×

Ми використовуємо файли cookie, щоб зробити LingQ кращим. Відвідавши сайт, Ви погоджуєтесь з нашими cookie policy.


image

YouTube | Y-Kollektiv - kurze Videodokumentationen und Reportagen, Bitcoin: Krypto als nationale Währung? El Salvador macht das Experiment | Y-Kollektiv (2/2)

Bitcoin: Krypto als nationale Währung? El Salvador macht das Experiment | Y-Kollektiv (2)

Und das ist schon einigermaßen außergewöhnlich: In Deutschland hält sich die große Politik

von sich aus weitgehend fern von der Bitcoin-Community. Und umgekehrt genauso.

Denn Kryptowährungen wollen ohne staatliche Institutionen oder irgendeine zentrale Institution

funktionieren, das ist eigentlich das Herzstück der Philosophie.

Aber hier bekommen die Bitcoiner jetzt einen offiziellen Empfang.

Draußen im Flur treffe ich Rene, der beim Bitcoin-Youtube-Kanal Blocktrainer arbeitet.

Wenn mir das jemand vor einem Jahr gesagt hätte: So in einem Jahr sitzt du in El Salvador

im Auswärtigen Amt und hörst dir da Storys zu Bitcoin an. Surreal.

Und ich frage mich immer mehr, wie groß eigentlich die Gruppe derer ist, die ähnlich wie Anita

nichts mit dieser politischen Nummer nichts zu tun haben wollen.

Ich glaub die Bitcoin-Community, die gibt es eigentlich gar nicht. Das ist eine so sehr

heterogene Community. Und deswegen hat man sowohl die einen, die sagen: Ja, es ist ein

Kompromiss oder eine bittere Pille, die man vielleicht schlucken muss. Es gibt aber auch

ganz kritische Stimmen, die sagen so, uns gefällt es gar nicht, was da abgeht.

So wie hier, dass quasi die die Leute auf eine staatliche App ongeboardet werden. Weil, die mussten

sich ja auch alle sich verifizieren, um diese 30 Dollar initiale Bitcoin, diesen Bitcoin

Bonus ausbezahlt zu bekommen. Da gab es ganz viele sehr kritische Stimmen aus der Bitcoin Community.

Politik und Bitcoiner zusammen in einem Raum und auch, wenn sie eigentlich Welten trennen -

daran, dass sie mit der Kryptowährung auf das richtige Pferd setzen, darin sind sich

wohl alle einig. Doch es gibt einen im Raum, der sieht das anders.

Der deutsche Botschafter ist dazu gekommen, Peter Woeste. Er äußert sich kritisch -

im Rahmen seiner diplomatischen Möglichkeiten sogar ziemlich kritisch, wie ich finde.

So weit, so nachvollziehbar. Aber was dann kommt, vermiest einigen im Saal die Laune.

Das Argument, dass Bitcoin für Geldwäsche wie gemacht ist, gehört zum Standard-Reportoire

von Bitcoin-Gegnern. Und es ist schwierig - denn Bitcoin arbeitet zwar mit einer pseudonymen

Adresse, statt mit Klarnamen. Aber jede einzelne Transaktion ist auf der Blockchain

öffentlich einsehbar - und damit das Gegenteil von anonym.

Thomas ist auf seinem Youtube-Kanal Finanzfluss eigentlich eher der Typ konservativer Stratege,

er ist kein Bitcoin-Groupie. Trotzdem hat er so seine Probleme mit dem Auftritt des

deutschen Botschafters. Erstens mal kamen so alte Argumente. Was früher

dem Bitcoin häufig vorgeworfen wurde, dass es für illegale Zahlungen benutzt würde,

also dodgy Charakter, finde ich ist jetzt mittlerweile schon ganz gut belegt,

dass es nicht eine illegalere Währung ist als alles andere. Oder nicht mehr für illegale Zwecke

benutzt hat als andere. Und einer aus der Gruppe hatte eine interessante Fragestellung.

Er hat den Botschafter mal gefragt, ob er denn selbst schon mal mit Bitcoin gezahlt hat.

