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Frankenstein - Mary W. Shelley, 10. Kapitel - 02

10. Kapitel - 02

Der Zorn packte mich und ich sprang auf ihn ein, getrieben von dem tötlichsten Haß, dessen eine Menschenbrust fähig ist.

Gewandt wich er meinem Angriff aus und sagte:

»Beruhige dich! Ich flehe dich an, höre, was ich dir zu sagen habe, ehe du deinem Zorn gegen mich freien Lauf gewährst. Habe ich noch nicht genug Leid getragen, daß auch du es noch vergrößern mußt? Das Leben, mag es auch nur eine Reihe von Qualen für mich sein, so ist es mir doch lieb und ich bin gesonnen es zu verteidigen. Vergiß nicht, daß du mich viel stärker gemacht hast als du selbst bist; ich bin größer als du und meine Glieder sind mächtiger als die deinen. Aber ich habe gar nicht die Absicht, meine Kräfte gegen dich zu erproben. Ich bin deine Kreatur und ich will dir, meinem Herrn und König, dankbar und ergeben sein, wenn du das tust, was du mir schuldest. Frankenstein, du bist gerecht und gut gegen andere, nur gegen mich allein, der deiner Liebe, Güte und Gerechtigkeit am meisten bedarf, bist du grausam und hart. Bedenke doch, daß ich ein Werk deiner Hände bin! Eigentlich sollte ich der Adam sein, aber ich bin mehr der gefallene Engel, einer, den du aus dem Paradies vertreibst und elend machst. Überall sehe ich Freude und soll doch ihrer nie teilhaftig werden. Ich war gut und wohlwollend; das Unglück hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Verschaffe mir das Glück und ich will stille sein.«

»Pack dich! Ich will nichts mehr von dir hören. Zwischen dir und mir kann es keine Gemeinschaft geben, wir sind Todfeinde. Geh oder laß uns unsere Kräfte im Kampfe messen, in dem einer von uns bleiben muß!«

»Wie kann ich dein Herz rühren? Kann denn kein Bitten, kein Flehen dich bewegen, gnädig auf dein Geschöpf zu blicken, das dich um Güte und Mitleid bittet? Glaube mir, Frankenstein, ich war anfangs nicht böse, in meiner Seele wohnten Güte und Liebe; aber ich bin allein, so furchtbar allein. Du, mein Schöpfer, verabscheust mich, und was habe ich von deinen Mitmenschen zu erwarten, die mir so gar nicht nahestehen? Sie hassen und verfolgen mich. Die öden Berghalden und traurigen Gletscher sind meine Zufluchtsorte. Ich habe mich hier so manchen Tag aufgehalten. Die Eishöhlen, die allein ich nicht fürchte, sind meine Wohnstätten, und um sie beneidet mich kein menschliches Wesen. Ich segne diesen kalten Himmel, denn er ist gütiger mit mir als deine Mitmenschen. Glaube mir, es wissen ja nicht viele von meiner Existenz; aber wenn das der Fall wäre, dann würden sie sich, wie du, zu meiner Vernichtung entschließen. Soll ich denn die nicht hassen dürfen, die mich so verabscheuen? Und ich lasse nicht mit mir spaßen. Ich bin elend und verflucht und sie sollen es auch werden. Du hast es in der Gewalt, mich versöhnlich zu stimmen und die Welt von einem Ungeheuer zu befreien, das nicht nur dich und die Deinen, sondern auch Tausende anderer im Wirbelwinde seines Zornes zermalmen kann. Habe Mitleid mit mir und verachte meine Bitten nicht. Höre, was ich dir erzähle, und dann überlaß mich meinem Schicksal oder habe Mitleid mit mir; wie du meinst, daß ich es verdiene. Aber höre mich zuerst an. Eure Menschengesetze sind roh und blutig, aber dennoch gestatten sie dem Verbrecher, zu seiner Verteidigung das Wort zu ergreifen. Höre mich an, Frankenstein. Du beschuldigst mich des Mordes und wolltest, ohne daß sich dein Gewissen geregt hätte, dein Geschöpf vernichten. Gepriesen sei die ewige Gerechtigkeit der Menschen! Aber ich bitte dich gar nicht um Schonung. Höre mich zuerst an, und dann, wenn du kannst und mußt, dann zerstöre das Werk deiner Hände.«

