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YouTube | GERMANIA, Erol Afşin über gegenseitige Integration und warum Schauspiel Heimat ist | GERMANIA

Erol Afşin über gegenseitige Integration und warum Schauspiel Heimat ist | GERMANIA

Wenn es darum geht, das Land zu kennen, die Sprache zu kennen, die Kultur

zu kennen. Wenn das die Integration ist. Ja, ich bin integriert. Aber Integration

ist immer gegenseitig. Ich glaube, alleine wenn ich das will, kann ich nicht so viel

ändern. Du musst es mit mir zusammen wollen. Erst dann geht es. Mein Name ist

Erol Afsin, ich bin 1989 in der Türkei in Adana geboren und lebe seit 2008

in Deutschland und ich bin Schauspieler. Meine Eltern sind Analphabeten

und die waren nur damit beschäftigt, um zu überleben. Ja, ich bin in einem Dorf

geboren und aufgewachsen und das einzige was sie kannten, arbeiten, arbeiten,

arbeiten, damit die Kinder bessere Zukunft haben. So, und deswegen haben sie bei uns

immer ganz viel Wert auf die Bildung gelegt. Ich glaube, das hat so bei mir

angefangen mit den ersten Büchern, die ich gelesen habe. Durch diese Bücher habe

ich so ganz andere Welten entdeckt für mich. Der erste Film, den ich gesehen habe

im Kino, das war glaube ich '97/'98, hieß der deutsche Titel "Der Bandit"

und ich war sehr beeindruckt von diesem Ereignis. Die Erwartung an mich war ja,

dass ich Anwalt werde von meinen Eltern. Und als ich dann die erste Aufnahmeprüfung

gemacht habe für Uni, hatte ich tatsächlich die Punkte, mit denen

ich hätte Jura studieren können. Aber ich habe mich für Tourismus entschieden,

so dass ich nach Istanbul komme und dann quasi dem Bereich näher komme.

Istanbul ist ja das Herz des Schauspiels. Die Entscheidung fiel auf Deutschland

nur aus dem Grund, weil ich jemanden habe hier, das ist der Onkel, der hier

in Gelsenkirchen wohnt. Und ich dachte, ich komme zu ihm und gucke, was passiert.

Und dann habe ich dann in die Schule Folkwang in mir herausgefunden, die damals

schon weit voraus war, was Menschen mit Migrationshintergrund angeht.

Als die anderen Schulen in Deutschland. Und dann wollte ich unbedingt hier

studieren. Ich bin an einem Sommertag in Düsseldorf gelandet, von meinem Onkel

wurde wurde ich abgeholt und ich komme dann nach Hause und wir sind dann durch

die Einfahrt gefahren und wir kommen da halt so an diese Backstube. Ich guck mich

so um und dann kommt der Heiner raus. Mit dieser weichen Stimme. Mit den langsamen

Bewegungen und dann streckt er die Hand und tut so, als würde ich perfekt Deutsch

sprechen und unterhält sich einfach mit mir auf Deutsch. Und das war die erste

Begegnung. Und dann sagte mein Onkel so was wie in der Art. Ja, das ist jetzt

dein Zuhause. Willkommen in Deutschland. Es ist so! Seinen Onkel habe

ich aus dem Asylbewerberheim geholt und ihn Bäcker werden lassen und sein Opa war

hier. Dann lag der Enkel sehr nahe. Das war mein Zimmer. Ja, so ungefähr 12 Jahre

habe ich hier in diesem Zimmer verbracht. Wie er das Zimmer oben bezogen hat,

war ein großes Bild von seinem Vater an der Wand. Nach meiner Herzoperation haben

die gefragt: Wer sind Sie denn? Und da hat er gesagt: Das ist mein Papa, ich bin hier

als Sohn. Diese Beziehung ist von ihm benannt worden, aber alles andere wäre

auch übergriffig gewesen. Ansonsten war sein Hiersein selbstverständlich.

Da braucht man kein kein Titel, sondern sein hier sein, so wie ihr ging, kam,

da war, gearbeitet hat. Er hat immer gearbeitet. Selbstverständlich.

Nach Homeland wurde ich vom türkischen CNN angefragt, ob ich dann live dabei

sein würde. Bei einer Show. Mein Vater geht ins Café und sagt so: CNN, ihr müsst

alles CNN anmachen. In den ganzen Cafés läuft CNN und ich werde live

eingeschaltet. Und dann komme ich nach Adana und holt mich vom Flughafen ab.

