Das Britische Empire
. Mit dem Brexit am 31. Januar 2020 hat Großbritannien die Europäische Union verlassen.
Der britische Premierminister Boris Johnson spricht davon, dass man das Land wieder zu alter Größe zurückbringen will.
Damit beschwert er die glorreiche Zeit des britischen Empires.
Was das genau ist, wie es aufgebaut wurde,
und warum es zerfallen ist, das erklären wir kurz und knapp in diesem Video.
*Klingelton*
Zuerst noch was für historische Feinschmecker.
Es geht in diesem Video um einen längeren Zeitraum.
In diesem Zeitraum verändert sich das Land, von dem ich erzähle, ziemlich intensiv.
Erst England, das Königreich England, dann, ab 1707, Großbritannien.
Das Vereinigte Königreich, England, Schottland.
Ab 1801 das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland.
Dann, ab 1927,
das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland,
wie wir es heute kennen.
Ist ein bisschen kompliziert.
In diesem Video sage ich entweder England oder Großbritannien.
Ansonsten würde das zu kompliziert.
Ich meine mit Großbritannien übrigens den Staat.
Großbritannien als geographischer Begriff bezeichnet nämlich die Insel Großbritannien.
Und jetzt geht es los.
England liegt auf einer Insel.
Da meint man doch, das Land müsste von Anfang an eine Seefahrernation sein.
Aber im 16. Jahrhundert beherrschen Spanien und Frankreich die Meere.
Im Kampf gegen Spanien legt sich das Königreich England eine echte Flotte zu.
Die Anfänge sind ein bisschen fragwürdig.
Die damalige Königin Elisabeth, allerdings die Erste, so alt ist sie dann doch noch nicht, beauftragt Freibeuter damit, spanische Kolonien in Amerika
und spanische Schiffe auf dem Atlantik anzugreifen.
Und auszurauben. Königliche Piraterie, sozusagen.
Als die Spanier mit ihrer Armada eine große Flotte gegen England schicken, muss das Königreich selbst eine Flotte dagegen aufstellen.
So eine Flotte hat ja auch viel Schönes.
Denn sie bietet auch einem relativ kleinen Land wie England die Möglichkeit, gegen viel größere Gegner mitzuhalten.
Wenn man auf dem Wasser kämpft, ist nämlich nicht die Zahl der Soldaten entscheidend, sondern die Qualität der Schiffe und die Ausbildung der Seeleute.
Daran arbeiten die Engländer.
Und so setzen sie sich in den kommenden 200 Jahren auf See gegen Spanien durch.
Gegen die Niederlande und gegen Frankreich.
Ab dem Jahr 1805, seit der Schlacht von Trafalgar, zwischen den Briten und den Verbündeten Franzosen und Spaniern, ist Großbritannien die größte Seemacht der Welt.
Das bleibt bis zum 2. Weltkrieg so.
Zurück ins frühe 17. Jahrhundert.
Zwischen dem Jahr 1607 und 1650 verlassen viele Tausende Siedler England.
Sie fliehen vor religiöser Verfolgung.
Und sie hoffen auf die Reichtümer des neuen Landes.
An der Ostküste Nordamerikas
bauen sie sich ein neues Zuhause auf. Kolonien entstehen.
Die Anfänge des Kolonialreiches sind, wie später auch noch, private Unternehmungen, auf die sich der Staat bzw. der König draufsetzt.
Indem er es genehmigt.
Später, im Zeitalter des Kolonialismus, geht es weniger um die Besiedlung, sondern um die wirtschaftliche Ausbeutung von Kolonien.
Bis zur Unabhängigkeit der USA ist es britische Kolonialreich atlantisch.
Später orientiert sich Großbritannien nach Osten.
Australien, Südafrika und vor allem Indien.
Die britische Regierung wird zunächst nicht selbst in Indien tätig.
Das überlässt sie einer Vereinigung von Kaufleuten, die in der Ost-Indien-Company zusammengeschlossen sind.
Diese Company besitzt nicht nur das Handelsmonopol für Indien.
Sondern sie darf auch Stützpunkte bauen.
Sie befestigen, eigene Soldaten einstellen.
Die Gesellschaft stellt sich zunächst mit dem Kaiser das Mogul-Reiches gut.
Der beherrscht den Großteil des Subkontinents Indien.
Als dieses Reich zerfällt, erweitert die Handelsgesellschaft ihr Einflussgebiet.
Nach gut 60 Jahren verfügt sie über einen beträchtlichen Grundbesitz.
Und über eine ganz ansehnliche Armee.
Mit dieser Armee führt sie den Krieg gegen Frankreich.
