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Video lessons from YouTube, Nationalismus – wo der Spaß anfängt und wo er aufhört | RESPEKT Demokratie

Nationalismus – wo der Spaß anfängt und wo er aufhört | RESPEKT Demokratie

Untertitelung: BR 2018

(Originalton) "Der deutsche Achter setzt zum Schlussspurt an.

Schneller sind sie geworden, die Ruderriesen.

Die Führung für Deutschland.

Der Schlussspurt wird herausgepeitscht."

Bei uns wurde nicht die Nationalhymne gespielt,

sondern für die deutsche Mannschaft die 9. Symphonie von Beethoven.

Das war wunderschön.

Das ist ja eine Ode an die Freude.

Das ist ideal für die Idee der Völkerverständigung

von jungen Menschen.

Und eben auch von Sportlern.

So hat sich Olympiasieger Hans Lenk

vor fast 60 Jahren die Zukunft erträumt.

Alle Menschen werden Brüder oder Schwestern.

Mehr Zusammenhalt, weniger Nationalismus. Und jetzt?

So wirklich was draus geworden ist nicht.

Nicht im Sport, nicht in den Parlamenten

und erst recht nicht auf der Straße.

(alle) Widerstand! Widerstand! Widerstand!

Wer Deutschland nicht liebt, wird Deutschland verlassen!

Krass. Mir kommt es vor,

als ob der Nationalismus in Deutschland ein Comeback erlebt.

Aber nicht nur hier. In Österreich gibt's die FPÖ,

in Italien die Lega Nord, in Ungarn Fidesz.

Überall fordern Politiker mehr Nationalismus.

Und sie werden gewählt.

Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren,

wo sie hingehören.

Weit, weit hinter den Bosporus.

Zu ihren Lehmhütten und Vielweibern.

Hier haben sie nichts zu suchen und nichts zu melden.

Nationalismus ist heute das Thema bei RESPEKT.

Warum nimmt Nationalismus wieder zu?

Was ist der Unterschied zum Patriotismus?

Und ab wann wird Nationalismus gefährlich?

Was ist dran an dem Glauben,

dass eine Nation besser ist als die andere?

Und dass nationale Ziele wichtiger sind als die gemeinsamen?

Und v.a. was ist eigentlich deutsch?

Deutsch, überhaupt nix mehr.

Das heißt? - Da sind ja bald mehr andere da.

Aber du darfst ja nix sagen, sonst bist du ausländerfeindlich.

Gründlichkeit, Pünktlichkeit. Das ist typisch deutsch.

Die meisten sind unfreundlich und unzufrieden.

Ein gutes Lebensgefühl aufgrund der Umgebung.

Wir sind ehrliche Leute.

Gibt's was, was die Deutschen besser können als andere?

Ja.

Und zwar alles, was mit Maschinen zu tun hat. Ingenieurwesen.

Ich glaub: die Effizienz. Dafür wird Deutschland bewundert.

Alles ist effizient.

Ob das dann auch so lustig ist oder sympathisch,

das ist was anderes.

Gar nicht so einfach.

Nationalist, Patriot.

Damit wir wissen, wovon wir sprechen,

will ich die Begriffe so klären, wie sie meist verwendet werden.

Zwar kein schöner Strich, aber egal.

Und die Mitte ist jetzt irgendwo hier.

Dann haben wir erst einmal rechts der Mitte,

da haben wir den Patrioten:

Ich liebe mein Land.

Ich tue alles dafür, damit's auch so ein schönes Land bleibt.

Aber andere Länder sind schon auch schön.

Bisschen weiter rechts davon haben wir den Nationalisten:

Natürlich liebe ich mein Land. Es ist ja auch das beste der Welt.

Dann kommt noch der Chauvinist, der alles andere verabscheut.

Und der Nazi, der sogar gewaltbereit gegenüber anderen ist.

Links der Mitte: der Verfassungspatriot.

Es steht doch alles hier drin:

Das deutsche Volk bekennt sich zu Menschenrechten

als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft,

des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Ein bisschen weiter links davon: der bunte Kosmopolit.

Bon jour, hasta la vista. Die Welt ist mein Zuhause.

Daneben kommt im Grunde nur noch der Antideutsche,

der alles Deutsche verabscheut.

Jetzt frag ich mich:

Wo wird Nationalismus eigentlich zum Problem?

Hier, hier oder erst hier.

Einer, der sich seit vielen Jahren

mit so schwierigen Fragen beschäftigt,

ist der Philosoph Hans Lenk.

Er war Präsident der Weltakademie für Philosophie,

was so ziemlich das höchste Philosophenamt ist.

Und er ist Olympiasieger. 1960 im deutschen Ruderachter.

* Klingel *

Guten Tag. - Guten Tag.

Guten Tag. - Hans Lenk.

Hallo, Sabine Pusch. Und der Rest vom Team.

Wie war das bei Ihnen damals,

als Sie mit dem deutschen Ruderachter gewonnen haben?

Für wen haben Sie gewonnen?

Haben Sie für Deutschland gewonnen?

Natürlich haben wir uns als deutsche Sportler gesehen.

Aber wir haben in erster Linie für uns selber

und die Mannschaft und auch unseren Heimatverein gerudert.

Das andere spielte eine Rolle.

Wir waren stolz, da als Vertreter auftreten zu können.

Wir hatten aber den großen Vorteil,

dass bei uns keine deutsche Nationalfahne gehisst wurde,

sondern eine Gemeinschaftsfahne

der beiden deutschen Olympiamannschaften,

die eine war, damals.

Eine zusammengewürfelte Ost-West-Mannschaft.

Erstmalig.

Wir hatten auch keine Nationalhymne, die gespielt wurde.

Das fand ich noch besser, eigentlich.

