×

우리는 LingQ를 개선하기 위해서 쿠키를 사용합니다. 사이트를 방문함으로써 당신은 동의합니다 쿠키 정책.


image

Wunderbares Ereignis des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Kl. 10 – Henry Jekylls vollständige Erklärung der Sache – 03

Kl. 10 – Henry Jekylls vollständige Erklärung der Sache – 03

Etwa zwei Monate vor dem Mordanfall auf Sir Danvers, als ich wieder auf eines meiner Abenteuer ausgewiesen und spät nach Hause gekommen war, erwachte ich am nächsten Tage mit fremdartigen Gefühlen. Vergebens sah ich mich um, vergebens erkannte ich die vornehme Zimmereinrichtung meines Hauses, vergebens musterte ich die Bettvorhänge und den Mahagonirahmen. Mir war zu Mut, als sei ich nicht an dem Ort, wo ich mich befand, sondern in dem kleinen Zimmer in Soho, wo ich gewohnt war, in dem Körper Edward Hydes zu schlafen. Ich lächelte über mich selber und in meinen psychologischen Betrachtungen grübelte ich über diesen Zusammenhang nach und versank darüber wieder in Halbschlummer. Als ich erwachte, fiel mein Blick auf meine Hand. Henry Jekylls Hand war, wie du oft bemerkt haben wirst, in Form und Gestalt, wie der Beruf es mit sich bringt, breit und fest, doch weiß und hübsch, während die auf der Bettdecke ruhende Hand, welche ich deutlich genug, trotz der gelblichen Beleuchtung eines Londoner Morgens, erkennen konnte, mager, rau, knöcherig, von dunkler Farbe und mit starken Haaren bewachsen war. Es war die Hand von Edward Hyde.

Eine halbe Minute lang starrte ich dieses Wunder an, dann durchfuhr mich ein tödlicher Schreck, und aus dem Bett springend eilte ich an den Spiegel. Bei dem Anblick, der sich mir darbot, überlief es mich eiskalt. Als Henry Jekyll ging ich zu Bett, als Edward Hyde war ich erwacht. Wie war das zu erklären? fragte ich mich, und dann mit erneutem Schrecken — wie konnte es wieder geändert werden? Es war nicht mehr früh am Morgen, die Bediensteten waren längst aufgestanden, alle meine Mittel waren im Kabinett — es war eine weite Reise bis dahin, zwei Treppen herunter durch den hinteren Durchgang, über den offenen Hofplatz und durch den anatomischen Hörsaal. Ich konnte wohl mein Gesicht verhüllen, aber was nutzte das, da auch die Gestalt verändert war? Doch dann erinnerte ich mich plötzlich, daß meine Diener schon gewohnt waren, mich in dieser, meiner zweiten Gestalt, aus- und eingehen zu sehen. Ich kleidete mich darauf so gut, wie es ging an, indem ich Kleidungsstücke meiner eigenen Größe anzog, eilte schnell durch das Haus, wo Bradshaw mich anstarrte und erschreckt zurückfuhr, sich anscheinend wundernd Mr. Hyde zu dieser ungewöhnlichen Stunde und in diesem Aufzug zu sehen. Zehn Minuten später saß Dr. Jekyll in seiner wirklichen Gestalt am Frühstückstisch.

Mein Appetit war allerdings gering, dieser unerklärliche Vorfall schien, gleich dem babylonischen Finger mit deutlichen Buchstaben meine Strafe auf die Wand zu malen. Und ernster als je dachte ich über die Folgen nach, die diese Doppelexistenz für mich haben konnte. Derjenige Teil von mir, der durch meine Macht hervorgebracht werden konnte, war in letzter Zeit zu sehr genährt worden, es schien mir auch, als ob Edward Hyde an Gestalt gewonnen hätte und (wenn ich diese Gestalt angelegt) glaubte ich, mein Blut kräftiger durch die Adern strömen zu fühlen. Ich fing an zu fürchten, dass, wenn es lange so weiter ginge, meine eigentliche Natur ganz unterliegen würde, die Macht der freiwilligen Umwandlung mir genommen und ich ganz Edward Hydes Charakter behalten müsste. Die Wirkung des Trankes schien nicht immer gleich zu sein, einmal ziemlich zu Anfang war mir die Sache ganz missglückt, von der Zeit an musste ich die Portionen verdoppeln und einmal mit der größten Todesgefahr sogar verdreifachen, diese unsicheren Zustände werfen jetzt ihren Schatten auf meine Seele. Angesichts dieses Vorfalles wurde ich zu der Bemerkung geführt, daß im Anfang die Schwierigkeit darin lag, den Körper Dr. Jekylls abzulegen, doch jetzt diese auf der anderen Seite läge. Dies alles sprach dafür, daß ich nach und nach mein besseres Selbst verlor und allmählich ganz das schlechte Wesen wurde.

