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Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku, Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (3)

Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (3)

Tschüss!

Es gibt viele seltsame Kurse vom Jobcenter.

Die Trainerinnen haben jedenfalls Arbeit.

So viel steht fest.

In diesem kleinen Laden in Stuttgart

werden auch Arbeitssuchende im Auftrag vom Jobcenter gecoacht.

Gemeinsam kochen und essen. Das hält fit.

Und zumindest offiziell ist man gar nicht mehr arbeitslos,

wenn man hier mitmacht.

Auch hier, mitten in Stuttgart,

bietet das Jobcenter einen interessanten Kurs an.

Er heißt: "Besser schlafen - Entspannt durch den Tag".

Das Problem ist, find ich, beim Jobcenter ...

Es werden Kurse gekauft,

aber es kommen gar nicht so viele Menschen.

Ne? Das heißt, es werden Gelder verschleudert.

Wenn dann mal ein Fall da ist, er möchte das wirklich machen,

darf man es nicht mehr machen, weil keine Gelder da sind.

Wenn ich sag, Leute, ich brauch was zu tun,

gebt mir eine Maßnahme oder irgendeinen Job oder sonst was,

krieg ich das dementsprechend schon auch.

Aber manche Maßnahmen sind einfach so,

die helfen mir in dem Sinn nicht.

Und die, wo mir helfen könnten, die krieg ich meistens nicht.

Oder ich darf nur die zwei Wochen mitmachen, danach ist vorbei.

Die Führerschein-Theorie hat sie selbst gemacht.

Aber die Fahrstunden übernimmt das Jobcenter nicht.

Ich hatte alles geklärt, komplett alles.

Und jetzt darf ich es nicht mehr machen.

Solche Stellenangebote findet sie täglich.

Da würde sie sich gerne bewerben.

Aber das funktioniert nur mit einem Führerschein.

Das Auto wäre das kleinere Problem, aber der Führerschein ...

In Städten mit gutem öffentlichen Personennahverkehr

scheitert die Jobsuche weniger am Führerschein.

In Stuttgart braucht man nicht unbedingt ein Auto,

um zur Arbeit zu kommen.

Mit S-Bahn und Straßenbahn geht das oft auch.

Aber Stephanie kann sich die Mieten in Stuttgart nicht leisten,

und das Geld für einen Umzug bekommt sie auch nicht zusammen.

Wie geht hier das Jobcenter mit Langzeitarbeitslosen um?

Es arbeitet eng zusammen mit einem großen Konzern:

Ingeus, im selben Gebäude.

Bernd Zimmermann ist einer von über 100 Langzeitarbeitslosen,

die das Jobcenter pro Monat zu Ingeus schickt.

Seit Jahren schon findet er immer nur für kurze Zeit Arbeit.

Er muss sich immer wieder beim Jobcenter melden

und die minimale Grundsicherung beantragen.

Zu Hause hat er weder Computer noch Internet.

Manchmal hängt's nur an Kleinigkeiten,

wie sich dann die Firmen entscheiden für einen Bewerber,

der genommen wird, der eingeladen wird zum Vorstellungsgespräch

beziehungsweise zu Probearbeit.

Das ist ein bisschen Glücksache, würde ich sagen.

Bei einer war ich zum Probearbeiten, hab aber keinen Vertrag bekommen.

Warum, weiß ich nicht.

Mir wurde gesagt, an mir liegt es nicht.

Ich hab in einer Firma gearbeitet,

jeden zweiten Samstag siebeneinhalb Stunden.

Also, er ist ... ein gut ausgebildeter Werkzeugmacher.

Er hat Anfang der 80er-Jahre, damals noch in Ostdeutschland,

seine Ausbildung gemacht.

Und die war wirklich sehr, sehr gut, hat dort auch permanent gearbeitet,

ist dann Anfang der 90er nach Westdeutschland gekommen sozusagen

und hat insgesamt um die 30 Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich,

als Werkzeugmacher, als CNC-Fräser.

Also, er ist eigentlich top ausgebildet,

und von daher ist er sehr wertvoll für die Firmen hier.

Auch Bernd Zimmermann muss immer wieder

bei Coaching-Kursen vom Jobcenter mitmachen.

Zum Beispiel bei dieser gesund- heitlichen Beschäftigungsmaßnahme.

Sechs Arbeitslose hat das Jobcenter geschickt,

aber nur zwei sind gekommen.

Die Trainerin gibt sich trotzdem Mühe.

Heute auf dem Stundenplan: Bewegung im Büro.

Ja, welche Bewegungsarten,

was kann man am Tag noch mehr machen,

um sich noch mehr zu bewegen?

