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Frankenstein - Mary W. Shelley, 14. Kapitel - 02

14. Kapitel - 02

Safie beschloß, bis zur Hochzeit bei ihrem Vater zu bleiben, die kurz vor dessen Abreise in die Heimat stattfinden sollte. Und Felix erwartete voll Sehnsucht diesen Moment. Mittlerweile erfreute er sich der Gesellschaft des schönen Mädchens, das ihm die wärmste und zarteste Liebe entgegenbrachte. Sie unterhielten sich mit Hülfe eines Dolmetschers und dazwischen auch in der Sprache ihrer Augen. Manchmal sang ihm Safie die herrlichen Lieder ihrer Heimat vor.

Der Kaufmann hatte scheinbar gegen dieses Verhältnis nichts einzuwenden und ermutigte die Liebenden, während in seinem Herzen ein ganz anderer Plan reifte. Er dachte nur mit Abscheu daran, daß sein Kind einen Christen heiraten sollte. Aber er fürchtete, daß sich Felix an ihm rächen könne, wenn er wortbrüchig würde, denn er war ja immer noch in dessen Gewalt. Es bedurfte nur einer Anzeige bei der italienischen Regierung und alles war wie vorher, wenn nicht schlimmer. Tausenderlei Pläne gingen ihm durch den Kopf, wie er den jungen Liebhaber so lange hinziehen könne, bis er seiner nicht mehr bedurfte, um dann seine Tochter bei seiner Abfahrt heimlich mitzunehmen. Und die Nachrichten, die aus Paris eintrafen, waren seinen Plänen nur förderlich.

Die französische Regierung war über die Flucht ihres Opfers aufs äußerste erbost und sparte keine Mühe und keine Kosten, um den Befreier zu entdecken und zu bestrafen. Bald hatte man eine Spur des Täters, und kurz danach wanderten de Lacey und Agathe ins Gefängnis. Als Felix hiervon Nachricht erhielt, war sein Glückstraum zu Ende. Sein alter, blinder Vater und seine liebliche Schwester schmachteten in kalter, dunkler Zelle, während er in Freiheit war und sich seiner reizenden Geliebten erfreute. Dieser Gedanke quälte ihn. Er traf noch rasch mit dem Türken die Abmachung, daß dieser, wenn er Gelegenheit fände, zu entkommen, Safie in irgend einem Kloster von Livorno in Pflege geben sollte. Dann riß er sich von dem geliebten Weibe los, eilte nach Paris und stellte sich selbst dem Gericht in der Hoffnung, dadurch seinem Vater und seiner Schwester die Freiheit wiederzuverschaffen.

Aber er hatte keinen Erfolg damit. Fünf Monate blieben sie in Haft, bis endlich die Verhandlung festgesetzt wurde. Das Resultat derselben war, daß ihr Vermögen konfisziert und sie zu lebenslänglicher Verbannung aus ihrem Heimatland verurteilt wurden.

Sie fanden ein ärmliches Asyl in dem Bauernhause in Deutschland, in dem ich sie entdeckte. Felix brachte auch bald in Erfahrung, daß der verräterische Türke, für den er und seine Familie so Schweres erdulden mußten, sein Wort in ehrloser Weise gebrochen und mit seiner Tochter Italien verlassen hatte. Wie zum Hohn sandte er ihm auch noch eine kleine Geldsumme, damit er sich eine Stellung verschaffen könne.

Das also war es, was auf Felix so deprimierend gewirkt und ihn so unglücklich gemacht hatte. Armut zu ertragen wäre ihm ja ein leichtes gewesen; aber die Treulosigkeit des von ihm geretteten Kaufmannes und der Verlust der Geliebten, das waren Dinge, die er nicht verschmerzen konnte. Erst die Ankunft des geliebten Weibes flößte ihm wieder neuen Lebensmut ein.

Und das kam so: Als die Nachricht von der Verurteilung und Verbannung der Familie de Lacey Livorno erreichte, befahl der Kaufmann seiner Tochter, jeden Gedanken an den jungen Mann aufzugeben und sich zur Heimreise vorzubereiten. Die edle Natur Safies sträubte sich gegen diese Zumutung und sie versuchte ihren Vater zur Zurücknahme seines grausamen Gebotes zu veranlassen. Aber er geriet nur in Zorn und wiederholte seinen Befehl mit noch größerer Bestimmtheit.