Zwischen diesen beiden Naturen mußte ich jetzt wählen, das fühlte ich. Meine beiden Wesen hatten ein und dasselbe Gedächtnis, aber alle anderen Tätigkeiten waren verschieden. Jekyll, welcher bisweilen tief fühlte und von edler Gesinnung war, dann aber wie der lüsternen Begierden sich hingab, nahm regen Anteil an Hydes Vergnügen und Abenteuern. Hyde jedoch hatte keinerlei Interesse für Jekyll, oder er erinnerte sich seiner nur, wie der Räuber sich der Höhle erinnert, die ihm bei der Verfolgung Zuflucht gewährt. Jekyll hatte mehr als das Interesse eines Vaters, Hyde besaß mehr als eines Sohnes Gleichgültigkeit. Ganz Jekyll zu werden, hieß allen diesen Reizen, die ich ziemlich lange genährt und in letzter Zeit auch in vollen Zügen genossen, entsagen, ganz Hyde zu werden, hieß allen meinen wissenschaftlichen Bestrebungen und Entdeckungen entsagen und fortan verachtet und freundlos in der Welt zu stehen. Der Gewinn möchte ungleich erscheinen, aber es fiel noch etwas anderes in die Waagschale. Während Jekyll unter den sich selbst auferlegten Entbehrungen litt, würde Hyde sich dessen nicht einmal bewusst sein, was er verloren hatte. So seltsam nun meine Lage war, das Resultat war ein ganz alltägliches. Dieselben Entschlüsse, die jeder der Versuchung erlegene reumütige Sünder faßt, gewannen bei mir die Oberhand, dennoch erging es mir wie den meisten Menschen, ich wählte den besseren Teil und hatte nachher nicht die Kraft beständig zu bleiben.

Ja, ich gab dem ältlichen, unbefriedigten Doktor, der von seinen Freunden umgeben ehrliche Hoffnung hegte, den Vorzug, und sagte der Freiheit, der unbeschränkten Jugend, dem leichten Schritt, den kräftigen Pulsschlägen und heimlichen Vergnügen, deren ich mich in Hydes Gestalt erfreut hatte, ein entschiedenes Lebewohl. Ich traf diese Wahl vielleicht mit unbewusstem Vorbehalt, denn ich gab weder das Haus in Soho auf, noch vernichtete ich Edward Hydes Kleidungsstücke, die noch in meinem Kabinett lagen. Zwei Monate lang blieb ich jedoch meinem Entschlüsse treu, zwei Monate hindurch führte ich ein ernsteres, strengeres Leben denn je zuvor und erfreute mich des besten Gewissens. Aber die Zeit verwischte meine Befürchtungen, das Lob der Wissenschaft wurde mir alltäglich, ich wurde von einem Sehnen und Verlangen erfasst, als wenn Hyde nach Freiheit strebte, und schließlich in einer schwachen Stunde mischte ich wieder den geheimnisvollen Trank und schluckte ihn herunter.

Wohl kein Trunkenbold, wenn er mit sich selbst über seine Laster rechtet, erkennt unter tausend Fällen einmal die Gefahren, denen er sich in seiner rohen Gefühllosigkeit unterzieht. Ebenso hatte ich, solange ich meine Lage auch schon durchdacht, die vollständige moralische Gefühlslosigkeit und Bereitwilligkeit zu allen bösen Handlungen, die den Charakter Edward Hydes ausmachte, nicht in rechtem Maße erkannt. Und doch sollte ich hierdurch gestraft werden. Der Teufel in mir war lange in mir gefesselt, jetzt kam er hervor wie ein brüllender Löwe. Als ich den Trank nahm, war ich mir noch weit zügelloserer Neigung zum Bösen als je vor dem bewusst. So muß die unselige Ungeduld in meiner Seele entstanden sein, mit der ich der höflichen Anrede eines unglücklichen Opfers lauschte. Ich erkläre wenigstens, daß bei Gott kein Mensch, der seiner gesunden Sinne mächtig ist, ein so schweres Verbrechen aus solch unbedeutendem Anlasse hätte vollbringen können, und daß ich mit keiner geringeren Unüberlegtheit schlug als ein krankes Kind, das sein Spielzeug zerbricht. Aber ich hatte mich freiwillig aller dieser aufrechthaltenden Gefühle beraubt, durch welche selbst die schlechtesten Menschen den Versuchungen mit einiger Standhaftigkeit begegnen, und in meiner Lage war die Versuchung gleichbedeutend mit dem Fall.