»Warum erinnerst du mich,« erwiderte ich, »an die unseligen Ereignisse, die mich heute noch erschauern machen, an die Zeit, da ich dich ins Leben rief? Verdammt sei der Tag, elender Teufel, da du das erste Mal das Licht sahst. Verflucht seien die Hände, die dich formten! Du hast mich über alle Maßen unglücklich gemacht. Du hast mir die Kraft genommen zu unterscheiden, was gut und böse ist. Geh! Laß mich deine verhaßte Gestalt nie wieder sehen.«

»So will ich meine Gestalt deinen Blicken entziehen,« sagte er und hielt mir seine mächtige Hand vor die Augen, die ich mit Grauen wegschlug. »So könntest du mich wenigstens hören und Mitleid mit mir haben. Bei meinem besseren Ich beschwöre ich dich, höre meine Worte. Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, ist lang und seltsam, und auf diesem Platze herrscht eine Temperatur, die deinem feinen, zierlichen Leib nicht zusagen dürfte. Komm mit mir in meine Hütte auf dem Berge. Die Sonne steht jetzt noch hoch. Ehe sie hinter jenen schneeigen Höhen hinuntergestiegen ist und anderen Ländern leuchtet, hast du meine Geschichte gehört und kannst dich entscheiden. An dir liegt es, ob ich dann die Nähe der Menschen fliehe und irgendwo versteckt ein harmloses Dasein führe oder dir und vielen anderen zum Würger werde.«

Unterdessen hatte er den Weg über das Eis eingeschlagen und ich folgte ihm. Mein Herz war zu voll und ich fand keine Worte, um ihm irgend etwas zu erwidern. Aber während ich ging, erwog ich die verschiedenen Umstände, deren er Erwähnung getan, und beschloß, zum mindesten seine Geschichte anzuhören. Hauptsächlich war es Neugierde, die mir diesen Entschluß eingab, aber auch ein schwaches Gefühl des Mitleids mengte sich hinein. Ich hatte ihn bisher für den Mörder meines Bruders gehalten und war begierig, aus seinen Worten eine Bestätigung oder Widerlegung dieser Ansicht zu vernehmen. Ich empfand auch das erste Mal, daß ein Schöpfer seinem Werke gegenüber Verpflichtungen habe und daß ich versuchen müsse, dem Armen etwas Glück zu bescheren. All diese Erwägungen machten mich seinen Bitten geneigter. Wir passierten das Eis und stiegen die Felswand hinan. Es war eiskalt und der Regen begann wieder herab zu rieseln. Wir betraten die Hütte. Mein Feind mit einer Geberde des Triumphes, ich aber mit schwerem Herzen und in tiefster Niedergeschlagenheit. Aber ich hatte versprochen ihn anzuhören und setzte mich deshalb zum Feuer, das mein unangenehmer Gesellschafter angezündet hatte. Dann begann er seine Erzählung.


10. Kapitel - 02 Chapter 10 - 02 Capítulo 10 - 02 Bölüm 10 - 02 第 10 章 - 02

Der Zorn packte mich und ich sprang auf ihn ein, getrieben von dem tötlichsten Haß, dessen eine Menschenbrust fähig ist. Anger seized me and I jumped at it, driven by the deadliest hatred a human breast is capable of.

Gewandt wich er meinem Angriff aus und sagte:

