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Sternengeschichten 130-249, Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls

Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls

Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls.

In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Asteroseismologie erzählt und wie man dank dieser Diszplin die Ausbreitung von Schallwellen im Inneren von Sternen verstehen und dadurch enorm viel über diese Himmelskörper lernen kann. Aber damit das funktioniert, muss man zuerst den Schall selbst verstehen. Und die Geschwindigkeit gehört da natürlich zu den wichtigsten Eigenschaften. In Folge 163 der Sternengeschichten habe ich von den erfolglosen und erfolgreichen Versuchen der Messung der Lichtgeschwindigkeit erzählt.

Isaac Newton mischt überall mit! Beim Schall verlief die Sache ähnlich. Auch hier war es lange Zeit nicht möglich, exakt zu messen, mit welcher Geschwindigkeit sich Geräusche fortbewegen. Die Probleme lagen allerdings anders beim Licht. Da hat man ja ursprünglich nicht einmal gewusst, ob es überhaupt eine Geschwindigkeit gibt, die man messen kann oder ob es nicht vielleicht doch unendlich schnell ist. Erst die Möglichkeit, die Ausbreitung des Lichts über lange, astronomische Distanzen im Weltall zu verfolgen und später ausgeklügelte technische Apparate haben es möglich gemacht, das enorme Tempo des Lichts zu messen.

Dass der Schall nicht unendlich schnell sein kann, muss allen die sich darüber ernsthaft Gedanken gemacht haben, schon früh klar gewesen sein. Immerhin kann man ja beim Phänomen des Echos direkt hören, dass es ein bisschen dauert bis das wiederholte Geräusch ankommt. Auch die Erzeugung von Geräuschen zeigte, dass hier etwas sein musste, das sich mit einer konkreten Geschwindigkeit ausbreitet. Wenn man zum Beispiel die Saite eines Instruments in Schwingung versetzt, ist ein Ton zu hören: Die schwingende Saite muss also die Luft zum Schwingen bringen und diese Schwingungen brauchen Zeit, um sich fort zu bewegen.

Und genau da lag das Problem: Zeit! Will man eine Geschwindigkeit messen, muss man natürlich auch Zeiträume so exakt wie möglich messen können. Aber das haben die Menschen erst sehr spät gelernt. Lange Zeit waren Sonnenuhren beziehungsweise einfach die Sonne selbst völlig ausreichend für den Alltag. Wer es genauer wissen wollte, konnte Kirchturmuhren nutzen – aber Zeiträume auf die Sekunde genau zu bestimmen, war nicht nötig und auch nicht möglich. Erst als die Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert ernsthaft betrieben wurde, war auch der Bedarf nach genaueren Uhren vorhanden.

Die Wissenschaftler der damaligen Zeit haben sich mit allerlei Provisorien beholfen. Es gab Sand- oder Wasseruhren oder man nutzte den eigenen Pulsschlag als Taktgeber. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten Pendeluhren konstruiert, die einen Fortschritt in Sachen Genauigkeit brachte. Der erste, der einen halbwegs brauchbaren Wert für die Schallgeschwindigkeit bestimmte, hatte so etwas aber nicht zur Verfügung. Als Isaac Newton im Jahr 1686 im Kolonnadengang des Trinity-College von Cambridge stand, war sein Versuchsaufbau relativ simpel. Er stand an einem Ende des langen Gangs und klatschte in die Hände. Der Schall musste eine Länge von 64 Metern zurück legen, bevor er auf die Wand am anderen Ende traf. Die dort reflektierten Schallwellen hatten dann noch einmal die gleiche Strecke vor sich, bis das Echo wieder bei Newton ankam. Die gesamte Strecke von 128 Metern konnte Newton leicht messen. Er musste jetzt eigentlich nur noch bestimmen, wie lange es dauert, bis er nach dem Klatschen das Echo hören konnte.

