1000 km Seil ins All - Skyhook & Space Tether
. Ins All zu gelangen ist schwierig. Heutzutage ist es noch so, als ob man mit einem Einrad
und einem Rucksack voller Sprengstoff einen Berg rauffährt:
Sehr langsam, der Stauraum ist begrenzt
und es könnte tödlich enden.
Eine Rakete muss eine Geschwindigkeit
von ca. 40.000 km/h erreichen, um der Erde zu entkommen.
Raketen bestehen deshalb hauptsächlich aus Treibstofftanks
und nur ein bisschen Platz für Nutzlast an der Spitze.
Keine guten Voraussetzungen für interplanetare Reisen.
Denn für die braucht man schwere Ausrüstung,
also wenn man überleben und vielleicht sogar zurückkommen will.
Wie könnte man also mit weniger Treibstoff
und mehr Nutzlast ins All kommen?
Eine Sache, die auf der Erde oft Transportprobleme gelöst hat,
ist die Infrastruktur.
Egal, ob Straßen für Autos, Häfen für Schiffe oder Schienen für Züge,
durch sie kommen wir leichter ans Ziel.
Übertragen auf die Raumfahrt bedeutet das,
dass uns die richtige Infrastruktur die Reise in den Orbit,
zum Mond, zum Mars und noch weiter,
erleichtern und die Kosten reduzieren könnte.
Cool, aber wie würde so eine Raum-Infrastruktur aussehen?
Anders als beim Weltraumlift, der im Moment noch Zukunftsmusik ist,
gibt es hier eine einfache aber vielversprechende Technologie,
die keiner magischen Materialien bedarf,
bei der sich Forschungs– und Investitionsbedarf im Rahmen halten
und die zumindest im kleinen Stil
schon erfolgreich im Orbit getestet wurde.
Ein Seil und Gewichte, sogen. Space Tether.
Das Konzept ist so einfach, dass man es kaum glauben kann:
Was, wenn wir solche Tether mit Hunderten bis Tausenden km/h Länge
im All platzieren würden
und Spaceshuttle sie wie Leitern benutzen könnten,
um an Höhe und Geschwindigkeit zu gewinnen?
Das ist das Grundprinzip des sogen. Skyhook-Konzepts.
Und noch besser wird es mit Rotation.
Ein Gegengewicht spannt das lange Seil,
während es sich im Kreis bewegt.
Ein sich so drehender Tether von der richtigen Länge
und in der richtigen Umlaufbahn,
bremst sein unteres Ende relativ zum Boden ab
und beschleunigt das obere Ende wie ein Katapult.
Man kann so Energie übertragen
und Objekten praktisch umsonst richtig viel Schwung verleihen.
und zwar das Doppelte der Rotations- geschwindigkeit des Tethers.
Es gibt sogar schon spezielle Fasern,
die der außergewöhnlichen Belastung eines Skyhooks standhalten können.
Damit unser Seil vor Schäden durch Weltraumschrott
und Meteoriten geschützt ist,
muss es aus sehr vielen dieser Fasern geflochten werden.
Unser Skyhook würde mehrmals am Tag die gleiche Stelle passieren
und kleine wiederverwendbare Shuttle könnten ihn gut einholen.
Aber natürlich ist es dann doch nicht ganz so einfach.
Am tiefsten Punkt fegt die Spitze des Tethers
mit 12.000 km/h durch die Erdatmosphäre.
Deshalb können wir den Skyhook nicht zu tief herablassen,
denn sonst würde die Reibung ihn zu stark erhitzen.
Er reicht deshalb nur auf 80 bis 150 km/h hinab, aber nicht weiter.
Unsere Raumschiffe müssen es bis dorthin also alleine schaffen.
Das ist zwar auch nicht leicht, aber immer noch günstiger,
als eine riesige Blechbüchse, gefüllt mit Raketentreibstoff,
auf 40.000 km/h zu beschleunigen.
Das Ende zu erwischen ist auch recht knifflig.
Es gibt nur ein kurzes Zeitfenster von 60–90 sec,
in denen man das winzige Ding, das sich mit Mach 12 bewegt,
finden muss.
Man könnte am Ende des Tethers eine Art
1 km lange Angelschnur befestigen,
die mit einer Navigations-Drohne dem Raumschiff beim Andocken hilft.
Es ist auch schwierig, den Skyhook im Orbit zu halten.
Jedes Raumschiff, das sich an ihm empor zieht,
nimmt ihm etwas Schwung und zieht ihn näher zur Erde.
