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2020-7 Imported from YouTube, Angststörungen & Panikattacken — Betroffene reden. (Schweizerdeutsch!!)

Angststörungen & Panikattacken — Betroffene reden. (Schweizerdeutsch!!)

Wenn ich einen Film zum Thema Angst realisiere, heisst das auch,

sich den eigenen Ängsten zu stellen.

Mir wird's schnell zu eng, zu laut, zu viel.

Im Gedränge fühle ich mich unwohl, möchte weg.

Aber ich habe keine Panikattacken wie viele Menschen,

die unter Angststörung leiden, einer psychischen Erkrankung.

Oft ohne erkennbaren Auslöser werden sie von Ängsten befallen.

Sie erleben diese als einen Sog, aus dem sie kaum mehr herauskommen.

Es ist jetzt ungefähr 30 Jahre her.

Es war zur Anfangszeit meiner Angststörung,

als ich wahnsinnig viel vermied und verdrängte.

Ich hatte Angst, mich diesen Situationen zu stellen.

Ich fuhr damals oft Zürich - Bern.

Ich machte dort für drei Monate eine Weiterbildung.

Jedes Mal drehte ich fast durch.

Ich musste aufstehen und auf die Toilette gehen.

Ich begann zu hyperventilieren.

Ich hatte Angst, mir würde etwas passieren.

Dass ich im Zug wäre, und mir niemand helfen könnte.

Ich fuhr nur Bummelzüge.

Der Grund ist klar:

Ich hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt,

aussteigen zu können.

Ich trieb es dann sogar auf die Spitze.

Ich schrieb mir jeweils auf,

wie lange der Zug von hier nach dort brauchte,

also bis zur nächsten Station.

Ich war total auf Nadeln und total angespannt.

Wenn ich dann im Bahnhof einfuhr, dachte ich: "Super."

Dann ging es weiter. Ich stieg nie aus.

Diese Zuggeschichte hat sich wirklich hartnäckig ...

Sie hat sich über die letzten 25 Jahre wirklich gehalten.

Dass ich das heute ohne Probleme ...

... ziemlich ohne Probleme kann, ist jetzt seit vier Jahren so.

Das kann man auch später flexibel einsetzen,

aber gerade diejenigen, die im 90°-Winkel sitzen,

und wenn dort die Wand auf die andere Wand stösst ...

Es gibt dann einfach ein paar Wandelemente,

die man nicht beliebig und flexibel einsetzen kann.

Marcel Meier ist ein erfolgreicher Projektleiter und Verkäufer

in der Möbel- und Einrichtungsbranche.

Als ich ihn kennenlernte, wäre ich nie auf die Idee gekommen,

dass er schon jahrzehntelang unter einer Angststörung leidet -

seit seiner Jugend.

Doch seine Krankheit wurde lange nicht richtig erkannt und behandelt.

Marcel Meier hat es irgendwie durchgestanden.

Ich habe mir eingebildet, dass diese Störung

aus meinen Lebensumständen heraus entstanden ist.

Ich hatte eine depressive Phase, ich hatte wenig Geld,

bezahlte viele Alimente, konnte am sozialen Leben nicht so teilnehmen.

Der Job hat mich, wenn man so will, am Leben erhalten,

und dort hatte ich meine sozialen Kontakte.

Ich hatte auch eine Phase, in der ich recht viel allein war.

Ich igelte mich dann ein und betrieb eine Vogel-Strauss-Politik.

Mein damaliges Rezept im Gegensatz zu heute war,

wegschieben, wegschieben, wegschieben,

verdrängen, verdrängen, verdrängen!

Das machte es natürlich nicht besser.

Ich weiss gar nicht, wie ich das durchgestanden habe.

Wahrscheinlich hat es mit einem Urvertrauen zu tun.

Ich wusste eigentlich immer,

dass für mich die Sonne wieder einmal scheinen würde.

Ich hatte offensichtlich die Kraft und Energie, nebst der Arbeit,

dass ich das auf irgendeine Art und Weise einfach ...

... überstanden habe.

* Dumpfe Geräusche, Rauschen einer Flugzeugdüse *

Wie für jeden anderen Menschen auch

gehören Ängste zu meinem Leben als Filmemacher.

Je älter ich werde, desto ängstlicher werde ich.

Eine allgemeine Ängstlichkeit,

die sich nur manchmal konkret festmachen lässt.

Früher konnte ich problemlos in der ganzen Welt herumreisen,

heute fällt mir ein grösserer Ortswechsel schwer.

Sobald ich meinen Alltagstrott aufgeben muss, werde ich unsicher.

* Rufe, Aufprallen eines Balls *

Conny Grossenbacher führt seit acht Jahren mit ihrem Mann Kurt

ein Restaurant auf einem grossen Sportplatz.

Vor 17 Jahren erlitt sie ihre erste Panikattacke.

Schau mal. - (Mann) Ist schon gut.

Danke sehr. Merci.

Bei Ausbruch ihrer Angstkrise

betrieben sie noch das schöne Quartierrestaurant Blume.

Eine aufreibende Arbeit,

deshalb gaben sie später die Blume auf.

Weisst du noch?

Manchmal, nach einem anstrengenden Sonntag,

sassen wir hier draussen an einem Holztisch ...

Mhm. - ... im Dunkeln, und schauten nach drüben.

Alle Lichter gelöscht. - In aller Ruhe was getrunken.

Im November 2000 hatte Kurt einen Herzinfarkt,

als ich für vier Tage

mit meinen Jass-Frauen nach Istanbul gefahren war.

Die Nachricht erreichte mich morgens um 3 Uhr,

als wir ins Hotel zurückkamen, auf der Combox meines Handys.

Ich musste dann überstürzt nach Hause fahren.

Meine Angst war, dass ich ihn nicht mehr lebendig antreffen würde.

Er hat das zum Glück überlebt,

aber für mich war es ein grosses Trauma.

Im nächsten Frühling fingen die Panikattacken an.

Ich konnte das gar nicht zuordnen.

Ich hatte das Gefühl, es wäre etwas Körperliches.

Ich konnte mir nicht helfen.

Ich konnte auch nicht mehr unter die Leute gehen.

D.h., ich konnte nicht mehr arbeiten.

Ich hatte Angst, dass ich unten im Restaurant

vor allen Leuten zusammenbrechen und sterben würde.

Das Schlimmste war, dass ich bei jedem Atemzug das Gefühl hatte,

das wäre nun der letzte.

Für mich war das etwas vollkommen Ungewohntes.

Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte,

weil ich mit beiden Beinen auf dem Boden stehe.

Ich bin bodenständig aufgewachsen.

Ich habe Leute, die psychische Probleme haben, fast belächelt.

Ich hatte das Gefühl, dass man das doch selber lösen können sollte.

Die würden einfach ein wenig übertreiben.

Dann hat es mich selbst erwischt.

Ich stellte mir vor, wenn man mich am Morgen tot finden würde,

hätte man ja keine Ahnung, was passiert war.

Deshalb schrieb ich mal auf,

wie es mir in diesen Momenten ergangen ist.

Ich schrieb ...

...

z.B. : "Zeit." Es war etwa 3.15 Uhr in der Nacht.

Ich mass meinen Puls.

Normalwert, also etwas hoch: 85.

Blutdruck ideal: 130 zu 77.

Nachher die Symptome, die ich hatte:

Herzrasen, ein Stechen links, Atemnot und Schwindel.

Und ein komisches Kribbeln in den Fingern,

ein Taubheitsgefühl in den Fingern.

Das schrieb ich auf und legte den Block neben das Bett.

Ich konnte dann einschlafen, weil ich dachte,

dann wüssten sie vielleicht, woran es lag,

dass ich jetzt gestorben war.

Dann, ein paar Tage später,

hat es mich zum ersten Mal tagsüber erwischt -

an einem Sonntagmittag, während des Mittagservice.

Kurt kochte in der Küche, ich wäre eigentlich am Büffet gewesen.

Wir hatten eine Serviertochter. Es war nicht übertrieben viel los.

Wir hatten schon zu tun, waren aber nicht gestresst.

Und plötzlich ging es wieder los.

Ich sei dann auch immer ganz bleich geworden.

Ich ging zu Kurt in die Küche, und er fragte: "Was ist los?"

Ich sagte: "Es geht wieder los, ich habe es wieder."

Er holte mir einen Stuhl,

und ich konnte mich bei ihm an den Herd setzen.

Er rief dann der Serviertochter zu, sie solle den Krankenwagen rufen.

Die waren dann schnell hier und hängten mich im Krankenwagen

an das mobile EKG an. Sie fanden wieder nichts.

Für die definitive Abklärung

brachten sie mich aber noch ins Waidspital.

Dort wieder dasselbe: EKG, alles ohne Befund.

Ein etwas erhöhter Puls.

Und wieder Beruhigungstabletten und nach Hause geschickt.

Danach schwor ich mir:

"Ich gehe nicht mehr ins Spital, wenn so etwas ist."

Kommst du nicht zum Abendessen? - Achtung, heiss!

Zu welcher Zeit? - Ich glaube, um 18 Uhr.

Claudia Moser hat zwei Kinder - Lela und Giulia.

Seit Langem lebt sie ohne feste Beziehung.

Bereits in ihrer Jugend erlitt sie Panikattacken,

und es entwickelte sich eine starke Angststörung.

Trotzdem schaffte sie es immer wieder,

im pflegerischen Bereich Arbeit zu finden

und die kleine Familie allein durchzubringen.

Seit einem Jahr nun

bezieht sie nach langen Abklärungen eine volle IV-Rente.

Am ersten Drehtag sagte mir Claudia Moser,

dass sie in der letzten Woche

seit Langem wieder eine akute Angststörung durchlebt hatte.

Ach, schau hier! Hier steht's. Hier steht: "Parkplätze vorhanden."

Vor einer Woche bekam ich Schmerzen, starke Schmerzen im Rücken.

Ich wusste nicht, was es war.

Ich machte mir immer mehr Sorgen,

und auch nach einem Arztbesuch wusste man nicht, was es war.

Ich merkte, wie mir die Kontrolle entglitt.

