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Funkkreis. Podcast der Bundeswehr, Podcast #44: Soldat in zwei deutschen Armeen | Bundeswehr

Podcast #44: Soldat in zwei deutschen Armeen | Bundeswehr

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo, kommen.

This is Tango, over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

A: In unserem Podcast heute geht's um den

3. Oktober 1990, also den Tag der Deutschen Wiedervereinigung. Das war ein ganz besonderer Tag, auch aus Sicht der Bundeswehr.

Denn die hatte damals etwa eine halbe Million Soldaten und knapp 170.000 zivile Mitarbeiter

im Westen.

Und über Nacht kamen 173.000 NVA-Angehörige aus dem Osten dazu.

Das heißt also, ab dem

3. Oktober 1990 und Null Uhr waren alle NVA-Soldaten automatisch Soldaten der Bundeswehr. Und einer davon war Jörg Jankowski - heute mein Kollege hier in der Redaktion der Bundeswehr

in Berlin.

Ich bin Barbara Gantenbein und wir reden heute über den Übergang der NVA in die Bundeswehr

vor 30 Jahren.

Herzlich willkommen, Jörg.

B: Danke für die Einladung.

Ich bin gespannt auf deine Fragen.

A: Ja, das Wichtigste voran: Wie hast du diesen Tag erlebt, dieser Übergangstag?

B: Der Übergangstag war schon sehr interessant aus der heutigen Sicht.

Am 2. Oktober gab es in Strausberg noch die große letzte Versammlung der NVA-Generalität dort

und am nächsten Tag schon der Antrittsapell mit Verteidigungsminister Stoltenberg, dem

damaligen Minister für Abrüstung und Verteidigung Rainer Eppelmann und dem Generalleutnant Jörg

Schönbohm, der dann dort das Bundeswehrkommando Ost aufbaute.

Und wir alle mittendrin.

Ja, war alles sehr aufregend.

Viele Fragen hatten wir, denn es ging den Leuten im Westen und im Osten gleich.

Man hatte nie und nimmer mit dieser schnellen Wiedervereinigung gerechnet.

A: Ja, das stimmt.

Und du hast mir auch im Vorgespräch gesagt, als hättest du's geahnt, hast du an diesem

Tag schon keine Uniform mehr angehabt.

Kannst du mir bisschen näher erzählen, was dem vorangegangen war.

B: Naja, ich sage heute immer wieder spaßig: Ich habe 1980 schon gewusst, dass irgendwann

die deutsche Wiedervereinigung erfolgt und hatte mich damals für nur 10 Jahre als Berufssoldat

der Nationalen Volksarmee verpflichtet.

Ich war 1980 achtzehn Jahre alt.

Also das war natürlich alles purer Zufall, dass das am Ende so kam.

Ich hatte just, also einen Tag vorher, die Uniform ausgezogen und war dann schon Zivilangestellter

der Noch-NVA und dann plötzlich der Bundeswehr.

A: Und du hast aber natürlich bei deinen Kameraden mitgekriegt, wie es denen ging:

Quasi von einer Uniform in die nächste springen.

Wie habt ihr darüber untereinander geredet?

Was war das für ein Gefühl für die, plötzlich quasi einfach mit der Uniform ja auch einen

Teil ihrer Prägung abzugeben, zu wechseln?

B: Also die Offiziere und Unteroffiziere, die in der NVA dann schon wussten, dass es

zur Wiedervereinigung kommen wird und nicht mehr der Bundeswehr dienen wollten, die sind

ja alle vorher schon gegangen - also freiwillig.

Die wussten, sie müssen sich im zivilen Leben neue Jobs suchen oder können vorzeitig in

Rente gehen oder was auch immer.

Es waren dann wirklich nur diejenigen da, die gehofft hatten, übernommen zu werden

und vom Alter her vielleicht auch sich noch Chancen einer Karriere bei der Bundeswehr

ausmalten.

Also das waren alles Fragen, auf die zu dem Tag

am 3. Oktober 1990 noch gar keiner so richtige Antworten wusste.

A: Habt ihr diesen Tag eigentlich als feierlich empfunden?

Du warst ja dabei, bei den ganzen Reden in Strausberg.

War das eher feierlich oder war das auch so ein bisschen befremdlich?

Wie war das emotional für dich?

B: Also die ganze Zeit war eigentlich emotional.

Seit Beginn der eingeleiteten Wende mit den vielen Demonstrationen und mit der Massenflucht

in den Westen aus der DDR, ich möchte sagen, bis in die Mitte der 90er Jahre eigentlich

noch, denn Vieles stand dann eben auf dem Spiel.

Man hatte selber Familie und man hatte berufliche Vorstellungen.

Was wird damit?

Ich selber studierte in dieser Zeit.

Wie geht das da weiter?

Also als ich jeden Tag früh aufgestanden bin, da waren die Emotion im Prinzip gar nicht weg.

Die sind immer da gewesen, so ein Kribbeln.

Man spürte irgendwas, so einen Umbruch.

Wird alles neu?

Wie geht's weiter?

Ja also, das war schon eine aufregende und spannende Zeit.

A: Du hast gibt es eben schon angesprochen, du studiertest damals in Leipzig.

Du warst also auf der einen Seite in Strausberg als Soldat und auf der anderen Seite in zivil

als Studierender in Leipzig.

Was hast du dort erlebt und was hat es mit dir gemacht?

B: Zum einen muss ich erstmal sagen, dass ich meine NVA-Zeit - ich war dann am Ende

Stabsfeldwebel - auch genutzt habe, um mich immer weiterzubilden, fortzubilden.

Das hat man bei der NVA auch sehr gern gesehen und es hat man auch unterstützt.

Ich hatte, wie gesagt, in Strausberg auf der Abendschule mein Abitur nachgeholt.

Und damit hatte ich die Befähigung zu studieren.

Und 1987 hat mir die NVA das dann genehmigt in einer Art Fernstudium.

Das hieß, immer so eine Woche im Monat nach Leipzig.

Und dann ging das irgendwann mal natürlich ins Jahr 1989 hinein und da war auf einmal

alles anders.

Wir konnten nicht mehr montags anreisen, wir mussten schon Sonntag da sein.

Und dann ging eigentlich gar nichts mehr.

Im September 1989 begannen die Demonstration, im Oktober waren schon über 100.000 auf der

Straße und man ist dann im Prinzip dort mittendrin gewesen.

Ich war natürlich als Soldat der NVA hin und her gerissen und wusste gar nicht, wie

ich mich verhalten soll.

A: Bist du denn mitgelaufen?