Und da war die Antwort: Nein. Und das finde ich jetzt sehr, sehr repräsentativ dafür,

dass man sich mit der Thematik eigentlich kaum beschäftigt hat.

Das ändert sich nach der Veranstaltung. Bitcoiner und Botschafter reden noch eine ganze Weile

abseits der großen Bühne, und am Ende hat auch der kritische Diplomat sein erstes Bitcoin-Wallet.

Auf jeden Fall ist es jetzt bei mir durch. Vielleicht nochmal öffnen und schließen.

Dann müssten Sie die 4000 haben. Hilft für zwei Kaffee, ne.

Spannend, ob wir in einem Jahr dafür vier Kaffee kaufen können.

Meine Reise ist so voller verschiedener Eindrücke und Begegnungen,

dass es mir echt schwer fällt, irgendwie über all das zu urteilen.

Irgendwie finde ich es mutig von der Regierung El Salvadors, sich dem Experiment Bitcoin

so zu öffnen, den Dialog zu suchen. Andererseits bleibt ein komisches Bauchgefühl,

dass es bei unserer Reise vielleicht doch

eher darum geht, reiche Europäer zu umgarnen.

Ich habe noch eine Sache offen: Meine Verabredung mit Fidel, der mich in eines

der ärmeren Viertel von San Salvador bringen will.

Das Viertel, in das Fidel mich mitnimmt, ist heute nicht mehr ganz so gefährlich,

wie es vor ein paar Jahren noch war. Hier können wir hinfahren, ohne uns

fürchten zu müssen. Aber Fidel erinnert sich, wie es damals hier zuging.

Und das ist in anderen Vierteln San Salvadors heute immer noch so.

Fidel erzählt noch viel mehr krasse Geschichten. Aber es soll ja nicht einfach darum gehen,

wie brutal es in manchen Ecken San Salvadors zugeht, sondern ich möchte erfahren,

ob der Bitcoin bei den Leuten hier angekommen ist. Oder vielleicht wenigstens die 30 Dollar Startguthaben.

Fidel und ich fahren zu seinem Kumpel, die beiden sind zusammen hier aufgewachsen.

Trotzdem hat er versucht, sich die 30 Dollar in Bitcoin-Guthaben in der Chivo-App von der

Regierung zu besorgen. Aber es hat nicht geklappt.

Ich treffe bei zufälligen Gesprächen einige Menschen, die die gleiche Geschichte erzählen:

Jemand soll ihr Konto gehackt haben, ihre Personalausweis-Nummer benutzt, oder ihnen

das Geld gestohlen haben. Offizielle Zahlen dazu, wie viele Personen

das betrifft, gibt es nicht.

Ob diese Probleme das Vertrauen in die neue Zweitwährung zerstören,

bevor es richtig aufgebaut ist?

Daran, dass die Menschen keine Lust auf Bitcoin hätten, hapert es meiner Meinung nach jedenfalls nicht.

Fast alle Locals, mit denen ich gesprochen habe, sind dem Bitcoin gegenüber sehr aufgeschlossen.

Fast alle haben versucht, an diese 30 Dollar in Bitcoin ranzukommen, sich das zu besorgen.

Viele sind irgendwie an technischen Problemen gescheitert. Jetzt kann man natürlich sagen

Okay, das ist ja auch alles noch total neu, das braucht halt einfach Zeit.

Aber es gibt einen Ort in El Salvador, da hatten die Menschen diese Zeit.

In El Zonte, einem kleinen Fischerdorf, gehört der Bitcoin schon länger zum Alltag.

Seit 2019 benutzen die locals hier den Bitcoin untereinander, und im Geschäft mit den Touris.

Natürlich ist das eine Vorzeige-Station unserer von der Regierung organisierten Tour.

Hier kann man wirklich alles per Bitcoin zahlen. Sogar auf Lightning, also die günstige und

superschnelle Zahlung abseits der Blockchain, sind hier fast alle eingestellt.

In El Zonte sind wirklich alle Locals, die ich getroffen habe, begeisterte Bitcoin-Nutzer.

