Können wir den Klimawandel ohne Atomenergie stoppen?
(Rauschen)
In den letzten Jahren behaupten immer mehr Stimmen
aus der Wissenschaft und dem Umweltschutz,
dass wir den Klimawandel nur mithilfe von Atomenergie bremsen können.
Dass die Klimakatastrophe ohne Atomenergie
sogar überhaupt nicht mehr verhindert werden kann.
Das schockierte vor allem die, die schon seit Jahrzehnten
gegen Atomenergie ankämpfen,
und sich langsam gewinnen sahen.
Was hat es damit also auf sich? (Vogelzwitschern)
(Dynamische Musik)
Kurz gesagt, um den Klimawandel zu bremsen,
müssen wir weltweit den Ausstoß von Kohlendioxid,
und anderen Treibhausgasen verringern.
Aber aktuell passiert genau das Gegenteil.
Weil Wohlstand und Weltbevölkerung immer weiter wachsen.
Wollen wir die Rolle der Atomenergie in dem Ganzen verstehen,
müssen wir uns anschauen, wo die Treibhausgase eigentlich herkommen.
Dreiviertel des weltweiten Ausstoßes
entstehen bei der Energiegewinnung.
Dazu gehören Elektrizität, Heizung,
Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr.
Nutztierhaltung und die Abholzung ganzer Wälder
sind auf jeden Fall auch schwerwiegende Probleme.
Aber den größten Hebel haben wir bei der Energiegewinnung.
Denn sie ist ein dreckiges Geschäft.
2019 stammten 84 Prozent der weltweiten Energie
von fossilen Brennstoffen.
33 Prozent Öl,
27 Prozent Kohle
und 24 Prozent Gas,
die größten Klimakiller. (Treibende Musik)
Aus emissionsarmen Quellen
kamen nur etwas 16 Prozent der weltweiten Energie.
Fast sieben Prozent Wasserenergie
und nur fünf Prozent aus Sonnen-, Wind-, Bio-,
Wellen und Gezeiten-Energie sowie Erdwärme.
Nur etwas mehr als vier Prozent waren aus Atomenergie.
Aber wie ist das möglich?
Es heißt doch, erneuerbare Energien würden immer günstiger,
und könnten immer mehr des Bedarfs decken.
Das stimmt schon,
aber hier herrscht leider ein weit verbreitetes Missverständnis.
Energie versus Elektrizität.
In vielen Berichten werden Energie und Elektrizität verwechselt.
Energie benötigen wir für alles Mögliche,
etwa um Dinge und Menschen zu transportieren
oder Sachen zusammenzubauen.
Etwa zehn Prozent des weltweiten Ölverbrauchs
gehen jährlich dafür drauf, dass wir's gemütlich warm haben.
Wir fliegen, fahren und heizen immer noch
hauptsächlich mit Öl und Gas.
Mit fossilen Brennstoffen also.
Daran ändern auch die zunehmenden Solaranlagen und Windräder nichts,
denn die produzieren Elektrizität.
Elektrizität nützt uns aber erst etwas,
wenn wir die Sektoren Transport und Heizung elektrifizieren.
Elektrizität fließt wie von Zauberhand aus der Steckdose,
damit du Videos streamen
oder dein Elektroauto aufladen kannst.
Nur wenn wir von der dreckigen Energieproduktion
zu umweltfreundlich produzierter Elektrizität kommen,
haben wir überhaupt eine Chance, den Klimawandel zu bremsen.
Und hier gibt's ausnahmsweise mal wirklich gute Neuigkeiten.
Im Vergleich zur gesamten Energieproduktion
können wir Elektrizität immer besser umweltfreundlich gewinnen.
2019 stammten 26 Prozent der weltweiten Elektrizität
aus erneuerbaren Quellen.
Eine deutliche Zunahme gegenüber den 19 Prozent
im Jahr 2000.
Das ist doch mal ein Fortschritt! (Dynamische Musik)
Leider gibt es da aber einen Haken.
Wir können Strom zwar immer umweltfreundlicher produzieren,
für die gesamte Stromversorgung verbrauchen wir aber immer noch
fast gleich viel fossile Brennstoffe wie vor 20 Jahren.
Im Jahr 2000 stammten 65 Prozent
unserer Elektrizität
aus fossilen Brennstoffen.
