Am Aschermittwoch ist alles vorbei
Einem echten Rheinländer wird Aschermittwoch so richtig wehmütig ums Herz. Bis dahin hat er ordentlich Karneval gefeiert. Auch mancher Imi ist traurig. Aber immerhin beherrscht er jetzt das Karnevals-ABC. Nicht überall in Deutschland feiert man Karneval, vor allem in einigen Gegenden Nord- und Ostdeutschlands schütteln die Leute eher den Kopf über das närrische Treiben und sind froh, dass der Spuk ein Ende nimmt. Die „Karnevalsmuffel“ flüchten aus den Städten, denn in den feierfreudigen Metropolen des Rheinlands, allen voran Köln, gibt es an den närrischen Tagen kein Entkommen. Was ein echter „Jeck“, eine echte „Jeckin“, ist, schüttelt zwar über dieses närrische Gebaren den Kopf, handelt aber dennoch nach Paragraf 6 des kölschen Grundgesetzes: „Jeder Jeck is anders“ – jeder kann tun und lassen, was er oder sie will. Zwischen „Helau“ und „Alaaf“ Ein wahrer Narr, eine wahre Närrin, ist zwischen Weiberfastnacht, „Wieverfastelovend“, und Karnevalsdienstag, „Fastelovend“, dem Tag vor Aschermittwoch, nicht ansprechbar – es sei denn, es geht um Karneval, das „Fasteleer“. Wer bei mancher Behörde oder manchem Unternehmen anruft, wird dann in Düsseldorf schon mal mit „Helau“ und in Köln mit „Kölle Alaaf“ statt „Guten Tag“ begrüßt. Achtung: Wegen der traditionellen Rivalität zwischen Düsseldorfern und Kölnern sollte auf die richtige Antwort geachtet werden! Ob sich „Helau“ von einem Hirtenruf, von „Halleluja“ oder von „halb blau“, also halb besoffen, ableitet, ist nicht ganz klar. „Alaaf“ bedeutet auf jeden Fall so viel wie „alles ab“. Im Klartext heißt das: Man lässt alle Hemmungen fallen und schlägt auch schon mal über die Stränge. Integrierte Imis Und der echte Kölner Jeck meint natürlich, dass nirgendwo so viel gefeiert wird wie in Köln. Scharenweise reisen Besucher an, um beim Straßenkarneval mitzufeiern. Nichtkölner, die in der Domstadt liebevoll als „Imis“, Immigranten, tituliert werden, sind schnell integriert. Selbst wenn sie kaum Deutsch sprechen, können sie doch spätestens nach ein paar Tagen die Refrains kölscher Lieder mitsingen und die Stadt Colonia mit dem Ruf „Kölle Alaaf“ begrüßen. Die „Fünfte Jahreszeit“ beginnt traditionsgemäß am 11.11. um 11 Uhr 11. In Köln versammeln sich dann die Jecken, die kostümierten Närrinnen und Narren, auf dem alten Marktplatz und läuten gemeinsam die Fünfte Jahreszeit ein. Diese paar Wochen zwischen November und Aschermittwoch braucht ein Jeck nämlich, um an all den Karnevalssitzungen, Bällen und Umzügen teilzunehmen. Das Kölner Dreigestirn Der Höhepunkt einer jeden „Fastelovendssitzung“ in Köln ist der Auftritt des „Dreigestirns“. Es besteht aus Prinz, Jungfrau und Bauer und wird jedes Jahr neu gewählt. Die drei, die in Köln von Männern dargestellt werden, sind die Herrscher der jährlichen „Session“, der Karnevalszeit. Das Oberhaupt ist der Prinz, auch „Seine Tollität“ gerufen. Der Bauer trägt den Stadtschlüssel, gilt symbolisch als Verteidiger der Stadt und führt den Beinamen „Seine Deftigkeit“. Die Jungfrau steht für die Unbesiegbarkeit der alten Reichsstadt Köln und heißt „Ihre Lieblichkeit“. Natürlich darf die Jungfrau keinen Bart haben. Darauf wird jedes Jahr bei der Auswahl des neuen Dreigestirns in Köln geachtet. Und warum ein Mann in einer weiblichen Rolle? Nun der Kölner an sich liebt ja den Witz. Der eigentliche Grund ist wahrscheinlich, dass der organisierte Karneval in Köln immer eine reine Männersache war. Die Krawatte muss dran glauben! Ursprünglich feierten die Menschen übrigens Karneval, um sich vor der bevorstehenden 40-tägigen Fastenzeit noch einmal richtig auszutoben. Germanische und römische Feste, bei denen wahre Orgien gefeiert wurden, vermischten sich mit katholischen Bräuchen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wenn Weiberfastnacht der Straßenkarneval eingeläutet wird, drängen sich überall auf den