Auch hier im Dorf hatte früher fast niemand ein Bankkonto.

Jetzt nutzen die Dorfbewohner den Bitcoin auch untereinander,

tauschen also längst nicht mehr so viel und schnell in Dollar um,

sondern vertrauen auf die Kryptowährung, weil es der Nachbar auch tut.

Aber es gibt einen großen Unterschied zum Rest des Landes: Hier wurde die Währung nicht

von der Regierung ber Nacht eingeführt. Stattdessen haben sich einige Bitcoiner aus dem Ausland,

die hier leben, richtig viel Zeit genommen, um die Menschen Stück für Stück an das Thema

heranzuführen. Haben alles genau erklärt, gemeinsam Kursstürze durchstanden.

Eben kein Schnellschuss, sondern ein Community-Projekt. Und so weit weg vom Vorgehen der Regierung,

dass ich im Rest des Landes erlebt habe - dass ich finde, es wäre fast ein zweiter Film nötig,

um die Bitcoin-Story von El Zonte zu erzählen. Mit der offiziellen Einführung des

Bitcoin per Gesetz, hat das hier leider wenig zu tun.

Am Abend treffe ich Thomas mit ein paar anderen aus der Reisegruppe wieder.

Er hat während der ganzen Zeit in El Salvador versucht, überall möglichst oft mit Bitcoin

zu bezahlen. Funktioniert hat es etwa bei jedem dritten Versuch.

Ich hab es im Endeffekt so ein kleines bisschen aufgegeben. Gestern haben wir ziemlich viel

versucht, mit Bitcoin zu zahlen. Und immer so das selbe Problem. Du kannst nur eine on-chain-Transaktion

machen, die halt super teuer ist. Und die geben dir halt keinen Lightning-Code. Dann

musst du halt ein bisschen länger mit denen quatschen, so: Soll ich dich in Bitcoin bezahlen?

Soll ich es dir mal zeigen und so? Weil die wissen nicht, wie das geht. Und je mehr so

Leute hier durchs Land ziehen und das erklären, desto besser kann das funktionieren.

Aber was ist mit der Rolle der Regierung - und unserer Rolle, als Teilnehmer und gleichzeitig

Beobachter dieser geführten Reise?

Relativ offensichtlich, dass die Bitcoin-Einführung auch dafür genutzt wird, um von Problemen abzulenken.

Das machst du ja immer so. Wenn du irgendwo ein kleines Feuer hast, zündest

du irgendwo ein größeres Feuer, um dann Aufmerksamkeit zu ziehen. Man muss diese ganze

Bitcoin-Einführung halt möglichst versuchen, auch wenn es schwierig ist, vom politischen Kontext

zu extrahieren. Und nur das an sich zu sehen. Und das ist nicht so einfach, glaube ich.

Nicht so einfach ist gut. Ehrlich gesagt, gelingt es mir bis zum Schluss nicht,

diese beiden Dinge auseinander zu halten.

Es gäbe so viele Fragen an den Präsidenten. Warum wurde die Bitcoin-Einführung so sehr

übers Knie gebrochen? Warum ist die Chivo-App so undurchsichtig,

wie kommt es dazu, dass so viele Accounts gehackt und geplündert werden?

Im Sinne der Bitcoin-Idee wäre es, Transparenz zu schaffen, Code und technische Probleme

offenzulegen. Aber solche Prinzipien passen zu keiner Regierung - und offensichtlich schon

gar nicht zu der von Bukele.

Was ist mit dem Interview? Es wird abgesagt. Stattdessen bekommen wir eine Einladung -

zu einer Party mit dem Präsidenten.

Anstatt, dass wir ihm in einem neutralen Raum Fragen stellen können,

dürfen wir mit ihm eine Party schmeißen.

Und das ist das Setting für den Auftritt des Präsidenten. Eingeladen sind etwa 1000 Menschen.

Eine Politikerrede mit free Drinks und Technomukke. Ich verziehe mich auf die Toilette.