Einige Tage später betrat der Türke das Zimmer seiner Tochter und teilte ihr erregt mit, daß er guten Grund habe zu glauben, daß die französische Regierung seinen jetzigen Aufenthalt ermittelt habe und mit Livorno wegen seiner Auslieferung in Verhandlungen stehe. Er habe deshalb ein Schiff gemietet, das in wenigen Stunden absegeln und ihn nach Konstantinopel bringen sollte. Er beabsichtigte, seine Tochter unter der Obhut einer vertrauten Dienerin zurückzulassen. Sie sollte, wenn ihr Hab und Gut endlich in Livorno angekommen sei, ebenfalls die Reise antreten.

Als Safie allein war legte sie sich einen Plan zurecht, der sie aus dieser unangenehmen Lage befreien sollte. In die Türkei zurückzukehren, daran dachte sie nicht; Religion und Gefühl sträubten sich dagegen. Aus einigen Papieren ihres Vaters, die ihr dieser zurückgelassen, erfuhr sie den Namen des Ortes, an dem ihr Geliebter in der Verbannung lebte. Sie zögerte noch einige Zeit, dann aber stand ihr Entschluß fest. Sie nahm ihre Juwelen und eine Summe Geldes an sich und machte sich mit einer Dienerin, die aus Livorno stammte und mit der sie sich einigermaßen verständigen konnte, auf den Weg nach Deutschland.

Wohlbehalten kam sie in der Stadt an, die etwa zwanzig Meilen von dem Wohnort de Laceys entfernt lag. Dort aber erkrankte ihre Dienerin sehr schwer. Safie pflegte sie mit der größten Hingabe, konnte es aber nicht verhindern, daß das arme Mädchen starb. So stand sie nun hilflos da, denn sie kannte weder die Sprache des Landes noch auch dessen Sitten. Das Glück war ihr hold, denn die Frau, bei der sie wohnte, nahm sich ihrer an und sorgte dafür, daß sie unter sicherem Geleit dahin kam, wo sie den Geliebten wiederzufinden hoffte.


14. Kapitel - 02 Chapter 14 - 02 Capítulo 14 - 02 Chapitre 14 - 02 Capitolo 14 - 02 Bölüm 14 - 02

Safie beschloß, bis zur Hochzeit bei ihrem Vater zu bleiben, die kurz vor dessen Abreise in die Heimat stattfinden sollte. Safie decided to stay with her father until the wedding, which was to take place just before he left for home. Und Felix erwartete voll Sehnsucht diesen Moment. Mittlerweile erfreute er sich der Gesellschaft des schönen Mädchens, das ihm die wärmste und zarteste Liebe entgegenbrachte. Sie unterhielten sich mit Hülfe eines Dolmetschers und dazwischen auch in der Sprache ihrer Augen. Manchmal sang ihm Safie die herrlichen Lieder ihrer Heimat vor.

Der Kaufmann hatte scheinbar gegen dieses Verhältnis nichts einzuwenden und ermutigte die Liebenden, während in seinem Herzen ein ganz anderer Plan reifte. Er dachte nur mit Abscheu daran, daß sein Kind einen Christen heiraten sollte. Aber er fürchtete, daß sich Felix an ihm rächen könne, wenn er wortbrüchig würde, denn er war ja immer noch in dessen Gewalt. Es bedurfte nur einer Anzeige bei der italienischen Regierung und alles war wie vorher, wenn nicht schlimmer. Tausenderlei Pläne gingen ihm durch den Kopf, wie er den jungen Liebhaber so lange hinziehen könne, bis er seiner nicht mehr bedurfte, um dann seine Tochter bei seiner Abfahrt heimlich mitzunehmen. Und die Nachrichten, die aus Paris eintrafen, waren seinen Plänen nur förderlich.

Die französische Regierung war über die Flucht ihres Opfers aufs äußerste erbost und sparte keine Mühe und keine Kosten, um den Befreier zu entdecken und zu bestrafen. Bald hatte man eine Spur des Täters, und kurz danach wanderten de Lacey und Agathe ins Gefängnis. Als Felix hiervon Nachricht erhielt, war sein Glückstraum zu Ende. Sein alter, blinder Vater und seine liebliche Schwester schmachteten in kalter, dunkler Zelle, während er in Freiheit war und sich seiner reizenden Geliebten erfreute. Dieser Gedanke quälte ihn. Er traf noch rasch mit dem Türken die Abmachung, daß dieser, wenn er Gelegenheit fände, zu entkommen, Safie in irgend einem Kloster von Livorno in Pflege geben sollte. He hastily made an arrangement with the Turk, that if he found an opportunity to escape, he should put Safie in the care of some monastery in Livorno. Dann riß er sich von dem geliebten Weibe los, eilte nach Paris und stellte sich selbst dem Gericht in der Hoffnung, dadurch seinem Vater und seiner Schwester die Freiheit wiederzuverschaffen.