Meine Gedanken kreisten immer mehr darum,

dass es etwas Schlimmes sein könnte.

Das jagte meine Angstsymptome derart hoch,

wie ich es schon lange nicht mehr hatte.

Ich kam dann nicht mehr aus diesem Angstkreis heraus.

Ich konnte gar nicht mehr rational denken.

Es drehte sich alles darum, dass ich glaubte,

etwas wirklich Schlimmes zu haben,

etwas Gefährliches, etwas, was mich auch umbringen könnte.

Trotz all der Sachen, die ich kenne und die ich anwenden könnte -

gut durchatmen, mich beruhigen ... Das ging alles nicht mehr.

Ich rief meine Therapeutin an - täglich.

Sie wäre auch zu mir nach Hause gekommen,

wenn es noch schlimmer geworden wäre.

Sie half mir auch, das muss ich sagen.

Und eine gute Freundin,

die selbst jahrzehntelang unter Phobien gelitten hatte,

half mir auch sehr.

Das ist so die Grenze, bis zu der ich gehen kann.

Es ist ... Ja.

Manchmal geht es etwas weiter, manchmal geht es weniger weit.

Es kommt darauf an, wie es mir geht und wie das Wetter ist.

Wenn es sehr heiss ist, komme ich nicht so weit,

wenn es etwas kühler ist oder wenn ich ein Fahrrad schiebe,

kann ich etwas weiter gehen, aber sonst ist das hier meine Grenze.

Hier beginnt mein Herz zu klopfen.

Wenn ich weitergehen würde, würde es immer schlimmer.

Allein auf dem Weg mit einer Panikattacke

ist etwas vom Schlimmsten, was ich mir vorstellen kann.

Was es genau ist und wieso genau hier die Grenze ist,

kann ich nicht wirklich erklären.

Es ist einfach bedrohlich, wenn ich weitergehe.

Weiter weg von allem, was mir vertraut ist.

Mein Zuhause ist eigentlich der einzig sichere Ort für mich.

Sessellift fahren, ist für Marcel Meier beinahe unmöglich.

Nicht, weil er an Höhenangst leidet,

sondern weil er keine Fluchtmöglichkeit hat.

Ich meide solche Fahrten über schwindelerregende Abgründe auch.

Objektiv betrachtet

ist der Sessellift eines der sichersten Transportmittel,

doch das nützt nichts, wenn grosse Ängste im Spiel sind.

Andererseits sind Ängste überlebensnotwendig und schützen uns.

Deshalb lernen wir schon als Kind,

Gefahren richtig einzuschätzen und Ängste zu überwinden.

Ich hatte eine Monster-Panikattacke.

Eine sehr schwere ...

... wie ich sie schon lange nicht mehr hatte.

Ich war im Büro, ganz normal bei der Arbeit.

Es fing mit einem körperlichen Unwohlsein an.

Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich vom Stuhl kippen würde.

Ich musste weg.

Ich musste aus dem Büro raus.

Zu der Zeit war ich schon richtig am Rotieren.

Hyperventilation, Engegefühl in der Brust,

und dann ergibt eins das andere.

Ich schaffte es dann mit dem Auto noch knapp nach Hause.

Ich hatte wahnsinnige Angst.

Ich versuchte, mich hinzulegen.

Das ging nicht. Ich tigerte in der Wohnung herum.

Ich brauchte eigentlich bis abends, bis ich einigermassen ...

... wieder heruntergekommen war.

Dieser Schock sitzt mir immer noch ein wenig im Nacken.

Dann kam das Wochenende. Das ging einigermassen.

Weil die Panikattacke im Büro stattgefunden hatte,

tat ich mich dann schwer daran, am Montag ins Büro zu gehen.

Ich ging trotzdem, merkte aber sofort,

dass ich mich nicht wohlfühlte.

Ich ging am Mittag wieder nach Hause.

Sprich: Ich habe vermieden.

Das habe ich die ganze letzte Woche so gemacht.

Ich habe von zu Hause aus gearbeitet.

Therapeutisch ist das natürlich falsch,

aber ich habe es irgendwie nicht geschafft.

Ich habe die ganze letzte Woche daran gekaut.

Ich bin immer noch angeschlagen, wenn man so will.

Ich merke es jetzt auch, wenn ich darüber rede.

Es ist mir richtig, richtig heftig eingefahren.

Ja, ich hatte wirklich Angst, dass ich sterben würde.

Obwohl ich ...

Es ist so schwierig. Ich versuche, es jetzt zu beschreiben.

Wenn man so richtig durchdreht ...

Es gibt keinen wirklichen Ausgang. Ich habe das noch nie geschafft.

Es gibt wie nie:

"Ich drücke jetzt auf Stopp und trete aus dem Teufelskreis."

Das gelingt mir nicht. Es gelingt mir auch nicht ...

... in dieser Alarmstimmung.

Da leuchten ... Da schrillen alle Alarmglocken.

Es gelingt mir dann nicht, mir über den Intellekt gut zuzureden:

"Du hast es ja schon einige Male gehabt,

und es ist nichts Schlimmes." Das ist jedes Mal ...

Ich habe verteilt über die letzten 30 Jahre,

ich weiss nicht, mind. 200-300 Panikattacken gehabt,

und ich sollte es langsam wissen.

Das nützt einen Dreck.

Flugangst ist ein weit verbreitetes Phänomen.

Ich habe Angst vor einem Absturz und beruhige mich, indem ich mir sage,

dass Flugzeuge zu den sichersten Transportmitteln gehören.

Flucht ist eine häufige Reaktion bei Angststörungen.

Für Conny Grossenbacher ist das Schlimme im Flieger

das Ausgeliefertsein, keine Kontrolle zu haben.

Das wäre anders, wenn sie selbst die Pilotin wäre.

Wir durften für eine Hochzeit einen Apero machen,

im Kirchgemeindesaal hinten über der Blume.

Ich hätte dort eigentlich auch helfen sollen -

Gläser füllen und Apero verteilen und so.

Aber Kurt musste das allein machen.

Ich war nicht in der Lage, zu helfen.

Ich hatte nachts wieder eine Attacke gehabt,

und schlief dann lange.

Ich war danach einfach vollkommen fertig.

Man konnte mich so bei der Arbeit nicht brauchen.

Dann machte er den Apero allein.

Zwei meiner Freundinnen waren zu dieser Hochzeit eingeladen.

Als sie ihn allein antrafen, fragten sie nach mir - was los sei.

Er erzählte es ihnen.

Die eine war eine gute Freundin von meinem späteren Psychiater.

Die andere hatte selbst Panikattacken erlebt.

Beide wussten sofort, was es sein könnte.

Sie gaben Kurt die Telefonnummer dieses Psychiaters.

Ich solle ihn unbedingt anrufen.

Da habe ich zum ersten Mal gehört,

dass das Ganze wirklich eine Krankheit ist,

dass es das wirklich gibt, dass diese Symptome typisch dafür sind

und dass ich nicht allein bin - und v.a., dass man mir helfen kann.

Und was am Anfang auch noch sehr wichtig war:

Er schickte mich zu einem Arzt, um das abklären zu lassen.

D.h., ich war in einem Labor, um mir Blut abnehmen zu lassen.

Dort untersuchten sie gewisse Sachen,

die es hätten sein können.

Dann war ich noch bei einem Herzspezialisten,

um einen Herz-Ultraschall machen zu lassen.

Das war sehr wichtig für mich,

um das Körperliche definitiv ausschliessen zu können,

dass es etwas Ernsthaftes ist.

Das gab mir auch eine gewisse Sicherheit.

Und natürlich die Gesprächstherapie.

Ich ging erst dreimal in der Woche zum Psychiater,

jeweils für eine Stunde.

Ich erzählte dann einfach.

Zu diesen Gesprächstherapien habe ich noch Antidepressiva bekommen.

Und für Notfälle Temesta,

zur Beruhigung, wenn es ganz schlimm geworden wäre.

Das musste ich aber gar nie nehmen.

Mir reichte es schon, es zu Hause zu haben

und zu wissen, dass ich darauf zurückgreifen kann,

wenn ich es nicht mehr aushalte.

Das ist für mich eine Möglichkeit, zu entspannen,

weil ich mich im Rücken so verkrampfe,

wenn ich diese Attacken habe.

Es nimmt mir fast den Atem.

Ich merke, es ist so eng im Brustkorb oder im Oberkörper.

Bei mir ist es jetzt v.a. in den Schultern.

Das kann sie mir lösen.

So kann ich nachher wieder freier atmen.

Dadurch habe ich dann auch weniger Angst.

* Langsame, elektronische Klänge *

Ich gehe nie an grosse Festanlässe. Einem Gedränge weiche ich aus.

Im Kino sitze ich am Rand.

Mittendrin kann ich es aushalten, doch ich vermeide es, wenn möglich.

Claudia Moser hingegen geht nie ins Kino -

auch nicht an andere öffentliche Veranstaltungen.

Das Auto ist für mich seit sehr langer Zeit

der einzige Ort ausser meiner Wohnung,

der mir vertraut ist.

Hier fühle ich mich sicher,

hier habe ich das Gefühl, dass mir nichts passieren kann.

Es ist ein Zufluchtsort.

Mein ganzer Alltag steht und fällt mit diesem Auto.

Ohne Auto wäre ich auf 100 % Hilfe angewiesen.

Ich könnte nicht einkaufen, ich könnte keine Arztbesuche wahrnehmen.

Ich könnte die Kinder nirgends hinfahren.

Ich hätte keine sozialen Kontakte ausser Haus.

Ja, es ist für mich wie eine ...

Ja, wie Heimat, wie ein ...

Ein Ort, wo ich aufgehoben bin und der mir Sicherheit gibt.

Claudia Moser muss mit dem Auto möglichst nahe heranfahren können.

So kann sie in kleinen Läden, die ihr vertraut sind, einkaufen.

Der Parkplatz muss unmittelbar vor dem Geschäft liegen.

Ähm ...

Die kleinen.

Die Cherrytomaten? - Ah, genau.

In einem grossen oder einem kleinen? - In einem grossen.