Sondern? - Wir hatten die 9. Symphonie von Beethoven.

Die "Ode an die Freude"? - Ja.

Das ist ja dann später die Europahymne geworden.

Was war denn da so Ihre Hoffnung für die Zukunft?

Wir hatten damals die Hoffnung,

dass das tatsächlich zusammenwächst einmal.

Man hat darüber hinaus gehofft,

dass das Signal der Olympischen Spiele

auch darüber hinaus eine Art von Einigungsfunktion ausüben könnte.

Das ist auch vielfach behauptet worden von Schriftstellern:

Völkerverständigung durch Sport, durch internationale Spiele.

Aber das ist ja nicht so geschehen.

Warum wollen die Menschen überhaupt nationale Symbole?

Woher kommt das, dass Menschen eine Nation wollen?

Das ist natürlich ein Riesen-Problem.

Nationen sind zum Großteil künstlich geschaffene Konstrukte.

Andererseits ist es so, dass heute im Sport die jungen Leute,

gerade im Fußball, dem nachrennen.

Mit den Nationalfahnen.

Glauben Sie,

dass die nationalen Symbole teilweise auch Sicherheit geben?

Ja, die geben Identitätsbewusstsein.

Man identifiziert sich. Nun weniger mit den Symbolen.

Das sind ja sozusagen äußere Zeichen,

sondern durch ein Zugehörigkeitsgefühl.

Der Internationale Ruderverband hat Anfang der 80er-Jahre

oder auch schon Ende der 70er-Jahre

bei Europameisterschaften zunächst die Nationalfahnen weggelassen.

Bei der Siegerehrung.

Was ist eigentlich Ihr Fazit zum Nationalismus?

Natürlich möglichst wenig Nationalismus.

Dafür viel Freundschaft über die Völkergrenzen hinweg.

Und möglichst so mit der 9. Symphonie von Beethoven

bzw. mit der "Ode an die Freude" von Schiller.

Schön wär's.

Danke, dass Sie Zeit hatten. - Alles Gute.

Nationalismus gibt es eigentlich erst seit dem 18. bzw. 19.Jh.

Die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776

und die Französische Revolution 1789 waren eine Zeitenwende:

Abschaffung der Feudalherrschaft. Aufhebung der Stände.

Jetzt gilt: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Viele Vorrechte des Adels werden abgeschafft.

Alle Menschen sollen gleich behandelt werden: als Bürger.

Es braucht eine gemeinsame Idee, die alle vereint: die Nation.

Im 19.Jh. breiten sich revolutionäre Ideen in ganz Europa aus.

Überall fordern die Menschen Freiheit und Gleichheit aller Bürger.

Weg mit der ungerechten Ständegesellschaft.

Die Idee von der "Nation" wird für viele Länder der Rahmen,

der die Gesellschaft zusammenhalten soll.

Dafür braucht es aber Inhalte. Z.B. eine gemeinsame Sprache,

eine vermeintlich gemeinsame Geschichte und Kultur

und gemeinsame Gegner.

So entsteht eine "nationale Identität".

Nationalisten übertreiben es.

Sie verdrehen das damals Fortschrittliche und Einigende:

Sie machen die Idee von der Nation zur Ideologie.

Die Folge: Übersteigertes Nationalbewusstsein,

Überlegenheitsgefühl und Ausgrenzung.

Nationalisten behaupten z.B.:

"Wir sind besser als andere,

deshalb haben wir Ansprüche auf andere Länder."

Die Folge: Konflikte mit anderen Staaten.

Bis hin zu den beiden Weltkriegen im 20.Jh.

Und auch im Inland

sorgt Nationalismus für Ärger und Aggression:

Er richtet sich gegen alle, die angeblich nicht zur Nation gehören:

Vermeintliche Ausländer,

Menschen mit anderem Glauben und anderer Kultur, mit anderem Weltbild.

Symbole, die das Nationalgefühl unterstützen:

Die Nationalflagge und die Nationalhymne.

Beides vereinnahmen Nationalisten für ihre politischen Zwecke.

Das Extrembeispiel: die Nationalsozialisten.

Sie sangen nur die erste Strophe der Nationalhymne:

"Deutschland über alles".

Ideologie, ganz im Sinne der Nationalisten.

Damit sich das nicht wiederholt und um Nationalismus vorzubeugen,

wird heute nur noch die dritte Strophe gesungen.

Die betont die positiven Forderungen,

auch aus der Französischen Revolution.

Wir können also festhalten: Nationalismus ist,

wenn man den Wert der eigenen Nation übersteigert.

Wenn man sich und sein eigenes Land besser findet als alle 193.

Und wenn man andere abwertet. Gibt's ja nicht nur bei uns.

From this day forward

it's going to be only: America first!

Komisch eigentlich.

Wieso sollte ausgerechnet das Land, in dem man selbst geboren ist,

das beste und tollste sein? Und wo fängt so ein Land an?

Wo hört es auf? Und wer gehört dazu und wer nicht?

Auf Deutschland bezogen: natürlich alle, die hier leben.

Ich zähl mich selber natürlich auch dazu.

D.h., du bist nicht aus Deutschland?

Ich bin hier geboren und aufgewachsen.

Meine Eltern kommen ursprünglich aus der Türkei.

Ich fühle mich als Deutscher, nicht anders.

Ich glaube, es gehören alle dazu, die dazu gehören wollen.

Also auch die, die hier leben und sich zugehörig fühlen.

Die Leute, die sich gut integrieren lassen hier, das ist in Ordnung.

Die, die sich so verhalten und sich als Deutsche fühlen.

Und wann verhält man sich als Deutscher?

Wenn man keine Scheiße baut.