Hast du mitdemonstriert?

B: In der ersten Zeit natürlich nicht, denn das war dann hauptsächlich ja auch über

die Kirche, die Nikolaikirche in Leipzig.

Und ich war nie in der Kirche gewesen.

Und das hatte ich mir dann wirklich alles nur so angeschaut.

Dann ist das aber von Woche zu Woche auch wieder emotionaler geworden und man ist dann

irgendwann mitgerissen worden und hat nicht nur zugeguckt, sondern ist dann auch mit gelaufen

am Ende.

A: Und hattest du Angst?

B: Es gab eine Montagsdemo, ja.

Da muss man wirklich den Leuten in Leipzig, den politisch Verantwortlichen, heute noch

Dank und Respekt zollen, dass die entschieden haben, natürlich ständig in der Kopplung

mit Berlin und auch Strausberg, wo das Ministerium der nationalen Verteilung saß, dass dort

entschieden wurde: Es fällt nicht ein einziger Schuss auf unser eigenes Volk.

Es waren zwar ringsherum überall Posten aufgestanden und NVA-Kampftruppen und auch Sowjet-Armee

ist natürlich in höchster Alarmbereitschaft gewesen, Polizei sowieso.

Aber es ging alles friedlich ab.

Und das ist heute wirklich noch das Allerbeste und Glücklichste, was je passieren konnte.

A: Ja, das ist absolut richtig.

Klar, ich meine, es lagen Scharfschützen auf den Dächern.

Es hätte sonst was passieren können.

Das ist absolut richtig.

Wenn du dann zurückgekommen bist an deinen Arbeitsplatz und die Uniform angezogen hast

in Strausberg, warst du dann in einer anderen Befindlichkeit, als wenn du als Studierender

in Leipzig warst?

B: Gerade in diesen Monaten von September 1989 bis circa April 1990 war das schon.

Da ist ja so viel passiert jeden Tag.

Man hat mich dann immer erst gefragt in der Druckerei, wo ich gearbeitet hatte: Was ist

in Leipzig los?

Du warst doch dort, erzähl mal.

Und natürlich hat man das, auf der anderen Seite, gar nicht so für ernst und voll genommen.

Ja, das ist weit weg und das wird schon irgendwann sich wieder beruhigen und geben.

Also man war da noch sehr blauäugig in der militärischen Hauptzentrale in Strausberg.

Die Offiziere haben zum Teil nicht alle mitbekommen, dass sich da was ganz ganz Seltenes und Einmaliges

entwickelt.

A: Wie war denn das Thema „Feindbild“?

Im Westen war es, ich sage mal, so eine diffuse Geschichte.

Klar, es gab den Kalten Krieg und dann, als sich das alles ein bisschen entspannte, denke

ich, haben sich im Westen auch die Feindbilder entspannt.

War das im Osten ähnlich oder gab es das Feindbild „Der Westdeutsche bei euch in

der Armee“ nach wie vor?

B: Ja, „Feindbild“.

Also es gab ja genauso eine politische Bildung bei der NVA, wie in der Bundeswehr.

Wir sind ja schon als Kinder in der Schule, als Jugendliche bei der FDJ immer politisch

gebildet worden.

Oder man hat uns gesagt: Kapitalismus ist schlecht, Sozialismus ist gut - um das mal

ganz kurz auf einen Nenner zu bringen.

Und so hat sich das natürlich bei der Armee fortgeführt.

Ja, das wurde uns halt immer so suggeriert: Das ist der Klassenfeind und wir machen das

so und da drüben ist alles schlecht.

Das hat sich natürlich im Laufe der Jahre durch die Informationen, nicht nur über Fernsehen

und Radio und Publikationen, natürlich schon gelockert.

Die Bevölkerung hat ja dann auch gemerkt, was die uns hier so alles erzählen, das ist

natürlich nicht alles unbedingt wahr.

Und deswegen kam es ja dann auch zu diesen großen massenfluchtartigen Aktionen und den

Ausreise-Anträgen.

Also hin bis 1989 spielte das natürlich auch eine Rolle, dass man an das sogenannte Feindbild

„Bundesrepublik Deutschland“ oder „Kapitalismus“ halt nicht mehr glaubte.

A: Das heißt, es war dann, als die ersten Bundeswehrsoldaten in Bundeswehruniform nach

Strausberg kamen, auch nicht so, dass ihr das Gefühl hattet, das ist jetzt eine feindliche

Übernahme?

B: Ja, feindliche Übernahme eigentlich nicht.

Am Ende musste man ja natürlich trotzdem konstatieren, dass die Wiedervereinigung dann

am Ende nicht das erbracht hat, was eigentlich am Anfang dieser Geschichte die DDR selber

noch wollte: Ein besserer Staat werden, eine bessere Armee, alles besser zu machen, demokratischer.

Das hatte sich ja dann mit dem Einigungsvertrag schnell erledigt und als die ersten Bundeswehrsoldaten

nach Strausberg kamen, was ich dann selbst natürlich erlebt habe über das Bundeswehrkommando

Ost, hatten wir den Eindruck, dass wir eigentlich gespannt waren und bereit waren etwas Neues

mitzugestalten.

Und einige der Bundeswehrsoldaten, die hatten eigentlich mehr Angst als wir, als die nach

Strausberg kamen.

Denen haben wir das nach und nach noch genommen, denn die waren teilweise auch zum ersten Mal

in der DDR.

Die hatten natürlich auch ihr Feindbild.

A: Sicher, natürlich, klar.

Das Unbekannte macht einem immer erstmal ein bisschen Angst oder zumindest Bauchgrummeln.

Du hast eben schon gesagt, du warst in der Druckerei.

Was genau war denn damals deine Aufgabe dort?

B: Ja, ich hatte das Glück, damals in Uniform in der Druckerei zu arbeiten.

Ich war gelernter Buchdrucker und hatte durch die Wehrpflicht dann natürlich meine anderthalb

Jahre eigentlich abzuleisten.

Ich hatte dann gesagt, ich würde gerne in meinem Beruf dort arbeiten.

Das ging aber nur, wenn man sich länger verpflichtet hat.

Deswegen kamen damals diese zehn Jahre raus.

Ich habe das natürlich nicht bereut.

Ich bin wieder jeder, ganz normal in Uniform zur Arbeit, hab dann dort meinen Job gemacht

und bin dann abends wieder nach Hause.

Das war schon okay.

Ich habe mich dann, wie gesagt, weitergebildet und qualifiziert und war dann am Ende eigentlich

der letzte Leiter dieser Druckerei in Strausberg.

