Hexensabbat von James Platt - 03
Hexenmeister, Hexen und Zauberer ritten in jeder nur denkbaren ungrazilen Haltung vorbei. Ihre Bewegung waren wie Blitze am Himmel und ihre vieltönigen Schreie – Eulen-Schreie, Drachen-Schreie – das wilde Horn der Jäger, und das Gejammer der frisch auferstandenen Toten stiegen gemeinsam mit dem Geheul von Cerberus an den niemals zu sehenden Mond auf. Ein Wald von Peitschen blühte empor. Das Surren der Flügel erhob sich zum betäubenden Echo.
Der bereits erwähnte Berg bebte und zitterte wie ein Wackelpudding, durch ihre Erwartung auf den Beginn ihrer Versammlung.
Das Mädchen ließ seine Hand los und verlor die Kraft des Sehens augenblicklich. Sie hatte jedenfalls das, was er sprach, als wahr erkannt.
»Hilf mir, den Körper in die Höhle zu tragen«, rief er, und im Handumdrehen war es geschehen. Der Leichnam wurde in den Sarg seines Mörders gelegt. Dann stürzte der Einsiedler zur Eisentür, und verriegelte diese mit Nägeln und Balken. Einige lose Steine, die wahrscheinlich des Einsiedlers Stühle und Tische darstellten, wurden herangerollt, um zusätzliche Sicherheit zu gewähren.
»Und jetzt«, forderte der Mann, »jetzt haben wir einen Moment der Atempause. Sag mir, was für eine Art Frau du bist, mit der ich hier zusammen mit meinem Bruder bin?, Dass du nicht sie bist, das weiß ich (wehe mir, denn ich habe einen guten Grund, dies zu wissen), auch wenn du ihr ähnelst wie eine Pusteblume der anderen. Ich liebte sie, und ich tötete sie, und ich habe das Recht zu verlangen, dass du erklärst, wer oder was du bist, die du hierherkamst, um meinen Frieden zu stören?«
»Ich bin ihre Schwester.«
»Ihre Schwester! Ja, ich erinnere mich. Du warst zu jener Zeit noch ein Kind. Weder ich noch mein Bruder (Gott hab ihn selig!), ja, keiner von uns bemerkte dich.«
»Nein, er nahm nie viel Notiz von mir. Doch ich liebte ihn, so sehr wie sie es tat.«
»Auch sie liebte ihn«, flüsterte der Einsiedler, wie zu sich selbst; »Was hat er nur getan, um von zwei solchen Frauen geliebt zu werden?«
»Ja, ich liebte ihn, doch er ahnte es nie, aber jetzt kann ich es gestehen, denn so eine Art von Priester bist du ja wohl, die Art, welche mit Stahl die Beichte abnimmt?«
»Du bist bitter, wie deine Schwester. So war sie auch immer zu mir.«
»Ich schulde Dir meine Geschichte«, antwortete sie nun etwas sanfter; »Als sie starb, und er sich in schlechte Kreise begab, aufs Geratewohl mit schlechten Gefährten umherzog, da erkannte ich, ich könne nicht ohne ihn leben, und auch nicht mit jemand anderem. So entschloss ich mich, einer von ihnen zu werden. Zog mir die Kleidung eines Jünglings an und suchte Einlass in seine Kompanie der freien Lanzen. Er wollte mich fortschicken, sagte, dies es wäre keine Arbeit für jemanden wie mich, aber ich schmeichelte mich schließlich bei ihm ein. Es war etwas in meinem Gesicht, nehme ich an. Irgendetwas darin (obwohl ich es so gut wie möglich verstellte und es mit Nussbaumsaft beizte), erinnerte ihn an sie, die er verloren hatte. Ich folgte ihm treu durch Gut und Böse, erniedrigte mich für einen Blick oder ein Wort von ihm. Wir wurden schließlich zerschlagen (wie du weißt) und ich allein von allen seinen eingeschworenen