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Seltsame Geschichten, Der Untergang des Carnatic - 02

Der Untergang des Carnatic - 02

Die Verzweiflung Cliffords hatte einem stumpfen Dahinbrüten Platz gemacht, das noch ergreifender und entsetzlicher war als die wilden Schmerzensausbrüche, denen er sich anfänglich hingegeben hatte. Erst als man sich Kapstadt näherte, trat in diesem Zustande eine Änderung ein; Clifford wurde wieder etwas redseliger, seine umdüsterte Miene nahm einen ruhigen, sinnenden, man möchte sagen, fernschauenden Ausdruck an; er hatte das Wesen eines Mannes, der sich zu einer festen Überzeugung und zu einem unabänderlichen Entschlusse durchgerungen hat.

In Kapstadt rüstete Clifford einen kleinen Schoner aus, mit dem er auf eigene Faust eine Aufsuchungsreise nach den antarktischen Gewässern unternahm; seine Frau, davon war er unerschütterlich überzeugt, lebte noch, und nach dieser Überzeugung handelte er. Seine gesamte Mannschaft blieb ihm treu und begleitete ihn. Die Reise war erfolglos, obgleich sie tollkühn und entschlossen allen Gefahren trotzten, um die mit schwimmendem Eise bedeckten Gewässer nach allen Richtungen zu durchforschen. Man kehrte erst um, als die Proviantvorräte vollständig aufgezehrt waren.

Noch einmal wiederholte Clifford den Versuch – abermals vergebens. Dann aber waren seine Mittel erschöpft, und er mußte das in den Augen jedes Verständigen aussichtslose Unternehmen aufgeben. Wenn ich sage: jedes Verständigen, so sind darunter die Mannschaften Cliffords nicht mit einbegriffen. Er selbst ist ja unzurechnungsfähig und hat dafür eine vollwichtige Entschuldigung, aber es ist und bleibt eine sehr merkwürdige Geschichte, daß seine fixe Idee auf eine so nüchterne und erfahrene Schar von Leuten wie seine ehemaligen und jetzigen Offiziere und Mannschaften ansteckend gewirkt hat. Denn, um das hier zu erwähnen, die Leute, die jetzt auf Schiff »Lady Godiva« dienen, sind noch immer dieselben, die auf dem »Carnatic« gewesen sind, und sie alle, Mann für Mann, teilten den unverbrüchlichen Glauben ihres Kapitäns, daß sie eines Tages doch noch den »Carnatic« und Frau Fanny Clifford wiederfinden würden. Darum nahmen sie nur Dienst auf Schiffen, deren Dienst sie nach den südlichen Teilen des Atlantischen und des Indischen Ozeans führte. Sogar der Steuermann war geblieben; er hätte längst selbst Kapitän sein können, aber er verließ seinen alten Vorgesetzten nicht und machte dessen Torheiten mit.

Der Steuermann hat mir diese ganze Geschichte erzählt, und sein fester Glaube an die Illusion des Kapitäns rührte wohl daher, daß er ein Norweger und, wie viele seiner Landsleute, eine mystisch veranlagte Natur ist. Ole Johannesen hatte einen ganzen Abend auf seiner Wache mit mir darüber gesprochen und, daß ich es nur offen bekenne, meinen ursprünglichen Skeptizismus stark erschüttert.

Allerdings nicht durch einen Umstand, auf den er selbst viel Gewicht legte und auf dem des Kapitäns festgewurzelte Überzeugung in erster Linie beruhte, Träume nämlich, die ihm oft wiederkehrten und ihm immer seine Frau an Bord des eisumschlossenen »Carnatic« zeigten. Das war natürlich bare Torheit und lediglich Verwechslung von Ursache und Wirkung. Der »Carnatic« war, als er verlassen wurde, noch vollkommen dicht und seetüchtig. Man konnte daher, wenn er in offenem Wasser triebe, darauf rechnen, daß er trotz seines Mangels an jeglicher Besatzung nicht gleich verunglücken würde. Denn es ist eine beinahe unglaubliche Tatsache, aber doch eine durch zahlreiche Vorkommnisse mit absolutester Sicherheit verbürgte Tatsache, daß, während die geschickteste und achtsamste Handhabung eines seetüchtigen Schiffes dieses nicht immer vor Katastrophen zu bewahren vermag, andere Fahrzeuge, die, als dem Untergange nahe, von ihrer Mannschaft verlassen wurden, nachmals nicht etwa Tage und Wochen, sondern monate- und jahrelang einsam auf dem Ozean umhergetrieben worden sind und allen Stürmen Trotz geboten haben. Eine eigentümlich berührende und beinahe unheimliche Vorstellung, diese leblosen, ziellosen, zwecklosen Wesen, die in Sturm und Gewitter, in Wogengetümmel und Brandungsschaum ihr geheimnisvolles Treiben mit größerer Sicherheit fortsetzen als ihre von Menschenhand gelenkten Genossen, – trotz ihrer unleugbaren Realität wahrhafte Schiffsgespenster!