A: Ihr wart ja die Druckerei des Ministeriums.

Was hat sich denn alles an diesem Standort Strausberg dann geändert durch die Wiedervereinigung?

Also dadurch, dass das Bundeswehrkommando Ost dort einzog?

Welche gravierenden Veränderungen hast du da wahrgenommen?

B: Strausberg war ja schon immer ein militärisch geprägter Platz mit sehr viel historischer

Geschichte.

Das Bundeswehrkommando Ost hat dann, wie gesagt, den Sitz übernommen vom damaligen Ministerium

für Abrüstung und Verteidigung, das vorher Ministerium für nationale Verteidigung war.

Man hat das dann von Rainer Eppelmann, vom demokratischen Aufbruch, übernommen.

Dann kam auch ein zweiter Sitz des Ministeriums nach Strausberg von Bonn.

Da wurden viele neue Dienststellen aufgebaut, zum Beispiel eine Standortverwaltung und eine

Wehrbereichsverwaltung, und, und, und.

Wir konnten gar nicht so schnell alles verfolgen, wie das geschah.

Jeden Tag gab es etwas Neues.

Wir hatten natürlich erstmal mit uns zu tun dort.

Diese Druckerei, dieses Haus, wollte ich natürlich auch in diese neue Ordnung integrieren, in

diese neue Gesellschaft, in diese neuen Dienststellen.

Das hat uns am meisten eigentlich beschäftigt.

Das andere politische Entschiedene, das konnte man sowieso nicht mehr ändern.

Diejenigen sind alle dageblieben, die gesagt haben: „Ja, wir können uns vorstellen in

der Bundeswehr zu arbeiten.“

A: Wie viele Menschen haben damals in der Druckerei gearbeitet und wie viele wurden

übernommen?

Und in welcher Form musstest du dann Entscheidungen treffen?

B: Zu Hochzeiten am Ende waren dort 80 Beschäftigte in der Druckerei des Ministeriums und im Laufe

der Zeit bis es zur Wiedervereinigung kam… Also kurioserweise muss ich noch dazusagen,

haben wir dort den Einigungsvertrag gedruckt, der ausgehandelt wurde durch den damaligen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und den parlamentarischen Staatssekretär Günter Krause.

A: Also richtig viel Geschichte.

B: Sehr viel Geschichte!

Wenn ich dann noch anmerken darf: Wenn man sieht, was aus den beiden Männern geworden

ist, da will ich mir jetzt mal ein Urteil ersparen.

Der eine ist Präsident des Deutschen Bundestages, der andere war letztens im Dschungelcamp bei RTL.

A: Einen Tag.

B: Das ist auch schon kurios.

Wir haben den Einigungsvertrag damals gedruckt.

Ja, natürlich war das für das Parlament dort günstig, denn es hat nichts gekostet

außer Material.

Wir haben damals noch einen Präsentkorb bekommen.

Daran kann ich mich erinnern.

Und damals waren wir noch 80 Frauen und Männer.

Nach vielem Hin und Her hat dann der Präsident der Wehrbereichsverwaltung entschieden: „Okay

wir nehmen eine kleine Hausdruckerei mit in unsere Dienstposten auf.“

Das war eine Handvoll, also fünf.

Und wir waren zu dem Zeitpunkt bestimmt noch 50 Beschäftigte.

Und ich hatte dann als der Leiter die Aufgabe, aus den 50 die fünf Mitarbeiter auszuwählen.

Glücklicherweise hatte ich noch ein Paar soziale Härtefälle, wie Schwerbehinderte

oder Mutterschutz.

Und Auszubildende, die waren auch zu DDR-Zeiten schon oder dann durch den Wiedervereinigungsvertrag

übernahmepflichtig.

Sodass wir dann am Ende vielleicht auf zehn Personen kamen.

Aber 40 mussten sich dann halt woanders umschauen und wurden gekündigt.

A: Und wie war das für dich?

Du musstest denen ja die Botschaft überbringen.

B: Es war natürlich eine sehr schwierige Angelegenheit.

Ich musste mich vor allen Dingen innerhalb von 24 Stunden entscheiden.

Das kam noch erschwerend dazu.

Wahrscheinlich hatte ich damals schon meine ersten grauen Haare bekommen und habe natürlich

geguckt: „Ja, Druckerei?

Du brauchst die und die Berufe, um überhaupt handlungsfähig zu sein, um die Produkte herstellen

zu können.“

Dann habe ich mich entschieden für Leute, die kinderreiche Familien hatten oder vom

Alter her draußen keine Chance mehr gehabt hätten und natürlich auch von den Spezialisten her.

A: Du hast dann noch einen ganz anderen Weg eingeschlagen in der Folge und bist in die

Pressearbeit gegangen.

Wie ist es dazu gekommen und haben dir deine Erfahrung mit der NVA da auch genützt?

B: Ich hatte vorhin schon gesagt, dass ich 1987 begonnen hatte zu studieren.

Dieses Fernstudium war insgesamt über sechs Jahre angelegt, also komplett über diese

deutsche Wiedervereinigung, die Wende und die Bildung der oft zitierten Armee der Einheit.

Ich habe mein Studium dann unbedingt durchgezogen bis 1993.

Ich hatte dann, weil ich nicht mehr freigestellt wurde, immer Urlaub genommen oder die Stunden

herausgearbeitet, um nach Leipzig zu kommen.

Ich hatte dann das Glück, dass ich gefragt wurde, ob ich nicht Beamter der Bundeswehrverwaltung

werden möchte.

Ich brachte damals dann als Diplom-Ingenieur diese Voraussetzung mit und hatte Glück,

dass eben 1993 - 1994 junge Leute gesucht wurden, die auf verschiedene Beamtendienstposten

untergebracht werden sollten.

Ich hab dann mal jemanden gefragt: Beamter, was ist das überhaupt?

Die sagten: „Da kannst du nichts verkehrt machen.

Mach das einfach, das ist eine gewisse Sicherheit und so weiter und so fort.“

Um auf die Frage des Journalismus zurückzukommen: Das war schon eigentlich immer mein Jugend-

oder Kindheitstraum, Sportreporter zu werden, Journalistik zu studieren.

Es gab dann in diesem Studium auch so ein bisschen Anteile journalistischer Tätigkeit.

Ich habe dann festgestellt, dass in der Bundeswehr auch Presse und Öffentlichkeitsarbeit benötigt,

gebraucht und gearbeitet wird und bin seit 1997 dann in der Pressestelle der Wehrbereichsverwaltung 7

- später Ost - in Strausberg gelandet.

Und das war natürlich wie so ein kleiner Lottogewinn für mich.