Kl. 10 – Henry Jekylls vollständige Erklärung der Sache – 03 Cl. 10 - Henry Jekyll's full explanation of the case - 03 Kl. 10 - Henry Jekyll's volledige uitleg van de zaak - 03

Etwa zwei Monate vor dem Mordanfall auf Sir Danvers, als ich wieder auf eines meiner Abenteuer ausgewiesen und spät nach Hause gekommen war, erwachte ich am nächsten Tage mit fremdartigen Gefühlen. Vergebens sah ich mich um, vergebens erkannte ich die vornehme Zimmereinrichtung meines Hauses, vergebens musterte ich die Bettvorhänge und den Mahagonirahmen. Mir war zu Mut, als sei ich nicht an dem Ort, wo ich mich befand, sondern in dem kleinen Zimmer in Soho, wo ich gewohnt war, in dem Körper Edward Hydes zu schlafen. Ich lächelte über mich selber und in meinen psychologischen Betrachtungen grübelte ich über diesen Zusammenhang nach und versank darüber wieder in Halbschlummer. Als ich erwachte, fiel mein Blick auf meine Hand. Henry Jekylls Hand war, wie du oft bemerkt haben wirst, in Form und Gestalt, wie der Beruf es mit sich bringt, breit und fest, doch weiß und hübsch, während die auf der Bettdecke ruhende Hand, welche ich deutlich genug, trotz der gelblichen Beleuchtung eines Londoner Morgens, erkennen konnte, mager, rau, knöcherig, von dunkler Farbe und mit starken Haaren bewachsen war. Es war die Hand von Edward Hyde.

Eine halbe Minute lang starrte ich dieses Wunder an, dann durchfuhr mich ein tödlicher Schreck, und aus dem Bett springend eilte ich an den Spiegel. Bei dem Anblick, der sich mir darbot, überlief es mich eiskalt. Als Henry Jekyll ging ich zu Bett, als Edward Hyde war ich erwacht. Wie war das zu erklären? fragte ich mich, und dann mit erneutem Schrecken — wie konnte es wieder geändert werden? Es war nicht mehr früh am Morgen, die Bediensteten waren längst aufgestanden, alle meine Mittel waren im Kabinett — es war eine weite Reise bis dahin, zwei Treppen herunter durch den hinteren Durchgang, über den offenen Hofplatz und durch den anatomischen Hörsaal. Ich konnte wohl mein Gesicht verhüllen, aber was nutzte das, da auch die Gestalt verändert war? Doch dann erinnerte ich mich plötzlich, daß meine Diener schon gewohnt waren, mich in dieser, meiner zweiten Gestalt, aus- und eingehen zu sehen. Ich kleidete mich darauf so gut, wie es ging an, indem ich Kleidungsstücke meiner eigenen Größe anzog, eilte schnell durch das Haus, wo Bradshaw mich anstarrte und erschreckt zurückfuhr, sich anscheinend wundernd Mr. Hyde zu dieser ungewöhnlichen Stunde und in diesem Aufzug zu sehen. Zehn Minuten später saß Dr. Jekyll in seiner wirklichen Gestalt am Frühstückstisch.

Mein Appetit war allerdings gering, dieser unerklärliche Vorfall schien, gleich dem babylonischen Finger mit deutlichen Buchstaben meine Strafe auf die Wand zu malen. Und ernster als je dachte ich über die Folgen nach, die diese Doppelexistenz für mich haben konnte. Derjenige Teil von mir, der durch meine Macht hervorgebracht werden konnte, war in letzter Zeit zu sehr genährt worden, es schien mir auch, als ob Edward Hyde an Gestalt gewonnen hätte und (wenn ich diese Gestalt angelegt) glaubte ich, mein Blut kräftiger durch die Adern strömen zu fühlen. Ich fing an zu fürchten, dass, wenn es lange so weiter ginge, meine eigentliche Natur ganz unterliegen würde, die Macht der freiwilligen Umwandlung mir genommen und ich ganz Edward Hydes Charakter behalten müsste. Die Wirkung des Trankes schien nicht immer gleich zu sein, einmal ziemlich zu Anfang war mir die Sache ganz missglückt, von der Zeit an musste ich die Portionen verdoppeln und einmal mit der größten Todesgefahr sogar verdreifachen, diese unsicheren Zustände werfen jetzt ihren Schatten auf meine Seele. Angesichts dieses Vorfalles wurde ich zu der Bemerkung geführt, daß im Anfang die Schwierigkeit darin lag, den Körper Dr. Jekylls abzulegen, doch jetzt diese auf der anderen Seite läge. Dies alles sprach dafür, daß ich nach und nach mein besseres Selbst verlor und allmählich ganz das schlechte Wesen wurde.