Es ist jetzt schon eine Weile her, dass ich nicht mehr arbeite,

also dass ich eine volle Rente bekomme.

Das ist bald ein Jahr.

In der ersten Zeit brauchte ich es wirklich sehr,

einfach mal nicht mehr arbeiten zu müssen.

Der ganze Druck fiel weg.

Es tat mir am Anfang wirklich gut,

dass ich merkte, dass ich weniger leisten musste.

Die ganze Belastung, die ich neben den Ängsten vorher noch hatte -

wie Kinder grossziehen, finanzielle Probleme, Beziehung ...

Das alles ist weggefallen.

Ich bin Single, und ich bin zufrieden damit.

Meine Kinder werden älter und brauchen mich nicht mehr so sehr.

Arbeit habe ich keine mehr.

Was bleibt, bin ich mit meinen Ängsten.

Das ist wahrscheinlich, was ich momentan spüre.

Ich war vorher nie so nah dran.

Klar musste ich damit leben, aber ich hatte immer genug Ablenkung.

30 Jahre lang.

Ich besuche mit Marcel Meier das Sanatorium Kilchberg,

eine psychiatrische Klinik.

Dort wurde er vor zehn Jahren mit einer akuten Angststörung

sechs Monate lang stationär behandelt.

20 Jahre nach seiner ersten Panikattacke

bekam er hier endlich eine klare Diagnose,

einen Namen für seine Krankheit

und ein für Angstpatienten bewährtes Therapieangebot.

Mir ging es damals wahnsinnig schlecht.

Ich hatte auch eine Arbeitsplatzsituation,

die sehr schwierig war.

Ich war quasi ... Ich wusste noch knapp,

wie ich mein Passwort am Bildschirm eingeben musste.

Im Verlauf des Morgens packte ich dann mein Köfferchen,

ging aus dem Büro raus und kehrte nie mehr zurück.

Dann entschloss ich mich, in eine Klinik zu gehen. Ja.

Es ging einfach nicht mehr.

Ich war fix und fertig. Richtig fertig.

Ich habe sehr gute Erinnerungen an diesen Ort.

Ich verbinde es ja nicht mit ...

Ich verbinde es nicht per se damit,

dass es mir damals grausam schlecht ging,

sondern es war eigentlich der Start ...

Man kann es wohl schon so sagen:

Es war der Start in ein wieder selbstbestimmtes Leben.

Ich übernahm das Steuer wieder.

Davor war ich jahrelang oder jahrzehntelang fast nur Passagier.

Ich redete damals 1 Std. lang mit dem Oberarzt.

Er schrieb und schrieb und schrieb und schrieb.

Ganz am Ende - wir hatten keine 5 Min. mehr -

sagte ich ihm, ich hätte übrigens manchmal Panikattacken.

Der legte sofort alles weg. Er hörte sofort auf zu Schreiben.

Er sagte, er habe mir gern 1 Std. lang zugehört,

aber 5 Min. hätten gereicht.

Das Wichtigste hätte ich am Ende gesagt.

Man nenne das so und so, so könne man es therapieren,

diese Möglichkeiten gebe es.

Das war eine Erleichterung,

auch wenn es danach extrem hart wurde.

In der Klinik musste sich Marcel Meier zuerst einem harten Entzug

von einem süchtig machenden Beruhigungsmittel unterziehen.

Dieser dauerte einige Wochen.

Erst danach konnte man mit der Expositionstherapie beginnen.

Unter Begleitung einer Fachperson, der Psychologin Karin Hammerfald,

konfrontierte sich Marcel Meier mit Situationen,

die bei ihm Ängste auslösen.

Beispielsweise musste er einen Weg unter freiem Himmel zurücklegen.

Mit der Zeit lernte er so,

sich seinen Ängsten zu stellen und sie schrittweise abzubauen.

Ich kann mich erinnern, dass ich ein Papier erhielt -

das hatten wir vorbesprochen -, auf dem stand,

ich solle probieren, mich zu konfrontieren oder zu exponieren.

Auf keinen Fall verdrängen.

Auf mich hören, Angst eins bis zehn. Habe ich überhaupt Angst?

Wenn ja, wie hoch ist sie?

Wird sie, während ich mich exponiere und gehe ... Steigt sie dann?

Wie fühle ich mich?

Also wirklich die konkrete Auseinandersetzung

und nicht: "Ich muss jetzt möglichst an etwas anderes denken,

damit ich das überhaupt überstehe." So habe ich das in Erinnerung.

Genau, sondern eher im Gegenteil:

Wenn Sie merken, dass Sie gedanklich abdriften,

versuchen Sie wirklich, zur Angst zurückzukehren.

Wie war es denn jetzt für Sie, Herr Meier?

Easy. - Anders als damals?

Ja, das ist inzwischen wirklich Komfortzone.

Also ... fast Komfortzone.

Diese Situationen - ob es jetzt hier im Feld ist

oder wenn ich in einen Zug einsteige ...

Natürlich ist es immer in meiner Erinnerung,

aber es ist sehr weit weg.

Und, äh ...

Das war jetzt überhaupt kein Problem.

Ich kann mich natürlich erinnern, wie es damals war.

Es war meine erste Exposition.

Das war definitiv eine andere Baustelle.

Können Sie sich noch daran erinnern, was die Ängste waren,

die Sie mit dem Feld verbanden? - Ja, natürlich.

Natürlich, die Angst vor der Angst, das Altbekannte.

Und tiefer liegend: Wenn ich jetzt durchdrehe,

ist nicht in 10 m Distanz ein Haus, in das ich mich flüchten könnte.

Also quasi keine Sicherheit ...

... auf einem weiten Feld. Das machte mir extrem Mühe.

Ich kann mich erinnern,

als ich mal allein auf dem Üetliberg unterwegs war,

und zwar wirklich allein, lief ich in eine Panikattacke rein.

Das war wahrscheinlich auch der Auslöser für nachher.

Man verbindet es ja immer mit einem Erstkontakt oder Ersterlebnis.

Daran hatte ich schon zu beissen.

Für Fachleute sind die Auslöser von Panikattacken meist erkennbar,

aber die tiefer liegenden Ursachen dieser Erkrankung

liegen nach wie vor im Dunkeln.

Es gibt auch keine spezifischen Medikamente gegen Angststörungen.

Angstlösende Antidepressiva lindern zwar die Angst,

verhindern sie aber nicht.

Und Beruhigungsmittel, Benzodiazepine,

lassen die Angst nur kurz verschwinden und machen abhängig.

Medikamente können sogar kontraproduktiv sein.

Es geht darum,

dass der Betroffene sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt

und lernt, mit ihnen umzugehen.

Finny, komm! Komm, Fuss!

Willst du kein Leckerchen? Ja, dann nicht.

Bei der Arbeit war sie ein Ausfall - nicht total, aber zu 70-80 %.

Sie wollte einfach nicht mehr unter die Leute.

Es ist schwierig, wenn man ein Restaurant hat

und die Chefin nicht unter die Leute will.

Ich konnte nicht mehr. - Ja, du konntest nicht mehr.

Das ist schon klar. Ich sage ja nur:

Von meiner Sicht aus war es einfach sehr kurios.

Mein Hauptproblem war v.a. am Anfang:

Ich konnte es nicht nachvollziehen - überhaupt nicht.

Ich dachte: "Verdammt, was ist denn los?"

Kann ja nicht sein, so etwas.

Das Problem ist v.a. : Wenn man sich das Bein bricht,

oder sich in die Hand schneidet oder was weiss ich,

da kann man helfen. Da kann man was machen.

Aber hier kannst du als Partner gar nichts machen. Verständnisvoll sein.

Manchmal nervt es dich auch, immer verständnisvoll zu sein.

Das ist einfach so, auch wenn du es dir nicht anmerken lässt.

Aber mehr kannst du nicht machen.

Ein ausgebildeter Arzt oder Psychiater kann das schon fassen.

Aber ich kann es nicht fassen.

Für mich war es recht schwierig,

das Ganze überhaupt verstehen zu können.

Das wäre für mich eben wichtig gewesen. Dieses Verständnis.

Ich begreife das, aber verstehen konnte ich es nicht.

Es ist ... Ich sage ja:

Gott sei Dank, geht es mir gut und ich habe nichts in der Richtung.

Deshalb kann ich es nicht unbedingt nachvollziehen.

Du dachtest dann auch, du müsstest mich eher pushen.

Genau, ein wenig jagen.

Dann durftest du mal zu so einer Gesprächssitzung mitkommen,

zum Psychiater. Dort konnte er seine Fragen stellen.

Der Psychiater meinte aber, es wäre besser,

wenn er mich einfach machen liesse.

Ich würde selbst spüren, wann ich was aushalten kann.

Wie viel geht.

Er soll mich einfach machen lassen. Und nicht: "Komm jetzt, komm jetzt!"

Das war eigentlich kontraproduktiv.

Denn dann fühlte ich mich erst recht unter Druck gesetzt,

und das war nicht gut.

Du.

Siehst du jetzt? - Ja.

* Winseln * Ja, ja.

Jetzt ist mal fertig gefressen, was? Fertig gefressen. Ja.

Knallen. - (Beide) Eins, zwei, drei.

Uh. Aufheben!

Das ging schnell bei dir.

Abrollen!

Aufdecken! Nein.

Nein, ich meine Aufnehmen.

Ah, haha! Da! Yes!

Ich wurde sehr schnell damit konfrontiert,

weil sie es mir von Anfang an erklärt hat.

So habe ich auch gelernt, es zu verstehen

und damit umzugehen.

Wenn Mami nicht in ein Einkaufszentrum gehen konnte,

gingen wir z.B. in einen kleineren Laden.

Es gab auch sehr viele Sachen, die zusammenspielten,

die nicht gingen.

Ich hätte es gemerkt, auch wenn sie mir nichts gesagt hätte.

Denn es ist nicht normal,

dass eine Mutter nicht in einen Bus einsteigt und so.

Aber ich sehe es nicht als eine grosse Rolle, in meinem Leben.

Natürlich hat es mich "geprägt",

aber ich sehe es gar nicht im negativen Sinn.