Wir gehen ins Restaurant und der Restaurantbesitzer hat mich erkannt.

Er wollte ein Foto mit mir haben. Ich sehe so mein Vater bekommt Flügel. So ist

mein Sohn. Ja. Und dann klopft er dir so auf die Schulter und sagt so: Ja, ja.

Ich habe ihn immer unterstützt. Ich habe ihm gesagt: Mach Junge, mach. Ich gucke

in so an und lächle ihn an und sag so: es ist okay. Also ist okay. Aber der quasi,

der das verdient ist Heiner. Der hat von Anfang an gesagt, wo es wirklich gar kein

Anzeichen dafür gab, dass es jemals zu dem kommen wird, was ich jetzt habe. Der hat

gesagt: Mach, Junge, geh hin, stell dich hin. Zeig dein Gesicht. Weil ich immer

gemacht habe, ihn stabilisiert, stark gemacht, seine Art stark gemacht.

Nie keinen Tag, nicht eine Sekunde. Nur mit dem Essen haben wir doch andere

Vorstellungen. Große andere Vorstellungen. Ich kann diesen Moment niemals vergessen.

Ja, ich komm rein. Da ist ein Tisch. Johannes Klaus, den ich später

kennenlerne. Anna Pocher, die später meine Bewegungsdozentin ist und Vanessa,

deren Nachnamen ich vergessen habe, die Studentin, die sitzen da. Hallo Hallo. Ja,

ich habe Monologe vorbereitet. Ich spiel dann was vor. Und dann sagen sie: Ja,

wir haben deine Energie gesehen, aber du musst an der Sprache arbeiten. Ich so:

okay. Und das hat die überrascht. Und dann kommt ein Anruf aus Berlin.

Ballhaus Naunynstraße möchte mich zum Casting einladen für "Verrücktes Blut".

Ich komme nach Berlin. Ich mache das Casting und die wollen mich haben. Ich bin

nach Berlin, habe das Stück gespielt, Stück des Jahres. Und dann aber wollte

ich auf die Schule. Ein Jahr später, ich wurde nicht genommen. Da habe

ich da angerufen und gesagt: Das geht so nicht. Sie lassen ihn jetzt nicht anfangen

in Ihrer Uni, weil 12 zugelassen sind. Sie müssen den 13. Platz- und die haben

den 13. Platz eingerichtet. Am 04.04.2011, 13:57 Uhr, das war der erste Schultag.

Johannes hat mich angerufen, ich soll zum Unterricht kommen. Ich stand

an der Bushaltestelle. 15 Uhr war ich hier. Und so hat es angefangen. Im letzten

Jahr des Studiums bin ich zu einem Casting gegangen. Ich komme da rein und habe dann

was gespielt für eine führende Rolle im Fernsehen. Dann sagt der Regisseur:

Das ist mir zu sauber. Kannst du mal einen Akzent machen. Wenn die Rolle Akzent

verlangen würde, ist was anderes. Ich kenne ja den Unterschied. Erstens freue

ich mich natürlich, dass ich so gut Deutsch kann mittlerweile, aber

auf der anderen Seite- Natürlich entsteht auch bei mir das Gefühl, egal wie gut

ich Deutsch kann, boin ich nur das Bild so in dem Kopf gerade. Und je mehr du dich

in diesem Bereich bewegst, realisierst einfach mit einer krassen Bitterkeit,

dass es in vielen Köpfen so ist. Also dass wir so anders gesehen werden,

dass wir immer dieses Gefühl vermittelt bekommen, dass wir nicht dazugehören.

Ich kann das wirklich sagen. Das passiert uns sehr oft. Da war ich noch jung,

aber jetzt wo ich 33 bin, denke ich natürlich drüber nach: Wie können

wir das dann halt quasi leichter machen, besser machen? Was ist unsere Aufgabe?

Aber ich glaube, alleine wenn ich das will, kann ich nicht so viel ändern.

Du musst es mit mir zusammen wollen. Erst dann geht es. Integration heißt ja nicht

für das eine das andere aufgeben. Aber für mich, wenn es darum geht, dich zu kennen,

das Land zu kennen, die Sprache zu kennen, die Kultur zu kennen.