Das hat mir Spaß macht und seitdem bin ich bis heute in dieser journalistischen Tätigkeit

für die Bundeswehr aktiv.

Inzwischen natürlich für andere Dienststellen, weil ich ja genauso die Umstrukturierungsprozesse

und Reformen der Bundeswehr miterlebt habe, wie jeder andere auch.

A: Hattest du denn, als du damals schon Zivilangestellter warst,

hattest du noch weiterhin Kontakt zu

ehemaligen NVA-Kameraden in Uniform?

Also hast du mitgekriegt, wie die so zum Beispiel mit den neuen oder anderen Waffensystemen

umgegangen sind, Vorschriften und so weiter?

War das eine riesige Herausforderung oder ging das relativ problemlos?

B: Also mit einigen Leuten hat man natürlich auch weiter Kontakt gehabt.

Viele haben damals die Uniform ausgezogen, sind zivil geworden, so wie ich ja auch.

Es gab Mitte der 90er Jahre dann mal irgendwo eine Zahl, dass am Ende weniger als 10.000

NVA-Soldaten überhaupt noch dabei waren und übernommen wurden.

Also dann war das schon sehr übersichtlich.

Und mit den Leuten, mit denen man früher Kontakt hatte, ist man natürlich weiter freundschaftlich

verbunden gewesen und man hat schon deren Laufbahn dann verfolgt, auch bei der Bundeswehr.

Ich kenne heute noch einige, nachdem sie als Offiziere dienstgrademäßig nach unten runtergestuft

waren, wie es halt die Vorschrift damals war, die heute wieder Oberstleutnant sind - also

bei der NVA waren und heute bei der Bundeswehr sind.

Also da gibt es schon noch einige Kontakte, die gepflegt werden.

A: Und hattest du das Gefühl, dass für die Soldaten, die aktiv Soldaten blieben, dass

das kompliziert war mit den anderen Waffensystemen umzugehen, mit anderen Vorschriften, auch

Begriffen wie innere Führung und so weiter?

Mussten die sich komplett neu orientieren?

B: Also das ist eine komplette Wandlung, also im Prinzip von 0 auf 100 alles neu.

Waffen wurden ja eigentlich nicht übernommen, ganz wenige Waffensysteme.

Dann haben die natürlich alle nochmals eine neue Ausbildung bekommen,

mussten auf Lehrgänge gehen.

So wie wir ja im zivilen Bereich dann auch alles neu gelernt haben.

Im Prinzip wieder von der Pike an.

Nur wenig was man da damals bei der NVA gelernt hat, konnte man übernehmen.

Also ich meine auch das Wort, was man heute immer viel hört: Teamfähigkeit.

Das gab's natürlich bei uns damals auch, weil das immer ganz entscheidend ist, um erfolgreich

arbeiten zu können egal welchem Gebiet und wo.

Aber sonst: neu lernen war angesagt.

A: Ja, für viele Leute ist es auch so, dass sie tatsächlich sagen: Das ist ein Bruch

in meiner Biografie gewesen damals, diese gewaltige Umwälzung.

Wie hat denn das dein Leben beeinflusst?

Wenn du jetzt ein Fazit ziehen solltest, was würdest du sagen?

B: Also für mich hat sich das Leben auch schlagartig geändert.

Also nicht nur bezüglich dieser Begriffe NVA, Bundeswehr, Feindbild, Sozialismus, Kapitalismus,

um auf diese zurückzukommen.

Auch ich musste da im Prinzip komplett neu lernen, umdenken.

Das habe ich dann aber auch schon während des Studiums erfahren in Leipzig.

Da wurde ja dann auch ein krasser Schnitt unternommen und am Ende muss ich sagen, wenn

ich heute zurückblicke: Das ist ein Ereignis gewesen, diese deutsche Wiedervereinigung,

wo ich heute stolz und glücklich bin, dass ich dabei sein durfte.

Wer hätte es jemals für möglich gehalten, dass es überhaupt passierte.

Wir waren mittendrin.

Wir waren dabei.

Ich habe eine tolle Karriere bei der Bundeswehr dann gehabt, gerade auch in dem Bereich, von

dem ich schon als Kind und Jugendlicher träumte.

Ich kann einfach sagen, für mich ist es eine persönliche Erfolgsgeschichte, obwohl ich

natürlich auch darum schon kämpfen musste zur Wendezeit.

Das war alles nicht sehr einfach, hat sich alles zum Positiven gewandt.

Aber das kann wahrscheinlich nicht jeder von sich behaupten.

Also ich bin für diese Chance sehr dankbar.

A: Ja, das ist schön.

Ich muss auch ehrlich sagen, gerade die Menschen, die damals in Leipzig auf die Straße gegangen

sind und diese friedliche Revolution quasi angeführt haben, das sind für mich persönlich

die wahren Helden aus dieser Zeit, die wirklich sehr viel riskiert haben.

Und hoffentlich haben auch viele sehr viel für sich gewonnen, also so, wie du das jetzt

für dich zusammengefasst hast.

Vielen Dank dafür Jörg, dass du dir die Zeit genommen hast heute.

Das war ganz toll, diesen Einblick zu bekommen.

B: Eins würde ich noch loswerden, weil du gerade sagst, „diese Menschen, die damals

auf den Straßen waren.“

Das ist für mich deren besondere Leistung gewesen.

Die haben dafür gesorgt, dass es überhaupt zur deutschen Wiedervereinigung kam.

Leider sind die dann im Laufe der Zeit ein wenig in Vergessenheit geraten und saßen

nicht mit an den politischen Tischen, jedenfalls nur ein Bruchteil davon, um eventuell einige

Sachen in dieser Geschichte der Wiedervereinigung vielleicht besser hinzubekommen.

Ja, denen hätte man vielleicht mehr Verantwortung auch noch übertragen sollen.

Aber das ist vielleicht noch mal ein wichtiger Aspekt, wo man sagt: Ja, den Leuten muss man

dafür wirklich Dank sagen, dass es dazu gekommen ist.

Die haben die Hauptverantwortung dafür übernommen.

A: Ja, auf jeden Fall.

Du hast dazugehört, danke dafür.

Und danke, dass du dir heute die Zeit genommen hast.

B: Ja.

A: Den nächsten Podcast, liebe Zuhörer, den hören Sie am kommenden Donnerstag zum

Beispiel auf SoundCloud oder auf YouTube.

Und wenn Sie Fragen oder Anregungen haben zum Podcast generell, dann können Sie uns

gerne eine E-Mail schicken.