Es ist eigentlich ne verdammt coole Party, aber ich finde es einfach komisch,

dass später der Präsident dazukommt, und wir so die Feiercrowd für ihn sind. Komme ich mir ein

bisschen komisch bei vor. Aber die Alternative für mich ist jetzt, nicht hier zu sein.

Und das macht ja irgendwie auch keinen Sinn.

Eine Stunde später kommt er dann: Mit Riesen-Feuerwerk und einer Videoanimation von einem anderen Stern.

Was er letztlich verkündet - ist kurzgesagt - der Wahnsinn:

Bukele will eine Bitcoin-City bauen. Eine ganz neue Stadt, aus dem Nichts hochgezogen,

komplett auf Bitcoin getrimmt.

Strommäßig komplett versorgt aus Vulkanenergie,

wie wir sie ganz am Anfang im Geothermiekraftwerk gesehen haben.

Und es soll ein Steuerparadies sein, fast alle Steuern liegen bei 0 Prozent

- bis auf die Mehrwertsteuer. Das ist dann definitiv mindestens ein guter Grund für reiche Ausländer,

einen Wohnsitz in Bitcoin City wenigstens mal in Betracht zu ziehen.

Finanzieren will Bukele den Bau übrigens mit sogenannten Bitcoin-Bonds -

Staatsanleihen, die zur Hälfte in Bitcoin angelegt werden.

Seid ihr auch erschlagen von den Infos und der Show? Ich auch.

Schwer, das alles zu durchblicken. Was bei mir hängenbleibt:

Es geht darum, Geld ins Land zu holen.

Aber das muss ja nicht schlecht sein.

Wenn der Bitcoin-Kurs weiter so krass steigt, wie über die letzten Jahre,

dann könnte der Plan mit den Staatsanleihen sich auszahlen. Ich hoffe es. Für mich,

aber jetzt eben auch für die Leute in El Salvador. Denn das Schicksal der Menschen in El Salvador

hängt spätestens jetzt auch vom Bitcoin-Kurs ab - ob sie wollen, oder nicht.

Falls ihr Lust habt, euch mehr über das Thema Mining zu informieren, dann klickt jetzt auf

die verlinkte Puls-Reportage: Kann ich mit Kryptomining reich werden?


Bitcoin: Krypto als nationale Währung? El Salvador macht das Experiment | Y-Kollektiv (2)

Und das ist schon einigermaßen außergewöhnlich: In Deutschland hält sich die große Politik

von sich aus weitgehend fern von der Bitcoin-Community. Und umgekehrt genauso.

Denn Kryptowährungen wollen ohne staatliche Institutionen oder irgendeine zentrale Institution

funktionieren, das ist eigentlich das Herzstück der Philosophie.

Aber hier bekommen die Bitcoiner jetzt einen offiziellen Empfang.

Draußen im Flur treffe ich Rene, der beim Bitcoin-Youtube-Kanal Blocktrainer arbeitet.

Wenn mir das jemand vor einem Jahr gesagt hätte: So in einem Jahr sitzt du in El Salvador

im Auswärtigen Amt und hörst dir da Storys zu Bitcoin an. Surreal.

Und ich frage mich immer mehr, wie groß eigentlich die Gruppe derer ist, die ähnlich wie Anita

nichts mit dieser politischen Nummer nichts zu tun haben wollen.

Ich glaub die Bitcoin-Community, die gibt es eigentlich gar nicht. Das ist eine so sehr

heterogene Community. Und deswegen hat man sowohl die einen, die sagen: Ja, es ist ein

Kompromiss oder eine bittere Pille, die man vielleicht schlucken muss. Es gibt aber auch

ganz kritische Stimmen, die sagen so, uns gefällt es gar nicht, was da abgeht.

So wie hier, dass quasi die die Leute auf eine staatliche App ongeboardet werden. Weil, die mussten

sich ja auch alle sich verifizieren, um diese 30 Dollar initiale Bitcoin, diesen Bitcoin

Bonus ausbezahlt zu bekommen. Da gab es ganz viele sehr kritische Stimmen aus der Bitcoin Community.