Der »Carnatic« war nun allerdings im Eise eingefroren und daher mancherlei Gefahren ausgesetzt, die ihn in freiem Wasser nicht bedrohen mochten. Aber sie waren nicht so schlimm, wie man glauben könnte. Das Eisfeld, auf das er gehoben war, hatte eine große Ausdehnung, so daß die schlimmste Gefahr in arktischen Gewässern, ein Zusammenstoß mit Eisbergen, die in ihrem Falle das Schiff zertrümmern würden, eine sehr fernliegende Eventualität war. Vielmehr mußte diese eisige Umklammerung eher als eine Art Schutzwall dienen, der erst mit ihrer Zerstörung aufhören konnte, wirksam zu sein. Nach dem wahrscheinlichen Verlauf der Dinge war diese Gefahr so gering, daß man sie füglich ganz außer Betracht lassen konnte.

Da nämlich der »Carnatic« bei den verschiedenen Expeditionen nicht aufgefunden worden war, so wurde die Annahme gerechtfertigt, daß er mit seinem zwar ungemein ausgedehnten, aber doch noch treibenden Eisfelde noch weiter südwärts in den Gürtel des festen Eises geraten und dort vollkommen eingefroren war. Die letzten Winter waren ungewöhnlich streng, die Sommer kalt und unfreundlich gewesen; ein milderer Winter und ein früher Sommer würden das feste Eis wegschmelzen und den »Carnatic« befreien; er würde ins Wasser sinken und von den vorherrschenden Strömungen nordwärts getrieben werden.

Gegen diese Ausführungen Johannesens hatte ich nicht viel einzuwenden. Der einzige Einwurf, den man mit Recht erheben konnte, daß nämlich die Dinge wirklich so vor sich gegangen sein könnten, daß sie aber der höchsten Wahrscheinlichkeit nach sich nicht so, sondern anders gestaltet hätten, ist ja einem Fanatiker gegenüber unnütze Wortverschwendung. Er würde nie einsehen wollen, daß mit einer Chance gegen hundert zu wetten Torheit ist. Ein Bedenken jedoch konnte ich nicht unterdrücken. Ich fragte Johannesen:

»Nach Ihren Mitteilungen ist der traurige Vorfall vor ungefähr drei Jahren passiert, nicht wahr?«

»Genau drei Jahre und fünf Monate.«

»Wie wird, angenommen, daß alles so verlief, wie Sie sich vorstellen, Frau Clifford sich während dieser langen Zeit ernähren?«

Da kam ich aber schön an! Johannesen lachte gerade hinaus. »Wir hatten,« so widerlegte er meinen Einwand, »für unsere gesamte Mannschaft für ein Jahr Proviant an Bord; davon war höchstens ein Viertel verbraucht, mit dem Reste könnte ein starker Esser über zehn Jahre leben.«

Ich schwieg. Wie ich schon vorhin bemerkt habe, die Zuversicht dieser wackeren Leute hat mich angesteckt. So unterdrückte ich meine Besorgnis, Fanny Clifford könnte der Kälte erlegen sein oder in einem Anfall leicht begreiflicher Verzweiflung Hand an sich gelegt haben. Die Antwort würde lauten: ›Das könnte sein, aber es müßte nicht sein.‹ Und haben sie nicht recht?

Übermorgen fuhren wir von hier weiter. Ich war von derselben unvernünftigen und fieberhaften Spannung ergriffen wie meine Schiffsgenossen; es sollte mich nicht wundern, wenn eines schönen Morgens der »Carnatic« vor uns auftauchte, eine weiße Gestalt an der Brüstung stehend, die uns zuwinkte!...«

Der Untergang des __Carnatic__ - 02 Η πτώση του Καρνάτιου - 02 The downfall of the Carnatic - 02 La caída del Carnatic - 02 La caduta del Carnatico - 02 De ondergang van de Karnatische Zee - 02 Upadek Carnatic - 02 A queda do Carnatic - 02 Падение Карнатика - 02 卡纳提克号的陷落 - 02