Die Adresse ist podcast@bundeswehr.org Machen Sie es gut.

Ich melde mich ab aus dem Funkkreis


Podcast #44: Soldat in zwei deutschen Armeen | Bundeswehr

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo, kommen.

This is Tango, over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

A: In unserem Podcast heute geht's um den

3\. Oktober 1990, also den Tag der Deutschen Wiedervereinigung. Das war ein ganz besonderer Tag, auch aus Sicht der Bundeswehr.

Denn die hatte damals etwa eine halbe Million Soldaten und knapp 170.000 zivile Mitarbeiter

im Westen.

Und über Nacht kamen 173.000 NVA-Angehörige aus dem Osten dazu.

Das heißt also, ab dem

3\. Oktober 1990 und Null Uhr waren alle NVA-Soldaten automatisch Soldaten der Bundeswehr. Und einer davon war Jörg Jankowski - heute mein Kollege hier in der Redaktion der Bundeswehr

in Berlin.

Ich bin Barbara Gantenbein und wir reden heute über den Übergang der NVA in die Bundeswehr

vor 30 Jahren.

Herzlich willkommen, Jörg.

B: Danke für die Einladung.

Ich bin gespannt auf deine Fragen.

A: Ja, das Wichtigste voran: Wie hast du diesen Tag erlebt, dieser Übergangstag?

B: Der Übergangstag war schon sehr interessant aus der heutigen Sicht.

Am 2. Oktober gab es in Strausberg noch die große letzte Versammlung der NVA-Generalität dort

und am nächsten Tag schon der Antrittsapell mit Verteidigungsminister Stoltenberg, dem

damaligen Minister für Abrüstung und Verteidigung Rainer Eppelmann und dem Generalleutnant Jörg

Schönbohm, der dann dort das Bundeswehrkommando Ost aufbaute.

Und wir alle mittendrin.

Ja, war alles sehr aufregend.

Viele Fragen hatten wir, denn es ging den Leuten im Westen und im Osten gleich.

Man hatte nie und nimmer mit dieser schnellen Wiedervereinigung gerechnet.

A: Ja, das stimmt.

Und du hast mir auch im Vorgespräch gesagt, als hättest du's geahnt, hast du an diesem

Tag schon keine Uniform mehr angehabt.

Kannst du mir bisschen näher erzählen, was dem vorangegangen war.

B: Naja, ich sage heute immer wieder spaßig: Ich habe 1980 schon gewusst, dass irgendwann

die deutsche Wiedervereinigung erfolgt und hatte mich damals für nur 10 Jahre als Berufssoldat

der Nationalen Volksarmee verpflichtet.

Ich war 1980 achtzehn Jahre alt.

Also das war natürlich alles purer Zufall, dass das am Ende so kam.

Ich hatte just, also einen Tag vorher, die Uniform ausgezogen und war dann schon Zivilangestellter

der Noch-NVA und dann plötzlich der Bundeswehr.

A: Und du hast aber natürlich bei deinen Kameraden mitgekriegt, wie es denen ging:

Quasi von einer Uniform in die nächste springen.

Wie habt ihr darüber untereinander geredet?

Was war das für ein Gefühl für die, plötzlich quasi einfach mit der Uniform ja auch einen

Teil ihrer Prägung abzugeben, zu wechseln?

B: Also die Offiziere und Unteroffiziere, die in der NVA dann schon wussten, dass es

zur Wiedervereinigung kommen wird und nicht mehr der Bundeswehr dienen wollten, die sind

ja alle vorher schon gegangen - also freiwillig.

Die wussten, sie müssen sich im zivilen Leben neue Jobs suchen oder können vorzeitig in

Rente gehen oder was auch immer.

Es waren dann wirklich nur diejenigen da, die gehofft hatten, übernommen zu werden

und vom Alter her vielleicht auch sich noch Chancen einer Karriere bei der Bundeswehr

ausmalten.

Also das waren alles Fragen, auf die zu dem Tag

am 3. Oktober 1990 noch gar keiner so richtige Antworten wusste.

A: Habt ihr diesen Tag eigentlich als feierlich empfunden?

Du warst ja dabei, bei den ganzen Reden in Strausberg.

War das eher feierlich oder war das auch so ein bisschen befremdlich?

Wie war das emotional für dich?

B: Also die ganze Zeit war eigentlich emotional.

Seit Beginn der eingeleiteten Wende mit den vielen Demonstrationen und mit der Massenflucht

in den Westen aus der DDR, ich möchte sagen, bis in die Mitte der 90er Jahre eigentlich

noch, denn Vieles stand dann eben auf dem Spiel.

Man hatte selber Familie und man hatte berufliche Vorstellungen.

Was wird damit?

Ich selber studierte in dieser Zeit.

Wie geht das da weiter?

Also als ich jeden Tag früh aufgestanden bin, da waren die Emotion im Prinzip gar nicht weg.

Die sind immer da gewesen, so ein Kribbeln.

Man spürte irgendwas, so einen Umbruch.

Wird alles neu?

Wie geht's weiter?

Ja also, das war schon eine aufregende und spannende Zeit.

A: Du hast gibt es eben schon angesprochen, du studiertest damals in Leipzig.

Du warst also auf der einen Seite in Strausberg als Soldat und auf der anderen Seite in zivil

als Studierender in Leipzig.

Was hast du dort erlebt und was hat es mit dir gemacht?

B: Zum einen muss ich erstmal sagen, dass ich meine NVA-Zeit - ich war dann am Ende

Stabsfeldwebel - auch genutzt habe, um mich immer weiterzubilden, fortzubilden.

Das hat man bei der NVA auch sehr gern gesehen und es hat man auch unterstützt.

Ich hatte, wie gesagt, in Strausberg auf der Abendschule mein Abitur nachgeholt.

Und damit hatte ich die Befähigung zu studieren.

Und 1987 hat mir die NVA das dann genehmigt in einer Art Fernstudium.

Das hieß, immer so eine Woche im Monat nach Leipzig.

Und dann ging das irgendwann mal natürlich ins Jahr 1989 hinein und da war auf einmal

alles anders.

Wir konnten nicht mehr montags anreisen, wir mussten schon Sonntag da sein.

Und dann ging eigentlich gar nichts mehr.

Im September 1989 begannen die Demonstration, im Oktober waren schon über 100.000 auf der

Straße und man ist dann im Prinzip dort mittendrin gewesen.

Ich war natürlich als Soldat der NVA hin und her gerissen und wusste gar nicht, wie

ich mich verhalten soll.

A: Bist du denn mitgelaufen?

Hast du mitdemonstriert?