Das war immer das Letzte, was sie wollte:

dass wir noch mehr darunter leiden, wie sie sagen würde.

Das hat sie nie gemacht.

Sie hat uns nie in schwierige Situationen einbezogen

oder als Stütze gebraucht. Das wollte sie nie.

Ich sagte auch als Kind immer: "Komm, Mami, gehen wir spazieren!"

Und sie sagte immer: "Nein, ich will mich nicht auf dir abstützen."

Die Krankheit für mich zu ertragen, ist eines.

Da habe ich das Gefühl, ich könne das.

Ich kann mittlerweile damit leben.

Aber vor einem Kind, vor meinen eigenen Kindern zu stehen,

und immer wieder sagen müssen:

"Es tut mir leid, das kann ich nicht machen."

Und nachher die Kinder z.B. mit Leuten weggehen zu sehen,

die das können, z.B. meine Mutter oder Freunde,

die die Kinder mitgenommen haben ...

Diese Kinder weggehen zu sehen, zurückzubleiben, und zu wissen,

dass sie das eigentlich mit der Mutter machen wollten,

nicht mit irgendjemanden, ist wirklich megatraurig.

Sie fragt auch immer, ob es für mich schwierig ist,

dass ich gewisse Sachen nicht mit ihr machen kann,

aber für mich ist das nicht wirklich schwierig.

Ich sehe, dass es für sie schwierig ist,

und das ist für mich das Schwierige, um es so zu sagen.

Ich habe das Gefühl, ich kann es anderweitig erleben.

Ich muss nicht mit meiner Mutter erleben, was sie nicht kann.

Es fehlt mir nicht, dass ich nicht in ein Einkaufszentrum gehen kann.

Ich werde immer vermissen,

dass ich mit meinen Kindern nie weit spazieren konnte.

Ich habe immer ein Bild von meinen Kindern,

wie ich mit meinen Kindern wandern gehe, mit Rucksäcken,

und einen Tagesausflug mache. Das konnte ich alles nie machen.

Das ist das, was für mich am Ganzen das Schmerzhafteste ist.

Obwohl die Kinder immer beschwichtigen:

"Es ist nicht so schlimm, Mami." Aber für mich ist es schlimm.

Immer noch und immer wieder.

Angst ist oft unerträglich und kann uns am Leben hindern.

Aus Angst vor Panikattacken

entwickeln viele Betroffene Vermeidungsstrategien

und nehmen beispielsweise wegen Tunnels grosse Umwege in Kauf.

Wenn die Lebensgestaltung durch Ängste

allzu stark eingeschränkt wird, ist eine Therapie notwendig.

* Monotone, düstere Klänge *

Ich habe gelernt, dass ich diese Vermeidungstaktik meiden muss.

Also, dass ich sie ablegen muss.

Ich muss erst recht versuchen,

mich dem zu stellen.

Und dann, in einer Situation wie z.B. einem Konzert,

mitten zwischen all den Leuten, denkt man:

"Es ist ja gar nicht so schlimm."

Du hattest vorher viel mehr Bedenken, als in diesen Moment.

So hatte ich wieder viel mehr Vertrauen in mich selbst.

Ich kann wieder Lift fahren ohne Probleme.

Ich fahre mit dem Auto durch Tunnels oder auf Autobahnen.

Das sind alles Sachen, die ich damals vermieden habe.

Aber ... Ausser dem Fliegen stresst mich eigentlich nichts mehr so sehr.

(Frau) Also, wer ist dran?

(Frau) Zwei Pfefferminztees. - Zum Hiertrinken?

Ja.

- Zweimal Tee.

Ich denke, ich habe das gut überstanden.

Ich brauche keine Medikamente mehr.

Aber ganz weg ist es nicht.

Es klopft immer mal wieder ein wenig an.

D.h. dann für mich,

vielleicht mal wieder einen Gang zurückschalten,

wieder einmal eine kleine Auszeit nehmen,

sich für den Moment wieder einmal etwas mehr um sich selbst kümmern.

Nicht in diesem Hamsterrad bleiben

und sich dabei verrückt machen.

Ihr könnt das Kissen unter den Kopf nehmen.

Die Beine gleich aufstützen.

Mir wurde jetzt eine IV zugesprochen.

Ich finde, ich habe die auch schon längst verdient.

Das ist ein Bericht, der klar sagt, dass ich austherapiert bin.

Damit muss man zuerst mal zurechtkommen.

Einerseits: "Aha, okay, austherapiert, hoffnungslos."

Aber ich sage dir,

auf der anderen Seite bin ich so froh über diesen Satz.

Ich habe therapeutisch so ziemlich alles durchgemacht.

Ich habe noch eine Therapeutin, aber sonst ...

Ich habe so keine Lust mehr auf Therapien.

Ich habe ein paar sehr gute, enge Freundinnen,

die die Thematik natürlich kennen.

Die mich nicht fragen:

"Kommst du morgen nach Zürich ans AC/DC-Konzert?"

Die wissen, Claudia kommt nicht.

Claudia geht auch nicht auf eine Seilbahn.

Claudia kommt auch nicht 3 Std. spazieren.

Dann gehen wir halt zusammen essen, wenn es irgendwie geht.

Oder sie kommen zu mir nach Hause.

Aber der Kontakt zu denen, die ich habe, ist sehr eng und sehr gut.

Auch wenn ich mich beim Wunsch ertappe, erste Klasse zu fahren,

Einkaufszentren grundsätzlich meide

und Türme und Gipfel lieber gar nicht besteige,

leide ich nicht an überbordenden Angstzuständen.

Trotzdem merke ich, wie die Grenzen fliessend sind.

Die Frage, wo die Krankheit beginnt,

ist auch für Fachleute nicht einfach zu beantworten,

und die Betroffenen müssen sie sich selber stellen.

2008 war ich ja fast ein halbes Jahr lang im Sanatorium Kilchberg.

Dann war ich für fast drei Jahre krankgeschrieben.

Über die IV konnte ich eine Art Wiedereingliederungsprogramm machen.

Anfänglich mit 50 % in einer Stiftung, ohne Leistungsdruck.

Dort konnte ich den Motor wieder hochfahren.

Ich hatte dann ein Abschlussgespräch beim IV-Berater.

Der fand dann, ich würde das nicht mehr zurückschaffen,

und bot mir eine 50-%-Rente an.

Ich erschrak ziemlich.

Ich fand, das komme überhaupt nicht infrage.

"Ich will arbeiten gehen, und zwar 100 %."

Ich ging dann die ersten paar Monate stempeln

und konnte mich dann bei meinem heutigen Arbeitgeber vorstellen.

Das war noch schwierig.

Ich konnte schlecht "drei Jahre Sabbatical"

in meinen Lebenslauf schreiben und war dort sehr offen.

Ich kann mich sehr gut

an das Gespräch mit dem damaligen CEO erinnern.

Er hatte extrem viel Verständnis.

Er fand ...

... ihn interessiere nicht, was vorher war,

sondern ihn interessiere nur die Zukunft.

Er gab mir diese Chance.

Jetzt bin ich seit sieben Jahren beim selben Arbeitgeber.

Es hilft sehr, dass ich vom Arbeitgeber keinen Druck habe.

Die wissen auch, was mit mir los ist.

(Lachend) Ich bin erfolgreich.

Sie setzen auf mich.

Sie halten an mir fest. Das geniesse ich natürlich auch.

Was ich nie loswerde,

und das ist einfach so, ist, dass diese Angst

quasi mein ständiger Begleiter ist.

Aber ich ...

Das war damals das Ziel der Therapie und jetzt auch der letzten Jahre,

dass es darum geht, dass ich einen adäquaten Umgang damit finde.

Dass ich es wie annehme. Sie ist sozusagen mein Freund, diese Angst.

Es gibt dann bessere und weniger gute Zeiten.

Wenn ich sage, dass ich das quasi überwunden habe,

dann heisst das nicht, dass ich nie mehr eine Panikattacke habe.

Weisst du, was ich auf deinem Plan noch gesehen habe?

Am 6. Dezember gehst du zum ersten Mal klettern.

Ja, ich weiss.

Ich hatte die Wahl und habe sie immer noch,

entweder am Ganzen zu verzweifeln,

weil ich so vieles nicht kann, was normale Menschen können.

Es gäbe genügend Grund, zu verzweifeln und aufzugeben.

Aber im Ganzen gesehen habe ich das Gefühl,

ist es nach wie vor ein Schutz für mich.

Ich bin nicht sicher, ob ich es ohne diesen Schutz schaffen würde.

Mein Leben ist sehr klein.

In diesem kleinen Rahmen kann ich leben,

kann meinen Alltag bewältigen.

Wenn es grösser wäre, bin ich nicht sicher, ob ich es könnte.

Egal wie viel? - Ja.

Je mehr, desto weicher wird es eigentlich. - Aha.

Ja, super.

Wenn ich ...

... mal eine kleine Pause brauche,

wenn es mir vorne doch ein wenig zu viel wird,

komme ich schnell hier nach hinten ...

... trinke einen Kaffee und mache ein paar Spiele.

So kann ich am besten wieder runterkommen.

Das könnte ich stundenlang machen.

Das kann Kurt überhaupt nicht verstehen.

Wenn wieder einmal ein Anflug einer solchen Panikattacke kommt,

d.h., wenn es wieder enger wird oder es von unten heraufkommt,

dann, habe ich gelernt, kann ich das übers Atmen ...

Es gibt Atemtechniken, die man lernen kann.

Man kann einfach ...

Mit ruhigem Durchatmen kriegt man das wieder weg.

Das sind ein paar Sekunden, in denen es wiederkommt.

Inzwischen ist es für mich ein alter Bekannter. Er gehört zu mir.

Aber ich kann gut damit leben. Es belastet mich nicht mehr.