Heute wäre das kein großes Problem. Man braucht nur eine gute Stopuhr oder am besten ein Aufzeichnungsgerät – beides findet man mittlerweile auf jedem Smartphone – und kann den Zeitraum und damit auch die Geschwindigkeit des Schalls bestimmen. Newton benutzte ein Pendel. Ein Pendel, keine Pendeluhr – aber das reicht im Prinzip auch. Es war damals schon bekannt, dass die Schwingungsdauer eines Pendels von seiner Länge abhängt. Je länger das Pendel, desto länger braucht es, um einmal hin und her zu schwingen. Kennt man die Länge des Pendels, kann man daraus die Zeit berechnen, die es für eine Schwingung braucht. Zur Zeit Newtons war diese Methode genauer als die vorhandenen Uhren – aber auch knifflig in der Anwendung.

Newton veränderte die Länge des Pendels so lange, bis eine Schwingung genau so lange dauerte, wie die Rückkehr des Echos. Dazu waren viele Versuche notwendig, aber am Ende kam er auf eine Länge von 3,5 Zentimeter. So ein Pendel schwingt schnell; es dauert weniger als eine halbe Sekunde! Aber wenn Newton eines war, dann gründlich und beharrlich und so konnte er am Ende mit dieser Zeitmessung eine Geschwindigkeit des Schalls von 298 Metern pro Sekunde berechnen.

Das war schon ein ziemlich guter Wert. Vor allem war es ein konkreter Wert, der einer konkreten Messung und Berechnung entstammte. Aber Newton lag trotzdem ein gutes Stück daneben. Eigentlich hätte er einen Wert von etwa 343 Meter pro Sekunde messen müssen. Trotzdem ist seine Messung außergewöhnlich. Natürlich kamen auch früher schon Leute auf die Idee, ähnliche Experimente anzustellen. Man hat zum Beispiel von hohen Türmen aus beobachtet, wie Gewehre oder Kanonen in der Ferne abgefeuert wurden und dann – meistens mit Pendeln – gemessen, wie lange der Schall braucht. Aber abgesehen davon, dass Newtons Versuchsaufbau wesentlich sorgfältiger war, hatte er nicht einfach nur gemessen, sondern auch probiert zu verstehen was da passiert.

In seinem monumentalen und revolutionären Werk Principia Mathematica erklärte er ja viel mehr als “nur” die Gravitationskraft (obwohl das schon völlig ausgereicht hätte, um zu Recht so berühmt zu werden wie er es wurde). Neben vielen anderen Erkenntnissen enthielt das Buch auch eine Formel, mit der Newton die Ausbreitung des Schalls in verschiedenen Medien – fest, flüssig oder gasförmig – berechnen konnte. Die Geschwindigkeit entsprach der Wurzel aus dem Verhältnis von Druck zur Dichte des Mediums, in dem sich der Schall bewegt.

Wie gesagt: Eine bemerkenswerte Arbeit. Aber auch nicht ganz richtig. Newton hatte einen Fehler gemacht, der erst ein wenig später vom französischen Mathematiker Pierre Simone de Laplace korrigiert wurde. Newton hatte übersehen, dass nicht nur der Druck und die Dichte bestimmen, wie schnell sich der Schall fortbewegt, sondern auch die Temperatur eines Mediums. Darum war der von ihm errechnete Wert auch ein wenig zu klein. Laplace korrigierte die Formel entsprechend und die neue Gleichung zur Berechnung der Schallgeschwindigkeit heißt heute deswegen auch Newton-Laplace-Gleichung.

Und sie zeigt, warum die Schallgeschwindigkeit so eine wichtige Größe in der Naturwissenschaft ist. Da die Geschwindigkeit von der Dichte, dem Druck und der Temperatur abhängt (und genau genommen auch noch von einigen anderen Parametern), kann man auch all diese Werte durch eine Messung der Schallgeschwindigkeit bestimmen! Und genau das macht den Schall auch so wertvoll für die Astronomie – wenn sich Schallwellen im heißen Plasma der Sterne ausbreiten und wir ihre Geschwindigkeit dank der Astroseismologie bestimmen können, können wir dammit auch all die Eigenschaften des Materials im Inneren der Sterne berechnen, die wir nicht direkt beobachten können, aber wissen wollen und müssen, wenn wir sie verstehen wollen.

Vor mehr als 300 Jahren hat Isaac Newton in Cambridge in die Hände geklatscht. Und heute können wir hören, wie Sterne funktionieren!


Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls

Folge 165: Die Geschwindigkeit des Schalls.

In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Asteroseismologie erzählt und wie man dank dieser Diszplin die Ausbreitung von Schallwellen im Inneren von Sternen verstehen und dadurch enorm viel über diese Himmelskörper lernen kann. Aber damit das funktioniert, muss man zuerst den Schall selbst verstehen. Und die Geschwindigkeit gehört da natürlich zu den wichtigsten Eigenschaften. In Folge 163 der Sternengeschichten habe ich von den erfolglosen und erfolgreichen Versuchen der Messung der Lichtgeschwindigkeit erzählt.

Isaac Newton mischt überall mit! Beim Schall verlief die Sache ähnlich. Auch hier war es lange Zeit nicht möglich, exakt zu messen, mit welcher Geschwindigkeit sich Geräusche fortbewegen. Die Probleme lagen allerdings anders beim Licht. Da hat man ja ursprünglich nicht einmal gewusst, ob es überhaupt eine Geschwindigkeit gibt, die man messen kann oder ob es nicht vielleicht doch unendlich schnell ist. Erst die Möglichkeit, die Ausbreitung des Lichts über lange, astronomische Distanzen im Weltall zu verfolgen und später ausgeklügelte technische Apparate haben es möglich gemacht, das enorme Tempo des Lichts zu messen.

Dass der Schall nicht unendlich schnell sein kann, muss allen die sich darüber ernsthaft Gedanken gemacht haben, schon früh klar gewesen sein. Immerhin kann man ja beim Phänomen des Echos direkt hören, dass es ein bisschen dauert bis das wiederholte Geräusch ankommt. Auch die Erzeugung von Geräuschen zeigte, dass hier etwas sein musste, das sich mit einer konkreten Geschwindigkeit ausbreitet. Wenn man zum Beispiel die Saite eines Instruments in Schwingung versetzt, ist ein Ton zu hören: Die schwingende Saite muss also die Luft zum Schwingen bringen und diese Schwingungen brauchen Zeit, um sich fort zu bewegen.

Und genau da lag das Problem: Zeit! Will man eine Geschwindigkeit messen, muss man natürlich auch Zeiträume so exakt wie möglich messen können. Aber das haben die Menschen erst sehr spät gelernt. Lange Zeit waren Sonnenuhren beziehungsweise einfach die Sonne selbst völlig ausreichend für den Alltag. Wer es genauer wissen wollte, konnte Kirchturmuhren nutzen – aber Zeiträume auf die Sekunde genau zu bestimmen, war nicht nötig und auch nicht möglich. Erst als die Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert ernsthaft betrieben wurde, war auch der Bedarf nach genaueren Uhren vorhanden.

Die Wissenschaftler der damaligen Zeit haben sich mit allerlei Provisorien beholfen. Es gab Sand- oder Wasseruhren oder man nutzte den eigenen Pulsschlag als Taktgeber. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten Pendeluhren konstruiert, die einen Fortschritt in Sachen Genauigkeit brachte. Der erste, der einen halbwegs brauchbaren Wert für die Schallgeschwindigkeit bestimmte, hatte so etwas aber nicht zur Verfügung. Als Isaac Newton im Jahr 1686 im Kolonnadengang des Trinity-College von Cambridge stand, war sein Versuchsaufbau relativ simpel. Er stand an einem Ende des langen Gangs und klatschte in die Hände. Der Schall musste eine Länge von 64 Metern zurück legen, bevor er auf die Wand am anderen Ende traf. Die dort reflektierten Schallwellen hatten dann noch einmal die gleiche Strecke vor sich, bis das Echo wieder bei Newton ankam. Die gesamte Strecke von 128 Metern konnte Newton leicht messen. Er musste jetzt eigentlich nur noch bestimmen, wie lange es dauert, bis er nach dem Klatschen das Echo hören konnte.