Wenn das die Integration ist. Ja, ich bin integriert. Aber Integration ist immer

gegenseitig. Das Gegenteil habe ich nicht bekommen. Nur von Heiner. Aber Heiner ist

ja eine Person. Wir reden ja von diesem ganzen Land. Das aktuelle Projekt,

die Serie für ZDFneo, "WIR", ich glaube, das war der eindeutige Beweis.

Hier passiert was. Was liest du denn da? Die tatsächliche Zauberin. Ist das gut?

Ja! Es freut mich, das zu sehen, dass ich jetzt eine ganz normale Figur spiele.

Im deutschen Fernsehen, eine Mathelehrer. Ja, und man geht halt nicht

auf diesen Migrationshintergrund ein. Und das fand ich cool, weil ich glaube,

das ist der Beginn der Normalisierung. Ich finde Sprache, also das Thema Sprache,

sehr, sehr interessant. Es gab bei mir so ein Wendepunkt, wo ich zum ersten Mal

auf Deutsch geträumt habe. Aber ich kann auch sagen, für mich die Sprache

zu lernen, hat mit Intelligenz nichts zu tun. Es ist Arbeit. Und wenn du die Arbeit

leistest, dann kriegst du es auch hin. Ich also ich fühle mich in beiden Sprachen

zu Hause. Natürlich fällt es dir manchmal in der einen Sprache etwas leichter

als in der anderen. Aber sehr oft, wenn ich in Istanbul bin, merke ich so,

ich suche nach dem türkischen Wort. Ich habe das deutsche Wort präsent, aber

das türkische Wort fehlt mir und andersherum genauso. Also Heimat hat

für mich mit den Grenzen nichts zu tun und es ändert sich immer wieder für mich.

Mal ist es Berlin, mal ist es Istanbul so, mal ist es nirgendwo. Aber Heimat ist

wirklich mein Beruf, weil ich dafür viel geopfert habe und weil ich halt

diesen Beruf liebe. So, das ist für mich Heimat. Und das passiert ganz oft

in Berlin gerade. Und Berlin ist automatisch meine Heimat. Ich denke schon,

dass diese Generation, die das Land seit den 60ern zusammen aufgebaut hat,

nicht die Anerkennung bekam und bekommt. Das Land war zerstört und ich, ich liebe

diesen Satz: "Wir haben nach Arbeitern gefragt." Es kamen Menschen.

Und ein kleiner Teil der Gesellschaft hat dann realisiert: Diese Menschen haben

genau das uns gegeben, was wir jetzt haben. Die haben dazu beigetragen. Aber

es ist ein Miniteil. Und das finde ich schade. So ganz, ganz ehrlich, das tut

weh. Man kann aus Heiner quasi ein Bild schaffen, dass man auf das ganze Land

überträgt und sagt man, wie man es besser machen kann. Meine Eltern haben dies

vorgelebt. Es wurde von meiner Mutter gesagt. Solltest du irgendjemanden

beschimpfen oder mitmachen, stehst du dort alleine durch. Wir gehen weg. Also Stolz

ist anders. War auch ein Weg. Ich bin diesen Weg mitgegangen. Jeden Tag

nach Hause gekommen. Ich habe ihn da sein lassen und dahinter gestanden,

dass er nicht umdreht. Aber wenn er umdrehen wollte, durfte er. Und ich glaube

Heiner ist das beste Beispiel, was Deutschland hätte leisten müssen,

was das Zusammenleben angeht. Was die Anerkennung angeht und mit einem großen

Unterschied, zwischen Heiner und dem Land, Heiner hat nichts erwartet, das Land

schon. Das Land hat ja immer eine Erwartung gehabt, obwohl das Land nicht

mal das zurückgegeben hat, was diese Menschen verdient haben. Das ist ja

das Ding, an das Gute im Menschen zu glauben. Und ich glaube, mir wurde viel

gegeben. Mir wurde auch viel genommen und ich glaube, das ist die Lehre für mich

von diesen Menschen, denen ich begegnet bin. Ich hatte einfach das Glück.

Ich versuche den Menschen irgendwie irgendwas wieder zurück zu geben,

ohne etwas zu erwarten. Und ja, in meiner kleinen Welt ist das die Revolution,

die ich schaffen könnte. Das war meine GERMANIA-Folge! Abonniert den Kanal,

mehr Folgen gibt es in der ZDF-Mediathek. Mich würde es interessieren: Was waren

die größten Hürden in eurem Leben? Peace!