Und erobert später praktisch ganz Indien.
Da sind wir auch schon beim Thema:
Wer Weltmacht werden will, der muss Kriege führen.
Der erste wichtige Krieg für das britische Weltreich ist der 7-jährige Krieg.
Von 1756-1763.
Es ist der Krieg, den die Briten in den Kolonien gegen Frankreich führen.
Gekämpft wird in Nordamerika, in Mittelamerika, in Indien und Afrika.
Am Ende gewinnt Großbritannien Nordamerika.
Einiges Land in West-Afrika.
Und es legt den Grundstock für seine Herrschaft über Indien.
20 Jahre später sieht es ein bisschen anders aus.
Die nordamerikanischen Kolonien erkämpfen sich die Unabhängigkeit.
Sie gründen die Vereinigten Staaten von Amerika.
Auch dazu haben wir schon mal ein Video gemacht.
Einfach oben auf das "i" klicken.
Auch Kanada wird 1867 politisch voll selbstständig.
England verliert einen großen Teil seines Kolonialreiches.
Aber wichtiger ist damals der Kampf gegen Frankreich.
Dort bricht 1789 die Revolution aus.
Später wird Napoleon Alleinherrscher.
Nach dessen endgültiger Niederlage 1815 ist Frankreich erschöpft.
Großbritannien hat jetzt keinen gleichwertigen Gegner mehr.
Und kann sich sein Weltreich "zusammenerobern".
Zum Beispiel Australien, Neuseeland, Burma und Malaysia.
1857 kommt es zu Aufständen gegen die Ostindien-Company.
Die ist mittlerweile eine Art britische Behörde.
Das Empire schlägt den Aufstand in Indien brutal nieder.
Im Jahr 1858 wird Indien eine echte Kolonie.
Das Vize-Königreich Indien.
1877 nimmt Königin Victoria den Titel "Kaiserin von Indien" an.
Krieg ist natürlich immer unmenschlich.
Im Krieg bewusst gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, hat aber noch mal eine andere Qualität.
So geschehen im Krieg mit den Buren.
Das sind die Nachkommen europäischer Siedler, die in Südafrika leben.
Die Briten fackeln hier ganze Felder ab, um Hungersnöte auszulösen.
Mehr als 100.000 Menschen, darunter sehr viele Frauen und Kinder, kommen in Konzentrationslager.
Ja, das ist der richtige Begriff,"Concentration-Camp".
So nennen die Briten diese Lager.
Ich sage das so ausführlich, damit niemand auf die Idee kommt, die "Concentration-Camps" im Buren-Krieg könnte man mit den Konzentrationslagern der Nazis vergleichen.
Aber grausam und entsetzlich sind sie natürlich trotzdem.
Durch das Leiden ihrer gefangenen Frauen will die Armee die Buren zum Aufgeben zwingen.
Mehr als 20.000 Menschen sterben.
Aber diese Grausamkeiten werden öffentlich.
Und die britische Regierung muss auf Druck der britischen Öffentlichkeit ihre Politik ändern.
Seit den 1880er Jahren erobert Großbritannien fast ganz West-Afrika.
1882 wird Ägypten besetzt.
Großbritannien bekommt den Suez-Kanal in die Hand
und kontrolliert mit diesem und mit dem Kap der Guten Hoffnung den Handel mit Asien.
Für seine Handelsinteressen setzt das Empire auch Gewalt ein.
China wird gezwungen, sich dem Welthandel und dem Opium zu öffnen.
Dazu gibt es auf meinem Kanal ein Video.
Findet ihr, wenn ihr oben auf das "i" klickt.
Während dieser ganzen Zeit erlebt England einen Wirtschaftsaufschwung.
Das Stichwort lautet Industrialisierung.
Wer mehr dazu wissen will, der findet auch hier auf dem "i" ein Video dazu.
Eine Folge der Industrialisierung ist, dass in England massenhaft Waren zu günstigen Preisen hergestellt werden.
Die Kolonien müssen diese Waren abnehmen.
Und gleichzeitig müssen sie Rohstoffe ins Mutterland liefern.
Großbritannien als größte Wirtschaftsmacht
und als größte Kolonialmacht, als stärkste Seemacht, treibt die Weltwirtschaft in Richtung Freihandel voran.
Achtung, Freihandel. Boris Johnson sagt zum Brexit:
"Wir wollen ein Super-Champion des Freihandels sein.
Und wir werden zu alter Größe zurückfinden."
Auch hier knüpft er bewusst an das britische Empire an.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist der internationale Handel schon sehr weit entwickelt.
Großbritannien hat dabei die Nase vorn.