Straßen und in den Kneipen Jecken, die nur noch das Feiern im Kopf haben. Weiberfastnacht ist immer der Donnerstag vor Aschermittwoch – und es ist der Tag, an dem die Frauen das Sagen haben. Sie ziehen gemeinsam los, schneiden den Männern im Büro und auf der Straße die Schlipse ab und haben nichts gegen einen Flirt einzuwenden. Am Kölner Hauptbahnhof soll es schon vorgekommen sein, dass nichtsahnende Geschäftsleute aus dem Ausland an einen Überfall glaubten, als die Frauen schreiend auf sie zuliefen, die Krawatten als Trophäe abschnitten und den verblüfften Herren auch noch ein „Bützje“, ein Küsschen, auf die Wange drückten. Bützen und Schunkeln im Takt Zum ABC eines kölschen Karnevalisten gehört das „Bützen“ nämlich dazu. Meist ist das ein harmloser kleiner Kuss und hat keine Bedeutung. Allerdings hat sich im Karneval auch schon so manche Beziehung angebahnt, die sich aber irgendwann als reines „Fisternöll“, als kurze Liebelei, herausstellte. Was man im kölschen Karneval ebenfalls beherrschen muss, ist das „Schunkeln“. Man hakt sich links und rechts beim oft wildfremden Nachbarn unter und bewegt sich im Takt der Musik von links nach rechts und wieder zurück. Fortgeschrittene Jecken singen nicht nur die Refrains der Lieder mit, sondern ganze Strophen. In ganz Deutschland gibt es keine Stadt wie Köln, in der so viele Musiker in der heimischen Mundart singen. Es sind Lieder voller Humor und Lokalkolorit, gelungene Milieustudien des Lebens im „Veedel“, dem Stadtviertel, und in der Familie. Kamelle und Strüßjer Höhepunkt des Karnevals ist der Rosenmontagszug, der „Zoch“. Angekündigt wird diese Parade von Karnevalswagen, die sich einige Kilometer durch die Stadt schlängelt, mit: „D'r Zoch kütt!“. Karnevalsgruppen haben die Wagen in wochenlanger Arbeit liebevoll geschmückt. Man macht sich über Politiker oder Fernsehprominenz lustig, und auch lokale Ereignisse werden auf die Schippe genommen und ins Lächerliche gezogen. Zwischen den unterschiedlichen Wagen sind „Fußgruppen“ und „Tanzmariechen“ in den jeweiligen Trachten ihrer Vereine unterwegs. Sie werden von ihren Partnern in die Luft geworfen und landen gekonnt wieder. Am Ende des Zugs kommt das Dreigestirn. Und von allen Wagen fliegen „Kamelle“ und „Strüßjer“, Bonbons und Blumensträuße, auf die Menge, die fleißig alles fängt und dazu singt und schunkelt. Jeder sollte allerdings einen „Büggel“, einen Beutel für die Kamelle, dabei haben. Einen echten Jeck kann auch das Wetter nicht erschüttern. Denn egal ob es regnet, schneit oder frostige Temperaturen die Hände und Füße gefrieren lassen: Daheim auf dem Sofa den Zoch im Fernsehen zu gucken, ist doch nur was für Weicheier! Der Nubbel muss brennen Doch irgendwann geht jedes Fest dem Ende zu. Am Dienstag finden in den kölschen „Veedeln“ die letzten Umzüge statt, dann heißt es kurz vor Mitternacht: „Der Nubbel muss brennen!“ Das ist eine Strohpuppe, die über fast jeder Kneipe hängt und am Ende der jecken Zeit symbolisch zu Grabe getragen wird. Meist spielt der Wirt den Priester, und der Nubbel wird in einem Holzsarg von trauernden Jecken getragen. Auf die Frage des Priesters: „Wer ist schuld, dass ihr zuviel getrunken habt?“ antworten die Jecken: „Der Nubbel“. Und auf seine Frage: „Wer ist schuld, dass ihr fremde Männer und Frauen gebützt habt, die nicht eure eigenen sind?“ kommt die Antwort: „Der Nubbel.“ Am Ende wird der arme Kerl verbrannt. Mit der Asche malt der Priester ein Kreuz auf die Stirn von jedem Karnevalisten. Damit sollen symbolisch alle Sünden vergeben und vergessen sein. Alles vorbei – bis zum nächsten Jahr Am nächsten Morgen ist dann Aschermittwoch und alles ist vorbei. Wie heißt es in dem gleichnamigen Karnevalslied: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei, von all deinen Küssen darf ich nichts mehr wissen, wie schön es auch sei, dann ist alles vorbei.“ Zumindest bis zum nächsten Jahr!