Interview mit André Müller
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Interview mit André Müller, Lehrer für Klingonisch an der Klubschule 14. September 2018, Episode 25
Zukker im Leben (D)
02:33
11:36 Interview mit André Müller, Lehrer für Klingonisch an der Klubschule
Zukker im Leben (D) Episode Glossar Guten Tag, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, heute ist der 14. September, herzlich willkommen zur Sendung “Typisch Helene”. Diese Sendung ist, wie bereits angekündigt, eine ganz spezielle: Im Rahmen [1] des 10. Geburtstags des PodClubs, habe ich heute einen Gast bei mir im Studio. Es ist André Müller, Lehrer für Klingonisch an der Klubschule. Klingonisch - das ist die Sprache des stolzen, aber doch ziemlich aggressiven Kriegervolks, das Captain Kirk und Mr. Spock auf dem Raumschiff Enterprise das Leben schwer macht. Ehrlich gesagt, ich wusste ja nicht einmal, dass es Menschen gibt, die diese Sprache sprechen, und das sogar fliessend [2]. Ich bin also sehr gespannt, was uns André Müller alles verraten wird.
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Helene: André Müller, herzlich willkommen im PodClub-Studio. Und damit Sie sich so richtig wohlfühlen, machen wir die Begrüssung gleich noch auf Klingonisch: “nuqneH!” Habe ich das richtig ausgesprochen?
André: Ja genau, "nuqneH?" Interview AndreHeleneHelene: Super. “NuqneH” heisst so viel wie “Hallo!” auf Klingonisch. Ganz genau übersetzt bedeutet es aber: “Was willst du?”. Das ist als Begrüssung nicht gerade sehr höflich, oder? Warum sind die Klingonen so brüsk [3]?
André: Die Klingonen sind tatsächlich ein Kriegervolk und befassen sich [4] daher auch nicht gerne mit langen Begrüssungsfloskeln [5]. Klingonische Sätze sind kurz und knapp, und Dinge wie "bitte", "danke" oder "grüezi" sagt man da nicht wirklich. Daher sollte man "nuqneH?" auch nicht als Übersetzung von "Hallo" ansehen, sondern als die Frage "Was willst du?". Wenn man also einen Klingonen trifft, sollte man sofort sagen, was man von ihm möchte. Zum Beispiel: "Kämpfe mit mir!" oder: "Du schuldest mir Geld!” Sagt man nichts, könnte der Klingone einen also fragen: "Was willst du?" – "nuqneH?" Helene: Also gut, in unserer Situation hier im Studio würde “nuqneH” also so viel bedeuten, wie “Sprich mit mir?”
André: Genau!
Helene: Wunderbar. Gibt es einen Ausdruck für “Liebe” auf Klingonisch?
André: Ja, den gibt es tatsächlich: “parmaq”. Der hat aber auch eine leicht aggressivere Konnotation als es das deutsche Wort “Liebe" hat. Das klingonische Paarungsverhalten [6] beinhaltet [7] wenig von dem, was wir "Dating" nennen und geht auch etwas "brutaler" zu: Man knurrt [8] oder beisst, trägt aber zum Teil auch Lieder oder Gedichte vor[9]. Man bekommt das ein bisschen mit [10] in den Serien Star Trek: The Next Generation und Star Trek: Deep Space Nine.
Helene: Klingonisch wurde vom amerikanischen Sprachwissenschaftler Marc Okrand im Auftrag der Filmgesellschaft Paramount geschaffen. Warum wollte man für Star Trek eine eigene Sprache erfinden?
André: Ja, um die Filme und Serien realistischer zu gestalten, ähnlich wie es Tolkien auch für die Elben in "Herr der Ringe" gemacht hat. Es wäre ein bisschen komisch, wenn die Klingonen in ihren eigenen Raumschiffen Englisch miteinander reden würden. Also hat Paramount Marc Okrand beauftragt, eine komplette Sprache zu konstruieren, mit Grammatik, Vokabular und Aussprache.
Helene: Aber jetzt sagen Sie mal: Wie konstruiert man eigentlich eine Sprache?