Es gibt eine ganz klare Definition, wer zum deutschen Volk gehört.

Deutsch ist, laut Grundgesetz, wer einen deutschen Pass hat. Fertig.

Trotzdem definieren sich viele über ihre Nationalität.

Das war nicht immer so.

"Natio" kommt aus dem Lateinischen.

Es bedeutet: Geburt oder Herkunft.

Aber auch Volksstamm oder Völkerschaft.

Das Wort "Nation" bezeichnet also

eine Gruppe von Menschen mit denselben Merkmalen:

Z.B. dieselbe Sprache, dieselbe Ethnie, dieselbe Kultur,

dieselbe Religion oder eine gemeinsame politische Tradition.

Einen "Staat" kennzeichnen drei Dinge:

Ein gemeinsames Land, das Staatsgebiet.

Die Menschen, die darin wohnen, das Staatsvolk.

Und die Menschen, die das Land regieren, die Staatsgewalt.

Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt

hat auch der sog. Nationalstaat.

Dazu kommt aber: Die Menschen, die hier leben,

fühlen sich alle als Teil einer Nation.

Anders beim sog. Vielvölkerstaat oder Nationalitätenstaat.

Hier leben Menschen zusammen,

die sich verschiedenen Nationalitäten zugehörig fühlen.

Grundlage eines Nationalstaates ist,

dass jedes Mitglied überhaupt weiß, dass es zu einer Nation gehört.

Das nennt man Nationalgefühl bzw. Nationalbewusstsein.

Ohne Nationalbewusstsein kein Nationalstaat,

so zumindest die Theorie.

Deshalb wird es immer wieder erzeugt.

Von der Antike bis zum Mittelalter gab es Stadtstaaten,

Fürstentümer oder sehr große Reiche, wie z.B. das Römische Reich.

Aber keine Nationalstaaten.

Die entwickelten sich erst in der Neuzeit, ab dem 16.Jh.

Wirklich durchsetzen konnte sich die Idee vom Nationalstaat

in fast allen europäischen Ländern

dann mit der Französischen Revolution.

Heute, im Zeitalter der Globalisierung,

sind Fernreisen, weltweiter Handel

und globaler Austausch übers Internet Alltag.

Der Gedanke an einen Nationalstaat

mit vermeintlich einheitlichem Staatsvolk und festen Grenzen

wirkt überholt.

Ich bin jetzt gerade in Berlin am Bard College

und treffe mich hier mit der Historikerin Marion Detjen.

Die beschäftigt sich seit Jahren mit dem Nationalismus

und hat dazu schon viel geschrieben und geforscht.

Sie kann hoffentlich erklären,

wieso der Nationalismus zunimmt und wann das zum Problem wird.

Guten Morgen. - Hallo. Sabine Pusch.

Willkommen.

Ich hab eine Skala aufgemalt.

Ganz rechts steht der Nazi, ganz links ist der Antideutsche.

Auf welcher Position der Skala stehen denn Sie?

Im Bezug auf Nationalismus und Patriotismus

macht diese Skala keinen Sinn.

Ich würde mich da nirgendwo gerne einordnen wollen.

Man muss ja sehen, dass Nationalismus und Patriotismus

eigentlich was ganz Unterschiedliches sind.

Patriotismus gibt's überall.

Es kann sich auf jede Art von politischer Gemeinschaft beziehen.

Ob das ein Dorf ist,

ob man ein bayerischer Patriot ist oder ein europäischer Patriot.

Da ist alles möglich.

Da muss man aber eben immer bestimmen,

für was man eben steht, wenn man diese Gemeinschaft meint.

Während Nationalismus was ganz anderes ist.

Das ist eine politische Ideologie, die den Nationalstaat

mit den Angehörigen der Nation identifiziert,

absolut setzt und so eine Einheit konstruiert,

von Staat, Staatsgewalt, Staatsbürgern und Territorium.

Da passt nichts mehr von der Seite rein.

Das ist gedacht als geschlossene Einheit,

die in dieser Einheit komplett bewahrt werden muss.

Ab wann wird Nationalismus dann zum Problem?

Man muss eben gucken: Hat der Nationalismus gerade eine Aufgabe?

Kann er wirklich ein konkretes Problem lösen? Oder eben nicht.

Also zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg

war Nationalismus in gewisser Weise sinnvoll,

um die ganzen Deutschen eben,

die in den Ostgebieten ohne eine Staatsangehörigkeit waren,

die irgendwie irgendwo aufgenommen werden mussten,

um die dann einzuschließen in diesen Verbund der Deutschen.

Da hatte der Nationalismus eine Funktion.

Aber zu den meisten Zeiten ist Nationalismus eher schädlich

und hilft uns nicht, konkrete Probleme, die wir haben, zu lösen.

Ist jedenfalls sehr süß hier alles. - Eine kuschelige Uni.

60 Nationen und 300 Studierende, fünf Kontinente insgesamt.

Hello, Abdullah. - Nice to meet you.

Würden Sie sagen, dass es Situationen gibt,

in denen Nationalismus noch irgendwie Sinn macht?

Im 21.Jh. mit der Massengesellschaft

und den globalen Problemen, mit Migration usw.

macht Nationalismus einfach überhaupt keinen Sinn.

Egal, mit wem ich spreche,

mit einem syrischen Studenten oder einer deutschen Historikerin:

Nationalismus ist immer schlecht.

Einfach weil's eine Ideologie ist,

die den Menschen Sicherheit verspricht,

die sie nicht leisten kann.

Die Probleme unserer Zeit sind einfach viel zu groß,

als dass man sie mit nationalen Alleingängen lösen könnte.

Deswegen bin ich zurück in München, im Zoo.

Da treff ich mich mit Michael Schroedl.