Die Verzweiflung Cliffords hatte einem stumpfen Dahinbrüten Platz gemacht, das noch ergreifender und entsetzlicher war als die wilden Schmerzensausbrüche, denen er sich anfänglich hingegeben hatte. Clifford's despair had given way to a dull brooding that was even more poignant and horrific than the wild outbursts of pain he had initially indulged in. Erst als man sich Kapstadt näherte, trat in diesem Zustande eine Änderung ein; Clifford wurde wieder etwas redseliger, seine umdüsterte Miene nahm einen ruhigen, sinnenden, man möchte sagen, fernschauenden Ausdruck an; er hatte das Wesen eines Mannes, der sich zu einer festen Überzeugung und zu einem unabänderlichen Entschlusse durchgerungen hat. It was only as they approached Cape Town that there was a change in this state of affairs; Clifford became somewhat more talkative again, his gloomy countenance took on a calm, contemplative, one might say, far-seeing expression; he had the air of a man who has come to a firm conviction and an unalterable decision.

In Kapstadt rüstete Clifford einen kleinen Schoner aus, mit dem er auf eigene Faust eine Aufsuchungsreise nach den antarktischen Gewässern unternahm; seine Frau, davon war er unerschütterlich überzeugt, lebte noch, und nach dieser Überzeugung handelte er. In Cape Town, Clifford equipped a small schooner with which he set off on his own to explore the Antarctic waters; he was unshakeably convinced that his wife was still alive, and he acted on this conviction. Seine gesamte Mannschaft blieb ihm treu und begleitete ihn. Die Reise war erfolglos, obgleich sie tollkühn und entschlossen allen Gefahren trotzten, um die mit schwimmendem Eise bedeckten Gewässer nach allen Richtungen zu durchforschen. Man kehrte erst um, als die Proviantvorräte vollständig aufgezehrt waren. They only turned back when their provisions were completely exhausted.

Noch einmal wiederholte Clifford den Versuch – abermals vergebens. Dann aber waren seine Mittel erschöpft, und er mußte das in den Augen jedes Verständigen aussichtslose Unternehmen aufgeben. But then his resources were exhausted and he had to give up what any sensible person would have considered a hopeless venture. Wenn ich sage: jedes Verständigen, so sind darunter die Mannschaften Cliffords nicht mit einbegriffen. When I say any understanding, this does not include Clifford's teams. Er selbst ist ja unzurechnungsfähig und hat dafür eine vollwichtige Entschuldigung, aber es ist und bleibt eine sehr merkwürdige Geschichte, daß seine fixe Idee auf eine so nüchterne und erfahrene Schar von Leuten wie seine ehemaligen und jetzigen Offiziere und Mannschaften ansteckend gewirkt hat. Denn, um das hier zu erwähnen, die Leute, die jetzt auf Schiff »__Lady Godiva__« dienen, sind noch immer dieselben, die auf dem »__Carnatic__« gewesen sind, und sie alle, Mann für Mann, teilten den unverbrüchlichen Glauben ihres Kapitäns, daß sie eines Tages doch noch den »__Carnatic__« und Frau Fanny Clifford wiederfinden würden. Darum nahmen sie nur Dienst auf Schiffen, deren Dienst sie nach den südlichen Teilen des Atlantischen und des Indischen Ozeans führte. Sogar der Steuermann war geblieben; er hätte längst selbst Kapitän sein können, aber er verließ seinen alten Vorgesetzten nicht und machte dessen Torheiten mit.

Der Steuermann hat mir diese ganze Geschichte erzählt, und sein fester Glaube an die Illusion des Kapitäns rührte wohl daher, daß er ein Norweger und, wie viele seiner Landsleute, eine mystisch veranlagte Natur ist. Ole Johannesen hatte einen ganzen Abend auf seiner Wache mit mir darüber gesprochen und, daß ich es nur offen bekenne, meinen ursprünglichen Skeptizismus stark erschüttert.

Allerdings nicht durch einen Umstand, auf den er selbst viel Gewicht legte und auf dem des Kapitäns festgewurzelte Überzeugung in erster Linie beruhte, Träume nämlich, die ihm oft wiederkehrten und ihm immer seine Frau an Bord des eisumschlossenen »__Carnatic__« zeigten. Das war natürlich bare Torheit und lediglich Verwechslung von Ursache und Wirkung. Der »__Carnatic__« war, als er verlassen wurde, noch vollkommen dicht und seetüchtig. Man konnte daher, wenn er in offenem Wasser triebe, darauf rechnen, daß er trotz seines Mangels an jeglicher Besatzung nicht gleich verunglücken würde. Denn es ist eine beinahe unglaubliche Tatsache, aber doch eine durch zahlreiche Vorkommnisse mit absolutester Sicherheit verbürgte Tatsache, daß, während die geschickteste und achtsamste Handhabung eines seetüchtigen Schiffes dieses nicht immer vor Katastrophen zu bewahren vermag, andere Fahrzeuge, die, als dem Untergange nahe, von ihrer Mannschaft verlassen wurden, nachmals nicht etwa Tage und Wochen, sondern monate- und jahrelang einsam auf dem Ozean umhergetrieben worden sind und allen Stürmen Trotz geboten haben. Eine eigentümlich berührende und beinahe unheimliche Vorstellung, diese leblosen, ziellosen, zwecklosen Wesen, die in Sturm und Gewitter, in Wogengetümmel und Brandungsschaum ihr geheimnisvolles Treiben mit größerer Sicherheit fortsetzen als ihre von Menschenhand gelenkten Genossen, – trotz ihrer unleugbaren Realität wahrhafte Schiffsgespenster!