Gefährten, blieb bei ihm, um seine Wunden zu versorgen. Er brachte mich hierher, in der Hoffnung für den Einsatz seiner ganzen Seele, auf die Chance, ihren Geist wiedersehen zu dürfen. Ich hatte das Kleid meiner Schwester, in dem sie gestorben ist, immer bei mir, habe es durch all meinen Wanderungen gehegt und gepflegt, war es doch meine einzige Erinnerung an ihr Leben und ihren Tod. Ich zog es an, nachdem er mich verlassen hatte, und folgte ihm so schnell nach wie meine Kräfte es mir ermöglichten. Meine Aufgabe schien es nun, ihn zu erfreuen und zu betören, während ich ihn zur gleichen Zeit davon abhielt, die Sünde der Totenerweckung zu begehen. Gott verzeih mir, wenn diese Tat für sein Wohl gemischt war mit meiner vollständig egoistischen Sehnsucht, von ihm einmal, nur einmal als liebende Frau geküsst zu werden – in meiner wahren Gestalt, meiner verhassten Verkleidung entledigt! Mein Wunsch ging in Erfüllung, wie die Äpfel von Sodom verging er auf meinen Lippen. Du hast Recht. Alles, was wir jetzt noch tun können, ist, seine Seele am Leben zu erhalten.«
Sie fiel auf die Knie neben dem Sarg. Der Einsiedler gedrückt ihr sein Kruzifix in die Hand.
»Bete!«, rief er, und im gleichen Moment schlug eine ferne Uhr zwölf. Es folgte ein Ansturm von Füßen, ein Donnern an der Eisentür, die Höhle schwankte abrupt wie eine Schiffskabine in der Mitte eines gerade ins Leben gerufenen Sturms. Ein höllischer Keuchhusten und Hallo-Geschrei erfüllte die Luft draußen, und mit ihm folgten Verwünschungen, die den stärksten Mann hätten erblassen lassen. Das Banner der Zerstörung wurde entrollt. Alle gehörnten Köpfe hatten es nun auf die beiden abgesehen. Throne und Herrschaften, Edele, Prinzen und Mächtige. Die Hölle selbst war los in dieser Nacht, ja, die Umgebung wurde selbst zur Hölle.
Die Belagerung hatte begonnen. Der Einsiedler betete seine Gebetsperlen mit fieberhafter Schnelligkeit durch. Ein lateinisches Gebet nach dem anderen rollte über seine Zunge, wie sein Schweiß in Tropfen herabrann. Das Mädchen, dem dies alles unverständlich war, versuchte vergeblich, an Gebetssprüche zu denken. Aber alles, was sie sprechen konnte, als den gekreuzigten Christus an ihre Lippen presste, war »Herr meines Lebens! Mein Geliebter.« Sie hörte kaum das stampf-stampf, das draußen tobte. Ein dumpfer Knall ertönte gegen die Tür, aber der gute mit Weihwasser gehärtete Stahl war schwer zu überwinden. Ein Hagel kleiner Gesteinsbrocken fiel von der Decke und die Höhle füllte sich bald mit Staub. Schallendes Höllengetöse ertönte nach jedem erfolglosen Versuch die Verteidigung zu durchbrechen. Lebende Rammböcke drückten hart gegen die Tür, Drachensporne, Schlangenleiber, Pferdefüße, und tönerne Krallen gewaltiger Gestalten deren Name Schrecken und die mit Erdbeben gegürtet waren, stemmten sich dagegen. Die Legionen der Hölle schickten ihre große Zahl an Fußsoldaten gegen sie, gespornte Reiter, Menschen und Übermenschen, Sünder und ihre Zahlmeister. Die schieren Winde beteiligten sich daneben an dieser Hetzjagd auf sie. Böse Sterne am Himmel kämpften auf ihren Wegen gegen sie. Die Meere entließen ihre Toten. Geisterhäuser wurden in dieser Nacht nicht mehr heimgesucht.
