Der Untergang der Sowjetunion I Geschichte
Auf jeden Fall sind sie der Anfang vom Ende der Sowjetunion.
In diesem Video erkläre ich euch alles, was ihr dazu wissen müsst,
und welche Rolle Michail Gorbatschow dabei spielt,
und was die Folgen waren.
Am 11. März 1983 wird der damals 54-jährige Michail Gorbatschow
zum Generalsekretär des Zentralkomitees
der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt.
Als mächtigster Mann im gesamten Ostblock
wird er jedoch sofort mit einer Reihe von Problemen konfrontiert.
Die Planwirtschaft der Sowjetunion funktioniert nicht,
die gesellschaftlichen Strukturen sind verkrustet.
In Afghanistan
führt die Supermacht einen Krieg, den sie nicht gewinnen kann.
Und das Wettrüsten mit den USA hat den Staatshaushalt ruiniert.
Die Sowjetunion ist sozusagen pleite.
Die BürgerInnen sind unzufrieden mit ihrer Führung.
Was tut Gorbatschow?
Er stößt einen umfassenden Reformprozess an.
Die beiden Schlagwörter sind Glasnost und Perestroika.
Glasnost erklärt Gorbatschow so:
Das ist tatsächlich eine Revolution.
Denn bisher war es allein Angelegenheit
der Kommunistischen Partei, die, und das ist gar nicht satirisch gemeint,
den wissenschaftlich erwiesenen Weg zum Paradies auf Erden kennt
und zu entscheiden hat, wer eine Meinung haben darf und wer nicht.
Nun soll Meinungs-Pluralismus herrschen.
Man darf sich also im Ostblock nun offen beschweren
und über verschiedene politische Ansätze diskutieren.
Bisher hat die Rote Armee solche Bewegungen in der DDR, Ungarn,
in der Tschecheslowakei oder in Polen niedergeschlagen,
durch Perestroika, auf Deutsch Umgestaltung,
will Gorbatschow die Verwaltung und Strukturen von Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik modernisieren.
Er sagt sogar: "Wir brauchen Demokratie wie die Luft zum Atmen."
Aber wie sieht das konkret aus?
Auf lokaler Ebene
dürfen in der Partei auf einmal mehrere Kandidaten antreten,
mehrere Kandidaten der Kommunistischen Partei natürlich,
nicht Kandidaten von mehreren Parteien,
so weit soll es dann doch nicht gehen.
Außerdem soll die Gesetzgebung
von einem Volksdeputiertenkongress übernommen werden.
Damit entsteht
so was wie Gewaltenteilung zwischen Parlament und Zentralkomitee
bzw. Regierung.
Gorbatschow führt sogar das Amt eines Präsidenten der Sowjetunion ein,
der vom Kongress gewählt wird
und dem der Kongress seine Macht auch wieder abnehmen kann.
Auch in der Wirtschaft wird umgebaut,
es werden marktwirtschaftliche Elemente eingeführt.
Betriebe dürfen mehr produzieren als staatlich vorgegeben
und das auch frei verkaufen.
Die Preise werden aber nach wie vor vom Staat festgelegt.
Außerdem gibt der Staat noch immer vor, was hergestellt werden soll.
Außenpolitisch wirkt sich die Umgestaltung auch aus:
Im Sinne der Offenheit sollen nun die Staaten in Mittel- und Osteuropa,
die unter der Kontrolle der Sowjetunion stehen,
ihre eigene Politik machen dürfen.
Die Regierungen vor Ort sollen den besten Weg für ihre Völker finden.
Früher galt die Breschnew-Doktrin. Sie besagt:
Die Sowjetunion behält sich das Recht vor in den Staaten einzugreifen,
wenn sie der Meinung ist, dass dort der Kommunismus bedroht ist.
Jetzt nennt man die neue Linie Gorbatschows
die Sinatra-Doktrin
nach einer Zeile im Text von Frank Sinatras Song: "I did it my way".
Wozu führt die Reformpolitik von Michael Gorbatschow?
In der Kommunistischen Partei gibt es jetzt 2 Lager,
die Reformer um Gorbatschow und die konservativen Kräfte,
denen die Öffnung zu weit geht.
In den Staaten in Mittel-und Osteuropa
beginnen überall Reformprozesse.