André: Na ja, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wichtig ist, nicht nur neue Wörter zu erfinden, sondern auch eine realistische Grammatik mit ihrem eigenen Regeln und Ausnahmen [11] und Sonderfällen [12]. Diese Sprache kann kompliziert oder auch ganz einfach sein. Klingonisch ist aber nicht nur Englisch mit fremden Wörtern, auch die Wortstellung ist anders: Nämlich nicht Subjekt-Verb-Objekt, so wie wir das kennen, auch in Deutschen, sondern Objekt-Verb-Subjekt. Es gibt über 4000 Wörter im Klingonischen, und jedes Jahr kommen dank Marc Okrand neue hinzu.
Helene: Das ist hochinteressant. Sie haben, André Müller, als 6-jähriger “Star Trek: The Next Generation” entdeckt. Und Star Trek hat Sie von Anfang an in den Bann gezogen. Was fasziniert Sie so daran?
André: Ja, zum Beispiel, dass der Film oder die Filme eine positive Zukunft darstellen, in der man selbst gerne leben möchte, oder in der ich gerne selbst leben würde. Eine Zukunft mit viel Technik und vielen interessanten ausserirdischen Wesen. Aber auch inhaltlich ist Star Trek sehr wertvoll für mich: Die Filme und Serien sprechen alle möglichen gesellschaftlichen Probleme an und greift wichtige Fragen auf, die wir uns in der Zukunft irgendwann stellen müssen. Ethische Konflikte, zum Beispiel, oder Gleichberechtigung [13]... ja so etwas macht guten Science-Fiction aus.
Helene: Klingonisch ist eine von insgesamt 55 Sprachen, die an der Klubschule unterrichtet wird. Jetzt sagen Sie mal, wer sind Ihre Schülerinnen und Schüler?
André: Das sind sehr unterschiedliche Leute. So im Alter zwischen 14 und 60+ ist eigentlich alles dabei. Die meisten von ihnen sind Star-Trek- oder Science-Fiction-Fans, aber es gibt auch ein paar, die vor allem dabei sind, weil sie künstliche Sprachen cool finden.
Helene: Und wie schwierig ist es, Klingonisch zu lernen?
André: Nicht so schwierig, wie man denkt, würde ich sagen. Die Aussprache braucht Übung und die Wörter muss man natürlich alle lernen, und die Grammatik ist relativ exotisch. Aber es gibt viel weniger Ausnahmen als etwa im Russischen oder im Französischen.
Helene: Aber jetzt mal Hand aufs Herz [14]: Weltweit reden etwa 300 Menschen Klingonisch. Es ist keine Sprache, die man im Alltag verwenden kann. Was bringen einem Klingonisch-Kenntnisse?
André: Zum einen kann man so mal eine sehr exotische Sprache kennenlernen und sehen, wie anders Grammatik eigentlich sein kann. Zum anderen ist es auch ein schönes Hobby, so wie andere Leute Schach oder Gitarre spielen. Man lernt, anders zu denken. Und natürlich kann man so auch die klingonischen Dialoge in Star Trek verstehen.
Helene: Also, wenn das ist nicht ein gutes Argument Klingonisch zu lernen… Jetzt aber André Müller zurück zu Ihnen: Sie studieren Sprachwissenschaften an der Universität Zürich und arbeiten gerade an Ihrer Dissertation über südostasiatische Sprachen. Was genau ist Ihr Thema?
André: Also, meine Doktorarbeit handelt von Minderheitensprachen im Norden von Myanmar (auch bekannt als Burma). Dort gibt es eine Vielzahl von Sprachen, die sich alle gegenseitig beeinflussen [15]. Und diese Einflüsse untersuche ich näher und bereise dafür auch oft das Land.
Helene: Toll. Und was wird Ihr nächster Karriereschritt sein?
André: Nachdem ich mit meiner Doktorarbeit fertig bin, würde ich gerne weiter über die Sprachen Südostasiens forschen, vielleicht sogar ein Buch über die Grammatik einer dieser kleinen Sprachen schreiben. Ob in der Schweiz oder anderswo – vielleicht in Asien selbst – weiss ich allerdings noch nicht.
Helene: Na dann viel Glück und Erfolg für Ihr weiteres Unterfangen [16]. Sie sprechen über ein Dutzend [17] Sprachen. Würden Sie Ihre Sprachen bitte mal aufzählen?
