Ist Abtreibung moralisch vertretbar? - Peter Singer
Lasst uns zu Beginn ein Gedankenexperiment machen.
Stell dir vor Du wachst eines morgens im Krankenhaus auf.
Neben dir liegt eine Person mit einer seltenen tödlichen Krankheit.
Du bist durch einige Schläuche mit ihr verbunden.
Der Arzt klärt dich auf, dass es nur eine Möglichkeit gibt das Leben dieser Person
zu retten.
“Mr.
Smith, Shrimply Pibbles Leben kann gerettet werden, aber nur wenn wir sein Herz durch
ihren menschlichen Penis ersetzen.”
Okay, nicht ganz so schlimm.
Um das Leben der Person zu retten, musst Du für 9 Monate mit ihr verbunden bleiben.
Wenn Du die Schläuche entfernst, wird sie definitiv sterben.
“Hi Schatz, also die Sache ist die: diese Kerle wollen meinen Penis komplett entfernen
und als Alienherz benutzen und dazu bräuchten wir nur noch deine Einverständniserklärung.”
“Was?”
“Oh oh, scheint fast so, als ob wir hier ein kleines Problemchen hätten.”
Die Frage ist: haben wir eine moralische Verpflichtung diese Person zu retten?
Beziehungsweise, was wiegt stärker: sein Recht zu Leben oder dein Recht auf Selbstbestimmung?
Wie dir vielleicht aufgefallen ist, beschäftigt sich dieses Gedankenexperiment mit der Abtreibungsproblematik.
Doch das Beispiel, welches der gängigen Argumentation einiger Religiöser und Konservativer folgt,
hat ein Problem: Es spricht dem menschlichen Embryo denselben moralischen Status wie einem
erwachsenen Menschen zu.
Ein Schwangerschaftsabbruch wird mit dem Sterbenlassen oder gar Mord eines Menschen gleichgesetzt.
Für sie beginnt das menschliche Leben ab der Sekunde in der Samen- und Eizelle miteinander
verschmelzen.
Diese Annahmen sind meist religiös begründet.
Doch selbst Biologen würden dem vermutlich zustimmen, da der Keimling ab diesem Augenblick
seine menschliche DNS besitzt und somit unserer Spezies angehört.
Aber kann man deshalb auch im moralischen Sinne von einem vollwertigen Menschen reden?
Ein Embryo ist schließlich keine Person, ihm fehlt es zum Beispiel an Erinnerungsvermögen,
kognitiven Fähigkeiten und einem Bewusstsein.
Ab wann beginnt das menschliche Leben?
Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?
Mit der Befruchtung, der Geburt oder zu einem ganz anderen Zeitpunkt?
Der Philosoph Peter Singer meint, dass die Diskussion darüber ob oder ab wann ein Fötus
als “Mensch” zu bezeichnen ist, nicht relevant für die moralische Beurteilung ist.
Seiner Argumentation nach sind lediglich die Interessen der Frau und des Embryos als entscheidende
Kriterien zu verstehen.
Man spricht auch vom Präferenzutilitarismus.
Auf der Seite der Frau sind diese Präferenzen zum Beispiel Selbstständigkeit, Lust- & Schmerzempfinden, Bewusstsein und Selbstwertgefühl.
Für den Keimling können hingegen nur die Präferenzen Schmerzempfinden und Bewusstsein
in Betracht gezogen werden, da es ihm an erweiterten kognitiven Fähigkeiten fehlt.
Spätestens jetzt sollten wir die Naturwissenschaften zu Rate ziehen.
Leider gibt es bisher keine abgeschlossenen wissenschaftlichen Forschungen bzw.
Ergebnisse, ab wann ein Fötus ein Bewusstsein besitzt.
Deshalb sollten wir uns auf das Schmerzempfinden konzentrieren.
Letztendlich läuft alles auf die Frage hinaus: “Was wiegt schwerer: Das Leiden des Embryos
oder das Leiden der Mutter?“
Wissenschaftliche Studien sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Fötus ab der 20. bis 24.
Schwangerschaftswoche fähig ist Schmerzen zu empfinden.
Zur Info: in Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch aktuell maximal bis zur 14.
Schwangerschaftswoche erlaubt.
Singer ordnet den moralischen Wert, aufgrund der Fähigkeit Schmerzen zu empfinden, auf
dieselbe Stufe, wie den eines höher entwickelten Tieres.
Für ein Großteil der Menschen ist es moralisch komplett unbedenklich Tiere zu schlachten,
nur weil uns ihr Fleisch schmeckt.
Wenn wir also dieses Verhalten nicht verurteilen, ist selbst eine Abtreibung trotz Schmerzempfinden
des Embryos in einem späten Stadium der Schwangerschaft moralisch vertretbar.
Wenn wir jedem Menschen die Freiheit lassen Fleisch zu essen, sollte dann nicht auch jede
betroffene Frau die moralische Entscheidung treffen dürfen, ob sie ihren Fötus abtreiben
will oder nicht?
Einige Abtreibungsgegner antworten darauf, dass zwar tatsächlich noch keine Interessen
auf Seiten des Embryos vorliegen, aber jeder Fötus ein potenzieller Mensch ist und sich
allein daraus dieselben moralischen Rechte ergeben, wie für einen wirklichen Menschen.
Dieses Argument lässt sich schnell entkräften, wenn man das Prinzip auf andere Bereiche anwendet.
Kinder sind potentielle Erwachsene, trotzdem hat ein Fünfjähriger nicht dieselben Rechte,
wie ein wirklicher Erwachsener und das hat auch seinen Sinn.
Mit welcher Begründung sollte man einer potentiellen Person dieselben Rechte geben, wie einer wirklichen
Person?
Letztendlich ist, nach der Auffassung Peter Singers, ein Schwangerschaftsabbruch ab dem
Zeitpunkt, an dem ein Fötus Schmerzen empfinden kann, ähnlich verwerflich wie das Töten
eines Tieres.
Das soll keineswegs heißen, dass das immer moralisch vertretbar ist, sondern dass man
die Interessen der Beteiligten berücksichtigten sollte.
Wenn beispielsweise das Leben der Mutter in Gefahr ist, überwiegen die Präferenzen der
Mutter und eine Abtreibung sollte möglich sein.
In frühen Stadien der Entwicklung hingegen, ist ein Schwangerschaftsabbruch moralisch
völlig unbedenklich, da noch kein Schmerzempfinden vorliegt.
Was haltet ihr von Peter Singers Argumentation?
Ich bin auf eure Meinung gespannt!
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