Versteckte Aliens | Das Fermi-Paradox: Teil 9 (2018)
Wir haben noch nie Außerirdische beobachtet obwohl es sie doch geben müsste – was,
wenn sie sich alle nur verstecken.
Nicht hier, unter uns, sondern da draußen – in ihren Heimatsystemen, in den kalten
Randbereichen der Galaxie oder interstellaren Nebeln.
Was, wenn sie sich alle deshalb verstecken, weil sie davon ausgehen, oder gar, weil sie
WISSEN, dass es da draußen im All etwas gibt, was man besser nicht auf sich aufmerksam macht.
Die Annahme, außerirdische Zivilisationen könnten sich allesamt verborgen haben, ist
eine häufig angeführte Auflösung des Fermi-Paradoxons.
Was für und gegen diese Hypothese spricht, dass erfahrt Ihr heute.
Ich bin Ronny.
Willkommen bei Raumzeit!
Die Idee, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, sich zu verstecken, ist sehr gut nachvollziehbar.
Dafür gibt es historische Gründe ebenso wie biologische.
Betrachten wir mal die Geschichte der menschlichen Zivilisationen und der Kulturkontakte.
In der deutlichen Mehrheit der Fälle war es der Entdecker, der den Entdeckten dominierte,
ihn gewaltsam gefügig machte oder gar versklavte.
Dieses Muster können wir schon in der Vorgeschichte beobachten, etwa bei der Verdrängung der
mykenischen Kultur durch die Einwanderer aus dem Norden.
Später waren es die Römer, die unter Caesar die Brücke über den Rhein schlugen und – mehr
als ein Jahrhundert später – Germania zur Provinz erklärten.
Als Kolumbus die Westindies erreichte, war es der Auftakt zu einer Kolonisationswelle,
welche dutzende Millionen Ureinwohner der Amerikas ihr Leben kostete.
Meist ist das Muster gleich – die Entdecker tauchen scheinbar aus dem Nichts auf, verfügen
über einen erheblich höheren technologischen Entwicklungsstand und unterstellen eine Legitimation,
Terra Nova in Besitz zu nehmen.
Das erdhistorische Fazit fällt ernüchternd aus: man wird besser nicht entdeckt.
Doch was ist mit der Biologie.
Der Mensch hat sich im Laufe seiner Evolution zum beherrschenden Raubtier dieses Planeten
aufgeschwungen – dem Apex Predator, wie man im Englischen sagt.
Und dennoch werden wir tief im Inneren von atavistischen Flucht- und Angstimpulsen beherrscht.
Triebe, die uns einst das Überleben sicherten, heute aber häufig irrational wirken.
Wenn ich nachts in einem Wald unterwegs bin, dann ist das letzte was ich tun will, laut
zu rufen: „Hey, ich bin allein und schwach.
Ist noch jemand hier?“
und das letzte, was ich hören will ist: „Gut, ich bin gleich da!“
Das Universum ist noch dunkler als der Wald, und anders als dort wissen wir nicht, welche
Gefahren uns aus dem All drohen könnten.
Es gibt viele denkbare Möglichkeiten, warum uns außerirdische Zivilisationen gefährlich
werden könnten.
Selbst harmlos scheinende Kommunikation könnte gefährliche Computerviren übermitteln, die
Millionen vernetzte Computer in eine vernichtende KI transformiert.
Was ist mit Ideen, ethisch oder religiös – deren Gefahrenpotenzial wir so lange nicht
kennen, bis wir mit ihnen konfrontiert wurden.
Und dann ist da natürlich noch der simple Gedanke, dass die Offenbarung unserer Existenz
die Raumschiffe der anderen anlocken könnte – sei es, um uns zu vernichten oder um das
Sonnensystem zu kolonisieren.
Bitte versteht mich hier richtig – diese gesamte Aufzählung war rein spekulativ, aber
sie zeigt ein glaubwürdiges Spektrum der Gefahr.
Diese Gefahr sehen übrigens überaus namhafte Figuren unserer Zeit.
So warnte Stephen Hawking immer wieder, zuletzt 2017, vor einem ersten Kontakt mit Außerirdischen.
„One day” so Hawking, “we might receive a signal from a planet […], but we should
be wary of answering back.”
“Wir müssten nämlich nur uns selbst anschauen,“ sagte er anderer Stelle, „um zu sehen, dass
intelligentes Leben sich möglicherweise zu etwas entwickelt, was wir nicht treffen wollen.“
Wie Hawking argumentieren auch viele andere Wissenschaftler und beim Breakthrough Starshot
Projekt läuft eine hitzige Diskussion darüber, wie riskant potenzieller Kontakt mit anderen
ist.
Ist das Fermi-Paradox selbst vielleicht gar der Grund für seine eigene Existenz?
Betrachten wir mal folgende Argumentationskette: wenn die Galaxie voll von Leben wäre, dann
ist es unwahrscheinlich, dass wir die ersten sind, die Kontakt mit anderen aufnehmen werden.