* Langsame, nachdenkliche Musik *

Angststörungen & Panikattacken — Betroffene reden. (Schweizerdeutsch!!) Anxiety disorders & panic attacks - sufferers talk. (Swiss German!!) Angststoornissen & paniekaanvallen - patiënten aan het woord. (Zwitserduits!) Zaburzenia lękowe i ataki paniki - osoby cierpiące mówią. (Szwajcarski niemiecki!!) Perturbações de ansiedade e ataques de pânico - conversa de quem sofre. (suíço-alemão!!) Ångestsyndrom & panikattacker - drabbade pratar. (Schweizisk tyska!!) Anksiyete bozuklukları ve panik atak - hastalar konuşuyor. (İsviçre Almancası!!) Тривожні розлади та панічні атаки - розповіді хворих. (Швейцарською німецькою!!)

Wenn ich einen Film zum Thema Angst realisiere, heisst das auch,

sich den eigenen Ängsten zu stellen.

Mir wird's schnell zu eng, zu laut, zu viel.

Im Gedränge fühle ich mich unwohl, möchte weg.

Aber ich habe keine Panikattacken wie viele Menschen,

die unter Angststörung leiden, einer psychischen Erkrankung.

Oft ohne erkennbaren Auslöser werden sie von Ängsten befallen.

Sie erleben diese als einen Sog, aus dem sie kaum mehr herauskommen.

Es ist jetzt ungefähr 30 Jahre her.

Es war zur Anfangszeit meiner Angststörung,

als ich wahnsinnig viel vermied und verdrängte.

Ich hatte Angst, mich diesen Situationen zu stellen.

Ich fuhr damals oft Zürich - Bern.

Ich machte dort für drei Monate eine Weiterbildung.

Jedes Mal drehte ich fast durch.

Ich musste aufstehen und auf die Toilette gehen.

Ich begann zu hyperventilieren.

Ich hatte Angst, mir würde etwas passieren.

Dass ich im Zug wäre, und mir niemand helfen könnte.

Ich fuhr nur Bummelzüge.

Der Grund ist klar:

Ich hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt,

aussteigen zu können.

Ich trieb es dann sogar auf die Spitze.

Ich schrieb mir jeweils auf,

wie lange der Zug von hier nach dort brauchte,

also bis zur nächsten Station.

Ich war total auf Nadeln und total angespannt.

Wenn ich dann im Bahnhof einfuhr, dachte ich: "Super."

Dann ging es weiter. Ich stieg nie aus.

Diese Zuggeschichte hat sich wirklich hartnäckig ...

Sie hat sich über die letzten 25 Jahre wirklich gehalten.

Dass ich das heute ohne Probleme ...

... ziemlich ohne Probleme kann, ist jetzt seit vier Jahren so.

Das kann man auch später flexibel einsetzen,

aber gerade diejenigen, die im 90°-Winkel sitzen,

und wenn dort die Wand auf die andere Wand stösst ...

Es gibt dann einfach ein paar Wandelemente,

die man nicht beliebig und flexibel einsetzen kann.

Marcel Meier ist ein erfolgreicher Projektleiter und Verkäufer

in der Möbel- und Einrichtungsbranche.

Als ich ihn kennenlernte, wäre ich nie auf die Idee gekommen,

dass er schon jahrzehntelang unter einer Angststörung leidet -

seit seiner Jugend.

Doch seine Krankheit wurde lange nicht richtig erkannt und behandelt.

Marcel Meier hat es irgendwie durchgestanden.

Ich habe mir eingebildet, dass diese Störung

aus meinen Lebensumständen heraus entstanden ist.

Ich hatte eine depressive Phase, ich hatte wenig Geld,

bezahlte viele Alimente, konnte am sozialen Leben nicht so teilnehmen.

Der Job hat mich, wenn man so will, am Leben erhalten,

und dort hatte ich meine sozialen Kontakte.

Ich hatte auch eine Phase, in der ich recht viel allein war.

Ich igelte mich dann ein und betrieb eine Vogel-Strauss-Politik.

Mein damaliges Rezept im Gegensatz zu heute war,

wegschieben, wegschieben, wegschieben,

verdrängen, verdrängen, verdrängen!

Das machte es natürlich nicht besser.

Ich weiss gar nicht, wie ich das durchgestanden habe.

Wahrscheinlich hat es mit einem Urvertrauen zu tun.

Ich wusste eigentlich immer,

dass für mich die Sonne wieder einmal scheinen würde.

Ich hatte offensichtlich die Kraft und Energie, nebst der Arbeit,

dass ich das auf irgendeine Art und Weise einfach ...

... überstanden habe.

* Dumpfe Geräusche, Rauschen einer Flugzeugdüse *

Wie für jeden anderen Menschen auch

gehören Ängste zu meinem Leben als Filmemacher.

Je älter ich werde, desto ängstlicher werde ich.

Eine allgemeine Ängstlichkeit,

die sich nur manchmal konkret festmachen lässt.

Früher konnte ich problemlos in der ganzen Welt herumreisen,

heute fällt mir ein grösserer Ortswechsel schwer.

Sobald ich meinen Alltagstrott aufgeben muss, werde ich unsicher.

* Rufe, Aufprallen eines Balls *

Conny Grossenbacher führt seit acht Jahren mit ihrem Mann Kurt

ein Restaurant auf einem grossen Sportplatz.

Vor 17 Jahren erlitt sie ihre erste Panikattacke.

Schau mal. - (Mann) Ist schon gut.

Danke sehr. Merci.

Bei Ausbruch ihrer Angstkrise

betrieben sie noch das schöne Quartierrestaurant Blume.

Eine aufreibende Arbeit,

deshalb gaben sie später die Blume auf.

Weisst du noch?

Manchmal, nach einem anstrengenden Sonntag,

sassen wir hier draussen an einem Holztisch ...

Mhm. - ... im Dunkeln, und schauten nach drüben.

Alle Lichter gelöscht. - In aller Ruhe was getrunken.

Im November 2000 hatte Kurt einen Herzinfarkt,

als ich für vier Tage

mit meinen Jass-Frauen nach Istanbul gefahren war.

Die Nachricht erreichte mich morgens um 3 Uhr,

als wir ins Hotel zurückkamen, auf der Combox meines Handys.

Ich musste dann überstürzt nach Hause fahren.

Meine Angst war, dass ich ihn nicht mehr lebendig antreffen würde.

Er hat das zum Glück überlebt,

aber für mich war es ein grosses Trauma.

Im nächsten Frühling fingen die Panikattacken an.

Ich konnte das gar nicht zuordnen.

Ich hatte das Gefühl, es wäre etwas Körperliches.

Ich konnte mir nicht helfen.

Ich konnte auch nicht mehr unter die Leute gehen.

D.h., ich konnte nicht mehr arbeiten.

Ich hatte Angst, dass ich unten im Restaurant

vor allen Leuten zusammenbrechen und sterben würde.

Das Schlimmste war, dass ich bei jedem Atemzug das Gefühl hatte,

das wäre nun der letzte.

Für mich war das etwas vollkommen Ungewohntes.

Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte,

weil ich mit beiden Beinen auf dem Boden stehe.

Ich bin bodenständig aufgewachsen.

Ich habe Leute, die psychische Probleme haben, fast belächelt.

Ich hatte das Gefühl, dass man das doch selber lösen können sollte.

Die würden einfach ein wenig übertreiben.

Dann hat es mich selbst erwischt.

Ich stellte mir vor, wenn man mich am Morgen tot finden würde,

hätte man ja keine Ahnung, was passiert war.

Deshalb schrieb ich mal auf,

wie es mir in diesen Momenten ergangen ist.

Ich schrieb ...

...

z.B. : "Zeit." Es war etwa 3.15 Uhr in der Nacht.

Ich mass meinen Puls.

Normalwert, also etwas hoch: 85.

Blutdruck ideal: 130 zu 77.

Nachher die Symptome, die ich hatte:

Herzrasen, ein Stechen links, Atemnot und Schwindel.

Und ein komisches Kribbeln in den Fingern,

ein Taubheitsgefühl in den Fingern.

Das schrieb ich auf und legte den Block neben das Bett.

Ich konnte dann einschlafen, weil ich dachte,

dann wüssten sie vielleicht, woran es lag,

dass ich jetzt gestorben war.

Dann, ein paar Tage später,

hat es mich zum ersten Mal tagsüber erwischt -

an einem Sonntagmittag, während des Mittagservice.

Kurt kochte in der Küche, ich wäre eigentlich am Büffet gewesen.

Wir hatten eine Serviertochter. Es war nicht übertrieben viel los.

Wir hatten schon zu tun, waren aber nicht gestresst.

Und plötzlich ging es wieder los.

Ich sei dann auch immer ganz bleich geworden.

Ich ging zu Kurt in die Küche, und er fragte: "Was ist los?"

Ich sagte: "Es geht wieder los, ich habe es wieder."

Er holte mir einen Stuhl,

und ich konnte mich bei ihm an den Herd setzen.

Er rief dann der Serviertochter zu, sie solle den Krankenwagen rufen.

Die waren dann schnell hier und hängten mich im Krankenwagen

an das mobile EKG an. Sie fanden wieder nichts.

Für die definitive Abklärung

brachten sie mich aber noch ins Waidspital.

Dort wieder dasselbe: EKG, alles ohne Befund.

Ein etwas erhöhter Puls.

Und wieder Beruhigungstabletten und nach Hause geschickt.

Danach schwor ich mir:

"Ich gehe nicht mehr ins Spital, wenn so etwas ist."

Kommst du nicht zum Abendessen? - Achtung, heiss!

Zu welcher Zeit? - Ich glaube, um 18 Uhr.

Claudia Moser hat zwei Kinder - Lela und Giulia.

Seit Langem lebt sie ohne feste Beziehung.

Bereits in ihrer Jugend erlitt sie Panikattacken,

und es entwickelte sich eine starke Angststörung.

Trotzdem schaffte sie es immer wieder,

im pflegerischen Bereich Arbeit zu finden

und die kleine Familie allein durchzubringen.

Seit einem Jahr nun

bezieht sie nach langen Abklärungen eine volle IV-Rente.

Am ersten Drehtag sagte mir Claudia Moser,

dass sie in der letzten Woche

seit Langem wieder eine akute Angststörung durchlebt hatte.

Ach, schau hier! Hier steht's. Hier steht: "Parkplätze vorhanden."