Der ist Biologe und kämpft viel für Klima und Artenschutz.

Sie werden mir zeigen, wer noch ein Opfer von Nationalismus ist.

Die da sind ein gutes Beispiel. Das sind die Eisbären.

Jeder kennt sie und sie haben sich zum Symbol entwickelt.

Man möchte meinen, dass so gefährdete Tiere geschützt sind.

Aber leider gibt's eben Nationen, die Eisbären nicht schützen.

Es gibt das absurde Beispiel:

Wenn ich in Alaska Eisbären jagen will, darf ich das nicht.

Aber in Kanada ist es erlaubt.

Also geh ich nach Kanada, wenn ich Eisbären abballern will.

Ist das nicht verrückt? - Sehr.

Aber wenn es jetzt im Klima- und im Artenschutz

internationale Vereinbarungen geben würde,

dann würden Sie doch wesentlich weiterkommen, oder?

Es gibt mehrere Vereinbarungen.

Aber wie dann mehrere Länder ausscheren,

meist aus ökonomischen Gründen,

das liegt in deren Angelegenheit.

Dann ist es eben möglich, dass Tiere in einem Land geschützt sind.

Kaum machen sie einen Schritt über die Grenze

oder fliegen drüber, landen sie im Kochtopf.

Das geht nicht. Das betrifft sehr viele Tierarten.

Das gilt ja nicht nur für den Artenschutz,

sondern auch für den Klimaschutz, oder? - Ja.

Klimaschutz ist so, dass sich die Welt nach zähen Verhandlungen

auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt hat.

Fast alle Länder dieser Welt machen mit

und dann kommt Präsident Trump und macht nicht mehr mit.

Da besteht die Gefahr, dass andere Länder das nachahmen.

Wenn die USA aus wirtschaftlichen Interessen austreten,

Warum soll dann ein kleines Land nicht auch austreten

und den maximalen nationalen Vorteil suchen?

Nationalismus stört ganz gewaltig,

wenn wir globale Probleme in den Griff kriegen wollen.

Wir bräuchten so eine Art Welt-Innenpolitik

für die großen Themen:

Migration, Gesundheit, Umweltschutz, Terrorismus.

Deswegen sollten wir alle zusammen

was gegen den aufkeimenden Nationalismus tun. Aber was?

Um das rauszufinden, treff ich mich heute Abend mit ein paar Leuten,

die was bewegen wollen,

die sich einsetzen für internationale Zusammenarbeit.

Hallo, Sabine. - Lisa.

Hallo, Belle. - Jakopo.

Du hast "Volt" hier in München gegründet.

Das ist eine europäische internationale Partei:

Wie kann denn so was überhaupt funktionieren?

Es ist die erste gesamteuropäische Partei.

Wir haben die vor eineinhalb Jahren gegründet:

Ein Italiener, ein Deutscher und eine Französin.

Seitdem sind wir in ganz Europa gewachsen,

wir haben inzwischen in allen 28 EU-Staaten Gruppen

und in neun Ländern sind wir schon als Partei gegründet.

Ich stell mir das total schwierig vor:

Wie funktioniert denn so eine Zusammenarbeit?

Das sind so viele Länder und Interessen.

Wie kriegt man die unter einen Hut?

So unterschiedlich sind die gar nicht.

Wir versuchen eben, auf gemeinsame Lösungen hinzuarbeiten.

Gerade wenn wir von Anfang an mit allen Perspektiven

an einem Thema arbeiten,

stehen am Ende eben auch alle hinter diesen Lösungen.

Du kommst ja nicht aus Deutschland, oder?

Ich komme aus Mailand.

Seit 5 Jahren wohne und arbeite ich in Deutschland.

Was sind die Herausforderungen, wenn man eine europäische Partei hat?

Es gibt politische Herausforderungen.

In diesem Moment fühlen sich viele Länder von der EU allein gelassen.

Das ist, was in Italien passiert.

Wir möchten möglichst stark gegen diese Tendenzen steuern.

Wir kennen den Mehrwert der EU.

Wir kennen das Potenzial.

Wir möchten diese Potenziale entwickeln, stärken,

die EU demokratischer machen, damit alle Europäer

das als einen Schatz für die Allgemeinheit erkennen können.

I hope you have a good evening. We are gonna continue here. Bye.

Wenn wir weiterhin friedlich durch unser All schweben wollen,

ist Zusammenarbeit wesentlich sinnvoller

als Alleingänge von künstlich konstruierten Nationen.

Man darf sich mit seinem Land, seiner Herkunft identifizieren

und stolz auf Dinge sein.

Ich z.B. freue mich nach jedem Urlaub über Vollkornbrot.

D.h. natürlich nicht,

dass andere angefeindet oder ausgegrenzt werden müssen.

Nationalismus ist nie gut, das hab ich gelernt.

Die großen Probleme, die können wir nur zusammen lösen.

Also: zusammen und mit Respekt voreinander.

* Skype-Anruf *

Man sieht natürlich keine Grenzen, das ist klar.

Man kann Kontinente überschauen.

Das ist eben etwas,

was das Gefühl der Zusammengehörigkeit

der Einzigartigkeit von unserem Planeten unterstreicht.

Man bekommt schon ein gutes Gefühl dafür,

dass die Erde aus dieser Höhe von 400 km wunderschön aussieht.

Auf der anderen Seite weiß man,

dass die Wirklichkeit auf der Erde nicht immer ganz so schön ist.

Da wünscht man sich eigentlich,

dass dieser wunderschöne Anblick in nicht allzu ferner Zukunft

in Einklang mit der Wirklichkeit auf der Oberfläche steht.