Im Jahr 2019
waren es 63 Prozent.
(Treibende Musik)
Wie ist es möglich, dass erneuerbare Energien
so große Fortschritte machen,
wir aber kaum weniger fossile Brennstoffe brauchen?
(Treibende Musik)
Das Problem ist, dass wir etwa im gleichen Tempo
Atomkraftwerke vom Netz genommen haben,
wie wir erneuerbare Energie hinzugefügt haben.
Elektrizität aus erneuerbaren Energien
ist daher zwar global um sieben Prozent gestiegen,
gleichzeitig ist der Anteil an Atomenergie
in der globalen Stromproduktion aber auch um fast sieben Prozent gesunken.
Von 17 Prozent auf zehn Prozent.
Zwischen 2000 und 2019.
Insgesamt hat sich der Anteil an Elektrizität
aus kohlenstoffarmen Quellen also kaum verändert.
(Dynamische Musik)
Was wir in den letzten 20 Jahren an erneuerbarer Energie gewonnen haben,
wurde durch den Verlust der Atomenergie
fast vollständig zunichtegemacht.
20 Jahre Innovation, Hoffnung und harte Arbeit,
und wir sind keinen Schritt weiter,
uns von fossilen Brennstoffen zu verabschieden.
Noch schlimmer: in absoluten Zahlen steigt unser Verbrauch
an fossilen Brennstoffen sogar von Jahr zu Jahr.
Weil Weltbevölkerung und Wirtschaft immer weiter wachsen.
(Treibende Musik)
Erneuerbare Energien können mit der Nachfrage nach Elektrizität
gar nicht mithalten.
Deutschland hat eigentlich beeindruckende Fortschritte gemacht,
was emissionsarme Stromerzeugung angeht.
Besonders durch Windkraft und teils auch Solarenergie.
(Treibende Musik)
42 Prozent unserer Elektrizität
stammten 2019 aus erneuerbaren Quellen.
Aber viel von diesem Fortschritt verschenken wir gerade,
denn die Windenergie gleicht nur die fehlende Atomkraft aus,
statt Kohle zu ersetzen.
Zudem plant Deutschland, die Nutzung von Atomkraft bis Ende 2022
komplett auslaufen zu lassen,
was den Kohleausstieg bis 2038 verzögert.
Aber einige Länder sind für die Stromproduktion
viel weniger stark auf fossile Brennstoffe angewiesen,
als der Rest der Welt.
Und fast alle davon gewinnen den Großteil ihrer Elektrizität
aus Atom- oder Wasserkraft.
(Treibende Musik)
In Frankreich stammen nur neun Prozent aus Kohle, Öl und Gas.
71 Prozent stammen aus Atomenergie.
Und 20 Prozent aus erneuerbaren Energien.
In Schweden sind fast 40 Prozent Atomenergie.
Und fast 40 Prozent sind Wasserkraft.
Und während Wasserkraft eine wichtige emissionsarme Stromquelle ist,
hat sie auch so ihre Tücken.
In Brasilien zum Beispiel
stammen über 60 Prozent des Stroms aus Wasserkraft.
Regnet es in einem Jahr aber wenig,
kann das zu Engpässen führen.
(Dynamische Musik)
Wir scheinen also Atomenergie zu brauchen,
um unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen
so schnell wie möglich zu senken.
Allerdings ist es nicht ganz einfach, darüber rational zu sprechen,
weil da zwei sehr unterschiedliche Fragen gleichzeitig aufkommen.
Ersten: Sollen wir Atomkraftwerke gezielt vom Netz nehmen?
Und zweitens:
Sollen wir mehr Atomkraftwerke bauen?
Harte aber ehrliche Antwort zu Frage eins:
Stellen wir Atomkraftwerke ab,
verbrauchen wir, so wie es gerade steht,
auf Dauer nur mehr fossile Brennstoffe.
Gegen den Klimawandel bringt das also gar nichts.
Atomenergie ist ein wichtiges Werkzeug
der kohlenstoffarmen Energiegewinnung.
(Dynamische Musik)
Die Länder mit der meisten Atomenergie
haben derzeit die sauberste Elektrizität.
Aber statt dieses Wissen zu nutzen,
verbrennen wir immer mehr fossile Brennstoffe,
und nehmen klimafreundliche Atomkraftwerke vom Netz.
