4. Mein Ritt auf der Kanonenkugel und andere Abenteuer
Im Feldzug gegen die Türken belagerten wir eine Stadt. Ich weiß gar nicht mehr, wie sie hieß. Der Generalmarschall Münnich wollte wissen, wie es in der Stadt aussah. Aber es war unmöglich, durch die ganzen Vorposten und Wachen dorthin zu gelangen. So bekam ich den Befehl, die Lage zu erkunden, weil keiner in der Truppe, außer mir, solch einen Auftrag ausführen konnte. Als neben mir eine Kanone geladen wurde, hatte ich eine geniale Idee. Genau in dem Moment, in der die Kanone gezündet wurde und die Kugel hinausschoss, sprang ich auf die Kugel und ritt mit ihr durch die Lüfte.
Aber unterwegs bekam ich Zweifel, was wohl mit mir passieren würde, wenn ich im feindlichen Lager ankam. Sicherlich würden sie mich als Spion gefangen nehmen. Und so überlegte ich nicht lange und sprang in dem Augenblick, wo eine feindliche Kugel in die Gegenrichtung flog, auf die andere Kugel und flog mit ihr zurück.
Wie ihr schon wisst, war ich ein exzellenter Reiter und verstand mich bestens darin, meine Pferde gut zu dressieren. Sie gehorchten mir stets aufs Wort und sprangen über Zäune, Mauern und Büsche, ganz so, wie ich es wollte. Einmal waren wir auf Hasenjagd und ich ritt auf einem sehr schnellen Gaul. Als wir einen Hasen sichteten und ihm in hohem Tempo folgten, kam eine Kutsche den Weg entlang, in der zwei Damen angeregt plauderten. Zum Bremsen war es zu spät und so sprang ich mit meinem Pferd kurzerhand durch das geöffnete Fenster in der Kutsche und auf der anderen Seite wieder hinaus. Weil alles so schnell ging, vergaß ich doch glatt, meinen Hut zu heben und die Damen freundlich zu grüßen. Ich hoffe, sie haben es mir verziehen.
Ein anderes Mal geriet ich bei einem Ausflug mit meinem Litauer in sumpfiges Gebiet. Wir konnten leider nicht ausweichen, uns blieb nichts anderes übrig, als den Sumpf zu durchqueren. Da es unmöglich war, hindurchzulaufen, nahm ich Anlauf und wollte darüber hinweg springen. Leider hatte ich den ersten Sprung zu kurz berechnet und so drehten wir lieber mitten im Flug um und landeten sicher wieder auf den Trockenen. Beim zweiten Versuch gelang es uns ebenfalls nicht, über das Gebiet zu springen und konnten dieses Mal leider nicht wenden. Mit einem lauten Platsch landeten wir mitten im Sumpf. Mein Pferd und ich wären beinahe rettungslos versunken, wenn es mir nicht gelungen wäre, mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen! Und natürlich rettete ich auch mein Pferd! Manchmal ist es doch nützlich, wenn man so einen gut trainierten Körper hat.
Trotz meiner Tapferkeit und Klugheit und obwohl mein Litauer so überaus schnell und gut dressiert war, geriet ich einmal in die Gefangenschaft der Türken. Das war kein Spaß, denn man wurde als Sklave verkauft.
Im Dienste des Sultans musste ich jeden Morgen seine Tiere auf die Weide bringen. Wenn es nur Ziegen oder Schafe gewesen wären, wäre das ja erträglich gewesen. Es handelte sich aber um seine Bienen, die ich den ganzen Tag beaufsichtigen und abends wieder zurück in die Bienenstöcke bringen musste. Keine leichte Aufgabe. Einen Sack Flöhe zu hüten, wäre einfacher.
Eines Abends aber sah ich, dass eine Biene fehlte und bemerkte gleich zwei große Bären, die sie wegen ihres Honigs angefallen hatten. Da ich keine andere Waffe bei mir hatte als die silberne Axt des Sultans, das Erkennungszeichen der Gärtner und Landarbeiter, warf ich die Axt mit viel Schwung nach den Bären, um sie zu vertreiben. Die Biene schaffte es, den Moment zu nutzen und vor den Bären zu fliehen. Die Axt aber verfehlte die Bären und flog an ihnen vorbei, immer höher und höher. Und wisst ihr, wo sie landete? Auf dem Mond! Hui, so hoch!
Aber wie sollte ich sie wieder herunter bekommen? Der Sultan verstand da keinen Spaß! Woher bekam ich nur so lange Leitern, dass sie bis zum Mond reichten? Da fielen mir türkische Bohnen ein, die sehr schnell zu einer erstaunlichen Höhe emporwuchsen. Ich pflanzte eine solche Bohne in die Erde ein und sie wuchs tatsächlich bis zum Mond und rankte sich um den Rand der Mondsichel. Im Klettern war ich ausgesprochen geschickt und auch schwindelfrei. Deshalb gelang es mir, an der Bohne entlang auf den Mond zu klettern und dort auch glücklich anzukommen. Aber es war gar nicht so einfach, meine silberne Axt hier oben wiederzufinden, weil hier alle Dinge silbern glänzten. Schließlich fand ich sie aber, und als ich mich auf den Weg zurück zur Erde machen wollte, sah ich, dass meine Bohnenpflanze inzwischen ganz verdörrt an der Mondsichel hing. Ich nahm die dörren Reste und flocht mir daraus einen Strick, der immer länger wurde.
Ich befestigte das Seilende an der Spitze der Mondsichel und ließ mich dann an dem Seil herab. Natürlich reichte es nicht bis zur Erde. Deshalb trennte ich das überflüssig gewordene Stück Seil über mir ab und knotete es an dem unteren Ende wieder an. Mit dieser Methode kam ich der Erde immer näher. Allerdings wurde das Seil durch das Abtrennen und Anknüpfen immer brüchiger, bis es irgendwann riss und ich auf die Erde fiel. Ich stürzte mit einer solchen Wucht auf die Erde, dass ich gut zehn Meter tief in den Boden einschlug und ohnmächtig wurde. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, taten mir alle Knochen von dem Aufprall weh. Aber wie kam ich jetzt aus dem Loch wieder heraus? Wie gut, dass ich in den zehn Jahren Gefangenschaft mir nicht mehr die Fingernägel geschnitten habe. Die waren inzwischen so lang geworden, dass ich damit prima in die Erde eine Art Treppe graben und darauf bequem nach oben steigen konnte. So kehrte ich mit der silbernen Axt des Sultans wieder zurück zu meinen Bienen.
Nun wusste ich, wie gefräßig und gefährlich hungrige Bären waren. Ich musste mir einen anderen Trick ausdenken, um sie zu vertreiben, damit sie nicht den Honig meiner Bienen auffraßen. Ich bestrich die Deichsel eines Erntewagens mit Honig und legte mich auf die Lauer. Kurze Zeit später kam auch schon ein Bär und schleckte an der Spitze der Stange, die mit Honig bestrichen war. Der Bär war so gierig, dass er mit dem Schlecken gar nicht mehr auf hören konnte. Er leckte immer weiter an der Stange, bis er sich die Stange durch den Schlund, den Magen und den Bauch leckte, und sie hinten wieder aus ihm heraus kam. Nun steckte er am Spieß fest. Ich ging zu ihm hin und pflockte einen Stock durch das Ende der Stange, so dass er sich nicht mehr rückwärts befreien konnte. So ließ ich den Honigdieb bis zum nächsten Morgen zappeln. Der Sultan, der auf seinem Spaziergang zufällig vorbei kam, lachte sich halb tot.