Vor einer Woche bekam ich Schmerzen, starke Schmerzen im Rücken.

Ich wusste nicht, was es war.

Ich machte mir immer mehr Sorgen,

und auch nach einem Arztbesuch wusste man nicht, was es war.

Ich merkte, wie mir die Kontrolle entglitt.

Meine Gedanken kreisten immer mehr darum,

dass es etwas Schlimmes sein könnte.

Das jagte meine Angstsymptome derart hoch,

wie ich es schon lange nicht mehr hatte.

Ich kam dann nicht mehr aus diesem Angstkreis heraus.

Ich konnte gar nicht mehr rational denken.

Es drehte sich alles darum, dass ich glaubte,

etwas wirklich Schlimmes zu haben,

etwas Gefährliches, etwas, was mich auch umbringen könnte.

Trotz all der Sachen, die ich kenne und die ich anwenden könnte -

gut durchatmen, mich beruhigen ... Das ging alles nicht mehr.

Ich rief meine Therapeutin an - täglich.

Sie wäre auch zu mir nach Hause gekommen,

wenn es noch schlimmer geworden wäre.

Sie half mir auch, das muss ich sagen.

Und eine gute Freundin,

die selbst jahrzehntelang unter Phobien gelitten hatte,

half mir auch sehr.

Das ist so die Grenze, bis zu der ich gehen kann.

Es ist ... Ja.

Manchmal geht es etwas weiter, manchmal geht es weniger weit.

Es kommt darauf an, wie es mir geht und wie das Wetter ist.

Wenn es sehr heiss ist, komme ich nicht so weit,

wenn es etwas kühler ist oder wenn ich ein Fahrrad schiebe,

kann ich etwas weiter gehen, aber sonst ist das hier meine Grenze.

Hier beginnt mein Herz zu klopfen.

Wenn ich weitergehen würde, würde es immer schlimmer.

Allein auf dem Weg mit einer Panikattacke

ist etwas vom Schlimmsten, was ich mir vorstellen kann.

Was es genau ist und wieso genau hier die Grenze ist,

kann ich nicht wirklich erklären.

Es ist einfach bedrohlich, wenn ich weitergehe.

Weiter weg von allem, was mir vertraut ist.

Mein Zuhause ist eigentlich der einzig sichere Ort für mich.

Sessellift fahren, ist für Marcel Meier beinahe unmöglich.

Nicht, weil er an Höhenangst leidet,

sondern weil er keine Fluchtmöglichkeit hat.

Ich meide solche Fahrten über schwindelerregende Abgründe auch.

Objektiv betrachtet

ist der Sessellift eines der sichersten Transportmittel,

doch das nützt nichts, wenn grosse Ängste im Spiel sind.

Andererseits sind Ängste überlebensnotwendig und schützen uns.

Deshalb lernen wir schon als Kind,

Gefahren richtig einzuschätzen und Ängste zu überwinden.

Ich hatte eine Monster-Panikattacke.

Eine sehr schwere ...

... wie ich sie schon lange nicht mehr hatte.

Ich war im Büro, ganz normal bei der Arbeit.

Es fing mit einem körperlichen Unwohlsein an.

Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich vom Stuhl kippen würde.

Ich musste weg.

Ich musste aus dem Büro raus.

Zu der Zeit war ich schon richtig am Rotieren.

Hyperventilation, Engegefühl in der Brust,

und dann ergibt eins das andere.

Ich schaffte es dann mit dem Auto noch knapp nach Hause.

Ich hatte wahnsinnige Angst.

Ich versuchte, mich hinzulegen.

Das ging nicht. Ich tigerte in der Wohnung herum.

Ich brauchte eigentlich bis abends, bis ich einigermassen ...

... wieder heruntergekommen war.

Dieser Schock sitzt mir immer noch ein wenig im Nacken.

Dann kam das Wochenende. Das ging einigermassen.

Weil die Panikattacke im Büro stattgefunden hatte,

tat ich mich dann schwer daran, am Montag ins Büro zu gehen.

Ich ging trotzdem, merkte aber sofort,

dass ich mich nicht wohlfühlte.

Ich ging am Mittag wieder nach Hause.

Sprich: Ich habe vermieden.

Das habe ich die ganze letzte Woche so gemacht.

Ich habe von zu Hause aus gearbeitet.

Therapeutisch ist das natürlich falsch,

aber ich habe es irgendwie nicht geschafft.

Ich habe die ganze letzte Woche daran gekaut.

Ich bin immer noch angeschlagen, wenn man so will.

Ich merke es jetzt auch, wenn ich darüber rede.

Es ist mir richtig, richtig heftig eingefahren.

Ja, ich hatte wirklich Angst, dass ich sterben würde.

Obwohl ich ...

Es ist so schwierig. Ich versuche, es jetzt zu beschreiben.

Wenn man so richtig durchdreht ...

Es gibt keinen wirklichen Ausgang. Ich habe das noch nie geschafft.

Es gibt wie nie:

"Ich drücke jetzt auf Stopp und trete aus dem Teufelskreis."

Das gelingt mir nicht. Es gelingt mir auch nicht ...

... in dieser Alarmstimmung.

Da leuchten ... Da schrillen alle Alarmglocken.

Es gelingt mir dann nicht, mir über den Intellekt gut zuzureden:

"Du hast es ja schon einige Male gehabt,

und es ist nichts Schlimmes." Das ist jedes Mal ...

Ich habe verteilt über die letzten 30 Jahre,

ich weiss nicht, mind. 200-300 Panikattacken gehabt,

und ich sollte es langsam wissen.

Das nützt einen Dreck.

Flugangst ist ein weit verbreitetes Phänomen.

Ich habe Angst vor einem Absturz und beruhige mich, indem ich mir sage,

dass Flugzeuge zu den sichersten Transportmitteln gehören.

Flucht ist eine häufige Reaktion bei Angststörungen.

Für Conny Grossenbacher ist das Schlimme im Flieger

das Ausgeliefertsein, keine Kontrolle zu haben.

Das wäre anders, wenn sie selbst die Pilotin wäre.

Wir durften für eine Hochzeit einen Apero machen,

im Kirchgemeindesaal hinten über der Blume.

Ich hätte dort eigentlich auch helfen sollen -

Gläser füllen und Apero verteilen und so.

Aber Kurt musste das allein machen.

Ich war nicht in der Lage, zu helfen.

Ich hatte nachts wieder eine Attacke gehabt,

und schlief dann lange.

Ich war danach einfach vollkommen fertig.

Man konnte mich so bei der Arbeit nicht brauchen.

Dann machte er den Apero allein.

Zwei meiner Freundinnen waren zu dieser Hochzeit eingeladen.

Als sie ihn allein antrafen, fragten sie nach mir - was los sei.

Er erzählte es ihnen.

Die eine war eine gute Freundin von meinem späteren Psychiater.

Die andere hatte selbst Panikattacken erlebt.

Beide wussten sofort, was es sein könnte.

Sie gaben Kurt die Telefonnummer dieses Psychiaters.

Ich solle ihn unbedingt anrufen.

Da habe ich zum ersten Mal gehört,

dass das Ganze wirklich eine Krankheit ist,

dass es das wirklich gibt, dass diese Symptome typisch dafür sind

und dass ich nicht allein bin - und v.a., dass man mir helfen kann.

Und was am Anfang auch noch sehr wichtig war:

Er schickte mich zu einem Arzt, um das abklären zu lassen.

D.h., ich war in einem Labor, um mir Blut abnehmen zu lassen.

Dort untersuchten sie gewisse Sachen,

die es hätten sein können.

Dann war ich noch bei einem Herzspezialisten,

um einen Herz-Ultraschall machen zu lassen.

Das war sehr wichtig für mich,

um das Körperliche definitiv ausschliessen zu können,

dass es etwas Ernsthaftes ist.

Das gab mir auch eine gewisse Sicherheit.

Und natürlich die Gesprächstherapie. And of course talk therapy.

Ich ging erst dreimal in der Woche zum Psychiater,

jeweils für eine Stunde.

Ich erzählte dann einfach.

Zu diesen Gesprächstherapien habe ich noch Antidepressiva bekommen.

Und für Notfälle Temesta,

zur Beruhigung, wenn es ganz schlimm geworden wäre.

Das musste ich aber gar nie nehmen.

Mir reichte es schon, es zu Hause zu haben

und zu wissen, dass ich darauf zurückgreifen kann,

wenn ich es nicht mehr aushalte.

Das ist für mich eine Möglichkeit, zu entspannen,

weil ich mich im Rücken so verkrampfe,

wenn ich diese Attacken habe.

Es nimmt mir fast den Atem.

Ich merke, es ist so eng im Brustkorb oder im Oberkörper.

Bei mir ist es jetzt v.a. in den Schultern.

Das kann sie mir lösen.

So kann ich nachher wieder freier atmen.

Dadurch habe ich dann auch weniger Angst.

* Langsame, elektronische Klänge *

Ich gehe nie an grosse Festanlässe. Einem Gedränge weiche ich aus.

Im Kino sitze ich am Rand.

Mittendrin kann ich es aushalten, doch ich vermeide es, wenn möglich.

Claudia Moser hingegen geht nie ins Kino -

auch nicht an andere öffentliche Veranstaltungen.

Das Auto ist für mich seit sehr langer Zeit

der einzige Ort ausser meiner Wohnung,

der mir vertraut ist.

Hier fühle ich mich sicher,

hier habe ich das Gefühl, dass mir nichts passieren kann.

Es ist ein Zufluchtsort.

Mein ganzer Alltag steht und fällt mit diesem Auto.

Ohne Auto wäre ich auf 100 % Hilfe angewiesen.

Ich könnte nicht einkaufen, ich könnte keine Arztbesuche wahrnehmen.

Ich könnte die Kinder nirgends hinfahren.

Ich hätte keine sozialen Kontakte ausser Haus.

Ja, es ist für mich wie eine ...

Ja, wie Heimat, wie ein ...

Ein Ort, wo ich aufgehoben bin und der mir Sicherheit gibt.

Claudia Moser muss mit dem Auto möglichst nahe heranfahren können.