Erol Afşin über gegenseitige Integration und warum Schauspiel Heimat ist | GERMANIA Erol Afşin on mutual integration and why acting is home | GERMANIA

Wenn es darum geht, das Land zu kennen, die Sprache zu kennen, die Kultur

zu kennen. Wenn das die Integration ist. Ja, ich bin integriert. Aber Integration

ist immer gegenseitig. Ich glaube, alleine wenn ich das will, kann ich nicht so viel

ändern. Du musst es mit mir zusammen wollen. Erst dann geht es. Mein Name ist

Erol Afsin, ich bin 1989 in der Türkei in Adana geboren und lebe seit 2008

in Deutschland und ich bin Schauspieler. Meine Eltern sind Analphabeten

und die waren nur damit beschäftigt, um zu überleben. Ja, ich bin in einem Dorf

geboren und aufgewachsen und das einzige was sie kannten, arbeiten, arbeiten,

arbeiten, damit die Kinder bessere Zukunft haben. So, und deswegen haben sie bei uns

immer ganz viel Wert auf die Bildung gelegt. Ich glaube, das hat so bei mir

angefangen mit den ersten Büchern, die ich gelesen habe. Durch diese Bücher habe

ich so ganz andere Welten entdeckt für mich. Der erste Film, den ich gesehen habe

im Kino, das war glaube ich '97/'98, hieß der deutsche Titel "Der Bandit"

und ich war sehr beeindruckt von diesem Ereignis. Die Erwartung an mich war ja,

dass ich Anwalt werde von meinen Eltern. Und als ich dann die erste Aufnahmeprüfung

gemacht habe für Uni, hatte ich tatsächlich die Punkte, mit denen

ich hätte Jura studieren können. Aber ich habe mich für Tourismus entschieden,

so dass ich nach Istanbul komme und dann quasi dem Bereich näher komme.

Istanbul ist ja das Herz des Schauspiels. Die Entscheidung fiel auf Deutschland

nur aus dem Grund, weil ich jemanden habe hier, das ist der Onkel, der hier

in Gelsenkirchen wohnt. Und ich dachte, ich komme zu ihm und gucke, was passiert.

Und dann habe ich dann in die Schule Folkwang in mir herausgefunden, die damals

schon weit voraus war, was Menschen mit Migrationshintergrund angeht.

Als die anderen Schulen in Deutschland. Und dann wollte ich unbedingt hier

studieren. Ich bin an einem Sommertag in Düsseldorf gelandet, von meinem Onkel

wurde wurde ich abgeholt und ich komme dann nach Hause und wir sind dann durch

die Einfahrt gefahren und wir kommen da halt so an diese Backstube. Ich guck mich

so um und dann kommt der Heiner raus. Mit dieser weichen Stimme. Mit den langsamen

Bewegungen und dann streckt er die Hand und tut so, als würde ich perfekt Deutsch

sprechen und unterhält sich einfach mit mir auf Deutsch. Und das war die erste

Begegnung. Und dann sagte mein Onkel so was wie in der Art. Ja, das ist jetzt

dein Zuhause. Willkommen in Deutschland. Es ist so! Seinen Onkel habe

ich aus dem Asylbewerberheim geholt und ihn Bäcker werden lassen und sein Opa war

hier. Dann lag der Enkel sehr nahe. Das war mein Zimmer. Ja, so ungefähr 12 Jahre

habe ich hier in diesem Zimmer verbracht. Wie er das Zimmer oben bezogen hat,

war ein großes Bild von seinem Vater an der Wand. Nach meiner Herzoperation haben

die gefragt: Wer sind Sie denn? Und da hat er gesagt: Das ist mein Papa, ich bin hier

als Sohn. Diese Beziehung ist von ihm benannt worden, aber alles andere wäre

auch übergriffig gewesen. Ansonsten war sein Hiersein selbstverständlich.

Da braucht man kein kein Titel, sondern sein hier sein, so wie ihr ging, kam,

da war, gearbeitet hat. Er hat immer gearbeitet. Selbstverständlich.

Nach Homeland wurde ich vom türkischen CNN angefragt, ob ich dann live dabei

sein würde. Bei einer Show. Mein Vater geht ins Café und sagt so: CNN, ihr müsst

alles CNN anmachen. In den ganzen Cafés läuft CNN und ich werde live

eingeschaltet. Und dann komme ich nach Adana und holt mich vom Flughafen ab.