Denn es hat die besten Startbedingungen.
Ohne Seemacht keine Kolonialmacht. Und keine Handelsmacht.
Auf dem Höhepunkt seiner Macht, so um 1900 herum, herrscht Großbritannien über ein Viertel der Welt.
Auf diesem Höhepunkt befindet sich das Empire eigentlich im Zerfall.
Die Regierung in London hat aus der Unabhängigkeit der USA gelernt.
1867 wird die Kolonie Kanada zu einem Dominion umgestaltet.
Innenpolitisch genießt das Land Autonomie.
Außenpolitisch bleibt es fest dem Mutterland verbunden.
Auch Australien, Neuseeland und Südafrika werden solche Dominions.
Selbstbestimmung gibt es also zunächst nur in Ländern, deren Bevölkerung meist aus weißen Menschen besteht.
Als die Dominions im 20. Jahrhundert nach noch größerer Unabhängigkeit streben, wird es Weltreich umgewandelt in das Commonwealth Of Nations.
Eigentlich sollen die Mitglieder dieses Klubs die britische Königin als Staatsoberhaupt anerkennen.
Aber von 52 Staaten machen das nur noch 16.
Seit den 1990er Jahren gehören sogar Staaten zum Commonwealth, die gar keine britischen Kolonien waren.
Aus einem Weltreich wird so eine lose Staatengemeinschaft.
Im 1. und 2. Weltkrieg kämpfen Millionen Soldaten aus dem Commonwealth, vor allem aus Indien, Neuseeland und Australien, an der Seite Großbritanniens.
Mit der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 ist das britische Empire eigentlich am Ende.
Augenfällig wird das im Falle der Suez-Krise 1956.
Die USA, als neue Weltmacht, verhindern, dass Großbritannien sich militärisch weiter die Kontrolle über den Kanal sichert.
Anfang der 1960er Jahre werden dann die afrikanischen Kolonien unabhängig.
Als 1997 Hongkong an China zurückgegeben wird, heißt es in der Presse, das ist das Ende des Empire.
Aber das Weltreich hat praktisch schon
Jahrzehnte früher zu existieren aufgehört.
Warum zerfällt die Macht? Das hat verschiedene Gründe.
Andere Mächte kommen auf.
Das Deutsche Reich in Europa, die Sowjetunion.
Aber vor allem die USA.
Die beherrschten und unterdrückten Völker begehren auf.
Großbritannien verliert viel Kraft in den Weltkriegen gegen Deutschland.
Die Briten entwickeln in der Zeit des Empire ein besonderes Selbstverständnis.
Die Staatsräson geht davon aus, dass Großbritannien vom Schicksal oder von Gott ausersehen ist, über die Welt zu herrschen. Mit der britischen Herrschaft kommt sehr oft der Fortschritt der Moderne in die besetzten Länder. Vor allem die Eisenbahn. Eine gute Infrastruktur. Moderne Medizin.
Bildung.
Andererseits wird das Empire mit Gewehren beherrscht.
Nicht mit Schulheften.
Die Briten herrschen als Eroberer.
Sie haben auch rassistische Ansichten und Vorurteile.
Sie üben ihre Herrschaft aber fast immer indirekt aus.
Also über lokale Machthaber.
Oder über Volksgruppen, mit denen sie besonders zusammenarbeiten.
Und die gewisse Privilegien genießen.
Es geht hier nicht um Gut oder Böse.
Kolonialismus ist immer eine Zwangsherrschaft.
Und mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht vereinbar.
Warum knüpfen in der Brexit-Kampagne viele Befürworter des Ausstiegs aus der EU an das Empire an? An die scheinbar "gute, alte Zeit"?
Naja, Menschen erinnern sich sehr ungern an das, was sie in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Oder was ihre Vorfahren in der Vergangenheit falsch machten.
Wenn man alles Negative vom Empire wegnimmt, dann bleibt übrig, damals, da waren wir noch wer. Genau diese Gefühle werden für Politik instrumentalisiert.
Die Frage an euch, was haltet ihr von Brexit?
Und von der Sehnsucht nach der alten Zeit?
War das ein Fehler?
Oder kann das tatsächlich ein Schritt zu alter Größe sein?
Und wie könnte diese alte Größe aussehen?
Große Fragen, ich bin mir sicher, ihr habt eine Antwort drauf.
Schreibt sie gerne unten in die Kommentare.
Hier neben mir findet ihr ein weiteres Video von uns.
Da geht es um den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Da haben die Briten ordentlich etwas einstecken müssen.
Direkt darunter ein Video der Kollegen von Funk.
Danke fürs Zuschauen, bis zum nächsten Mal.