Untertitelung: BR 2018


Nationalismus – wo der Spaß anfängt und wo er aufhört | RESPEKT Demokratie Nationalism - where the fun begins and where it ends | RESPECT Democracy Nationalisme - où commence le plaisir et où il s'arrête | RESPECT Démocratie Национализм - где начинается и где заканчивается веселье | RESPECT Democracy Націоналізм - де починаються веселощі і де вони закінчуються | ПОВАЖАЄМО демократію

Untertitelung: BR 2018

(Originalton) "Der deutsche Achter setzt zum Schlussspurt an.

Schneller sind sie geworden, die Ruderriesen.

Die Führung für Deutschland.

Der Schlussspurt wird herausgepeitscht."

Bei uns wurde nicht die Nationalhymne gespielt,

sondern für die deutsche Mannschaft die 9. Symphonie von Beethoven.

Das war wunderschön.

Das ist ja eine Ode an die Freude.

Das ist ideal für die Idee der Völkerverständigung

von jungen Menschen.

Und eben auch von Sportlern.

So hat sich Olympiasieger Hans Lenk

vor fast 60 Jahren die Zukunft erträumt.

Alle Menschen werden Brüder oder Schwestern.

Mehr Zusammenhalt, weniger Nationalismus. Und jetzt?

So wirklich was draus geworden ist nicht.

Nicht im Sport, nicht in den Parlamenten

und erst recht nicht auf der Straße.

(alle) Widerstand! Widerstand! Widerstand!

Wer Deutschland nicht liebt, wird Deutschland verlassen!

Krass. Mir kommt es vor,

als ob der Nationalismus in Deutschland ein Comeback erlebt.

Aber nicht nur hier. In Österreich gibt's die FPÖ,

in Italien die Lega Nord, in Ungarn Fidesz.

Überall fordern Politiker mehr Nationalismus.

Und sie werden gewählt.

Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren,

wo sie hingehören.

Weit, weit hinter den Bosporus.

Zu ihren Lehmhütten und Vielweibern.

Hier haben sie nichts zu suchen und nichts zu melden.

Nationalismus ist heute das Thema bei RESPEKT.

Warum nimmt Nationalismus wieder zu?

Was ist der Unterschied zum Patriotismus?

Und ab wann wird Nationalismus gefährlich?

Was ist dran an dem Glauben,

dass eine Nation besser ist als die andere?

Und dass nationale Ziele wichtiger sind als die gemeinsamen?

Und v.a. was ist eigentlich deutsch?

Deutsch, überhaupt nix mehr.

Das heißt? - Da sind ja bald mehr andere da.

Aber du darfst ja nix sagen, sonst bist du ausländerfeindlich.

Gründlichkeit, Pünktlichkeit. Das ist typisch deutsch.

Die meisten sind unfreundlich und unzufrieden.

Ein gutes Lebensgefühl aufgrund der Umgebung.

Wir sind ehrliche Leute.

Gibt's was, was die Deutschen besser können als andere?

Ja.

Und zwar alles, was mit Maschinen zu tun hat. Ingenieurwesen.

Ich glaub: die Effizienz. Dafür wird Deutschland bewundert.

Alles ist effizient.

Ob das dann auch so lustig ist oder sympathisch,

das ist was anderes.

Gar nicht so einfach.

Nationalist, Patriot.

Damit wir wissen, wovon wir sprechen,

will ich die Begriffe so klären, wie sie meist verwendet werden.

Zwar kein schöner Strich, aber egal.

Und die Mitte ist jetzt irgendwo hier.

Dann haben wir erst einmal rechts der Mitte,

da haben wir den Patrioten:

Ich liebe mein Land.

Ich tue alles dafür, damit's auch so ein schönes Land bleibt.

Aber andere Länder sind schon auch schön.

Bisschen weiter rechts davon haben wir den Nationalisten:

Natürlich liebe ich mein Land. Es ist ja auch das beste der Welt.

Dann kommt noch der Chauvinist, der alles andere verabscheut.

Und der Nazi, der sogar gewaltbereit gegenüber anderen ist.

Links der Mitte: der Verfassungspatriot.

Es steht doch alles hier drin:

Das deutsche Volk bekennt sich zu Menschenrechten

als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft,

des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Ein bisschen weiter links davon: der bunte Kosmopolit.

Bon jour, hasta la vista. Die Welt ist mein Zuhause.

Daneben kommt im Grunde nur noch der Antideutsche,

der alles Deutsche verabscheut.

Jetzt frag ich mich:

Wo wird Nationalismus eigentlich zum Problem?

Hier, hier oder erst hier.

Einer, der sich seit vielen Jahren

mit so schwierigen Fragen beschäftigt,

ist der Philosoph Hans Lenk.

Er war Präsident der Weltakademie für Philosophie,

was so ziemlich das höchste Philosophenamt ist.

Und er ist Olympiasieger. 1960 im deutschen Ruderachter.

* Klingel *

Guten Tag. - Guten Tag.

Guten Tag. - Hans Lenk.

Hallo, Sabine Pusch. Und der Rest vom Team.

Wie war das bei Ihnen damals,

als Sie mit dem deutschen Ruderachter gewonnen haben?

Für wen haben Sie gewonnen?

Haben Sie für Deutschland gewonnen?

Natürlich haben wir uns als deutsche Sportler gesehen.

Aber wir haben in erster Linie für uns selber

und die Mannschaft und auch unseren Heimatverein gerudert.

Das andere spielte eine Rolle.

Wir waren stolz, da als Vertreter auftreten zu können.

Wir hatten aber den großen Vorteil,

dass bei uns keine deutsche Nationalfahne gehisst wurde,

sondern eine Gemeinschaftsfahne

der beiden deutschen Olympiamannschaften,

die eine war, damals.

Eine zusammengewürfelte Ost-West-Mannschaft.

Erstmalig.

