Push-Benachrichtigungen und warum die Glocke so dumm ist
Es ist das Geräusch eines neuen digitalen Zeitalters und keine innerstädtische Busfahrt
kommt mehr ohne es aus.
(Nachrichtenton) Der Nachrichtenton und die damit verbundene
Push-Notification.
Im Durchschnitt empfängt jeder Smartphonebesitzer knapp 50-100 Push-Notifications pro Tag.
Ob nun durch Messenger, Spiele, Nachrichtenportale, Soziale Netzwerke oder diese eine Fitness-App,
die man zu Neujahr installiert und ausprobiert aber seitdem nie wieder geöffnet hat, die
Push-Notification kommt in vielen Formen und Farben.
Sie sind ein elementarer Bestandteil des Alltags mit digitalen Medien, dabei ist diese Technologie
gerade mal 15 Jahre alt.
Anfang der 2000er hat die digitale Kommunikation ein bis dato supernerviges Problem.
Man ist darauf angewiesen, dass die Person, der man gerade eine E-Mail geschrieben hat,
den eigenen Posteingang sobald wie möglich überprüft, damit sie so direkt wie möglich
antworten kann.
Das war gerade für geschäftige Businessleute, die viel unterwegs waren, ein großes Hindernis.
E-Mail-Kommunikation wirkte dadurch unnötig zäh und anstrengend.
2003 veröffentlichte Research in Motion, kurz RIM, dann eine Lösung.
Der eigenen Flagschiff-Smartphone-Reihe “BlackBerry” wurde ein Dienst hinzugefügt, der “Push
Service” genannt wurde und es zum ersten Mal überhaupt ermöglichte, direkte und unmittelbare
E-Mail-Kommunikation auch unterwegs führen zu können.
Bis zu diesem Punkt lief der meiste Datenaustausch über die sogenannte “Pull-Technologie”
ab, die den Nutzer Informationen von einem Server abfragen lässt und diese dann von
ihm übermittelt bekommt.
Man muss also seine E-Mails manuell aktualisieren, damit die Bitte nach neuen Informationen beim
Mailserver ankommt, dieser sich nach diesen umschaut und sich dann mit seinen Ergebnissen
bei einem zurückmeldet.
Die Push-Technologie hingegen lässt den Server ohne vorherigen Nutzerimpuls bei neuen Informationen
übermitteln, so dass der Nutzer passiv und der Server aktiv wird.
Dieser Schritt war für die Businesswelt in 2003 ein Riesending, was dazu führte, dass
nahezu jedes Firmenhandy ein BlackBerry wurde, weil man hoffte, damit mobile Kommunikation
effizienter zu machen.
2007 kam dann das iPhone und änderte alles.
… Na ja, nur nicht bei Push-Benachrichtigungen. 2009 erst veröffentlicht Apple dann APNS,
den Apple Push Notification Service, der mit iOS 3.0 die Push-Benachrichtigungen salonfähig
machen sollte.
Sowohl Apples eigene Funktionen als auch die Apps dritter erhielten die Möglichkeit, durch
diese Technologie mit den Nutzern zu kommunizieren. 2010, ein Jahr später, startet Google ein
ähnliches Programm mit dem supersperrigen Namen “Google Cloud to Device Messaging”
für sein mobiles Betriebssystem Android und merkt zwei Jahre später, dass das echt ein
saudummer Name ist und kürzt ihn auf “Google Cloud Messaging”.
Und hier sind wir nun, unsere Weise im Internet Informationen zu bekommen, hat sich in vielen
Belangen wortwörtlich um 180° gedreht.
Wir gehen in vielen Fällen nicht mehr auf die Suche nach Informationen, senden Impulse
hinaus auf denen Antworten folgen sollen, sondern haben uns ein mehr oder weniger optimiertes
System geschaffen, dass diese Informationen, sobald sie verfügbar sind, zu uns bringt.
Als Überbringer von Push-Notifications ist es fast schon eine eigene Wissenschaft, herauszufinden,
welche Benachrichtigungen sendenswert sind und welche nicht.
Denn 71% der Gründe, warum Leute Apps deinstallieren liegt in nervigen Benachrichtigungen.
Also lieber einmal zu wenig benachrichtigen als einmal zu oft.
Dadurch wird die Informationsgewinnung jedes einzelnen ein nicht ganz anspruchsloser Managementprozess.
Auf was kann ich verzichten?
Was muss ich unbedingt wissen und warum habe ich eigentlich noch Facebook installiert?
Eine der letzten großen Plattformen, die nach wie vor über Pull-Anfragen ihrer Nutzer
funktionierte, war YouTube.
Wer Videos sehen wollte, öffnete die eigene YouTube-App und begann entweder zu Suchen
oder zu schauen was ihm empfohlen wurde.
Mittlerweile ist auch das nicht mehr so.
Dank der Glocke hat man nun auch die Möglichkeit sich für bestimmte Neuigkeiten via Push benachrichtigen
zu lassen.
Was an sich gar keine so schlechte Idee ist, nur ist es ziemlich tragisch, dass diese Glocke
nunmal hauptsächlich als Möglichkeit genutzt wird, Nutzer immer wieder auf die Plattform
zu locken und nicht zwangsläufig dabei zu helfen, die Videos bestimmter Leute regelmäßig
angezeigt zu bekommen.
Wer mit seinen Videos nicht genug Leute auf die Plattform zieht, ist weniger wert und
kann vernachlässigt werden.
So wird die aktivierte Glocke weniger ein Service für den Nutzer, sondern eher eine
Unterstützungsmöglichkeit für den jeweiligen YouTuber.
Man aktiviert unter Umständen also eine Benachrichtigungsfunktion, ohne dass man benachrichtigt werden will,
sondern eher weil man glaubt, der Person, die für diese Benachrichtigungen sorgt, zu
helfen.
Das ist in etwa so wie dem Mann im Handykostüm in der Einkaufsstraße einen Vertrag abzukaufen,
weil man glaubt, dass er dadurch eine Provision kriegen würde.
Zyniker würden behaupten, dieses Video wäre nur eine sehr lange und ausschweifende Bitte,
bei diesem Kanal die Glocke zu aktivieren, auch wenn sie euch nichts bringt, aber genau
dieser Umstand macht es ja so dämlich.
Push-Benachrichtigungen sind nicht mehr nur eine direkt angezeigte E-Mail, sie sind ein
riesiger Markt, der teilweise für echt dumme Funktionen sorgt.
...und das ist furchtbar schade.