Und da wir nie Zeuge irgendwelcher Kontaktversuche geworden sind, gibt es ja möglicherweise
einen sehr realen Grund für alle anderen, dies nicht zu tun.
Das Fermi-Paradox ist dann nicht Paradox, sondern eine Warnung.
Eine ganz ähnliche Denkweise wurde kürzlich in einem erfolgreichen chinesischen Science-Fiction
Roman mit dem passenden Namen „Der Dunkle Wald“ diskutiert.
Dort erkennt der Protagonist, dass die extremen Distanzen zwischen Sternen eine unüberwindliche
Kette des Misstrauens erzeugen.
Konflikt ist immer unvermeidlich.
Es sei daher, heißt es im Roman, im Interesse einer jeden Zivilisation, ihre Welt geheim
zu halten – und zwar so lange, bis sie selbst in der Lage ist, die anderen zu vernichten.
Das ist ein sehr düsterer Entwurf – und tatsächlich ist er auch mehr Fiction als
Science.
Das mit dem Verstecken selber nämlich ist so eine Sache.
Klar, wir selbst haben nur wenige Male wirklich aktiv Kontakt mit der Galaxie aufgenommen
– etwa in Form der Voyager-Schallplatte oder der Arecibo-Nachricht von 1974. 2012
wurde eine Antwort auf das WOW-Signal von 1977 ins All geschickt – eine Sammlung von
10.000 Twitter-Nachrichten und unter anderem ein Video von Stephen Colbert, in dem er Aliens
darauf hinweist, dass wir Menschen nicht besonders lecker seien.
Ernsthaft.
Dann schicken wir natürlich seit ziemlich genau 100 Jahren pausenlos Radiosignale in
den Kosmos.
Damit hat unsere Radio-Bubble, jener sphärische Bereich, in dem unsere Radiosignale zu finden
sind, mittlerweile weit über 1000 Sternensysteme erreicht.
Das Erkennen geschweige denn das Dekodieren dieser Radiosignale ist gelinde gesagt schwierig.
Selbst eine weit fortgeschrittene Zivilisation 50 Lichtjahre entfernt hätte große Probleme,
die Mondlandung live mitzuerleben.
Aber das brauchen sie auch nicht.
Wir Menschen haben unsere Existenz schon lange verraten bevor auch nur das erste Leben an
Land ging.
Das Ozon in unserer Atmosphäre ist potenziell in der gesamten Galaxie sichtbar – und es
ist untrüglicher Hinweis auf Leben.
Damit Ozon langfristig existieren kann, muss es ständig aus freiem Sauerstoff neu gebildet
werden.
Und dieser freie Sauerstoff kann nur das Ergebnis von Leben sein.
Würde dieser nämlich nicht ständig von Organismen nachproduziert, würde er in kürzester
Zeit vorhandene Elemente oxydieren und aus der Atmosphäre verschwinden.
Unser Ozon ruft laut durch die Galaxis: hier leben wir!
Verstecken scheint unter diesen Voraussetzungen nicht einmal möglich zu sein.
Im besten Fall könnten wir digitale Kopien von Menschen und anderen Lebensformen tief
im Inneren eines abgelegenen Eisobjekts im Kuipergürtel parken und hoffen, dass diese
Kopie des Lebens der Erde nicht entdeckt wird.
Wie lautet unser Fazit?
Zunächst mal scheint es zwar nachvollziehbar, dass man als junge galaktische Zivilisation
möglichst wenig Aufmerksamkeit erzeugen will, aber die bittere Wahrheit ist, dass man sich
im All nicht verstecken kann.
Wann immer eine Spezies beginnt, dies in Erwägung zu ziehen, hat sie vermutlich bereits Jahre
lang Radiosignale in den Raum geschickt und seit Jahrmilliarden prangt ein Label an ihrem
Planeten: „Spiro, ergo sum!“
– ich atme, also bin ich!
Von der anderen Seite betrachtet – wir wissen nichts über die möglichen Motivationen von
anderen, das Leben in einem Sternensystem auszulöschen; aber allein die Tatsache, dass
dies mit uns noch nicht passiert ist, scheint anzudeuten, dass es keine galaktische bösartige
Alienrasse a la Reapers oder Borg gibt, welche die Milchstraße mit Tod und Verderben überzieht.
Die wären nämlich vermutlich längst hier gewesen oder hätten uns aus sicherer Distanz
vernichtet.
In der nächsten Folge betrachten wir das Gegenteil – nämlich absichtliche Kommunikation
unter galaktischen Zivilisationen.
Wenn ich mich nämlich erst gar nicht verstecken kann, dann ist es vielleicht sinnvoller, anderen
mitzuteilen, dass dieses Sonnensystem schon bewohnt ist und wir ganz gern weiterleben
würden – Dankeschön.