's weak exclamations had long since subsided and Lord Galloway's swollen hatred was satisfied and even sobered. Die Stimme, die sich erhob, kam somit ganz unerwartet. The voice that rose came quite unexpectedly. »Ich glaube, ich kann Ihnen sagen,« fiel Lady Margaret mit jener klaren, zitternden Stimme ein, mit der eine mutige Frau öffentlich spricht, »ich kann Ihnen sagen, was Mr. O’Brien im Garten machte, nachdem er selbst zum Schweigen gezwungen ist.

Er machte mir einen Heiratsantrag. He proposed to me. Ich lehnte ab; ich sagte ihm, unter meinen familiären Verhältnissen könne ich ihm nichts als Achtung entgegenbringen. I refused; I told him that under my family circumstances I could show him nothing but respect. Er war darüber ein wenig ärgerlich; er schien nicht viel auf meine Achtung zu geben. He was a little angry about that; he didn't seem to care much about my respect. Ich bezweifle,« fügte sie mit kaum merklichem Lächeln hinzu, »obihm jetzt überhaupt noch etwas daran liegt. I doubt, "she added with a barely noticeable smile," whether there is anything else about it now. Denn ich biete sie ihm jetzt an. Because I'm offering it to him now. Ich will überall beschwören, daß er nie etwas Derartiges begangen hat.« I want to swear everywhere that he never did anything like that. ” Lord Galloway war zu seiner Tochter hinübergesteuert und suchte sie mit etwas, was er für Flüstern halten mochte, einzuschüchtern. Lord Galloway was steered over to his daughter and tried to intimidate her with what he thought might be whispers.

»Halte deinen Mund, Maggie,« sagte er, »weshalb solltest du den Burschen decken? "Shut up, Maggie," he said, "why should you cover the boy?

Wo ist sein Säbel? Wo ist sein verdammter Kavallerie – –« Where's his damned cavalry - - « Er hielt inne, zurückgehalten durch den sonderbaren Blick, mit dem seine Tochter ihn betrachtete, einen Blick, der in der Tat eine geisterhafte Anziehungskraft für die ganze Gruppe besaß. He paused, restrained by the strange look his daughter was looking at, a look that indeed had a ghostly appeal to the whole group.

»Du alter Tor!« sagte sie mit leiser Stimme, ohne sich um irgendwelche Rücksichtnahme zu bekümmern, »was glaubst du denn beweisen zu können? "You old fool!" She said in a low voice, without caring anything, "what do you think you can prove?

Ich sagte dir, dieser Mann war unschuldig, solange er bei mir war. Aber wenn er nicht unschuldig war, so war er doch bei mir. But if he wasn't innocent, he was with me. Wenn er einen Mann im Garten ermordete, wer war es, der es gesehen haben mußte? If he murdered a man in the garden, who was it who must have seen it? Wer mußte zum mindesten darum gewußt haben? Who at least must have known about it? Ist dein Haß gegen Neil so groß, daß du deine eigene Tochter –?«. Is your hatred of Neil so great that you have your own daughter? Lady Galloway kreischte auf. Lady Galloway shrieked.

Jedermann saß in Gruseln bei dem Gedanken an jene teuflischen Tragödien, die einst zwischen Liebenden sich abgespielt haben. Everyone sat in horror at the thought of those devilish tragedies that once happened between lovers. Sie sahen das stolze, weiße Gesicht der schottischen Aristokratin und ihres Verehrers, des irischen Abenteurers, gleich alten Ahnenbildern in einem düsteren Hause. They saw the proud, white face of the Scottish aristocrat and her admirer, the Irish adventurer, like old ancestors in a gloomy house. Das lange Schweigen warvoll von formlosen, geschichtlichen Erinnerungen an ermordete Ehemänner und vergiftete Buhlerinnen. The long silence was full of informal, historical memories of murdered husbands and poisoned bums.