Erster Weltkrieg I Die Schuldfrage I musstewissen Geschichte
In diesem Video versuche ich die Frage zu klären,
wer die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs trägt.
Wenn ihr meint,
dass man das nach hundert Jahren doch mal langsam wissen müsste,
dann erfahrt ihr jetzt alles, was man dazu wissen muss.
Allgemein kann man sagen, dass die europäischen Regierungen
Anfang des 20. Jahrhunderts alle erwarten,
dass es bald wieder zu einem großen Krieg kommen könnte.
Und sie bereiten sich darauf vor.
Es wird gerüstet, man schließt Bündnisse und so weiter uns so fort.
Die Bevölkerungen aber sind nicht besonders scharf auf einen neuen Krieg.
Also ist jede Regierung bemüht, das eigene Land als Opfer darzustellen,
das sich nur gegen den Angriff der anderen Seite wehrt.
Die eigene Bevölkerung muss davon überzeugt werden,
dass man einen "gerechten" Krieg führt.
Wenn man sich die Fakten anschaut, dann scheint es glasklar zu sein.
Die deutsche Armee
marschiert im neutralen Luxemburg und im neutralen Belgien ein
und dringt nach Frankreich vor.
Aber die deutschen Bürger sind ja nicht an der Front.
Sie glauben ihrem Kaiser, Wilhelm II., und der sagt:
"Mitten im Frieden überfällt uns der Feind!"
Deshalb glauben auch die meisten Deutschen daran,
dass sie sich nur verteidigen.
Noch glasklarer ist die Formulierung im Versailler Vertrag,
der den Ersten Weltkrieg beendet.
Darin wird erklärt, dass Deutschland und seine Verbündeten angegriffen haben.
Dieser Artikel 231 des Vertrages wird Kriegsschuldartikel genannt.
Also, eindeutig ist Deutschland schuld.
Diese Schuldzuweisung im Versailler Vertrag ist die Grundlage
für die gewaltigen Schadensersatzforderungen der Alliierten.
Denn wer Schuld hat,
muss auch für die Schäden und Verluste der Sieger aufkommen.
Deshalb wehren sich die neue demokra- tische Regierung der Weimarer Republik
und die deutsche Nationalversammlung.
Man veröffentlicht Akten und lässt wissenschaftliche Arbeiten schreiben,
die zeigen sollen, dass Deutschland gar nicht der alleinige Schuldige ist.
Es geht dabei nicht um die historische Wahrheit, um die reine Wahrheit,
sondern um eine politische Frage, um die Reparationszahlungen zu verringern
und die harten Maßnahmen gegen Deutschland abzumildern.
Tatsächlich gibt es damals auch schon eine Diskussion darüber,
dass die Bündnissysteme zu unflexibel waren.
Auf der einen Seite Frankreich, Russland und England
und auf der anderen Seite Deutschland und Österreich-Ungarn.
Das hat sich verhakt und dann konnte keiner mehr den Krieg aufhalten.
Das bedeutet, dass keiner irgendwie so richtig schuld ist.
War der Krieg also ein - ich weiß nicht - historischer Unfall?
Was sagen denn die Geschichtswissenschaftler dazu?
Die haben doch hundert Jahre lang die Sache untersuchen können.
Ja, die Geschichtswissenschaftler
haben heutzutage folgende verschiedene Erklärungen:
Die Präventivkriegsthese.
Man kommt dem Gegner also zuvor.
Genau das war der Plan der deutschen Militärs.
Die wussten nämlich, dass die Entente,
also das Bündnis zwischen Frankreich, England und Russland,
immer stärker wird, immer mehr aufrüstet, je mehr Zeit vergeht.
Deshalb wollte man den Krieg, wenn er schon nicht zu vermeiden war,
lieber früher als später führen.
Deshalb nutzte man die Chance zum Losschlagen,
als im Juli 1914 die große Krise entstand.
Deutschland ist schuld.
Die Weltmachtthese.
Benannt nach dem Buch "Griff nach der Weltmacht"
des Historikers Fritz Fischer.
Hier spielen die Kriegsziele der Mittelmächte,
besonders des Deutschen Kaiserreichs, eine Rolle.
Zu Beginn des Krieges hat die Reichsregierung dazu festgehalten,
Deutschland wolle Frankreich so schwächen,
dass es nie wieder eine Großmacht werden würde.
Deutschland wolle Russland zurückdrängen
und zwischen sich und Russland ein neues Mitteleuropa schaffen.