Aber er hatte keinen Erfolg damit. Fünf Monate blieben sie in Haft, bis endlich die Verhandlung festgesetzt wurde. Das Resultat derselben war, daß ihr Vermögen konfisziert und sie zu lebenslänglicher Verbannung aus ihrem Heimatland verurteilt wurden.

Sie fanden ein ärmliches Asyl in dem Bauernhause in Deutschland, in dem ich sie entdeckte. Felix brachte auch bald in Erfahrung, daß der verräterische Türke, für den er und seine Familie so Schweres erdulden mußten, sein Wort in ehrloser Weise gebrochen und mit seiner Tochter Italien verlassen hatte. Wie zum Hohn sandte er ihm auch noch eine kleine Geldsumme, damit er sich eine Stellung verschaffen könne. As if to mock him, he also sent him a small sum of money so that he could get a job.

Das also war es, was auf Felix so deprimierend gewirkt und ihn so unglücklich gemacht hatte. Armut zu ertragen wäre ihm ja ein leichtes gewesen; aber die Treulosigkeit des von ihm geretteten Kaufmannes und der Verlust der Geliebten, das waren Dinge, die er nicht verschmerzen konnte. Erst die Ankunft des geliebten Weibes flößte ihm wieder neuen Lebensmut ein.

Und das kam so: Als die Nachricht von der Verurteilung und Verbannung der Familie de Lacey Livorno erreichte, befahl der Kaufmann seiner Tochter, jeden Gedanken an den jungen Mann aufzugeben und sich zur Heimreise vorzubereiten. Die edle Natur Safies sträubte sich gegen diese Zumutung und sie versuchte ihren Vater zur Zurücknahme seines grausamen Gebotes zu veranlassen. The noble nature of Safie resisted this imposition and she tried to get her father to withdraw his cruel command. Aber er geriet nur in Zorn und wiederholte seinen Befehl mit noch größerer Bestimmtheit. But he only got angry and repeated his command with even greater determination.

Einige Tage später betrat der Türke das Zimmer seiner Tochter und teilte ihr erregt mit, daß er guten Grund habe zu glauben, daß die französische Regierung seinen jetzigen Aufenthalt ermittelt habe und mit Livorno wegen seiner Auslieferung in Verhandlungen stehe. Er habe deshalb ein Schiff gemietet, das in wenigen Stunden absegeln und ihn nach Konstantinopel bringen sollte. Er beabsichtigte, seine Tochter unter der Obhut einer vertrauten Dienerin zurückzulassen. He intended to leave his daughter in the care of a trusted servant. Sie sollte, wenn ihr Hab und Gut endlich in Livorno angekommen sei, ebenfalls die Reise antreten. When her belongings had finally arrived in Livorno, she was to make the journey as well.

Als Safie allein war legte sie sich einen Plan zurecht, der sie aus dieser unangenehmen Lage befreien sollte. When Safie was alone, she devised a plan to get her out of this uncomfortable situation. In die Türkei zurückzukehren, daran dachte sie nicht; Religion und Gefühl sträubten sich dagegen. She had no thought of returning to Turkey; Religion and sentiment resisted it. Aus einigen Papieren ihres Vaters, die ihr dieser zurückgelassen, erfuhr sie den Namen des Ortes, an dem ihr Geliebter in der Verbannung lebte. Sie zögerte noch einige Zeit, dann aber stand ihr Entschluß fest. She hesitated for a while, but then her decision was made. Sie nahm ihre Juwelen und eine Summe Geldes an sich und machte sich mit einer Dienerin, die aus Livorno stammte und mit der sie sich einigermaßen verständigen konnte, auf den Weg nach Deutschland.

Wohlbehalten kam sie in der Stadt an, die etwa zwanzig Meilen von dem Wohnort de Laceys entfernt lag. Dort aber erkrankte ihre Dienerin sehr schwer. Safie pflegte sie mit der größten Hingabe, konnte es aber nicht verhindern, daß das arme Mädchen starb. So stand sie nun hilflos da, denn sie kannte weder die Sprache des Landes noch auch dessen Sitten. Das Glück war ihr hold, denn die Frau, bei der sie wohnte, nahm sich ihrer an und sorgte dafür, daß sie unter sicherem Geleit dahin kam, wo sie den Geliebten wiederzufinden hoffte. Luck was on her side, for the woman with whom she was staying took care of her and made sure that she went safely to where she hoped to find her lover.