B: In der ersten Zeit natürlich nicht, denn das war dann hauptsächlich ja auch über

die Kirche, die Nikolaikirche in Leipzig.

Und ich war nie in der Kirche gewesen.

Und das hatte ich mir dann wirklich alles nur so angeschaut.

Dann ist das aber von Woche zu Woche auch wieder emotionaler geworden und man ist dann

irgendwann mitgerissen worden und hat nicht nur zugeguckt, sondern ist dann auch mit gelaufen

am Ende.

A: Und hattest du Angst?

B: Es gab eine Montagsdemo, ja.

Da muss man wirklich den Leuten in Leipzig, den politisch Verantwortlichen, heute noch

Dank und Respekt zollen, dass die entschieden haben, natürlich ständig in der Kopplung

mit Berlin und auch Strausberg, wo das Ministerium der nationalen Verteilung saß, dass dort

entschieden wurde: Es fällt nicht ein einziger Schuss auf unser eigenes Volk.

Es waren zwar ringsherum überall Posten aufgestanden und NVA-Kampftruppen und auch Sowjet-Armee

ist natürlich in höchster Alarmbereitschaft gewesen, Polizei sowieso.

Aber es ging alles friedlich ab.

Und das ist heute wirklich noch das Allerbeste und Glücklichste, was je passieren konnte.

A: Ja, das ist absolut richtig.

Klar, ich meine, es lagen Scharfschützen auf den Dächern.

Es hätte sonst was passieren können.

Das ist absolut richtig.

Wenn du dann zurückgekommen bist an deinen Arbeitsplatz und die Uniform angezogen hast

in Strausberg, warst du dann in einer anderen Befindlichkeit, als wenn du als Studierender

in Leipzig warst?

B: Gerade in diesen Monaten von September 1989 bis circa April 1990 war das schon.

Da ist ja so viel passiert jeden Tag.

Man hat mich dann immer erst gefragt in der Druckerei, wo ich gearbeitet hatte: Was ist

in Leipzig los?

Du warst doch dort, erzähl mal.

Und natürlich hat man das, auf der anderen Seite, gar nicht so für ernst und voll genommen.

Ja, das ist weit weg und das wird schon irgendwann sich wieder beruhigen und geben.

Also man war da noch sehr blauäugig in der militärischen Hauptzentrale in Strausberg.

Die Offiziere haben zum Teil nicht alle mitbekommen, dass sich da was ganz ganz Seltenes und Einmaliges

entwickelt.

A: Wie war denn das Thema „Feindbild“?

Im Westen war es, ich sage mal, so eine diffuse Geschichte.

Klar, es gab den Kalten Krieg und dann, als sich das alles ein bisschen entspannte, denke

ich, haben sich im Westen auch die Feindbilder entspannt.

War das im Osten ähnlich oder gab es das Feindbild „Der Westdeutsche bei euch in

der Armee“ nach wie vor?

B: Ja, „Feindbild“.

Also es gab ja genauso eine politische Bildung bei der NVA, wie in der Bundeswehr.

Wir sind ja schon als Kinder in der Schule, als Jugendliche bei der FDJ immer politisch

gebildet worden.

Oder man hat uns gesagt: Kapitalismus ist schlecht, Sozialismus ist gut - um das mal

ganz kurz auf einen Nenner zu bringen.

Und so hat sich das natürlich bei der Armee fortgeführt.

Ja, das wurde uns halt immer so suggeriert: Das ist der Klassenfeind und wir machen das

so und da drüben ist alles schlecht.

Das hat sich natürlich im Laufe der Jahre durch die Informationen, nicht nur über Fernsehen

und Radio und Publikationen, natürlich schon gelockert.

Die Bevölkerung hat ja dann auch gemerkt, was die uns hier so alles erzählen, das ist

natürlich nicht alles unbedingt wahr.

Und deswegen kam es ja dann auch zu diesen großen massenfluchtartigen Aktionen und den

Ausreise-Anträgen.

Also hin bis 1989 spielte das natürlich auch eine Rolle, dass man an das sogenannte Feindbild

„Bundesrepublik Deutschland“ oder „Kapitalismus“ halt nicht mehr glaubte.

A: Das heißt, es war dann, als die ersten Bundeswehrsoldaten in Bundeswehruniform nach

Strausberg kamen, auch nicht so, dass ihr das Gefühl hattet, das ist jetzt eine feindliche

Übernahme?

B: Ja, feindliche Übernahme eigentlich nicht.

Am Ende musste man ja natürlich trotzdem konstatieren, dass die Wiedervereinigung dann

am Ende nicht das erbracht hat, was eigentlich am Anfang dieser Geschichte die DDR selber

noch wollte: Ein besserer Staat werden, eine bessere Armee, alles besser zu machen, demokratischer.

Das hatte sich ja dann mit dem Einigungsvertrag schnell erledigt und als die ersten Bundeswehrsoldaten

nach Strausberg kamen, was ich dann selbst natürlich erlebt habe über das Bundeswehrkommando

Ost, hatten wir den Eindruck, dass wir eigentlich gespannt waren und bereit waren etwas Neues

mitzugestalten.

Und einige der Bundeswehrsoldaten, die hatten eigentlich mehr Angst als wir, als die nach

Strausberg kamen.

Denen haben wir das nach und nach noch genommen, denn die waren teilweise auch zum ersten Mal

in der DDR.

Die hatten natürlich auch ihr Feindbild.

A: Sicher, natürlich, klar.

Das Unbekannte macht einem immer erstmal ein bisschen Angst oder zumindest Bauchgrummeln.

Du hast eben schon gesagt, du warst in der Druckerei.

Was genau war denn damals deine Aufgabe dort?

B: Ja, ich hatte das Glück, damals in Uniform in der Druckerei zu arbeiten.

Ich war gelernter Buchdrucker und hatte durch die Wehrpflicht dann natürlich meine anderthalb

Jahre eigentlich abzuleisten.

Ich hatte dann gesagt, ich würde gerne in meinem Beruf dort arbeiten.

Das ging aber nur, wenn man sich länger verpflichtet hat.

Deswegen kamen damals diese zehn Jahre raus.

Ich habe das natürlich nicht bereut.

Ich bin wieder jeder, ganz normal in Uniform zur Arbeit, hab dann dort meinen Job gemacht

und bin dann abends wieder nach Hause.

Das war schon okay.

Ich habe mich dann, wie gesagt, weitergebildet und qualifiziert und war dann am Ende eigentlich

der letzte Leiter dieser Druckerei in Strausberg.

A: Ihr wart ja die Druckerei des Ministeriums.