»Beruhige dich! Ich flehe dich an, höre, was ich dir zu sagen habe, ehe du deinem Zorn gegen mich freien Lauf gewährst. I beg you, hear what I have to say before you vent your anger against me. Habe ich noch nicht genug Leid getragen, daß auch du es noch vergrößern mußt? Das Leben, mag es auch nur eine Reihe von Qualen für mich sein, so ist es mir doch lieb und ich bin gesonnen es zu verteidigen. Life, even if it is only a series of torments for me, is dear to me and I am determined to defend it. Vergiß nicht, daß du mich viel stärker gemacht hast als du selbst bist; ich bin größer als du und meine Glieder sind mächtiger als die deinen. Aber ich habe gar nicht die Absicht, meine Kräfte gegen dich zu erproben. Ich bin deine Kreatur und ich will dir, meinem Herrn und König, dankbar und ergeben sein, wenn du das tust, was du mir schuldest. I am your creature and I want to be grateful and humble to you, my lord and king, if you do what you owe me. Frankenstein, du bist gerecht und gut gegen andere, nur gegen mich allein, der deiner Liebe, Güte und Gerechtigkeit am meisten bedarf, bist du grausam und hart. Frankenstein, you are just and good to others, only to me alone, who needs your love, kindness and justice the most, you are cruel and hard. Bedenke doch, daß ich ein Werk deiner Hände bin! Eigentlich sollte ich der Adam sein, aber ich bin mehr der gefallene Engel, einer, den du aus dem Paradies vertreibst und elend machst. Überall sehe ich Freude und soll doch ihrer nie teilhaftig werden. Ich war gut und wohlwollend; das Unglück hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Verschaffe mir das Glück und ich will stille sein.« Make me happy and I will be quiet.«

»Pack dich! »Pack yourself! Ich will nichts mehr von dir hören. Zwischen dir und mir kann es keine Gemeinschaft geben, wir sind Todfeinde. Geh oder laß uns unsere Kräfte im Kampfe messen, in dem einer von uns bleiben muß!«

»Wie kann ich dein Herz rühren? Kann denn kein Bitten, kein Flehen dich bewegen, gnädig auf dein Geschöpf zu blicken, das dich um Güte und Mitleid bittet? Glaube mir, Frankenstein, ich war anfangs nicht böse, in meiner Seele wohnten Güte und Liebe; aber ich bin allein, so furchtbar allein. Du, mein Schöpfer, verabscheust mich, und was habe ich von deinen Mitmenschen zu erwarten, die mir so gar nicht nahestehen? You, my Creator, detest me, and what can I expect from your fellow human beings, who are not at all close to me? Sie hassen und verfolgen mich. Die öden Berghalden und traurigen Gletscher sind meine Zufluchtsorte. Ich habe mich hier so manchen Tag aufgehalten. I've stayed here many a day. Die Eishöhlen, die allein ich nicht fürchte, sind meine Wohnstätten, und um sie beneidet mich kein menschliches Wesen. The ice caves, which alone I do not fear, are my dwelling places, and no human being envies me for them. Ich segne diesen kalten Himmel, denn er ist gütiger mit mir als deine Mitmenschen. Glaube mir, es wissen ja nicht viele von meiner Existenz; aber wenn das der Fall wäre, dann würden sie sich, wie du, zu meiner Vernichtung entschließen. Believe me, not many people know about my existence; but if that were the case, then, like you, they would resolve to destroy me. Soll ich denn die nicht hassen dürfen, die mich so verabscheuen? Shouldn't I hate those who despise me so much? Und ich lasse nicht mit mir spaßen. And I won't be fooled. Ich bin elend und verflucht und sie sollen es auch werden. I am miserable and cursed and so shall they be. Du hast es in der Gewalt, mich versöhnlich zu stimmen und die Welt von einem Ungeheuer zu befreien, das nicht nur dich und die Deinen, sondern auch Tausende anderer im Wirbelwinde seines Zornes zermalmen kann. You have it in your power to placate me and rid the world of a monster that can crush not only you and yours, but thousands of others in the whirlwind of its wrath. Habe Mitleid mit mir und verachte meine Bitten nicht. Höre, was ich dir erzähle, und dann überlaß mich meinem Schicksal oder habe Mitleid mit mir; wie du meinst, daß ich es verdiene. Hear what I tell you, and then leave me to my fate or have pity on me; like you think i deserve. Aber höre mich zuerst an. Eure Menschengesetze sind roh und blutig, aber dennoch gestatten sie dem Verbrecher, zu seiner Verteidigung das Wort zu ergreifen. Höre mich an, Frankenstein. Du beschuldigst mich des Mordes und wolltest, ohne daß sich dein Gewissen geregt hätte, dein Geschöpf vernichten. You accuse me of murder and, without your conscience having moved, you wanted to destroy your creature. Gepriesen sei die ewige Gerechtigkeit der Menschen! Blessed be the eternal righteousness of men! Aber ich bitte dich gar nicht um Schonung. Höre mich zuerst an, und dann, wenn du kannst und mußt, dann zerstöre das Werk deiner Hände.«