André: OK. Von fliessend bis 'grundlegende Kommunikation' wären das, zum Beispiel: Deutsch, Esperanto, Englisch, Chinesisch, Niederländisch, Thai, Burmesisch, Jinghpaw (das ist eine Minderheitensprache aus Burma), dann Klingonisch, Russisch, Französisch, Spanisch, Vietnamesisch, Shan (das ist auch wieder eine Sprache aus Burma), und ein ganz klein wenig Latein. Helene: Also ich kriege fast schon Komplexe. Aber sie sprechen sogar Esperanto, ebenfalls eine Kunstsprache. Was interessiert Sie daran?
André: Künstliche Sprachen finde ich allgemein sehr sehr interessant. Und bei Esperanto fasziniert mich, wie super einfach aber doch unglaublich ausdrucksstark sie ist. Ich habe viele Freunde, mit denen ich auf Esperanto spreche, und es werden auch weltweit ständig Festivals oder Kongresse auf Esperanto organisiert, an denen ich manchmal teilnehme.
Helene: Über Sprachen, so heisst es oft, lässt sich in die Mentalität der jeweiligen Menschen blicken. Inwiefern stimmen Sie dem zu?
André: Naja, eher nicht so ganz. Ein bisschen sieht man es zwar manchmal, so haben zum Beispiel Japanisch und auch Thai viele Höflichkeitsformen, und Höflichkeit ist in diesen Kulturen sehr sehr wichtig. Im Schwedischen gibt es solche Höflichkeitsformen hingegen nicht mehr. Das heisst aber nicht, das Schweden unhöflich wären.
Helene: Geben Sie uns einen Tipp: Wie lässt sich eine Sprache gut und schnell lernen?
André: Ja, leider gibt es kein universelles Rezept. Ich kann eine Sprache schnell lernen, indem ich die Grammatik lerne und mit Muttersprachlern [18] rede, mir viele Notizen mache und Wörter aufschreibe. Für viele ist das aber nicht die beste Methode. Manche Leute lernen lieber in einem Kurs oder mit Lehrbüchern oder mit Podcast. "Learning by doing" ist aber meiner Meinung nach das Beste. Das heisst, möglichst früh mit Muttersprachlern reden!
Helene: Gut, das werden uns alle merken. Nun noch mal zurück zu den Klingonen: Star Trek spielt im 23. und 24. Jahrhundert, ist uns also voraus. Gibt es demzufolge auch klingonische Begriffe für “Flüchtlinge”, “Fake News” oder “Online-Dating”?
André: Theoretisch ja. Also, ja, Okrand hat viele Wörter für unsere Zeit kreiert [19], sogar einen Begriff für “Hamburger”: Ha'DIbaH ghIH tIr ngogh je. Helene: Wahnsinn.
André: Andere Sachen kann man sich aus bestehenden Wörtern zusammenbauen. So könnte man für "Flüchtlinge" Haw'wI'pu' sagen, für "Fake News" ngebbogh De' chu', das heisst 'gefälschte Neuigkeiten', wirklich übersetz. Und für Online-Dating, hmm... ja, schwierig, vielleicht so etwas wie 'Internet parmaq? Da müsste ich vielleicht noch einmal länger darüber nachdenken.
Helene: Ok, alles klar. Zum Schluss möchte ich Sie noch um eine zusätzlich Sprachprobe bitten: Was heisst zum Beispiel: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich habe mich sehr gefreut, heute hier zu sein und verabschiede mich nun von Ihnen?
André: 'IjwI'pu', DaHjaj naDev jIjeSmo' jIquvqu', 'ej jImejrup. cheQoymo' Satlho'! Qapla'! Helene: Wahnsinn das ist fantastisch. Nun bin ich aber wirklich sehr beeindruckt! Herzlichen Dank, André Müller für Ihre extraterrestrischen Ausführungen.
André: Danke Ihnen.
Helene: Ich hoffe, Sie kommen wieder einmal bei uns vorbei. Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wünsche ich eine schöne Zeit. Wir hören uns wieder am 28. September hier auf www.podclub.ch oder via App. Üben Sie bis dahin mit dem Vokabeltrainer in unserer App. Fotos zur Sendung finden Sie wie immer auf Instagram unter #zukkerimleben und #podclubnora. Also dann, bis bald. Auf Wiederhören! Qapla'! André: Qapla'! Helene: Qapla'! 0 Kommentare Kommentar schreiben Besuchen Sie uns auf Instagram Besuchen Sie die Klubschule auf PodClub App Datenschutz | Disclaimer | Impressum | Werbung
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