Der »__Carnatic__« war nun allerdings im Eise eingefroren und daher mancherlei Gefahren ausgesetzt, die ihn in freiem Wasser nicht bedrohen mochten. However, the "Carnatic" was now frozen in ice and therefore exposed to many dangers that did not threaten it in open water. Aber sie waren nicht so schlimm, wie man glauben könnte. Das Eisfeld, auf das er gehoben war, hatte eine große Ausdehnung, so daß die schlimmste Gefahr in arktischen Gewässern, ein Zusammenstoß mit Eisbergen, die in ihrem Falle das Schiff zertrümmern würden, eine sehr fernliegende Eventualität war. Vielmehr mußte diese eisige Umklammerung eher als eine Art Schutzwall dienen, der erst mit ihrer Zerstörung aufhören konnte, wirksam zu sein. Nach dem wahrscheinlichen Verlauf der Dinge war diese Gefahr so gering, daß man sie füglich ganz außer Betracht lassen konnte.

Da nämlich der »__Carnatic__« bei den verschiedenen Expeditionen nicht aufgefunden worden war, so wurde die Annahme gerechtfertigt, daß er mit seinem zwar ungemein ausgedehnten, aber doch noch treibenden Eisfelde noch weiter südwärts in den Gürtel des festen Eises geraten und dort vollkommen eingefroren war. Die letzten Winter waren ungewöhnlich streng, die Sommer kalt und unfreundlich gewesen; ein milderer Winter und ein früher Sommer würden das feste Eis wegschmelzen und den »__Carnatic__« befreien; er würde ins Wasser sinken und von den vorherrschenden Strömungen nordwärts getrieben werden.

Gegen diese Ausführungen Johannesens hatte ich nicht viel einzuwenden. Der einzige Einwurf, den man mit Recht erheben konnte, daß nämlich die Dinge wirklich so vor sich gegangen sein könnten, daß sie aber der höchsten Wahrscheinlichkeit nach sich nicht so, sondern anders gestaltet hätten, ist ja einem Fanatiker gegenüber unnütze Wortverschwendung. Er würde nie einsehen wollen, daß mit einer Chance gegen hundert zu wetten Torheit ist. Ein Bedenken jedoch konnte ich nicht unterdrücken. Ich fragte Johannesen:

»Nach Ihren Mitteilungen ist der traurige Vorfall vor ungefähr drei Jahren passiert, nicht wahr?«

»Genau drei Jahre und fünf Monate.«

»Wie wird, angenommen, daß alles so verlief, wie Sie sich vorstellen, Frau Clifford sich während dieser langen Zeit ernähren?«

Da kam ich aber schön an! Johannesen lachte gerade hinaus. »Wir hatten,« so widerlegte er meinen Einwand, »für unsere gesamte Mannschaft für ein Jahr Proviant an Bord; davon war höchstens ein Viertel verbraucht, mit dem Reste könnte ein starker Esser über zehn Jahre leben.«

Ich schwieg. Wie ich schon vorhin bemerkt habe, die Zuversicht dieser wackeren Leute hat mich angesteckt. So unterdrückte ich meine Besorgnis, Fanny Clifford könnte der Kälte erlegen sein oder in einem Anfall leicht begreiflicher Verzweiflung Hand an sich gelegt haben. Die Antwort würde lauten: ›Das könnte sein, aber es müßte nicht sein.‹ Und haben sie nicht recht?

Übermorgen fuhren wir von hier weiter. Ich war von derselben unvernünftigen und fieberhaften Spannung ergriffen wie meine Schiffsgenossen; es sollte mich nicht wundern, wenn eines schönen Morgens der »__Carnatic__« vor uns auftauchte, eine weiße Gestalt an der Brüstung stehend, die uns zuwinkte!...«