Mehrere Gebiete sollten erobert werden, Belgien total abhängig werden.
Und insgesamt würde Deutschland
die wirtschaftliche und politische Hegemonie über Europa,
also die in jeder Hinsicht bestimmende Rolle spielen.
Deutschland hat also den Krieg langfristig geplant,
um seine Ziele zu verwirklichen, und ist somit schuld.
Diese These hat einen lang andauernden Streit
unter den deutschen Historikern ausgelöst.
Die Mehrheitsmeinung ist letztendlich:
Deutschland trägt die Hauptschuld am Ausbruch des Krieges.
Dann gibt es da noch die Schlafwandlerthese.
Benannt nach dem Buch "Die Schlafwandler"
von Christopher Clark.
Diese These schaut sozusagen von weiter oben auf Europa
und nimmt alle Mächte in den Blick.
Durch die Teilmobilisierung seines Heeres
hätte Russland die anderen Mächte gezwungen, militärisch zu reagieren.
Frankreich hätte Russland Rückendeckung gegeben,
weil es auf eine Revanche gegen Deutschland aus gewesen sei.
Österreich-Ungarn hätte die Krise mit Serbien so zugespitzt,
dass es zum Krieg kommen musste.
England hätte sich aus innenpolitischen Gründen
zu wenig um den Erhalt des Friedens gekümmert.
Serbien wäre zu weit gegangen.
Deutschland hätte den Ausbruch eines Krieges billigend in Kauf genommen.
Alle Mächte tragen also Schuld am Krieg, weil alle Entscheidungen trafen,
die zu einer Eskalation, zu einer Zuspitzung beitrugen.
Man hat sich gegenseitig immer mehr eingekreist,
fühlte sich immer mehr von den anderen bedroht,
wollte womöglich den anderen zuvorkommen.
Das gegenseitige Belauern, die ständige Angst führte dazu,
dass man die Lage in allen Hauptstädten falsch einschätzte.
Darum werden falsche Entscheidungen getroffen.
Irgendwann war es dann zu spät
und die militärische Planung wurde wichtiger als politische Entscheidungen.
Alle Mächte tragen Verantwortung am Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Was bedeutet das nun?
Na ja, es stehen sich zwei Meinungen gegenüber.
Dass Deutschland eine bedeutende Mitschuld zukommt,
wie das die allermeisten Historiker schreiben,
ist unumstritten.
Das Kaiserreich war auf jeden Fall kein Opfer.
Die Politik des Kaiserreichs hat einen Krieg immer in Kauf genommen
und es gab viele negative Traditionen in der Gesellschaft und in der Politik.
Aber ob die anderen Großmächte nun besser oder schlechter waren,
das kann man nicht definitiv und auch nicht objektiv klären.
Denn es spielt auch die Einstellung zur aktuellen Politik eine Rolle.
Auch nach hundert Jahren noch.
Umso wichtiger ist, dass wir versuchen, aus der Geschichte etwas zu lernen.
Niemand hat damals auf Vermittlung und Interessensausgleich gesetzt.
Die Menschen sind über viele wahre Beweggründe
der politisch Verantwortlichen getäuscht worden.
Das Militär hatte zu viel Macht.
Ab einem gewissen Zeitpunkt
war es nicht mehr möglich den Krieg politisch zu stoppen,
denn da griff schon die militärische Logik.
Wenn A mobilisiert, dann muss auch B die Gewehre entsichern,
weil man sonst keine Chance mehr sieht.
Und so weiter und so fort.
Erschreckend ist es umso mehr, wenn man heute noch weiß,
dass es noch bis ganz kurz vor dem tatsächlichen Kriegsausbruch
möglich gewesen wäre, das Kämpfen zu verhindern.
Hat aber niemand gemacht.
Man kann es leider nie definitiv sagen,
aber heute, nach zwei Weltkriegen,
haben wir vielleicht doch endlich was gelernt.
Vor allem das, dass wir alle auf den Frieden achtgeben, aufpassen müssen,
denn er ist schnell zerstört.
Wenn ihr mehr zum Ersten Weltkrieg erfahren wollt,
dann schaut euch doch mal hier auf dem Kanal um.
Grundsätzlich kann ich euch nur empfehlen, diesen Kanal zu abonnieren.
Dann verpasst ihr ab sofort nichts mehr.
Vielen Dank euch fürs Zuschauen und bis zum nächsten Mal.
Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2018