Teilweise wird sogar die Herrschaft der Kommunisten
auf friedliche Weise beseitigt.
Nur in der DDR tut sich erst mal nichts.
In der Wirtschaft bricht Chaos aus.
Nur ein Beispiel: Gorbatschow hebt die Kontrolle der Löhne auf.
Das führt dazu, dass sich Löhne teilweise gigantisch erhöhen.
Aber dahinter steht ja keine größere Leistung.
Es ist also viel Bargeld unterwegs,
aber zu kaufen gibt es nur den alten Kram.
Spitzenprodukte oder Produkte aus dem Westen werden wahnsinnig teuer.
Der Planwirtschaft
marktwirtschaftliche Elemente hinzuzufügen, das reicht nicht.
Die Ergebnisse der Reformen sind katastrophal.
Die Wirtschaftsleistung sinkt dramatisch.
Dafür steigen die Preise um mehr als das Doppelte.
In den Geschäften werden sogar die Grundnahrungsmittel knapp.
Die Lebensumstände verschlimmern sich für viele.
Auch im Vielvölkerstaat selbst
sorgen die Reformen für Unsicherheit und Chaos.
Offiziell gibt es 125 sowjetische Völker.
Wenn man sich die ethnischen Gruppen anschaut,
kommt man sogar auf 800 Ethnien.
Zwar gibt es organisatorisch 21 Sowjetrepubliken,
zum Beispiel die Ukrainische oder die Armenische oder die Lettische
Sozialistische Sowjetrepublik,
aber nur in 5 dieser Republiken stellt das Volk,
nachdem die Republik benannt ist, auch die Bevölkerungsmehrheit.
Das führt zu allerhand Konflikten.
Aber bisher hielt die Kommunistische Partei
den Deckel auf den Dampfkochtopf aus nationalen Strömungen.
Michail Gorbatschows Politik jedoch bewirkt,
dass der Deckel gelüftet wird, und das Ganze fliegt in die Luft.
Gorbatschow hat ja den kommunistischen Staaten
in Mittel- und Osteuropa quasi den Weg in die Freiheit geebnet.
Und die Völker gehen diesen Weg dann auch tatsächlich.
Im August 1989 wird Polen ein demokratischer Staat.
Im September 1989 erklärt sich Ungarn zur Republik.
Im November 1989 fällt die Berliner Mauer.
Im Dezember ist die Tschechoslowakei kein kommunistischer Staat mehr usw.
Diese unblutigen Freiheitsbewegungen
wirken sich natürlich auch auf die Völker in der Sowjetunion aus.
Als Erstes erklären sich die 3 baltischen Nationen
Litauen, Estland und Lettland im März für unabhängig.
Im Juni 1991 wird in der größten Sowjetrepublik, also in Russland,
auf demokratischem Wege ein Präsident gewählt,
der Radikal-Reformer Boris Jelzin.
Er erklärt, dass Russland aus der Sowjetunion austritt.
Die Sowjetunion hat offiziell den Namen
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSR.
Dass eine Republik austreten kann, steht zwar in der Verfassung,
aber bisher war klar, dass dann die Armee anrückt.
Gorbatschow ist zwar Präsident der UdSSR,
aber es zeigt sich,
dass die Zentralregierung immer mehr Macht verliert.
Im Baltikum kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Roten Armee.
Zwar nicht mehr so dramatisch wie in den 50er und 60er Jahren,
aber noch immer kommen Menschen zu Tode.
Aber Widerstand gegen diesen Zerfall regt sich, auch in der Politik.
Reformunwillige Politiker und Hardliner,
die im sowjetischen Sicherheitsrat sitzen, führen einen Putsch aus.
Mitte August erklären sie Gorbatschow für abgesetzt.
Der sitzt derweil
unter Hausarrest und unter Bewachung in seinem Ferienhaus auf der Krim.
In ganz Moskau stehen Panzer, die Medienhäuser sind besetzt.
Aber die Putschisten haben die Rechnung ohne Boris Jelzin gemacht.
Der erklärt den Putsch ungesetzlich.
Er bündelt demokratischen Kräfte und widersetzt sich der Gewalt.
Jelzin und das Parlament verschanzen sich im Weißen Haus,
natürlich nicht im Weißen Haus in Washington,
auch in Moskau gibt es ein Weißes Haus, es ist der Parlamentssitz.