Friedhöfe dampften. Galgen baumelten leer. Der Ghul verließ seinen halb aufgefressenen Leichnam, der Vampir die Kehle seines Opfers. Vergrabenen Schätzen stiegen an die Oberfläche der Erde, da ihre Geisterwächter sich dieser Partie anschlossen. Doch der Einsiedler betete weiter, und die Frau weinte, und die Tür hielt im Angesicht des Feindes stand.
Wird die Stunde der Befreiung nie schlagen? – die Horden Satans nie verschwinden? Auch Stahl kann nicht ewig diesem Angriff derjenigen widerstehen, in deren Adern Feuer statt Blut fließt. Endlich verbog sie sich doch ein wenig, und der teuflische Lärm verzehnfacht sich.
»Sollten sie durch die Tür – brechen,«, rief der Einsiedler, und formte seine Hände dabei zu einer Trichter, doch sie konnte nicht über den abscheulichen Lärm hinweg verstehen, noch hatte er Zeit, seine Anweisungen zu vervollständigen. Denn, die Tür gab nach – und dass mit einem so plötzlichen Knall, der noch in der weit entfernten Stadt zu hören war, worauf viele Bürger glaubten, die Posaunen des letzten Gerichts würden erschallten. Die vor die Tür gerollten Felsen flogen in alle Richtungen davon und eine Woge der Angreifer – die, oh Schrecken, für das Mädchen weiterhin unsichtbar waren – fegte hinein.
Der Einsiedler riss seinen Rosenkranz auseinander und schleuderte die losen Perlen in die Fratzen der Teufel.
»Halte dich an dem Toten fest!«, schrie er, als er mit den Füßen um sich trat, und diesmal machte er sich verständlich. Das Mädchen ergriff die langen Haare ihres Geliebten, drückte sie krampfhaft an sich, und verlor das Bewußtsein.
Jahre später (wie es ihr schien) erwachte sie und fand sich wie zuvor beim Sarg mit dem Leichnam, und – ja – es war das Haar des Toten, das sie noch immer in ihrer tauben Hand hielt. Sie küsste es hunderte Male, bevor sie dies dorthin zurückholte, wo sie war und was geschehen. Sie sah sich dann nach dem Einsiedler um. Er, der arme Mann, lag ebenfalls wie tot am Boden. Aber als sie sich schließlich überwand, sich von ihrem gehüteten Schatz zu lösen, brachte sie den Mönch schnell zu einer Art Bewusstsein zurück.
Er setzte sich nicht ohne Schwierigkeiten auf, und blickte um sich. Doch sein Verstand befand sich bereits auf halbem Weg in den Wahnsinn, war völlig von dem, was in dieser traurigen Nacht geschehen war, zerrüttet worden.
»Wir beide haben seine Seele gerettet«, rief sie. »Was schulde ich die nicht alles, dafür dass du mir in dieser Stunde beistandest?«
Er betrachtete sie in offensichtlicher Ratlosigkeit. »Ich kann mich nicht erinnern, wie es kommt, dass sie ihr blutbeflecktes Kleid tragen,« war alles, was er erwiderte.
»Ich habe es dir erklärt«, sprach sie sanft, »aber du hast vergessen, dass ich es während meiner langen Wanderschaft als einzige Erinnerung an ihren ruhmreichen Tod gehegt habe. Sie opferten den letzten Tropfen ihres Blutes für ihn. Und damit wählte sie den besseren Teil. Aber ich, mein Gott, was in aller Welt soll nur aus mir werden?«
»Ich hatte einmal ein Erinnerungsstück an sie«, murmelte er. »Ich hatte ihren schönen Schädel, aber ich habe ihn verloren.«
»Dann ist es abgemacht«, sprach sie, »du sollst mir als Ausgleich den meinigen nehmen.«