Das ist gesund, wenn man viele Stunden im Büro sitzen muss.

Natürlich auch sonst.

Hauptsache, immer in Bewegung bleiben.

So, dann können Sie die Hände benutzen.

Und wieder hoch. Zwei ... eins ...

(Ein Mann stellt eine Frage.)

Ja, machen Sie weiter.

Gucken Sie, dass die Knie nicht zusammengehen, genau.

(Handyklingeln) Oh Gott. Uiuiui.

Gucken Sie, dass die Knie nicht zusammengehen, genau.

(Handyklingeln) Oh Gott.

So atmen, wie wenn Sie einen Ballon aufblasen.

(Ausatmen)

Durch den Mund aus. Sie können auch mitmachen.

Merken Sie, wie schnell der Puls runtergeht?

Ja, mir ist schwindlig ... - Ja?

Trainerin Monika Bühlmayer hält gleich auf demselben Flur

einen Kurs, um alle intensiv auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten.

Ein absolutes Pflichtprogramm - auch für die, die das schon kennen.

Alle sollen einstudieren,

was die Personalchefs gerne hören und sehen wollen.

Auch Bernd Zimmermann ist mal wieder dabei.

Die richtige Haltung sei wichtig.

Die Einstellung. Die Motivation.

Jeder von Ihnen hat 100-prozentig gute Fähigkeiten.

Und dann frage ich Sie,

woran das liegen könnte, dass Sie so oft arbeitslos sind.

Und dann sollten Sie selbst darüber nachdenken,

ob es auch ein bisschen Ihr Fehler war.

Weil die Räumlichkeiten, die Berater muss bezahlt werden.

Und das Jobcenter verspricht sich natürlich auch durch diese Maßnahme,

dass wir Ihnen ein paar Tipps geben, wie auch immer,

bei den Bewerbungen helfen, bei der Stellensuche.

Es ist letztendlich ein Verkaufsgespräch.

Also, sich bewerben, da ist das Wort Werbung drin.

Sie machen für sich Werbung.

Versuchen Sie bitte nachzuhaken, warum.

Also am besten halt Interesse zeigen,

wie lange zum Beispiel dauert die Einarbeitungszeit für mich ...

oder, ähm ...

Du musst in Deutschland ein halbes Jahr deine Probezeit,

egal, ob es eine feste Firma ist oder eine Leihfirma ...

Und dann ist es in Deutschland meistens so die größere Firma,

dann arbeitest du noch mal ein halbes Jahr, insgesamt ein Jahr.

Und dann, wenn alles klappt, wirst du übernommen.

Dafür bieten wir auch Workshops an, Kurse an.

Wir machen Mock-Interviews.

Das sind sozusagen simulierte Vorstellungsgespräche,

wo wir mit den Teilnehmern in einen Raum reingehen.

Der Teilnehmer spielt sich selber.

Wir spielen den Personaler der Firma

und stellen demjenigen potenzielle Fragen, die drankommen könnten.

Bernd Zimmermann wird endlich

telefonisch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Er wird alles geben, um den Job zu bekommen.

Mit der richtigen Einstellung. Mit Haltung und Motivation.

Wird er diesmal eine feste Stelle bekommen?

Für die anderen geht es weiter wie gehabt. Ein neuer Kurs.

Wieder hatte das Jobcenter sechs Arbeitssuchende geschickt.

Anwesend sind aber nur Teilnehmerin Irini und Trainerin Natalia.

Wer nicht erscheint, kann von einem Ingeus-Team zu Hause abgeholt werden.

Wer dann nicht mitgeht, dem drohen Sanktionen.

Natalia schickt kein Team los. Der Kurs ist vom Jobcenter bezahlt.

Also läuft er auch, obwohl nur eine Teilnehmerin da ist.

Heute steht auf dem Programm:

Spazierengehen durch die Stadt und anschließend Yoga.

Eine Maßnahme im Auftrag vom Jobcenter Stuttgart -

einfallsreich oder hilflos?

Solche Spaziergänge, Yoga oder Gymnastik

können sinnvolle Erfahrungen auch für Langzeitarbeitslose sein.

Viele von ihnen haben gesundheitliche Probleme.

Aber sind dafür die Jobcenter zuständig

oder nicht eher Ärzte und Krankenkassen?

Yogakurse wie von der Abendakademie.

Positiv könnte man sagen: ein kostenloser Service Ihres Jobcenters.

Wie zufrieden ist man dort damit?

(Getragene Musik)

Das wollen wir im Jobcenter Stuttgart erfahren.

Jürgen Peeß ist hier der Leiter seit 2005.