So kann sie in kleinen Läden, die ihr vertraut sind, einkaufen.

Der Parkplatz muss unmittelbar vor dem Geschäft liegen.

Ähm ...

Die kleinen.

Die Cherrytomaten? - Ah, genau.

In einem grossen oder einem kleinen? - In einem grossen.

Es ist jetzt schon eine Weile her, dass ich nicht mehr arbeite,

also dass ich eine volle Rente bekomme.

Das ist bald ein Jahr.

In der ersten Zeit brauchte ich es wirklich sehr,

einfach mal nicht mehr arbeiten zu müssen.

Der ganze Druck fiel weg.

Es tat mir am Anfang wirklich gut,

dass ich merkte, dass ich weniger leisten musste.

Die ganze Belastung, die ich neben den Ängsten vorher noch hatte -

wie Kinder grossziehen, finanzielle Probleme, Beziehung ...

Das alles ist weggefallen.

Ich bin Single, und ich bin zufrieden damit.

Meine Kinder werden älter und brauchen mich nicht mehr so sehr.

Arbeit habe ich keine mehr.

Was bleibt, bin ich mit meinen Ängsten.

Das ist wahrscheinlich, was ich momentan spüre.

Ich war vorher nie so nah dran.

Klar musste ich damit leben, aber ich hatte immer genug Ablenkung.

30 Jahre lang.

Ich besuche mit Marcel Meier das Sanatorium Kilchberg,

eine psychiatrische Klinik.

Dort wurde er vor zehn Jahren mit einer akuten Angststörung

sechs Monate lang stationär behandelt.

20 Jahre nach seiner ersten Panikattacke

bekam er hier endlich eine klare Diagnose,

einen Namen für seine Krankheit

und ein für Angstpatienten bewährtes Therapieangebot.

Mir ging es damals wahnsinnig schlecht.

Ich hatte auch eine Arbeitsplatzsituation,

die sehr schwierig war.

Ich war quasi ... Ich wusste noch knapp,

wie ich mein Passwort am Bildschirm eingeben musste.

Im Verlauf des Morgens packte ich dann mein Köfferchen,

ging aus dem Büro raus und kehrte nie mehr zurück.

Dann entschloss ich mich, in eine Klinik zu gehen. Ja.

Es ging einfach nicht mehr.

Ich war fix und fertig. Richtig fertig.

Ich habe sehr gute Erinnerungen an diesen Ort.

Ich verbinde es ja nicht mit ...

Ich verbinde es nicht per se damit,

dass es mir damals grausam schlecht ging,

sondern es war eigentlich der Start ...

Man kann es wohl schon so sagen:

Es war der Start in ein wieder selbstbestimmtes Leben.

Ich übernahm das Steuer wieder.

Davor war ich jahrelang oder jahrzehntelang fast nur Passagier.

Ich redete damals 1 Std. lang mit dem Oberarzt.

Er schrieb und schrieb und schrieb und schrieb.

Ganz am Ende - wir hatten keine 5 Min. mehr -

sagte ich ihm, ich hätte übrigens manchmal Panikattacken.

Der legte sofort alles weg. Er hörte sofort auf zu Schreiben.

Er sagte, er habe mir gern 1 Std. lang zugehört,

aber 5 Min. hätten gereicht.

Das Wichtigste hätte ich am Ende gesagt.

Man nenne das so und so, so könne man es therapieren,

diese Möglichkeiten gebe es.

Das war eine Erleichterung,

auch wenn es danach extrem hart wurde.

In der Klinik musste sich Marcel Meier zuerst einem harten Entzug

von einem süchtig machenden Beruhigungsmittel unterziehen.

Dieser dauerte einige Wochen.

Erst danach konnte man mit der Expositionstherapie beginnen.

Unter Begleitung einer Fachperson, der Psychologin Karin Hammerfald,

konfrontierte sich Marcel Meier mit Situationen,

die bei ihm Ängste auslösen.

Beispielsweise musste er einen Weg unter freiem Himmel zurücklegen.

Mit der Zeit lernte er so,

sich seinen Ängsten zu stellen und sie schrittweise abzubauen.

Ich kann mich erinnern, dass ich ein Papier erhielt -

das hatten wir vorbesprochen -, auf dem stand,

ich solle probieren, mich zu konfrontieren oder zu exponieren.

Auf keinen Fall verdrängen.

Auf mich hören, Angst eins bis zehn. Habe ich überhaupt Angst?

Wenn ja, wie hoch ist sie?

Wird sie, während ich mich exponiere und gehe ... Steigt sie dann?

Wie fühle ich mich?

Also wirklich die konkrete Auseinandersetzung

und nicht: "Ich muss jetzt möglichst an etwas anderes denken,

damit ich das überhaupt überstehe." So habe ich das in Erinnerung.

Genau, sondern eher im Gegenteil:

Wenn Sie merken, dass Sie gedanklich abdriften,

versuchen Sie wirklich, zur Angst zurückzukehren.

Wie war es denn jetzt für Sie, Herr Meier?

Easy. - Anders als damals?

Ja, das ist inzwischen wirklich Komfortzone.

Also ... fast Komfortzone.

Diese Situationen - ob es jetzt hier im Feld ist

oder wenn ich in einen Zug einsteige ...

Natürlich ist es immer in meiner Erinnerung,

aber es ist sehr weit weg.

Und, äh ...

Das war jetzt überhaupt kein Problem.

Ich kann mich natürlich erinnern, wie es damals war.

Es war meine erste Exposition.

Das war definitiv eine andere Baustelle.

Können Sie sich noch daran erinnern, was die Ängste waren,

die Sie mit dem Feld verbanden? - Ja, natürlich.

Natürlich, die Angst vor der Angst, das Altbekannte.

Und tiefer liegend: Wenn ich jetzt durchdrehe,

ist nicht in 10 m Distanz ein Haus, in das ich mich flüchten könnte.

Also quasi keine Sicherheit ...

... auf einem weiten Feld. Das machte mir extrem Mühe.

Ich kann mich erinnern,

als ich mal allein auf dem Üetliberg unterwegs war,

und zwar wirklich allein, lief ich in eine Panikattacke rein.

Das war wahrscheinlich auch der Auslöser für nachher.

Man verbindet es ja immer mit einem Erstkontakt oder Ersterlebnis.

Daran hatte ich schon zu beissen.

Für Fachleute sind die Auslöser von Panikattacken meist erkennbar,

aber die tiefer liegenden Ursachen dieser Erkrankung

liegen nach wie vor im Dunkeln.

Es gibt auch keine spezifischen Medikamente gegen Angststörungen.

Angstlösende Antidepressiva lindern zwar die Angst,

verhindern sie aber nicht.

Und Beruhigungsmittel, Benzodiazepine,

lassen die Angst nur kurz verschwinden und machen abhängig.

Medikamente können sogar kontraproduktiv sein.

Es geht darum,

dass der Betroffene sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt

und lernt, mit ihnen umzugehen.

Finny, komm! Komm, Fuss!

Willst du kein Leckerchen? Ja, dann nicht.

Bei der Arbeit war sie ein Ausfall - nicht total, aber zu 70-80 %.

Sie wollte einfach nicht mehr unter die Leute.

Es ist schwierig, wenn man ein Restaurant hat

und die Chefin nicht unter die Leute will.

Ich konnte nicht mehr. - Ja, du konntest nicht mehr.

Das ist schon klar. Ich sage ja nur:

Von meiner Sicht aus war es einfach sehr kurios.

Mein Hauptproblem war v.a. am Anfang:

Ich konnte es nicht nachvollziehen - überhaupt nicht.

Ich dachte: "Verdammt, was ist denn los?"

Kann ja nicht sein, so etwas.

Das Problem ist v.a. : Wenn man sich das Bein bricht,

oder sich in die Hand schneidet oder was weiss ich,

da kann man helfen. Da kann man was machen.

Aber hier kannst du als Partner gar nichts machen. Verständnisvoll sein.

Manchmal nervt es dich auch, immer verständnisvoll zu sein.

Das ist einfach so, auch wenn du es dir nicht anmerken lässt.

Aber mehr kannst du nicht machen.

Ein ausgebildeter Arzt oder Psychiater kann das schon fassen.

Aber ich kann es nicht fassen.

Für mich war es recht schwierig,

das Ganze überhaupt verstehen zu können.

Das wäre für mich eben wichtig gewesen. Dieses Verständnis.

Ich begreife das, aber verstehen konnte ich es nicht.

Es ist ... Ich sage ja:

Gott sei Dank, geht es mir gut und ich habe nichts in der Richtung.

Deshalb kann ich es nicht unbedingt nachvollziehen.

Du dachtest dann auch, du müsstest mich eher pushen.

Genau, ein wenig jagen.

Dann durftest du mal zu so einer Gesprächssitzung mitkommen,

zum Psychiater. Dort konnte er seine Fragen stellen.

Der Psychiater meinte aber, es wäre besser,

wenn er mich einfach machen liesse.

Ich würde selbst spüren, wann ich was aushalten kann.

Wie viel geht.

Er soll mich einfach machen lassen. Und nicht: "Komm jetzt, komm jetzt!"

Das war eigentlich kontraproduktiv.

Denn dann fühlte ich mich erst recht unter Druck gesetzt,

und das war nicht gut.

Du.

Siehst du jetzt? - Ja.

* Winseln * Ja, ja.

Jetzt ist mal fertig gefressen, was? Fertig gefressen. Ja.

Knallen. - (Beide) Eins, zwei, drei.

Uh. Aufheben!

Das ging schnell bei dir.

Abrollen!

Aufdecken! Nein.

Nein, ich meine Aufnehmen.

Ah, haha! Da! Yes!

Ich wurde sehr schnell damit konfrontiert,

weil sie es mir von Anfang an erklärt hat.

So habe ich auch gelernt, es zu verstehen

und damit umzugehen.

Wenn Mami nicht in ein Einkaufszentrum gehen konnte,

gingen wir z.B. in einen kleineren Laden.

Es gab auch sehr viele Sachen, die zusammenspielten,

die nicht gingen.

Ich hätte es gemerkt, auch wenn sie mir nichts gesagt hätte.