»Warum erinnerst du mich,« erwiderte ich, »an die unseligen Ereignisse, die mich heute noch erschauern machen, an die Zeit, da ich dich ins Leben rief? "Why do you remind me," I replied, "of the unfortunate events that still make me shudder to this day, of the time I called you into being? Verdammt sei der Tag, elender Teufel, da du das erste Mal das Licht sahst. Damn the day, wretched devil, that you first saw the light. Verflucht seien die Hände, die dich formten! Du hast mich über alle Maßen unglücklich gemacht. Du hast mir die Kraft genommen zu unterscheiden, was gut und böse ist. Geh! Laß mich deine verhaßte Gestalt nie wieder sehen.«

»So will ich meine Gestalt deinen Blicken entziehen,« sagte er und hielt mir seine mächtige Hand vor die Augen, die ich mit Grauen wegschlug. "I want to hide my form from your sight," he said, holding his mighty hand in front of my eyes, which I slapped away in horror. »So könntest du mich wenigstens hören und Mitleid mit mir haben. Bei meinem besseren Ich beschwöre ich dich, höre meine Worte. By my better self, I implore you, hear my words. Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, ist lang und seltsam, und auf diesem Platze herrscht eine Temperatur, die deinem feinen, zierlichen Leib nicht zusagen dürfte. The story I have to tell is long and strange, and there is a temperature in this place that ought not to suit your fine, delicate body. Komm mit mir in meine Hütte auf dem Berge. Die Sonne steht jetzt noch hoch. Ehe sie hinter jenen schneeigen Höhen hinuntergestiegen ist und anderen Ländern leuchtet, hast du meine Geschichte gehört und kannst dich entscheiden. Before she descends behind those snowy heights and shines on other lands, you have heard my story and can make up your mind. An dir liegt es, ob ich dann die Nähe der Menschen fliehe und irgendwo versteckt ein harmloses Dasein führe oder dir und vielen anderen zum Würger werde.« It is up to you whether I then flee from the proximity of the people and lead a harmless existence hidden somewhere or become a strangler to you and many others.«

Unterdessen hatte er den Weg über das Eis eingeschlagen und ich folgte ihm. Mein Herz war zu voll und ich fand keine Worte, um ihm irgend etwas zu erwidern. Aber während ich ging, erwog ich die verschiedenen Umstände, deren er Erwähnung getan, und beschloß, zum mindesten seine Geschichte anzuhören. But as I walked I considered the various circumstances to which he had referred, and resolved at least to hear his story. Hauptsächlich war es Neugierde, die mir diesen Entschluß eingab, aber auch ein schwaches Gefühl des Mitleids mengte sich hinein. It was mostly curiosity that made me decide, but there was also a faint feeling of pity. Ich hatte ihn bisher für den Mörder meines Bruders gehalten und war begierig, aus seinen Worten eine Bestätigung oder Widerlegung dieser Ansicht zu vernehmen. I had hitherto believed him to be my brother's murderer, and I was anxious to hear his words confirm or refute that view. Ich empfand auch das erste Mal, daß ein Schöpfer seinem Werke gegenüber Verpflichtungen habe und daß ich versuchen müsse, dem Armen etwas Glück zu bescheren. I also felt for the first time that a creator has obligations to his work and that I must try to bring some happiness to the poor. All diese Erwägungen machten mich seinen Bitten geneigter. All these considerations made me more inclined to his requests. Wir passierten das Eis und stiegen die Felswand hinan. Es war eiskalt und der Regen begann wieder herab zu rieseln. Wir betraten die Hütte. Mein Feind mit einer Geberde des Triumphes, ich aber mit schwerem Herzen und in tiefster Niedergeschlagenheit. My enemy with a gesture of triumph, but I with a heavy heart and in the deepest depression. Aber ich hatte versprochen ihn anzuhören und setzte mich deshalb zum Feuer, das mein unangenehmer Gesellschafter angezündet hatte. But I had promised to listen to him, so I sat down by the fire that my disagreeable companion had lit. Dann begann er seine Erzählung.