Wir hatten auch keine Nationalhymne, die gespielt wurde.

Das fand ich noch besser, eigentlich.

Sondern? - Wir hatten die 9. Symphonie von Beethoven.

Die "Ode an die Freude"? - Ja.

Das ist ja dann später die Europahymne geworden.

Was war denn da so Ihre Hoffnung für die Zukunft?

Wir hatten damals die Hoffnung,

dass das tatsächlich zusammenwächst einmal.

Man hat darüber hinaus gehofft,

dass das Signal der Olympischen Spiele

auch darüber hinaus eine Art von Einigungsfunktion ausüben könnte.

Das ist auch vielfach behauptet worden von Schriftstellern:

Völkerverständigung durch Sport, durch internationale Spiele.

Aber das ist ja nicht so geschehen.

Warum wollen die Menschen überhaupt nationale Symbole?

Woher kommt das, dass Menschen eine Nation wollen?

Das ist natürlich ein Riesen-Problem.

Nationen sind zum Großteil künstlich geschaffene Konstrukte.

Andererseits ist es so, dass heute im Sport die jungen Leute,

gerade im Fußball, dem nachrennen.

Mit den Nationalfahnen.

Glauben Sie,

dass die nationalen Symbole teilweise auch Sicherheit geben?

Ja, die geben Identitätsbewusstsein.

Man identifiziert sich. Nun weniger mit den Symbolen.

Das sind ja sozusagen äußere Zeichen,

sondern durch ein Zugehörigkeitsgefühl.

Der Internationale Ruderverband hat Anfang der 80er-Jahre

oder auch schon Ende der 70er-Jahre

bei Europameisterschaften zunächst die Nationalfahnen weggelassen.

Bei der Siegerehrung.

Was ist eigentlich Ihr Fazit zum Nationalismus?

Natürlich möglichst wenig Nationalismus.

Dafür viel Freundschaft über die Völkergrenzen hinweg.

Und möglichst so mit der 9. Symphonie von Beethoven

bzw. mit der "Ode an die Freude" von Schiller.

Schön wär's.

Danke, dass Sie Zeit hatten. - Alles Gute.

Nationalismus gibt es eigentlich erst seit dem 18. bzw. 19.Jh.

Die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776

und die Französische Revolution 1789 waren eine Zeitenwende:

Abschaffung der Feudalherrschaft. Aufhebung der Stände.

Jetzt gilt: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Viele Vorrechte des Adels werden abgeschafft.

Alle Menschen sollen gleich behandelt werden: als Bürger.

Es braucht eine gemeinsame Idee, die alle vereint: die Nation.

Im 19.Jh. breiten sich revolutionäre Ideen in ganz Europa aus.

Überall fordern die Menschen Freiheit und Gleichheit aller Bürger.

Weg mit der ungerechten Ständegesellschaft.

Die Idee von der "Nation" wird für viele Länder der Rahmen,

der die Gesellschaft zusammenhalten soll.

Dafür braucht es aber Inhalte. Z.B. eine gemeinsame Sprache,

eine vermeintlich gemeinsame Geschichte und Kultur

und gemeinsame Gegner.

So entsteht eine "nationale Identität".

Nationalisten übertreiben es.

Sie verdrehen das damals Fortschrittliche und Einigende:

Sie machen die Idee von der Nation zur Ideologie.

Die Folge: Übersteigertes Nationalbewusstsein,

Überlegenheitsgefühl und Ausgrenzung.

Nationalisten behaupten z.B.:

"Wir sind besser als andere,

deshalb haben wir Ansprüche auf andere Länder."

Die Folge: Konflikte mit anderen Staaten.

Bis hin zu den beiden Weltkriegen im 20.Jh.

Und auch im Inland

sorgt Nationalismus für Ärger und Aggression:

Er richtet sich gegen alle, die angeblich nicht zur Nation gehören:

Vermeintliche Ausländer,

Menschen mit anderem Glauben und anderer Kultur, mit anderem Weltbild.

Symbole, die das Nationalgefühl unterstützen:

Die Nationalflagge und die Nationalhymne.

Beides vereinnahmen Nationalisten für ihre politischen Zwecke.

Das Extrembeispiel: die Nationalsozialisten.

Sie sangen nur die erste Strophe der Nationalhymne:

"Deutschland über alles".

Ideologie, ganz im Sinne der Nationalisten.

Damit sich das nicht wiederholt und um Nationalismus vorzubeugen,

wird heute nur noch die dritte Strophe gesungen.

Die betont die positiven Forderungen,

auch aus der Französischen Revolution.

Wir können also festhalten: Nationalismus ist,

wenn man den Wert der eigenen Nation übersteigert.

Wenn man sich und sein eigenes Land besser findet als alle 193.

Und wenn man andere abwertet. Gibt's ja nicht nur bei uns.

From this day forward

it's going to be only: America first!

Komisch eigentlich.

Wieso sollte ausgerechnet das Land, in dem man selbst geboren ist,

das beste und tollste sein? Und wo fängt so ein Land an?

Wo hört es auf? Und wer gehört dazu und wer nicht?

Auf Deutschland bezogen: natürlich alle, die hier leben.

Ich zähl mich selber natürlich auch dazu.

D.h., du bist nicht aus Deutschland?

Ich bin hier geboren und aufgewachsen.

Meine Eltern kommen ursprünglich aus der Türkei.

Ich fühle mich als Deutscher, nicht anders.

Ich glaube, es gehören alle dazu, die dazu gehören wollen.

Also auch die, die hier leben und sich zugehörig fühlen.

Die Leute, die sich gut integrieren lassen hier, das ist in Ordnung.

Die, die sich so verhalten und sich als Deutsche fühlen.