Denn es ist nicht normal,

dass eine Mutter nicht in einen Bus einsteigt und so.

Aber ich sehe es nicht als eine grosse Rolle, in meinem Leben.

Natürlich hat es mich "geprägt",

aber ich sehe es gar nicht im negativen Sinn.

Das war immer das Letzte, was sie wollte:

dass wir noch mehr darunter leiden, wie sie sagen würde.

Das hat sie nie gemacht.

Sie hat uns nie in schwierige Situationen einbezogen

oder als Stütze gebraucht. Das wollte sie nie.

Ich sagte auch als Kind immer: "Komm, Mami, gehen wir spazieren!"

Und sie sagte immer: "Nein, ich will mich nicht auf dir abstützen."

Die Krankheit für mich zu ertragen, ist eines.

Da habe ich das Gefühl, ich könne das.

Ich kann mittlerweile damit leben.

Aber vor einem Kind, vor meinen eigenen Kindern zu stehen,

und immer wieder sagen müssen:

"Es tut mir leid, das kann ich nicht machen."

Und nachher die Kinder z.B. mit Leuten weggehen zu sehen,

die das können, z.B. meine Mutter oder Freunde,

die die Kinder mitgenommen haben ...

Diese Kinder weggehen zu sehen, zurückzubleiben, und zu wissen,

dass sie das eigentlich mit der Mutter machen wollten,

nicht mit irgendjemanden, ist wirklich megatraurig.

Sie fragt auch immer, ob es für mich schwierig ist,

dass ich gewisse Sachen nicht mit ihr machen kann,

aber für mich ist das nicht wirklich schwierig.

Ich sehe, dass es für sie schwierig ist,

und das ist für mich das Schwierige, um es so zu sagen.

Ich habe das Gefühl, ich kann es anderweitig erleben.

Ich muss nicht mit meiner Mutter erleben, was sie nicht kann.

Es fehlt mir nicht, dass ich nicht in ein Einkaufszentrum gehen kann.

Ich werde immer vermissen,

dass ich mit meinen Kindern nie weit spazieren konnte.

Ich habe immer ein Bild von meinen Kindern,

wie ich mit meinen Kindern wandern gehe, mit Rucksäcken,

und einen Tagesausflug mache. Das konnte ich alles nie machen.

Das ist das, was für mich am Ganzen das Schmerzhafteste ist.

Obwohl die Kinder immer beschwichtigen:

"Es ist nicht so schlimm, Mami." Aber für mich ist es schlimm.

Immer noch und immer wieder.

Angst ist oft unerträglich und kann uns am Leben hindern.

Aus Angst vor Panikattacken

entwickeln viele Betroffene Vermeidungsstrategien

und nehmen beispielsweise wegen Tunnels grosse Umwege in Kauf.

Wenn die Lebensgestaltung durch Ängste

allzu stark eingeschränkt wird, ist eine Therapie notwendig.

* Monotone, düstere Klänge *

Ich habe gelernt, dass ich diese Vermeidungstaktik meiden muss.

Also, dass ich sie ablegen muss.

Ich muss erst recht versuchen,

mich dem zu stellen.

Und dann, in einer Situation wie z.B. einem Konzert,

mitten zwischen all den Leuten, denkt man:

"Es ist ja gar nicht so schlimm."

Du hattest vorher viel mehr Bedenken, als in diesen Moment.

So hatte ich wieder viel mehr Vertrauen in mich selbst.

Ich kann wieder Lift fahren ohne Probleme.

Ich fahre mit dem Auto durch Tunnels oder auf Autobahnen.

Das sind alles Sachen, die ich damals vermieden habe.

Aber ... Ausser dem Fliegen stresst mich eigentlich nichts mehr so sehr.

(Frau) Also, wer ist dran?

(Frau) Zwei Pfefferminztees. - Zum Hiertrinken?

Ja.

- Zweimal Tee.

Ich denke, ich habe das gut überstanden.

Ich brauche keine Medikamente mehr.

Aber ganz weg ist es nicht.

Es klopft immer mal wieder ein wenig an.

D.h. dann für mich,

vielleicht mal wieder einen Gang zurückschalten,

wieder einmal eine kleine Auszeit nehmen,

sich für den Moment wieder einmal etwas mehr um sich selbst kümmern.

Nicht in diesem Hamsterrad bleiben

und sich dabei verrückt machen.

Ihr könnt das Kissen unter den Kopf nehmen.

Die Beine gleich aufstützen.

Mir wurde jetzt eine IV zugesprochen.

Ich finde, ich habe die auch schon längst verdient.

Das ist ein Bericht, der klar sagt, dass ich austherapiert bin.

Damit muss man zuerst mal zurechtkommen.

Einerseits: "Aha, okay, austherapiert, hoffnungslos."

Aber ich sage dir,

auf der anderen Seite bin ich so froh über diesen Satz.

Ich habe therapeutisch so ziemlich alles durchgemacht.

Ich habe noch eine Therapeutin, aber sonst ...

Ich habe so keine Lust mehr auf Therapien.

Ich habe ein paar sehr gute, enge Freundinnen,

die die Thematik natürlich kennen.

Die mich nicht fragen:

"Kommst du morgen nach Zürich ans AC/DC-Konzert?"

Die wissen, Claudia kommt nicht.

Claudia geht auch nicht auf eine Seilbahn.

Claudia kommt auch nicht 3 Std. spazieren.

Dann gehen wir halt zusammen essen, wenn es irgendwie geht.

Oder sie kommen zu mir nach Hause.

Aber der Kontakt zu denen, die ich habe, ist sehr eng und sehr gut.

Auch wenn ich mich beim Wunsch ertappe, erste Klasse zu fahren,

Einkaufszentren grundsätzlich meide

und Türme und Gipfel lieber gar nicht besteige,

leide ich nicht an überbordenden Angstzuständen.

Trotzdem merke ich, wie die Grenzen fliessend sind.

Die Frage, wo die Krankheit beginnt,

ist auch für Fachleute nicht einfach zu beantworten,

und die Betroffenen müssen sie sich selber stellen.

2008 war ich ja fast ein halbes Jahr lang im Sanatorium Kilchberg.

Dann war ich für fast drei Jahre krankgeschrieben.

Über die IV konnte ich eine Art Wiedereingliederungsprogramm machen.

Anfänglich mit 50 % in einer Stiftung, ohne Leistungsdruck.

Dort konnte ich den Motor wieder hochfahren.

Ich hatte dann ein Abschlussgespräch beim IV-Berater.

Der fand dann, ich würde das nicht mehr zurückschaffen,

und bot mir eine 50-%-Rente an.

Ich erschrak ziemlich.

Ich fand, das komme überhaupt nicht infrage.

"Ich will arbeiten gehen, und zwar 100 %."

Ich ging dann die ersten paar Monate stempeln

und konnte mich dann bei meinem heutigen Arbeitgeber vorstellen.

Das war noch schwierig.

Ich konnte schlecht "drei Jahre Sabbatical"

in meinen Lebenslauf schreiben und war dort sehr offen.

Ich kann mich sehr gut

an das Gespräch mit dem damaligen CEO erinnern.

Er hatte extrem viel Verständnis.

Er fand ...

... ihn interessiere nicht, was vorher war,

sondern ihn interessiere nur die Zukunft.

Er gab mir diese Chance.

Jetzt bin ich seit sieben Jahren beim selben Arbeitgeber.

Es hilft sehr, dass ich vom Arbeitgeber keinen Druck habe.

Die wissen auch, was mit mir los ist.

(Lachend) Ich bin erfolgreich.

Sie setzen auf mich.

Sie halten an mir fest. Das geniesse ich natürlich auch.

Was ich nie loswerde,

und das ist einfach so, ist, dass diese Angst

quasi mein ständiger Begleiter ist.

Aber ich ...

Das war damals das Ziel der Therapie und jetzt auch der letzten Jahre,

dass es darum geht, dass ich einen adäquaten Umgang damit finde.

Dass ich es wie annehme. Sie ist sozusagen mein Freund, diese Angst.

Es gibt dann bessere und weniger gute Zeiten.

Wenn ich sage, dass ich das quasi überwunden habe,

dann heisst das nicht, dass ich nie mehr eine Panikattacke habe.

Weisst du, was ich auf deinem Plan noch gesehen habe?

Am 6. Dezember gehst du zum ersten Mal klettern.

Ja, ich weiss.

Ich hatte die Wahl und habe sie immer noch,

entweder am Ganzen zu verzweifeln,

weil ich so vieles nicht kann, was normale Menschen können.

Es gäbe genügend Grund, zu verzweifeln und aufzugeben.

Aber im Ganzen gesehen habe ich das Gefühl,

ist es nach wie vor ein Schutz für mich.

Ich bin nicht sicher, ob ich es ohne diesen Schutz schaffen würde.

Mein Leben ist sehr klein.

In diesem kleinen Rahmen kann ich leben,

kann meinen Alltag bewältigen.

Wenn es grösser wäre, bin ich nicht sicher, ob ich es könnte.

Egal wie viel? - Ja.

Je mehr, desto weicher wird es eigentlich. - Aha.

Ja, super.

Wenn ich ...

... mal eine kleine Pause brauche,

wenn es mir vorne doch ein wenig zu viel wird,

komme ich schnell hier nach hinten ...

... trinke einen Kaffee und mache ein paar Spiele.

So kann ich am besten wieder runterkommen.

Das könnte ich stundenlang machen.

Das kann Kurt überhaupt nicht verstehen.

Wenn wieder einmal ein Anflug einer solchen Panikattacke kommt,

d.h., wenn es wieder enger wird oder es von unten heraufkommt,

dann, habe ich gelernt, kann ich das übers Atmen ...

Es gibt Atemtechniken, die man lernen kann.

Man kann einfach ...

Mit ruhigem Durchatmen kriegt man das wieder weg.

Das sind ein paar Sekunden, in denen es wiederkommt.

Inzwischen ist es für mich ein alter Bekannter. Er gehört zu mir.

Aber ich kann gut damit leben. Es belastet mich nicht mehr.

* Langsame, nachdenkliche Musik *