Die eh schon riesige Lücke,
die erneuerbare Energien überbrücken müssen,
wird dadurch nur noch größer. (Treibende Musik)
Dabei kommen sie jetzt schon kaum mit.
Hätten wir Atom- und erneuerbare Energien
nicht gegeneinander ausgespielt,
sondern sie in den letzten Jahrzehnten ergänzend genutzt,
könnten wir dem Ziel,
unsere Elektrizität komplett klimaneutral zu gewinnen,
vielleicht schon viel näher sein.
Ohne Atomenergie wird es heute viel, viel schwieriger,
den Klimawandel zu bremsen. (Treibende Musik)
Sollen wir also mehr Atomkraftwerke bauen?
Das ist komplizierter,
denn Atomenergie bringt so ihre Probleme mit.
Zum einen ist da die Angst vor Betriebsunfällen,
die nach Tschernobyl und Fukushima
die Debatte stark beeinflusst hat.
Besonders in Deutschland.
Wenn man genauer hinschaut, verursacht Atomkraft
aber viel weniger Todesfälle als andere Arten der Energiegewinnung,
wie wir in einem anderen Video zeigen werden.
Dann sind viele der alten Kraftwerke sehr teuer.
Und der Bau dauert ewig.
Außerdem haben wir immer noch keine langfristige Lösung
für den Atomabfall.
Und das benötigte radioaktive Material
ist auch nicht grenzenlos verfügbar.
Länder wie Frankreich haben aber gezeigt,
dass es trotz der Nachteile möglich ist,
Atomenergie als Teil der Lösung einzusetzen.
Und während die ältere Technologie viele Fehler hat,
gibt es heute vielversprechende neue Konzepte.
(Dynamische Musik)
Brauchen wir also Atomenergie?
Auch wenn es noch viele Hindernisse gibt,
bringen auch erneuerbare Energien lästige Probleme mit sich.
Unstetigkeit zum Beispiel.
Sonnenlicht oder Wind gibt's nicht immer gleich viel.
Und wir können erneuerbare Energien
noch nicht in großem Umfang speichern.
Außerdem benötigt allein die Herstellung der Anlagen
für erneuerbare Energien ganz schön viele Rohstoffe.
Einige davon brauchen auch ziemlich viel Platz
oder belasten die lokale Fauna.
Das alle ist eine große Herausforderung.
Was nicht heißen soll, dass wir uns rückwärts bewegen sollten,
und so tun, als ob Atomenergie der einzige Ausweg wäre.
(Dynamische Musik)
In Ländern mit gutem Zugang zu Wasser-, Sonnen- oder Windenergie
oder einem flexiblen Stromnetz
wird Atomenergie vielleicht
wirklich ganz unnötig.
Schlussendlich landen wir aber wieder in der harten Realität.
Sowohl erneuerbare als auch Atomenergie
brauchen noch viel Zeit, viel Geld,
und innovative Technologie,
bis sie weit genug sind.
Aber das sind lösbare Probleme.
Bis dahin können sich die beiden Energien gut ergänzen,
um fossile Brennstoffe zu ersetzen.
Die Zahlen legen also nahe, dass wir Atomenergie brauchen,
um unsere Stromversorgung möglichst kohlenstofffrei zu bekommen,
und um die Kapazität zu gewährleisten,
wenn die Energieproduktion ganz elektrifiziert wird.
E-Autos und elektrische Transportsysteme
bringen gar nichts, wenn wir Kohle verbrennen müssen, um sie aufzuladen.
All das ist eine riesige Herausforderung.
Wir müssen alle kohlenstoffarmen Möglichkeiten ausschöpfen.
Und aktuell heißt das wohl,
Atomkraftwerke so lange am Netz lassen wie nötig.
(Dynamische Musik) Und in Zukunft
Atom und erneuerbare Energien so nutzen,
dass sie sich sinnvoll ergänzen.
Erneuerbare Energie versus Atomenergie
ist deshalb der falsche Streit. (Treibende Musik)
Es sollte heißen:
fossile Brennstoffe versus alles andere.
Auch wenn das erst mal unlogisch erscheinen mag,
ohne Atomkraft können wir
den Klimawandel vielleicht gar nicht stoppen.
Und je länger wir das nicht akzeptieren,
desto härter wird der Kampf.
(Vogelzwitschern)
(Entspannte Musik)