Und wann verhält man sich als Deutscher?

Wenn man keine Scheiße baut.

Es gibt eine ganz klare Definition, wer zum deutschen Volk gehört.

Deutsch ist, laut Grundgesetz, wer einen deutschen Pass hat. Fertig.

Trotzdem definieren sich viele über ihre Nationalität.

Das war nicht immer so.

"Natio" kommt aus dem Lateinischen.

Es bedeutet: Geburt oder Herkunft.

Aber auch Volksstamm oder Völkerschaft.

Das Wort "Nation" bezeichnet also

eine Gruppe von Menschen mit denselben Merkmalen:

Z.B. dieselbe Sprache, dieselbe Ethnie, dieselbe Kultur,

dieselbe Religion oder eine gemeinsame politische Tradition.

Einen "Staat" kennzeichnen drei Dinge:

Ein gemeinsames Land, das Staatsgebiet.

Die Menschen, die darin wohnen, das Staatsvolk.

Und die Menschen, die das Land regieren, die Staatsgewalt.

Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt

hat auch der sog. Nationalstaat.

Dazu kommt aber: Die Menschen, die hier leben,

fühlen sich alle als Teil einer Nation.

Anders beim sog. Vielvölkerstaat oder Nationalitätenstaat.

Hier leben Menschen zusammen,

die sich verschiedenen Nationalitäten zugehörig fühlen.

Grundlage eines Nationalstaates ist,

dass jedes Mitglied überhaupt weiß, dass es zu einer Nation gehört.

Das nennt man Nationalgefühl bzw. Nationalbewusstsein.

Ohne Nationalbewusstsein kein Nationalstaat,

so zumindest die Theorie.

Deshalb wird es immer wieder erzeugt.

Von der Antike bis zum Mittelalter gab es Stadtstaaten,

Fürstentümer oder sehr große Reiche, wie z.B. das Römische Reich.

Aber keine Nationalstaaten.

Die entwickelten sich erst in der Neuzeit, ab dem 16.Jh.

Wirklich durchsetzen konnte sich die Idee vom Nationalstaat

in fast allen europäischen Ländern

dann mit der Französischen Revolution.

Heute, im Zeitalter der Globalisierung,

sind Fernreisen, weltweiter Handel

und globaler Austausch übers Internet Alltag.

Der Gedanke an einen Nationalstaat

mit vermeintlich einheitlichem Staatsvolk und festen Grenzen

wirkt überholt.

Ich bin jetzt gerade in Berlin am Bard College

und treffe mich hier mit der Historikerin Marion Detjen.

Die beschäftigt sich seit Jahren mit dem Nationalismus

und hat dazu schon viel geschrieben und geforscht.

Sie kann hoffentlich erklären,

wieso der Nationalismus zunimmt und wann das zum Problem wird.

Guten Morgen. - Hallo. Sabine Pusch.

Willkommen.

Ich hab eine Skala aufgemalt.

Ganz rechts steht der Nazi, ganz links ist der Antideutsche.

Auf welcher Position der Skala stehen denn Sie?

Im Bezug auf Nationalismus und Patriotismus

macht diese Skala keinen Sinn.

Ich würde mich da nirgendwo gerne einordnen wollen.

Man muss ja sehen, dass Nationalismus und Patriotismus

eigentlich was ganz Unterschiedliches sind.

Patriotismus gibt's überall.

Es kann sich auf jede Art von politischer Gemeinschaft beziehen.

Ob das ein Dorf ist,

ob man ein bayerischer Patriot ist oder ein europäischer Patriot.

Da ist alles möglich.

Da muss man aber eben immer bestimmen,

für was man eben steht, wenn man diese Gemeinschaft meint.

Während Nationalismus was ganz anderes ist.

Das ist eine politische Ideologie, die den Nationalstaat

mit den Angehörigen der Nation identifiziert,

absolut setzt und so eine Einheit konstruiert,

von Staat, Staatsgewalt, Staatsbürgern und Territorium.

Da passt nichts mehr von der Seite rein.

Das ist gedacht als geschlossene Einheit,

die in dieser Einheit komplett bewahrt werden muss.

Ab wann wird Nationalismus dann zum Problem?

Man muss eben gucken: Hat der Nationalismus gerade eine Aufgabe?

Kann er wirklich ein konkretes Problem lösen? Oder eben nicht.

Also zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg

war Nationalismus in gewisser Weise sinnvoll,

um die ganzen Deutschen eben,

die in den Ostgebieten ohne eine Staatsangehörigkeit waren,

die irgendwie irgendwo aufgenommen werden mussten,

um die dann einzuschließen in diesen Verbund der Deutschen.

Da hatte der Nationalismus eine Funktion.

Aber zu den meisten Zeiten ist Nationalismus eher schädlich

und hilft uns nicht, konkrete Probleme, die wir haben, zu lösen.

Ist jedenfalls sehr süß hier alles. - Eine kuschelige Uni.

60 Nationen und 300 Studierende, fünf Kontinente insgesamt.

Hello, Abdullah. - Nice to meet you.

Würden Sie sagen, dass es Situationen gibt,

in denen Nationalismus noch irgendwie Sinn macht?

Im 21.Jh. mit der Massengesellschaft

und den globalen Problemen, mit Migration usw.

macht Nationalismus einfach überhaupt keinen Sinn.

Egal, mit wem ich spreche,

mit einem syrischen Studenten oder einer deutschen Historikerin:

Nationalismus ist immer schlecht.

Einfach weil's eine Ideologie ist,

die den Menschen Sicherheit verspricht,

die sie nicht leisten kann.

Die Probleme unserer Zeit sind einfach viel zu groß,

als dass man sie mit nationalen Alleingängen lösen könnte.

Deswegen bin ich zurück in München, im Zoo.

