Podcast #1: Das Kommando Spezialkräfte der Marine - Bundeswehr (1)
Delta to all, Radiocheck, over Hier ist Bravo, kommen
This is Tango over Funkkreis, Podcast der Bundeswehr
A: Mein Name ist Jasmin Brünnecke und heute kommt der Podcast aus Berlin.
Die Meisten haben schon mal von Spezialeinheiten wie dem KSK, dem SEK oder den Kampfschwimmern
der deutschen Marine gehört.
Und vielleicht auch von den harten Auswahlverfahren.
Viele Bewerber zu solchen Spezialkräften scheitern schon bei der Einstellungsprüfung,
deshalb gibt es in diesen Einheiten auch hohen Personalmangel.
Also wer besteht solche harten Auswahlverfahren und was ist das für ein Mensch, der so einen
außergewöhnlichen Beruf wählt.
Neben mir sitzt jetzt Tilo Baier, Kampfschwimmer von Beruf und mein heutiger Gast.
Hallo Tilo.
B: Danke, dass ich heute hier sein darf, bei euch in Berlin, in der Redaktion.
Danke für die Einladung.
Schön, dass das geklappt hat.
A: Schön, dass Du gekommen bist.
Tilo, jetzt muss ich ganz ehrlich gestehen, also wenn man so hört, Kampfschwimmer, dann
hat man ein Bild im Kopf und ich stell mir dann immer vor so ein riesen Tier von Kerl,
breite Schultern, böses Gesicht, strenge Stimme und dann kommst du rein und bist der
Sonnenschein hier.
Blonde Haare, blaue Augen, immer ein Grinsen im Gesicht das ist ganz das Gegenteil.
Wie ist das Leben als Kampfschwimmer würde ich gerne wissen und wie ist dein Werdegang?
Wenn wir da in den nächsten Minuten drüber reden könnten wäre das schön, wenn du ein
bisschen aus dem Nähkästchen plaudern könntest.
B: Ja, sehr sehr gerne.
Also prinzipiell selektieren wir natürlich nicht nach Aussehen.
Also nicht jeder muss ein riesen Schrank sein.
Das gibt's natürlich auch, ist aber nicht immer von Vorteil.
Wenn man lange dauerhaft sich zum Beispiel durch den Wald bewegt, irgendwo hinrennen
muss oder weit dann ist das natürlich von Nachteil, wenn ich riesengroße Muskelberge
mitbewegen muss.
Das heißt, wir suchen immer den Allrounder.
Jemand der schnell schwimmen kann, jemand der lange viel laufen kann und jemand der
natürlich auch die entsprechende Kraft mit sich bringt.
Ja, da wird also nicht nach Aussehen selektiert.
Und wir brauchen die Leute die alles können.
Nicht den Typen der nur wahnsinnig viel Kraft hat, sondern eben den, der auch ein bisschen
was im Kopf hat.
A: Jetzt stelle ich mir das Auswahlverfahren ziemlich schwierig vor.
Wie ist so da die Durchfallquote, weißt du sowas?
B: Ja, die ist sehr sehr hoch.
Bei mir persönlich war es zum Beispiel so, dass wir in der Hallenausbildung, das ist
so die allererste Station die man durchlaufen muss, eben um Tauchsicherheit zu bekommen,
das Tauchgerät kennenlernt mit dem Apnoetauchen was man so aus dem Fernsehen kennt da haben
bei mir im Lehrgang 32 angefangen.
Nur zwei sind am Ende weitergekommen und durften irgendwann den Fisch tragen und sind Kampfschwimmer
geworden.
A: Ach du lieber Gott.
Jetzt musst du dazu sagen, Apnoetauchen ist nur Luft anhalten und runter, ja?
B: Genau, genau.
Das macht man in der Halle und auch im Freiwasser damit man eben im Körper einfach mal fühlt
wie sich das anfühlt, wenn ich ohne Sauerstoff tauchen muss.
Was passiert, wenn mein Körper langsam so reagiert wie er dann reagiert, unter Wasser
eben ohne Sauerstoff.
Das muss man natürlich kennenlernen und im Freiwasser dann selber einschätzen können.
A: Okay, jetzt sind wir schon bei Skills also Fertigkeiten die ihr können müsst.
Was musst du denn alles so können?
B: Insgesamt dauert die Ausbildung drei Jahre.
Deswegen muss man eine ganze Menge können.
Das fängt natürlich an mit eben sowas wie unter Wasser umgehen können mit dem Tauchgerät,
mit dem Kompass navigieren können, mit dem Zusatzgerät.
Wir haben ganz viel Unterwasserschwimmhilfen die einen hohen technischen Verstand erfordern
und dann geht's natürlich, da wir weltweit überall operieren, in jeder Klimazone, geht
das immer weiter.
Man muss jedes Vehikel also Jet-skis oder Ski-dos oder was auch immer beherrschen.
A: Quads wahrscheinlich auch?
B: Genau.
Wir haben ganz ganz viele Fahrzeuge die man beherrschen muss.