Was hat sich denn alles an diesem Standort Strausberg dann geändert durch die Wiedervereinigung?

Also dadurch, dass das Bundeswehrkommando Ost dort einzog?

Welche gravierenden Veränderungen hast du da wahrgenommen?

B: Strausberg war ja schon immer ein militärisch geprägter Platz mit sehr viel historischer

Geschichte.

Das Bundeswehrkommando Ost hat dann, wie gesagt, den Sitz übernommen vom damaligen Ministerium

für Abrüstung und Verteidigung, das vorher Ministerium für nationale Verteidigung war.

Man hat das dann von Rainer Eppelmann, vom demokratischen Aufbruch, übernommen.

Dann kam auch ein zweiter Sitz des Ministeriums nach Strausberg von Bonn.

Da wurden viele neue Dienststellen aufgebaut, zum Beispiel eine Standortverwaltung und eine

Wehrbereichsverwaltung, und, und, und.

Wir konnten gar nicht so schnell alles verfolgen, wie das geschah.

Jeden Tag gab es etwas Neues.

Wir hatten natürlich erstmal mit uns zu tun dort.

Diese Druckerei, dieses Haus, wollte ich natürlich auch in diese neue Ordnung integrieren, in

diese neue Gesellschaft, in diese neuen Dienststellen.

Das hat uns am meisten eigentlich beschäftigt.

Das andere politische Entschiedene, das konnte man sowieso nicht mehr ändern.

Diejenigen sind alle dageblieben, die gesagt haben: „Ja, wir können uns vorstellen in

der Bundeswehr zu arbeiten.“

A: Wie viele Menschen haben damals in der Druckerei gearbeitet und wie viele wurden

übernommen?

Und in welcher Form musstest du dann Entscheidungen treffen?

B: Zu Hochzeiten am Ende waren dort 80 Beschäftigte in der Druckerei des Ministeriums und im Laufe

der Zeit bis es zur Wiedervereinigung kam… Also kurioserweise muss ich noch dazusagen,

haben wir dort den Einigungsvertrag gedruckt, der ausgehandelt wurde durch den damaligen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und den parlamentarischen Staatssekretär Günter Krause.

A: Also richtig viel Geschichte.

B: Sehr viel Geschichte!

Wenn ich dann noch anmerken darf: Wenn man sieht, was aus den beiden Männern geworden

ist, da will ich mir jetzt mal ein Urteil ersparen.

Der eine ist Präsident des Deutschen Bundestages, der andere war letztens im Dschungelcamp bei RTL.

A: Einen Tag.

B: Das ist auch schon kurios.

Wir haben den Einigungsvertrag damals gedruckt.

Ja, natürlich war das für das Parlament dort günstig, denn es hat nichts gekostet

außer Material.

Wir haben damals noch einen Präsentkorb bekommen.

Daran kann ich mich erinnern.

Und damals waren wir noch 80 Frauen und Männer.

Nach vielem Hin und Her hat dann der Präsident der Wehrbereichsverwaltung entschieden: „Okay

wir nehmen eine kleine Hausdruckerei mit in unsere Dienstposten auf.“

Das war eine Handvoll, also fünf.

Und wir waren zu dem Zeitpunkt bestimmt noch 50 Beschäftigte.

Und ich hatte dann als der Leiter die Aufgabe, aus den 50 die fünf Mitarbeiter auszuwählen.

Glücklicherweise hatte ich noch ein Paar soziale Härtefälle, wie Schwerbehinderte

oder Mutterschutz.

Und Auszubildende, die waren auch zu DDR-Zeiten schon oder dann durch den Wiedervereinigungsvertrag

übernahmepflichtig.

Sodass wir dann am Ende vielleicht auf zehn Personen kamen.

Aber 40 mussten sich dann halt woanders umschauen und wurden gekündigt.

A: Und wie war das für dich?

Du musstest denen ja die Botschaft überbringen.

B: Es war natürlich eine sehr schwierige Angelegenheit.

Ich musste mich vor allen Dingen innerhalb von 24 Stunden entscheiden.

Das kam noch erschwerend dazu.

Wahrscheinlich hatte ich damals schon meine ersten grauen Haare bekommen und habe natürlich

geguckt: „Ja, Druckerei?

Du brauchst die und die Berufe, um überhaupt handlungsfähig zu sein, um die Produkte herstellen

zu können.“

Dann habe ich mich entschieden für Leute, die kinderreiche Familien hatten oder vom

Alter her draußen keine Chance mehr gehabt hätten und natürlich auch von den Spezialisten her.

A: Du hast dann noch einen ganz anderen Weg eingeschlagen in der Folge und bist in die

Pressearbeit gegangen.

Wie ist es dazu gekommen und haben dir deine Erfahrung mit der NVA da auch genützt?

B: Ich hatte vorhin schon gesagt, dass ich 1987 begonnen hatte zu studieren.

Dieses Fernstudium war insgesamt über sechs Jahre angelegt, also komplett über diese

deutsche Wiedervereinigung, die Wende und die Bildung der oft zitierten Armee der Einheit.

Ich habe mein Studium dann unbedingt durchgezogen bis 1993.

Ich hatte dann, weil ich nicht mehr freigestellt wurde, immer Urlaub genommen oder die Stunden

herausgearbeitet, um nach Leipzig zu kommen.

Ich hatte dann das Glück, dass ich gefragt wurde, ob ich nicht Beamter der Bundeswehrverwaltung

werden möchte.

Ich brachte damals dann als Diplom-Ingenieur diese Voraussetzung mit und hatte Glück,

dass eben 1993 - 1994 junge Leute gesucht wurden, die auf verschiedene Beamtendienstposten

untergebracht werden sollten.

Ich hab dann mal jemanden gefragt: Beamter, was ist das überhaupt?

Die sagten: „Da kannst du nichts verkehrt machen.

Mach das einfach, das ist eine gewisse Sicherheit und so weiter und so fort.“

Um auf die Frage des Journalismus zurückzukommen: Das war schon eigentlich immer mein Jugend-

oder Kindheitstraum, Sportreporter zu werden, Journalistik zu studieren.

Es gab dann in diesem Studium auch so ein bisschen Anteile journalistischer Tätigkeit.

Ich habe dann festgestellt, dass in der Bundeswehr auch Presse und Öffentlichkeitsarbeit benötigt,

gebraucht und gearbeitet wird und bin seit 1997 dann in der Pressestelle der Wehrbereichsverwaltung 7

- später Ost - in Strausberg gelandet.

Und das war natürlich wie so ein kleiner Lottogewinn für mich.