Da treff ich mich mit Michael Schroedl.

Der ist Biologe und kämpft viel für Klima und Artenschutz.

Sie werden mir zeigen, wer noch ein Opfer von Nationalismus ist.

Die da sind ein gutes Beispiel. Das sind die Eisbären.

Jeder kennt sie und sie haben sich zum Symbol entwickelt.

Man möchte meinen, dass so gefährdete Tiere geschützt sind.

Aber leider gibt's eben Nationen, die Eisbären nicht schützen.

Es gibt das absurde Beispiel:

Wenn ich in Alaska Eisbären jagen will, darf ich das nicht.

Aber in Kanada ist es erlaubt.

Also geh ich nach Kanada, wenn ich Eisbären abballern will.

Ist das nicht verrückt? - Sehr.

Aber wenn es jetzt im Klima- und im Artenschutz

internationale Vereinbarungen geben würde,

dann würden Sie doch wesentlich weiterkommen, oder?

Es gibt mehrere Vereinbarungen.

Aber wie dann mehrere Länder ausscheren,

meist aus ökonomischen Gründen,

das liegt in deren Angelegenheit.

Dann ist es eben möglich, dass Tiere in einem Land geschützt sind.

Kaum machen sie einen Schritt über die Grenze

oder fliegen drüber, landen sie im Kochtopf.

Das geht nicht. Das betrifft sehr viele Tierarten.

Das gilt ja nicht nur für den Artenschutz,

sondern auch für den Klimaschutz, oder? - Ja.

Klimaschutz ist so, dass sich die Welt nach zähen Verhandlungen

auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt hat.

Fast alle Länder dieser Welt machen mit

und dann kommt Präsident Trump und macht nicht mehr mit.

Da besteht die Gefahr, dass andere Länder das nachahmen.

Wenn die USA aus wirtschaftlichen Interessen austreten,

Warum soll dann ein kleines Land nicht auch austreten

und den maximalen nationalen Vorteil suchen?

Nationalismus stört ganz gewaltig,

wenn wir globale Probleme in den Griff kriegen wollen.

Wir bräuchten so eine Art Welt-Innenpolitik

für die großen Themen:

Migration, Gesundheit, Umweltschutz, Terrorismus.

Deswegen sollten wir alle zusammen

was gegen den aufkeimenden Nationalismus tun. Aber was?

Um das rauszufinden, treff ich mich heute Abend mit ein paar Leuten,

die was bewegen wollen,

die sich einsetzen für internationale Zusammenarbeit.

Hallo, Sabine. - Lisa.

Hallo, Belle. - Jakopo.

Du hast "Volt" hier in München gegründet.

Das ist eine europäische internationale Partei:

Wie kann denn so was überhaupt funktionieren?

Es ist die erste gesamteuropäische Partei.

Wir haben die vor eineinhalb Jahren gegründet:

Ein Italiener, ein Deutscher und eine Französin.

Seitdem sind wir in ganz Europa gewachsen,

wir haben inzwischen in allen 28 EU-Staaten Gruppen

und in neun Ländern sind wir schon als Partei gegründet.

Ich stell mir das total schwierig vor:

Wie funktioniert denn so eine Zusammenarbeit?

Das sind so viele Länder und Interessen.

Wie kriegt man die unter einen Hut?

So unterschiedlich sind die gar nicht.

Wir versuchen eben, auf gemeinsame Lösungen hinzuarbeiten.

Gerade wenn wir von Anfang an mit allen Perspektiven

an einem Thema arbeiten,

stehen am Ende eben auch alle hinter diesen Lösungen.

Du kommst ja nicht aus Deutschland, oder?

Ich komme aus Mailand.

Seit 5 Jahren wohne und arbeite ich in Deutschland.

Was sind die Herausforderungen, wenn man eine europäische Partei hat?

Es gibt politische Herausforderungen.

In diesem Moment fühlen sich viele Länder von der EU allein gelassen.

Das ist, was in Italien passiert.

Wir möchten möglichst stark gegen diese Tendenzen steuern.

Wir kennen den Mehrwert der EU.

Wir kennen das Potenzial.

Wir möchten diese Potenziale entwickeln, stärken,

die EU demokratischer machen, damit alle Europäer

das als einen Schatz für die Allgemeinheit erkennen können.

I hope you have a good evening. We are gonna continue here. Bye.

Wenn wir weiterhin friedlich durch unser All schweben wollen,

ist Zusammenarbeit wesentlich sinnvoller

als Alleingänge von künstlich konstruierten Nationen.

Man darf sich mit seinem Land, seiner Herkunft identifizieren

und stolz auf Dinge sein.

Ich z.B. freue mich nach jedem Urlaub über Vollkornbrot.

D.h. natürlich nicht,

dass andere angefeindet oder ausgegrenzt werden müssen.

Nationalismus ist nie gut, das hab ich gelernt.

Die großen Probleme, die können wir nur zusammen lösen.

Also: zusammen und mit Respekt voreinander.

* Skype-Anruf *

Man sieht natürlich keine Grenzen, das ist klar.

Man kann Kontinente überschauen.

Das ist eben etwas,

was das Gefühl der Zusammengehörigkeit

der Einzigartigkeit von unserem Planeten unterstreicht.

Man bekommt schon ein gutes Gefühl dafür,

dass die Erde aus dieser Höhe von 400 km wunderschön aussieht.

Auf der anderen Seite weiß man,

dass die Wirklichkeit auf der Erde nicht immer ganz so schön ist.

Da wünscht man sich eigentlich,

dass dieser wunderschöne Anblick in nicht allzu ferner Zukunft

in Einklang mit der Wirklichkeit auf der Oberfläche steht.

Untertitelung: BR 2018