Wir haben ganz viele verschiedene technische Hilfsmittel.
Wir haben Fallschirme.
All das muss man natürlich können, beherrschen und im Einsatz tatsächlich bedienen können.
A: Also habe ich das richtig verstanden, du agierst also in der Luft, im Wasser und auf
Land?
B: Genau.
A: Also alles?
Wenn man jetzt erst mal den Begriff hört, „Kampfschwimmer“, dann denkt man an Taucher.
Also so Navy Seals irgendwie.
B: Richtig.
A: Menschen, die aus dem Wasser steigen mit Gewehr oder Pistole.
B: Genau.
Gerade Navy Seals ist ein gutes Beispiel, die seit vielen vielen Jahren in Afghanistan
agieren und dort arbeiten.
Die natürlich nicht tauchen.
Das gehört zum Auftrag dazu.
Wir haben drei Grundaufträge.
Spezielle Aufklärung hinter feindlichen Linien, eben Informationen zu beschaffen oder die
„direct action“, das heißt die direkte Aktion bei Geiselbefreiung oder bei Festsetzen
von Personen und die „military assistance“.
Das heißt, wir unterstützen befreundete Spezialeinheiten dort in der Ausbildung und
das sind die drei Spezialkräfteaufgaben und das machen wir weltweit in allen Klimazonen.
A: Jetzt ist wahrscheinlich jedem in der Bundeswehr bewusst, dass ihr vorne unterwegs seid.
Ihr seid eine Elitekampfeinheit.
Habt ihr dann auch spezielle Bewaffnung, also spezielle Waffen in Ausführungen, die wir
jetzt als Soldaten, „Sesselpuper“, hier in der Redaktion der Bundeswehr natürlich
nicht in die Hand kriegen?
B: Also Sesselpuper würde ich nicht sagen, aber wir haben natürlich für jeden erdenklichen
Einsatz ganz viele Waffen.
Also jeder Kampfschwimmer hat so sein eigenes Arsenal, sag ich mal, an Waffen und kann dann
eben für den einzelnen Einsatz entscheiden, was er braucht, welche Optik er braucht, welchen
Schalldämpfer er benutzt, welches Handstück er benutzt, welches Schulterstück er benutzt.
Das kann man alles individuell einstellen an jeder Waffe.
A: Das heißt, du hast einen Waffenschrank?
Du gehst da rein und sagst: „Heute ist Mali, da nehme ich das und das“?
B: Ja, eine große Waffenkammer.
Das ist natürlich auftragsabhängig und der Teamführer entscheidet letztendlich was er
im Team braucht.
Der Scharfschütze hat natürlich eine andere Waffe dabei als der normale Trooper oder wenn
ich einen speziellen Auftrag habe und weiß jetzt schon ich muss in den ganz engen Raum,
dann kann ich natürlich nicht das G36 mitnehmen und entscheide mich eher für die MP7 oder
nur für die Pistole.
Und dann haben wir ganz viele verschiedene Pistolen.
Das fängt an von der P11, die unter Wasser schießen kann, über die Glock 17 die ja
aus Österreich kommt.
A: Ja, die ist schön, die ist klein.
B: Genau, die ist klein.
Wir arbeiten schon mit der P30 von Heckler und Koch.
A: Und jetzt hast du eben schon grob erwähnt, wie muss ich mir das vorstellen?
Geht ihr dann eher in kleineren Gruppierungen los?
B: Ja, im Team sind 16 Leute mit dem Teamführer zusammen der in seinem Fireteam, das sind
immer vier, bisschen hinten bleibt, weil er hinten führen muss.
Also 20 Leute in einem Einsatzteam und wie eben schon gesagt sind in einem Fireteam dann
vier Leute.
Das heißt, ich kann die 20 Leute splitten wie ich möchte.
A: Okay, kannst du auch mal acht mitnehmen aber die vier bleiben zusammen die werden
nicht nochmal irgendwie getauscht?
B: Das Allerkleinste was geht sind zwei Leute, „Rottenbuddies“ nennt man das.
So kann man zum Beispiel tauchen gehen.
Das ist die allerkleinste zusammenarbeitende Gruppe, wir können also zwei bis zwanzig.
A: Und ist das dann eine Person die bei dir bleibt?
Auch später in deinen durchgängigen Einsätzen oder wird das immer wieder durchgetauscht?
B: Das wird durchgetauscht.
Das kommt auf die Einsätze an, die Spezialisierung die ich gerade brauche, welche Spezialisierung
der Teamchef gerade braucht, was angefordert wird, was benötigt wird.
Man versucht aber tatsächlich immer zwei zusammenarbeiten zu lassen, weil die sich
dann natürlich sehr sehr gut kennen und wichtig ist es manchmal zum Beispiel, wenn man schnell
in ein Haus reingehen möchte, das Haus nimmt, eine Person festsetzt, muss das unglaublich
schnell funktionieren und dann kann man nicht mehr reden, diskutieren oder irgendwelche
Zeichen abmachen, sondern das funktioniert dann über Körpersprache.