Wir gehen ins Restaurant und der Restaurantbesitzer hat mich erkannt.

Er wollte ein Foto mit mir haben. Ich sehe so mein Vater bekommt Flügel. So ist

mein Sohn. Ja. Und dann klopft er dir so auf die Schulter und sagt so: Ja, ja.

Ich habe ihn immer unterstützt. Ich habe ihm gesagt: Mach Junge, mach. Ich gucke

in so an und lächle ihn an und sag so: es ist okay. Also ist okay. Aber der quasi,

der das verdient ist Heiner. Der hat von Anfang an gesagt, wo es wirklich gar kein

Anzeichen dafür gab, dass es jemals zu dem kommen wird, was ich jetzt habe. Der hat

gesagt: Mach, Junge, geh hin, stell dich hin. Zeig dein Gesicht. Weil ich immer

gemacht habe, ihn stabilisiert, stark gemacht, seine Art stark gemacht.

Nie keinen Tag, nicht eine Sekunde. Nur mit dem Essen haben wir doch andere

Vorstellungen. Große andere Vorstellungen. Ich kann diesen Moment niemals vergessen.

Ja, ich komm rein. Da ist ein Tisch. Johannes Klaus, den ich später

kennenlerne. Anna Pocher, die später meine Bewegungsdozentin ist und Vanessa,

deren Nachnamen ich vergessen habe, die Studentin, die sitzen da. Hallo Hallo. Ja,

ich habe Monologe vorbereitet. Ich spiel dann was vor. Und dann sagen sie: Ja,

wir haben deine Energie gesehen, aber du musst an der Sprache arbeiten. Ich so:

okay. Und das hat die überrascht. Und dann kommt ein Anruf aus Berlin.

Ballhaus Naunynstraße möchte mich zum Casting einladen für "Verrücktes Blut".

Ich komme nach Berlin. Ich mache das Casting und die wollen mich haben. Ich bin

nach Berlin, habe das Stück gespielt, Stück des Jahres. Und dann aber wollte

ich auf die Schule. Ein Jahr später, ich wurde nicht genommen. Da habe

ich da angerufen und gesagt: Das geht so nicht. Sie lassen ihn jetzt nicht anfangen

in Ihrer Uni, weil 12 zugelassen sind. Sie müssen den 13. Platz- und die haben

den 13. Platz eingerichtet. Am 04.04.2011, 13:57 Uhr, das war der erste Schultag.

Johannes hat mich angerufen, ich soll zum Unterricht kommen. Ich stand

an der Bushaltestelle. 15 Uhr war ich hier. Und so hat es angefangen. Im letzten

Jahr des Studiums bin ich zu einem Casting gegangen. Ich komme da rein und habe dann

was gespielt für eine führende Rolle im Fernsehen. Dann sagt der Regisseur:

Das ist mir zu sauber. Kannst du mal einen Akzent machen. Wenn die Rolle Akzent

verlangen würde, ist was anderes. Ich kenne ja den Unterschied. Erstens freue

ich mich natürlich, dass ich so gut Deutsch kann mittlerweile, aber

auf der anderen Seite- Natürlich entsteht auch bei mir das Gefühl, egal wie gut

ich Deutsch kann, boin ich nur das Bild so in dem Kopf gerade. Und je mehr du dich

in diesem Bereich bewegst, realisierst einfach mit einer krassen Bitterkeit,

dass es in vielen Köpfen so ist. Also dass wir so anders gesehen werden,

dass wir immer dieses Gefühl vermittelt bekommen, dass wir nicht dazugehören.

Ich kann das wirklich sagen. Das passiert uns sehr oft. Da war ich noch jung,

aber jetzt wo ich 33 bin, denke ich natürlich drüber nach: Wie können

wir das dann halt quasi leichter machen, besser machen? Was ist unsere Aufgabe?

Aber ich glaube, alleine wenn ich das will, kann ich nicht so viel ändern.

Du musst es mit mir zusammen wollen. Erst dann geht es. Integration heißt ja nicht

für das eine das andere aufgeben. Aber für mich, wenn es darum geht, dich zu kennen,

das Land zu kennen, die Sprache zu kennen, die Kultur zu kennen.