Das hat mir Spaß macht und seitdem bin ich bis heute in dieser journalistischen Tätigkeit

für die Bundeswehr aktiv.

Inzwischen natürlich für andere Dienststellen, weil ich ja genauso die Umstrukturierungsprozesse

und Reformen der Bundeswehr miterlebt habe, wie jeder andere auch.

A: Hattest du denn, als du damals schon Zivilangestellter warst,

hattest du noch weiterhin Kontakt zu

ehemaligen NVA-Kameraden in Uniform?

Also hast du mitgekriegt, wie die so zum Beispiel mit den neuen oder anderen Waffensystemen

umgegangen sind, Vorschriften und so weiter?

War das eine riesige Herausforderung oder ging das relativ problemlos?

B: Also mit einigen Leuten hat man natürlich auch weiter Kontakt gehabt.

Viele haben damals die Uniform ausgezogen, sind zivil geworden, so wie ich ja auch.

Es gab Mitte der 90er Jahre dann mal irgendwo eine Zahl, dass am Ende weniger als 10.000

NVA-Soldaten überhaupt noch dabei waren und übernommen wurden.

Also dann war das schon sehr übersichtlich.

Und mit den Leuten, mit denen man früher Kontakt hatte, ist man natürlich weiter freundschaftlich

verbunden gewesen und man hat schon deren Laufbahn dann verfolgt, auch bei der Bundeswehr.

Ich kenne heute noch einige, nachdem sie als Offiziere dienstgrademäßig nach unten runtergestuft

waren, wie es halt die Vorschrift damals war, die heute wieder Oberstleutnant sind - also

bei der NVA waren und heute bei der Bundeswehr sind.

Also da gibt es schon noch einige Kontakte, die gepflegt werden.

A: Und hattest du das Gefühl, dass für die Soldaten, die aktiv Soldaten blieben, dass

das kompliziert war mit den anderen Waffensystemen umzugehen, mit anderen Vorschriften, auch

Begriffen wie innere Führung und so weiter?

Mussten die sich komplett neu orientieren?

B: Also das ist eine komplette Wandlung, also im Prinzip von 0 auf 100 alles neu.

Waffen wurden ja eigentlich nicht übernommen, ganz wenige Waffensysteme.

Dann haben die natürlich alle nochmals eine neue Ausbildung bekommen,

mussten auf Lehrgänge gehen.

So wie wir ja im zivilen Bereich dann auch alles neu gelernt haben.

Im Prinzip wieder von der Pike an.

Nur wenig was man da damals bei der NVA gelernt hat, konnte man übernehmen.

Also ich meine auch das Wort, was man heute immer viel hört: Teamfähigkeit.

Das gab's natürlich bei uns damals auch, weil das immer ganz entscheidend ist, um erfolgreich

arbeiten zu können egal welchem Gebiet und wo.

Aber sonst: neu lernen war angesagt.

A: Ja, für viele Leute ist es auch so, dass sie tatsächlich sagen: Das ist ein Bruch

in meiner Biografie gewesen damals, diese gewaltige Umwälzung.

Wie hat denn das dein Leben beeinflusst?

Wenn du jetzt ein Fazit ziehen solltest, was würdest du sagen?

B: Also für mich hat sich das Leben auch schlagartig geändert.

Also nicht nur bezüglich dieser Begriffe NVA, Bundeswehr, Feindbild, Sozialismus, Kapitalismus,

um auf diese zurückzukommen.

Auch ich musste da im Prinzip komplett neu lernen, umdenken.

Das habe ich dann aber auch schon während des Studiums erfahren in Leipzig.

Da wurde ja dann auch ein krasser Schnitt unternommen und am Ende muss ich sagen, wenn

ich heute zurückblicke: Das ist ein Ereignis gewesen, diese deutsche Wiedervereinigung,

wo ich heute stolz und glücklich bin, dass ich dabei sein durfte.

Wer hätte es jemals für möglich gehalten, dass es überhaupt passierte.

Wir waren mittendrin.

Wir waren dabei.

Ich habe eine tolle Karriere bei der Bundeswehr dann gehabt, gerade auch in dem Bereich, von

dem ich schon als Kind und Jugendlicher träumte.

Ich kann einfach sagen, für mich ist es eine persönliche Erfolgsgeschichte, obwohl ich

natürlich auch darum schon kämpfen musste zur Wendezeit.

Das war alles nicht sehr einfach, hat sich alles zum Positiven gewandt.

Aber das kann wahrscheinlich nicht jeder von sich behaupten.

Also ich bin für diese Chance sehr dankbar.

A: Ja, das ist schön.

Ich muss auch ehrlich sagen, gerade die Menschen, die damals in Leipzig auf die Straße gegangen

sind und diese friedliche Revolution quasi angeführt haben, das sind für mich persönlich

die wahren Helden aus dieser Zeit, die wirklich sehr viel riskiert haben.

Und hoffentlich haben auch viele sehr viel für sich gewonnen, also so, wie du das jetzt

für dich zusammengefasst hast.

Vielen Dank dafür Jörg, dass du dir die Zeit genommen hast heute.

Das war ganz toll, diesen Einblick zu bekommen.

B: Eins würde ich noch loswerden, weil du gerade sagst, „diese Menschen, die damals

auf den Straßen waren.“

Das ist für mich deren besondere Leistung gewesen.

Die haben dafür gesorgt, dass es überhaupt zur deutschen Wiedervereinigung kam.

Leider sind die dann im Laufe der Zeit ein wenig in Vergessenheit geraten und saßen

nicht mit an den politischen Tischen, jedenfalls nur ein Bruchteil davon, um eventuell einige

Sachen in dieser Geschichte der Wiedervereinigung vielleicht besser hinzubekommen.

Ja, denen hätte man vielleicht mehr Verantwortung auch noch übertragen sollen.

Aber das ist vielleicht noch mal ein wichtiger Aspekt, wo man sagt: Ja, den Leuten muss man

dafür wirklich Dank sagen, dass es dazu gekommen ist.

Die haben die Hauptverantwortung dafür übernommen.

A: Ja, auf jeden Fall.

Du hast dazugehört, danke dafür.

Und danke, dass du dir heute die Zeit genommen hast.

B: Ja.

A: Den nächsten Podcast, liebe Zuhörer, den hören Sie am kommenden Donnerstag zum

Beispiel auf SoundCloud oder auf YouTube.

Und wenn Sie Fragen oder Anregungen haben zum Podcast generell, dann können Sie uns

gerne eine E-Mail schicken.

Die Adresse ist podcast@bundeswehr.org Machen Sie es gut.

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