Politik und Bitcoiner zusammen in einem Raum und auch, wenn sie eigentlich Welten trennen -

daran, dass sie mit der Kryptowährung auf das richtige Pferd setzen, darin sind sich

wohl alle einig. Doch es gibt einen im Raum, der sieht das anders.

Der deutsche Botschafter ist dazu gekommen, Peter Woeste. Er äußert sich kritisch -

im Rahmen seiner diplomatischen Möglichkeiten sogar ziemlich kritisch, wie ich finde.

So weit, so nachvollziehbar. Aber was dann kommt, vermiest einigen im Saal die Laune.

Das Argument, dass Bitcoin für Geldwäsche wie gemacht ist, gehört zum Standard-Reportoire

von Bitcoin-Gegnern. Und es ist schwierig - denn Bitcoin arbeitet zwar mit einer pseudonymen

Adresse, statt mit Klarnamen. Aber jede einzelne Transaktion ist auf der Blockchain

öffentlich einsehbar - und damit das Gegenteil von anonym.

Thomas ist auf seinem Youtube-Kanal Finanzfluss eigentlich eher der Typ konservativer Stratege,

er ist kein Bitcoin-Groupie. Trotzdem hat er so seine Probleme mit dem Auftritt des

deutschen Botschafters. Erstens mal kamen so alte Argumente. Was früher

dem Bitcoin häufig vorgeworfen wurde, dass es für illegale Zahlungen benutzt würde,

also dodgy Charakter, finde ich ist jetzt mittlerweile schon ganz gut belegt,

dass es nicht eine illegalere Währung ist als alles andere. Oder nicht mehr für illegale Zwecke

benutzt hat als andere. Und einer aus der Gruppe hatte eine interessante Fragestellung.

Er hat den Botschafter mal gefragt, ob er denn selbst schon mal mit Bitcoin gezahlt hat.

Und da war die Antwort: Nein. Und das finde ich jetzt sehr, sehr repräsentativ dafür,

dass man sich mit der Thematik eigentlich kaum beschäftigt hat.

Das ändert sich nach der Veranstaltung. Bitcoiner und Botschafter reden noch eine ganze Weile

abseits der großen Bühne, und am Ende hat auch der kritische Diplomat sein erstes Bitcoin-Wallet.

Auf jeden Fall ist es jetzt bei mir durch. Vielleicht nochmal öffnen und schließen.

Dann müssten Sie die 4000 haben. Hilft für zwei Kaffee, ne.

Spannend, ob wir in einem Jahr dafür vier Kaffee kaufen können.

Meine Reise ist so voller verschiedener Eindrücke und Begegnungen,

dass es mir echt schwer fällt, irgendwie über all das zu urteilen.

Irgendwie finde ich es mutig von der Regierung El Salvadors, sich dem Experiment Bitcoin

so zu öffnen, den Dialog zu suchen. Andererseits bleibt ein komisches Bauchgefühl,

dass es bei unserer Reise vielleicht doch

eher darum geht, reiche Europäer zu umgarnen.

Ich habe noch eine Sache offen: Meine Verabredung mit Fidel, der mich in eines

der ärmeren Viertel von San Salvador bringen will.

Das Viertel, in das Fidel mich mitnimmt, ist heute nicht mehr ganz so gefährlich,

wie es vor ein paar Jahren noch war. Hier können wir hinfahren, ohne uns

fürchten zu müssen. Aber Fidel erinnert sich, wie es damals hier zuging.

Und das ist in anderen Vierteln San Salvadors heute immer noch so.

Fidel erzählt noch viel mehr krasse Geschichten. Aber es soll ja nicht einfach darum gehen,

wie brutal es in manchen Ecken San Salvadors zugeht, sondern ich möchte erfahren,

ob der Bitcoin bei den Leuten hier angekommen ist. Oder vielleicht wenigstens die 30 Dollar Startguthaben.

Fidel und ich fahren zu seinem Kumpel, die beiden sind zusammen hier aufgewachsen.