Heute wäre das kein großes Problem. Man braucht nur eine gute Stopuhr oder am besten ein Aufzeichnungsgerät – beides findet man mittlerweile auf jedem Smartphone – und kann den Zeitraum und damit auch die Geschwindigkeit des Schalls bestimmen. Newton benutzte ein Pendel. Ein Pendel, keine Pendeluhr – aber das reicht im Prinzip auch. Es war damals schon bekannt, dass die Schwingungsdauer eines Pendels von seiner Länge abhängt. Je länger das Pendel, desto länger braucht es, um einmal hin und her zu schwingen. Kennt man die Länge des Pendels, kann man daraus die Zeit berechnen, die es für eine Schwingung braucht. Zur Zeit Newtons war diese Methode genauer als die vorhandenen Uhren – aber auch knifflig in der Anwendung.

Newton veränderte die Länge des Pendels so lange, bis eine Schwingung genau so lange dauerte, wie die Rückkehr des Echos. Dazu waren viele Versuche notwendig, aber am Ende kam er auf eine Länge von 3,5 Zentimeter. So ein Pendel schwingt schnell; es dauert weniger als eine halbe Sekunde! Aber wenn Newton eines war, dann gründlich und beharrlich und so konnte er am Ende mit dieser Zeitmessung eine Geschwindigkeit des Schalls von 298 Metern pro Sekunde berechnen.

Das war schon ein ziemlich guter Wert. Vor allem war es ein konkreter Wert, der einer konkreten Messung und Berechnung entstammte. Aber Newton lag trotzdem ein gutes Stück daneben. Eigentlich hätte er einen Wert von etwa 343 Meter pro Sekunde messen müssen. Trotzdem ist seine Messung außergewöhnlich. Natürlich kamen auch früher schon Leute auf die Idee, ähnliche Experimente anzustellen. Man hat zum Beispiel von hohen Türmen aus beobachtet, wie Gewehre oder Kanonen in der Ferne abgefeuert wurden und dann – meistens mit Pendeln – gemessen, wie lange der Schall braucht. Aber abgesehen davon, dass Newtons Versuchsaufbau wesentlich sorgfältiger war, hatte er nicht einfach nur gemessen, sondern auch probiert zu verstehen was da passiert.

In seinem monumentalen und revolutionären Werk Principia Mathematica erklärte er ja viel mehr als “nur” die Gravitationskraft (obwohl das schon völlig ausgereicht hätte, um zu Recht so berühmt zu werden wie er es wurde). Neben vielen anderen Erkenntnissen enthielt das Buch auch eine Formel, mit der Newton die Ausbreitung des Schalls in verschiedenen Medien – fest, flüssig oder gasförmig – berechnen konnte. Die Geschwindigkeit entsprach der Wurzel aus dem Verhältnis von Druck zur Dichte des Mediums, in dem sich der Schall bewegt.

Wie gesagt: Eine bemerkenswerte Arbeit. Aber auch nicht ganz richtig. Newton hatte einen Fehler gemacht, der erst ein wenig später vom französischen Mathematiker Pierre Simone de Laplace korrigiert wurde. Newton hatte übersehen, dass nicht nur der Druck und die Dichte bestimmen, wie schnell sich der Schall fortbewegt, sondern auch die Temperatur eines Mediums. Darum war der von ihm errechnete Wert auch ein wenig zu klein. Laplace korrigierte die Formel entsprechend und die neue Gleichung zur Berechnung der Schallgeschwindigkeit heißt heute deswegen auch Newton-Laplace-Gleichung.

Und sie zeigt, warum die Schallgeschwindigkeit so eine wichtige Größe in der Naturwissenschaft ist. Da die Geschwindigkeit von der Dichte, dem Druck und der Temperatur abhängt (und genau genommen auch noch von einigen anderen Parametern), kann man auch all diese Werte durch eine Messung der Schallgeschwindigkeit bestimmen! Und genau das macht den Schall auch so wertvoll für die Astronomie – wenn sich Schallwellen im heißen Plasma der Sterne ausbreiten und wir ihre Geschwindigkeit dank der Astroseismologie bestimmen können, können wir dammit auch all die Eigenschaften des Materials im Inneren der Sterne berechnen, die wir nicht direkt beobachten können, aber wissen wollen und müssen, wenn wir sie verstehen wollen.

Vor mehr als 300 Jahren hat Isaac Newton in Cambridge in die Hände geklatscht. Und heute können wir hören, wie Sterne funktionieren!