Zwischen diesen beiden Naturen mußte ich jetzt wählen, das fühlte ich. Meine beiden Wesen hatten ein und dasselbe Gedächtnis, aber alle anderen Tätigkeiten waren verschieden. Jekyll, welcher bisweilen tief fühlte und von edler Gesinnung war, dann aber wie der lüsternen Begierden sich hingab, nahm regen Anteil an Hydes Vergnügen und Abenteuern. Hyde jedoch hatte keinerlei Interesse für Jekyll, oder er erinnerte sich seiner nur, wie der Räuber sich der Höhle erinnert, die ihm bei der Verfolgung Zuflucht gewährt. Jekyll hatte mehr als das Interesse eines Vaters, Hyde besaß mehr als eines Sohnes Gleichgültigkeit. Ganz Jekyll zu werden, hieß allen diesen Reizen, die ich ziemlich lange genährt und in letzter Zeit auch in vollen Zügen genossen, entsagen, ganz Hyde zu werden, hieß allen meinen wissenschaftlichen Bestrebungen und Entdeckungen entsagen und fortan verachtet und freundlos in der Welt zu stehen. Der Gewinn möchte ungleich erscheinen, aber es fiel noch etwas anderes in die Waagschale. Während Jekyll unter den sich selbst auferlegten Entbehrungen litt, würde Hyde sich dessen nicht einmal bewusst sein, was er verloren hatte. So seltsam nun meine Lage war, das Resultat war ein ganz alltägliches. Dieselben Entschlüsse, die jeder der Versuchung erlegene reumütige Sünder faßt, gewannen bei mir die Oberhand, dennoch erging es mir wie den meisten Menschen, ich wählte den besseren Teil und hatte nachher nicht die Kraft beständig zu bleiben.

Ja, ich gab dem ältlichen, unbefriedigten Doktor, der von seinen Freunden umgeben ehrliche Hoffnung hegte, den Vorzug, und sagte der Freiheit, der unbeschränkten Jugend, dem leichten Schritt, den kräftigen Pulsschlägen und heimlichen Vergnügen, deren ich mich in Hydes Gestalt erfreut hatte, ein entschiedenes Lebewohl. Ich traf diese Wahl vielleicht mit unbewusstem Vorbehalt, denn ich gab weder das Haus in Soho auf, noch vernichtete ich Edward Hydes Kleidungsstücke, die noch in meinem Kabinett lagen. Zwei Monate lang blieb ich jedoch meinem Entschlüsse treu, zwei Monate hindurch führte ich ein ernsteres, strengeres Leben denn je zuvor und erfreute mich des besten Gewissens. Aber die Zeit verwischte meine Befürchtungen, das Lob der Wissenschaft wurde mir alltäglich, ich wurde von einem Sehnen und Verlangen erfasst, als wenn Hyde nach Freiheit strebte, und schließlich in einer schwachen Stunde mischte ich wieder den geheimnisvollen Trank und schluckte ihn herunter.

Wohl kein Trunkenbold, wenn er mit sich selbst über seine Laster rechtet, erkennt unter tausend Fällen einmal die Gefahren, denen er sich in seiner rohen Gefühllosigkeit unterzieht. Ebenso hatte ich, solange ich meine Lage auch schon durchdacht, die vollständige moralische Gefühlslosigkeit und Bereitwilligkeit zu allen bösen Handlungen, die den Charakter Edward Hydes ausmachte, nicht in rechtem Maße erkannt. Und doch sollte ich hierdurch gestraft werden. Der Teufel in mir war lange in mir gefesselt, jetzt kam er hervor wie ein brüllender Löwe. Als ich den Trank nahm, war ich mir noch weit zügelloserer Neigung zum Bösen als je vor dem bewusst. So muß die unselige Ungeduld in meiner Seele entstanden sein, mit der ich der höflichen Anrede eines unglücklichen Opfers lauschte. Ich erkläre wenigstens, daß bei Gott kein Mensch, der seiner gesunden Sinne mächtig ist, ein so schweres Verbrechen aus solch unbedeutendem Anlasse hätte vollbringen können, und daß ich mit keiner geringeren Unüberlegtheit schlug als ein krankes Kind, das sein Spielzeug zerbricht. Aber ich hatte mich freiwillig aller dieser aufrechthaltenden Gefühle beraubt, durch welche selbst die schlechtesten Menschen den Versuchungen mit einiger Standhaftigkeit begegnen, und in meiner Lage war die Versuchung gleichbedeutend mit dem Fall.