Trotzdem hat er versucht, sich die 30 Dollar in Bitcoin-Guthaben in der Chivo-App von der

Regierung zu besorgen. Aber es hat nicht geklappt.

Ich treffe bei zufälligen Gesprächen einige Menschen, die die gleiche Geschichte erzählen:

Jemand soll ihr Konto gehackt haben, ihre Personalausweis-Nummer benutzt, oder ihnen

das Geld gestohlen haben. Offizielle Zahlen dazu, wie viele Personen

das betrifft, gibt es nicht.

Ob diese Probleme das Vertrauen in die neue Zweitwährung zerstören,

bevor es richtig aufgebaut ist?

Daran, dass die Menschen keine Lust auf Bitcoin hätten, hapert es meiner Meinung nach jedenfalls nicht.

Fast alle Locals, mit denen ich gesprochen habe, sind dem Bitcoin gegenüber sehr aufgeschlossen.

Fast alle haben versucht, an diese 30 Dollar in Bitcoin ranzukommen, sich das zu besorgen.

Viele sind irgendwie an technischen Problemen gescheitert. Jetzt kann man natürlich sagen

Okay, das ist ja auch alles noch total neu, das braucht halt einfach Zeit.

Aber es gibt einen Ort in El Salvador, da hatten die Menschen diese Zeit.

In El Zonte, einem kleinen Fischerdorf, gehört der Bitcoin schon länger zum Alltag.

Seit 2019 benutzen die locals hier den Bitcoin untereinander, und im Geschäft mit den Touris.

Natürlich ist das eine Vorzeige-Station unserer von der Regierung organisierten Tour.

Hier kann man wirklich alles per Bitcoin zahlen. Sogar auf Lightning, also die günstige und

superschnelle Zahlung abseits der Blockchain, sind hier fast alle eingestellt.

In El Zonte sind wirklich alle Locals, die ich getroffen habe, begeisterte Bitcoin-Nutzer.

Auch hier im Dorf hatte früher fast niemand ein Bankkonto.

Jetzt nutzen die Dorfbewohner den Bitcoin auch untereinander,

tauschen also längst nicht mehr so viel und schnell in Dollar um,

sondern vertrauen auf die Kryptowährung, weil es der Nachbar auch tut.

Aber es gibt einen großen Unterschied zum Rest des Landes: Hier wurde die Währung nicht

von der Regierung ber Nacht eingeführt. Stattdessen haben sich einige Bitcoiner aus dem Ausland,

die hier leben, richtig viel Zeit genommen, um die Menschen Stück für Stück an das Thema

heranzuführen. Haben alles genau erklärt, gemeinsam Kursstürze durchstanden.

Eben kein Schnellschuss, sondern ein Community-Projekt. Und so weit weg vom Vorgehen der Regierung,

dass ich im Rest des Landes erlebt habe - dass ich finde, es wäre fast ein zweiter Film nötig,

um die Bitcoin-Story von El Zonte zu erzählen. Mit der offiziellen Einführung des

Bitcoin per Gesetz, hat das hier leider wenig zu tun.

Am Abend treffe ich Thomas mit ein paar anderen aus der Reisegruppe wieder.

Er hat während der ganzen Zeit in El Salvador versucht, überall möglichst oft mit Bitcoin

zu bezahlen. Funktioniert hat es etwa bei jedem dritten Versuch.

Ich hab es im Endeffekt so ein kleines bisschen aufgegeben. Gestern haben wir ziemlich viel

versucht, mit Bitcoin zu zahlen. Und immer so das selbe Problem. Du kannst nur eine on-chain-Transaktion

machen, die halt super teuer ist. Und die geben dir halt keinen Lightning-Code. Dann

musst du halt ein bisschen länger mit denen quatschen, so: Soll ich dich in Bitcoin bezahlen?

Soll ich es dir mal zeigen und so? Weil die wissen nicht, wie das geht. Und je mehr so

Leute hier durchs Land ziehen und das erklären, desto besser kann das funktionieren.

Aber was ist mit der Rolle der Regierung - und unserer Rolle, als Teilnehmer und gleichzeitig

Beobachter dieser geführten Reise?