Wenn er sieht, dass ich nach rechts möchte dann geht er automatisch nach links und so.
Also je besser man sich kennt, desto besser funktioniert das dann.
A: Das kann ich mir vorstellen, also so eng zusammenarbeiten, dass man auch Körpersprache
lesen kann von demjenigen.
B: Genau, das passiert automatisch.
Wir sind ein Team was immer zusammenarbeitet, was immer zusammen ist, was alles zusammen
macht, alle Übungen zusammen, alle Einsätze zusammen und das passiert automatisch.
A: Das heißt, ihr verbringt ja sowieso im Dienst schon sehr sehr viel Zeit miteinander.
Macht man dann privat auch noch was miteinander?
B: Ja, das kommt tatsächlich vor, dass vor allem die Frauen der Kampfschwimmer was zusammen
machen.
Also zumindest alle, die in Eckernförde wohnen und in der Umgebung von Eckernförde, weil
wir in Eckernförde stationiert sind machen die Frauen relativ viel miteinander zusammen.
Wir haben bei uns auch integrierte Familienbetreuung, die da sehr sehr viel macht.
Das heißt, wir grillen zusammen, auch in der Freizeit wir treffen uns zusammen, das
kommt sehr sehr häufig vor.
Ja, wir sind tatsächlich privat auch alle befreundet.
A: Jetzt haben wir Eckernförde schon ein paar Mal genannt: Also das ist dein Stützpunkt,
der Heimatstandort der Kampfschwimmer in Eckernförde in Norddeutschland.
Du hast jetzt eben schon vom Zusammenhalt erzählt, von Familie und so.
Ist man dann noch Arbeitskollege oder ist man dann schon eine Großfamilie?
B: Ja, das fühlt sich tatsächlich wie Familie an und das ist auch immer.
Also ich habe die Ausbildung zum Offizier gemacht, nachdem ich lange lange Zeit im Einsatzteam
war und als Ausbilder tätig hab ich die Ausbildung zum militärischen Fachoffizier gemacht und
war zwei Mal auf Lehrgang.
Einmal elf Monate und einmal sieben Monate und das fühlte sich als ich dann wieder nach
Eckernförde versetzt wurde wie nach Hause kommen an.
Und es ist tatsächlich so, dass es eine große Familie ist, man sich wirklich freut nach
Eckernförde zu kommen und dort seinen Dienst wieder tun zu können und alle wieder zu treffen.
A: Ja, das glaube ich.
Wenn wir jetzt schon mal beim Thema Familie sind: Wie geht deine Familie so mit Einsätzen
um?
Jetzt habe ich noch gar nicht gefragt wie oft du in Einsätze gehst, aber danach können
wir ja gleich nochmal fragen.
Also es ist ja nun ein harter Job.
Der ist auch mit einem hohen Risiko verbunden.
Wenn du in den Einsatz gehst, dann bist du da wo es knallt und brennt, wo es hart ist.
Wie geht so deine, ich sag jetzt mal Mama, Papa, Geschwister, Freundin; wie gehen die
so damit um?
B: Ja, gerade das darf man eben nicht zu Hause erzählen.
Man darf keine Einzelheiten erzählen.
Die wissen natürlich, dass man im Einsatz ist und was man so ungefähr auf Arbeit tut.
Aber sie dürfen halt keine Einzelheiten wissen.
Wir haben das immer so gehandhabt.
Wenn ich unterwegs war und mich nicht gemeldet hab, dann geht's mir gut.
Weil wenn was passieren würde, wären die natürlich die Ersten, die informiert worden
wären, weil das dann tatsächlich ein sehr sehr enges Netzwerk ist.
Aber für die war das immer in Ordnung.
Also meine Eltern sind sehr sehr stolz darauf was ich mache und meine Familie ist sehr sehr
stolz darauf und meine Freundin ist stolz darauf was ich mache und wir haben das so
gehandhabt.
Tatsächlich, dass ich keine Einzelheiten erzähle und auch niemand nachfragt.
A: Okay, das ist auch besser wahrscheinlich.
Dann fängt das ja auch an zu rattern.
Also wenn ich jetzt wüsste, mein Freund, meine Freundin ist irgendwo und muss da irgendein
Haus stürmen und dann wird sie beschossen so, ach dann könnte ich gar nicht pennen.
Also selbst wenn man weiß, ihr seid Profis.
Ihr seid genau für diese Zwecke ausgebildet, es kann immer mal irgendwas passieren.
Deswegen kann ich verstehen, dass man vielleicht nicht drüber nachdenkt.
B: Genau.
Deshalb besprechen wir Einzelheiten untereinander im Team.
Wahninnig guter Verarbeitungsprozess ist tatsächlich der Humor.
A: Ja?
Sarkasmus?
B: Sarkasmus ist sehr sehr gut.
Wir können viel und oft drüber lachen.
Es gab viele brenzlige Situationen.
Tatsächlich in Einsätzen, die aber immer gut gegangen sind.
Also kann man hinterher drüber lachen.