Die Putschisten wollen das Gebäude stürmen,
aber die Bürger von Moskau
haben Barrikaden errichtet und verhindern das.
Die allermeisten Soldaten folgen Jelzin.
So bricht der Putsch zusammen.
Als Gorbatschow zurückkehrt,
ist er nur noch dem Namen nach Präsident der UdSSR,
denn die UdSSR hat in den Augen der Bevölkerung
jetzt jede Rechtmäßigkeit verloren.
In Russland verbietet Jelzin die Kommunistische Partei.
Zusammen mit den Präsidenten von insgesamt 11 Teilstaaten
löst sich die Sowjetunion am 21.Dezember 1991 auf.
4 Tage später tritt Gorbatschow als Präsident zurück.
Das Ende der UdSSR verläuft relativ unblutig,
wenn man das mit anderen Revolutionen in der Geschichte vergleicht.
Aber die Nationalitäten-Konflikte selbst verlaufen nicht friedlich.
Anfang 1991 gibt es Dutzende Nationalitäten-Konflikte.
Ende 1991 sind es schon über 150.
Nach dem Ende der Sowjetunion gibt es in vielen Staaten
bis heute teilweise kriegerische Auseinandersetzungen.
Wie ist jetzt die Rolle von Michael Gorbatschow zu bewerten?
Wir sehen heute das, was bei Glasnost und Perestroika herauskam,
das Ende der kommunistischen Diktatur und das Ende des Kalten Krieges.
Gorbatschow hat die Weltgeschichte verändert.
Was wir aber übersehen, ist das, was er eigentlich will.
Sein Ziel ist nämlich etwas ganz anderes:
Er will den Kommunismus retten.
Innerhalb der Kommunistischen Partei
soll offen über Missstände und Politikansätze diskutiert werden.
Freie Wahlen sollen innerhalb der Partei stattfinden,
damit nicht mehr die Seilschaften die Macht haben,
sondern die Besten an die Spitze kommen.
Offenheit in der Politik bedeutet für Gorbatschow,
dass man innerhalb des Systems Kommunismus darüber redet,
wie man am besten bestimmte Ziele erreichen kann,
nicht, dass man das System selbst infrage stellt.
Ich zitiere den Generalsekretär: "Mehr Sozialismus
bedeutet ein besseres und reicheres Leben für das Volk."
Aber es ist nun mal so: Wenn man den Menschen erlaubt
nachzudenken und zu diskutieren, lassen sie sich nicht bremsen.
Natürlich steht dann jemand auf und sagt:
"Wieso lassen wir das nicht ganz sein mit dem Kommunismus?
Die Leute in Westeuropa fahren doch ganz gut mit der Demokratie."
Ich denke, Gorbatschow hat den Kommunismus so verinnerlicht,
dass er, bei aller Intelligenz, sich nicht vorstellen konnte,
dass sich die Bürger für etwas ganz anderes entscheiden könnten.
Wie sagt man so schön:
Wenn die Zahnpasta erst mal aus der Tube ist,
bekommt man sie nicht mehr hinein.
Noch heute ist es so, im Westen ist Gorbatschow ein Held,
in Russland gilt er bei vielen als Verräter und Versager.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagt sogar,
dass der Zerfall der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe sei
und dass er ihn rückgängig machen würde, wenn er könnte.
Der Zerfall der Sowjetunion hat bis heute Nachwirkungen,
auf die viele Nationalitätenkonflikte habe ich schon hingewiesen.
Außerdem würde ich sagen, dass der Krieg in der Ukraine
und die Situation auf der Krim 2014 und folgend
auch mit dem Zerfall der UdSSR zusammenhängt.
Wie seht ihr das: Glück oder Unglück?
Ist Gorbatschow ein Held oder ist er gescheitert?
Oder ist er irgendwo dazwischen?
Schreibt es in die Kommentare.
Würde mich sehr interessieren, was ihr darüber denkt.
Neben mir ein Video über den Kalten Krieg. Was war das überhaupt?
Und unter mir ein Video über die Frage,
gibt es gerade eine Art neuen Kalten Krieg?
Schaut gerne rein. Abonniert uns auch gerne bei Instagram und YouTube.
Genug geworben, danke fürs Zuschauen, bis nächstes Mal.
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)