Relativ offensichtlich, dass die Bitcoin-Einführung auch dafür genutzt wird, um von Problemen abzulenken.

Das machst du ja immer so. Wenn du irgendwo ein kleines Feuer hast, zündest

du irgendwo ein größeres Feuer, um dann Aufmerksamkeit zu ziehen. Man muss diese ganze

Bitcoin-Einführung halt möglichst versuchen, auch wenn es schwierig ist, vom politischen Kontext

zu extrahieren. Und nur das an sich zu sehen. Und das ist nicht so einfach, glaube ich.

Nicht so einfach ist gut. Ehrlich gesagt, gelingt es mir bis zum Schluss nicht,

diese beiden Dinge auseinander zu halten.

Es gäbe so viele Fragen an den Präsidenten. Warum wurde die Bitcoin-Einführung so sehr

übers Knie gebrochen? Warum ist die Chivo-App so undurchsichtig,

wie kommt es dazu, dass so viele Accounts gehackt und geplündert werden?

Im Sinne der Bitcoin-Idee wäre es, Transparenz zu schaffen, Code und technische Probleme

offenzulegen. Aber solche Prinzipien passen zu keiner Regierung - und offensichtlich schon

gar nicht zu der von Bukele.

Was ist mit dem Interview? Es wird abgesagt. Stattdessen bekommen wir eine Einladung -

zu einer Party mit dem Präsidenten.

Anstatt, dass wir ihm in einem neutralen Raum Fragen stellen können,

dürfen wir mit ihm eine Party schmeißen.

Und das ist das Setting für den Auftritt des Präsidenten. Eingeladen sind etwa 1000 Menschen.

Eine Politikerrede mit free Drinks und Technomukke. Ich verziehe mich auf die Toilette.

Es ist eigentlich ne verdammt coole Party, aber ich finde es einfach komisch,

dass später der Präsident dazukommt, und wir so die Feiercrowd für ihn sind. Komme ich mir ein

bisschen komisch bei vor. Aber die Alternative für mich ist jetzt, nicht hier zu sein.

Und das macht ja irgendwie auch keinen Sinn.

Eine Stunde später kommt er dann: Mit Riesen-Feuerwerk und einer Videoanimation von einem anderen Stern.

Was er letztlich verkündet - ist kurzgesagt - der Wahnsinn:

Bukele will eine Bitcoin-City bauen. Eine ganz neue Stadt, aus dem Nichts hochgezogen,

komplett auf Bitcoin getrimmt.

Strommäßig komplett versorgt aus Vulkanenergie,

wie wir sie ganz am Anfang im Geothermiekraftwerk gesehen haben.

Und es soll ein Steuerparadies sein, fast alle Steuern liegen bei 0 Prozent

- bis auf die Mehrwertsteuer. Das ist dann definitiv mindestens ein guter Grund für reiche Ausländer,

einen Wohnsitz in Bitcoin City wenigstens mal in Betracht zu ziehen.

Finanzieren will Bukele den Bau übrigens mit sogenannten Bitcoin-Bonds -

Staatsanleihen, die zur Hälfte in Bitcoin angelegt werden.

Seid ihr auch erschlagen von den Infos und der Show? Ich auch.

Schwer, das alles zu durchblicken. Was bei mir hängenbleibt:

Es geht darum, Geld ins Land zu holen.

Aber das muss ja nicht schlecht sein.

Wenn der Bitcoin-Kurs weiter so krass steigt, wie über die letzten Jahre,

dann könnte der Plan mit den Staatsanleihen sich auszahlen. Ich hoffe es. Für mich,

aber jetzt eben auch für die Leute in El Salvador. Denn das Schicksal der Menschen in El Salvador

hängt spätestens jetzt auch vom Bitcoin-Kurs ab - ob sie wollen, oder nicht.

Falls ihr Lust habt, euch mehr über das Thema Mining zu informieren, dann klickt jetzt auf

die verlinkte Puls-Reportage: Kann ich mit Kryptomining reich werden?