Würden wir nicht eingreifen, würde er immer langsamer werden
und schließlich auf die Erde hinabstürzen.
Hier können wir dem Universum aber ein Schnippchen schlagen.
Der Skyhook ist wie eine Batterie für Orbit-Energie.
Man muss nur die eintreffenden
mit den ausgehenden Ladungen ausgleichen.
Eintreffende Schiffe,
die Menschen und Ressourcen heim zur Erde bringen,
übertragen dem Tether Energie,
die er dann an ausgehende Schiffe weitergeben kann.
So verliert der Tether keine Energie.
Je mehr wir davon Gebrauch machen, desto günstiger wird es.
Sollten wir trotzdem noch Energie verlieren,
dann können wir das mit Hilfe kleiner chemischer
oder elektrischer Motoren ausgleichen,
die immer wieder unterstützend eingreifen.
Positioniert man einen Tether an der Erde und einen am Mars,
könnte man Reisen zwischen den Planeten schneller,
einfacher und kostengünstiger als mit Raketen machen.
Der Erden-Tether könnte in relativ niedriger Erdumlaufbahn sitzen
und Menschen und Nutzlast zum Mars schleudern.
Der Mars-Tether fängt sie dann auf,
bremst sie ab und lässt sie auf der Marsoberfläche landen.
In der Gegenrichtung könnte der Tether ein Schiff,
dank der dünnen Marsatmosphäre,
schon mit 1000 km/h, kaum schneller als ein Linienflugzeug,
aufsammeln und zurück zur Erde schleudern,
wo es gefangen und abgesenkt wird.
Dank des Tethers könnten Reisen zwischen den Planeten
von 9 Monaten auf 5, oder sogar 3 verkürzt
und die Größe von Raketen um 84–96% verringert werden.
Menschen könnten sogar recht luxuriös reisen,
weil man Geld in Reisekomfort investieren könnte.
Per Tether zu reisen wäre quasi wie ein Erste-Klasse-Flug zum Mars.
So ein Erde-Mars-Tether-Paar könnte uns einen so schnellen
und kostengünstigen Transport ins All ermöglichen,
dass die Raumfahrt endlich erschwinglich wird.
Aber lasst uns noch weiter denken.
Aus einer niedrigen Marsumlaufbahn könnte ein Tether
Schiffe zum Asteroidengürtel schleudern.
Das erste Raumschiff, das dort ankommt,
müsste sich noch mit Hilfe von Raketen abbremsen.
Aber ab dann könnte ein Tether bereits Ankömmlinge erwarten,
sie auffangen und energieneutral wieder zurückschicken.
Ein günstiger Weg um Asteroiden zu erreichen,
spielt eine große Rolle
bei der Erschließung von Ressourcen im Sonnensystem.
Edelmetalle und wertvolle Mineralien
könnten schon Wochen nach dem Abbau zum Mars geliefert werden.
Sie wären die perfekten Bausteine
für unsere interplanetare Zivilisation.
Aber damit nicht genug.
Es gibt noch etwas sehr Praktisches: die Mars-Monde!
Keine anderen Monde im Sonnensystem haben eine so enge Umlaufbahn.
Phobos ist so schwer, dass wir nicht Gefahr laufen, ihn abzubremsen.
Er ist damit perfekt als Ankerpunkt für einen Super-Tether
mit knapp 6000 km Länge geeignet.
Das untere Ende schwebt dabei knapp über der Marsoberfläche
und kann leicht erreicht werden.
Das obere Ende kann Schiffe bis zum Jupiter oder Saturn schleudern.
Dieser Super-Tether verkürzt außerdem den Weg
zum inneren Sonnensystem.
Venus und Merkur sind nur einen Tetherschwung entfernt.
Im Gegensatz zum Mars quellen die nur so über
vor Sonnenenergie und Mineralien.
Langfristig hält die Menschheit nichts davon ab,
ein treibstoffloses Transportnetzwerk
zwischen Gesteinsplaneten zu errichten,
mit den Marsmonden im Zentrum.
Tether sind eine vergleichsweise günstige und nachhaltige Lösung,
um Raumfahrt bezahlbar und den Rest des Sonnensystems
zugänglich für Erforschung und Rohstoffabbau zu machen.
Bedenkt man, dass wir heute schon die nötige Technologie haben,
dann haben wir wirklich keinen Grund noch länger zu warten.
Das Sonnensystem ist gerade noch weit weg,
aber wir könnten es viel näher bringen.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk 2019