Wenn das die Integration ist. Ja, ich bin integriert. Aber Integration ist immer

gegenseitig. Das Gegenteil habe ich nicht bekommen. Nur von Heiner. Aber Heiner ist

ja eine Person. Wir reden ja von diesem ganzen Land. Das aktuelle Projekt,

die Serie für ZDFneo, "WIR", ich glaube, das war der eindeutige Beweis.

Hier passiert was. Was liest du denn da? Die tatsächliche Zauberin. Ist das gut?

Ja! Es freut mich, das zu sehen, dass ich jetzt eine ganz normale Figur spiele.

Im deutschen Fernsehen, eine Mathelehrer. Ja, und man geht halt nicht

auf diesen Migrationshintergrund ein. Und das fand ich cool, weil ich glaube,

das ist der Beginn der Normalisierung. Ich finde Sprache, also das Thema Sprache,

sehr, sehr interessant. Es gab bei mir so ein Wendepunkt, wo ich zum ersten Mal

auf Deutsch geträumt habe. Aber ich kann auch sagen, für mich die Sprache

zu lernen, hat mit Intelligenz nichts zu tun. Es ist Arbeit. Und wenn du die Arbeit

leistest, dann kriegst du es auch hin. Ich also ich fühle mich in beiden Sprachen

zu Hause. Natürlich fällt es dir manchmal in der einen Sprache etwas leichter

als in der anderen. Aber sehr oft, wenn ich in Istanbul bin, merke ich so,

ich suche nach dem türkischen Wort. Ich habe das deutsche Wort präsent, aber

das türkische Wort fehlt mir und andersherum genauso. Also Heimat hat

für mich mit den Grenzen nichts zu tun und es ändert sich immer wieder für mich.

Mal ist es Berlin, mal ist es Istanbul so, mal ist es nirgendwo. Aber Heimat ist

wirklich mein Beruf, weil ich dafür viel geopfert habe und weil ich halt

diesen Beruf liebe. So, das ist für mich Heimat. Und das passiert ganz oft

in Berlin gerade. Und Berlin ist automatisch meine Heimat. Ich denke schon,

dass diese Generation, die das Land seit den 60ern zusammen aufgebaut hat,

nicht die Anerkennung bekam und bekommt. Das Land war zerstört und ich, ich liebe

diesen Satz: "Wir haben nach Arbeitern gefragt." Es kamen Menschen.

Und ein kleiner Teil der Gesellschaft hat dann realisiert: Diese Menschen haben

genau das uns gegeben, was wir jetzt haben. Die haben dazu beigetragen. Aber

es ist ein Miniteil. Und das finde ich schade. So ganz, ganz ehrlich, das tut

weh. Man kann aus Heiner quasi ein Bild schaffen, dass man auf das ganze Land

überträgt und sagt man, wie man es besser machen kann. Meine Eltern haben dies

vorgelebt. Es wurde von meiner Mutter gesagt. Solltest du irgendjemanden

beschimpfen oder mitmachen, stehst du dort alleine durch. Wir gehen weg. Also Stolz

ist anders. War auch ein Weg. Ich bin diesen Weg mitgegangen. Jeden Tag

nach Hause gekommen. Ich habe ihn da sein lassen und dahinter gestanden,

dass er nicht umdreht. Aber wenn er umdrehen wollte, durfte er. Und ich glaube

Heiner ist das beste Beispiel, was Deutschland hätte leisten müssen,

was das Zusammenleben angeht. Was die Anerkennung angeht und mit einem großen

Unterschied, zwischen Heiner und dem Land, Heiner hat nichts erwartet, das Land

schon. Das Land hat ja immer eine Erwartung gehabt, obwohl das Land nicht

mal das zurückgegeben hat, was diese Menschen verdient haben. Das ist ja

das Ding, an das Gute im Menschen zu glauben. Und ich glaube, mir wurde viel

gegeben. Mir wurde auch viel genommen und ich glaube, das ist die Lehre für mich

von diesen Menschen, denen ich begegnet bin. Ich hatte einfach das Glück.

Ich versuche den Menschen irgendwie irgendwas wieder zurück zu geben,

ohne etwas zu erwarten. Und ja, in meiner kleinen Welt ist das die Revolution,

die ich schaffen könnte. Das war meine GERMANIA-Folge! Abonniert den Kanal,

mehr Folgen gibt es in der ZDF-Mediathek. Mich würde es interessieren: Was waren

die größten Hürden in eurem Leben? Peace!