Für ihn machen die Yogakurse für Langzeitarbeitslose Sinn.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter

und Ingeus oder der Firma Metis?

Die ist ein bisschen kleiner, aber auch in Stuttgart.

Ja, also, man muss unterscheiden zwischen Fort- und Weiterbildung

von den Bildungsträgern,

die tatsächlich Grundkurse zur Qualifizierung anbieten,

und Trägern, die Sie gerade genannt haben,

die Menschen eher coachen.

Die ... noch mal abklären, was möglich ist,

die sie unterstützen.

Sie wissen, es gab da schon häufiger Kritik an solchen Gruppenmaßnahmen.

Ja, das war sehr schwierig, auch den Teilnehmenden zu vermitteln,

warum sie jetzt zum dritten Mal einen Bewerbungskurs machen sollen.

Also, das versuchen wir auch tunlichst zu vermeiden.

Unsere Erfahrung ist in den letzten Jahren,

dass es einfach Sinn macht,

sehr individuell mit diesen Menschen in den Maßnahmen zu arbeiten.

Also stimmen diese Zahlen,

dass die meisten eigentlich keine Arbeit finden?

Also die Übergangsquoten aus Maßnahmen in Beschäftigung

sind tatsächlich bei 30 Prozent, auch mal bei 40 Prozent.

Aber das hängt auch immer davon ab,

welche Teilnehmer zugewiesen werden in das Angebot.

Diese Übergangsquoten sind auch in der ganzen Bundesrepublik ähnlich.

Anders gesagt, 60 bis 70 Prozent führen nicht auf den Arbeitsmarkt,

nicht zum Erfolg.

Bernd Zimmermann ist von seinem Vorstellungsgespräch zurück.

Er hat sich so viel Mühe gegeben.

Zuerst sei es auch gut gelaufen.

Der Werkstattleiter hätte ihn genommen.

Aber die Chefs wollten ihn dann doch nicht.

Was hatte ihm die Trainerin beigebracht?

Alles Quatsch, was sie erzählt, alles Theorie.

Praxis sieht ganz anders aus.

Aus der Traum.

Jetzt geht es wieder in die Maßnahmen.

Was macht Bernd Zimmermann eigentlich,

wenn er keine Yoga- Büro-Fitness-Kurse besucht?

Ich gehe leere Flaschen sammeln, Bierflaschen und Dosen.

Die sammle ich, stehe manchmal nachts halb drei auf,

die Nacht von Freitag zum Sonnabend, von Sonnabend zu Sonntag,

und lauf da hier meine Runde und geb die dann ab.

Ich habe meinen Arbeitsvertrag als Betreuer,

und am Montag geht es schon los.

(Applaus, Jubel)

Das war aber nur fürs Fernsehen, um das einmal zu erleben.

Heute hat Ingeus noch keine Arbeit vermittelt.

Aber es geht auch anders. Ein positives Beispiel:

Die Firma "Neue Arbeit" in Stuttgart

hat mehr als 2.000 Langzeitarbeitslose eingestellt.

Manche, wie Nicole Bartz, haben hier sogar Karriere gemacht.

Sie leitet die Abteilung für Werkzeugbau,

kontrolliert die neue Ware und betreut Bewerber,

die vom Jobcenter kommen.

Heute hat das Jobcenter Helmut Benninger hierhergeschickt.

Nicole wird ihm von ihrer Erfahrung berichten:

Sie bekam als Langzeitarbeitslose eine Chance, sich weiterzubilden,

vermittelt vom Jobcenter Stuttgart.

(Maschinenlärm, leises Gespräch)

Ich kann noch sagen, dass ich total gerne hier bin

und dass ich "Neue Arbeit" viel zu verdanken zu haben.

Also, ich wollte immer eine Ausbildung machen,

bin halt sehr früh Mutter geworden,

und dann hat das Arbeitsamt oder Jobcenter immer zu mir gesagt:

Sie sind zu alt.

Trotzdem konnte Nicole Bartz hier ihre Ausbildung machen,

sich weiter qualifizieren und gleichzeitig für ihr Kind da sein.

Nun leitet sie die Abteilung

und führt die schrittweise Quali- fizierung der Langzeitarbeitslosen.

Also, ich bin ja gelernte Maschinen- und Anlagenführerin.

Und, ich weiß nicht, ich hab einfach das Praktikum gemacht,

und mir hat das so supergut gefallen,

dass ich schon bereut habe,

dass ich nicht früher in diesen Beruf reingeschnuppert habe.

Einfach die Arbeit mit Metall, Kunststoff ...

Und ich hab mich halt dann auch durchgesetzt in diesem Männerberuf.

Vielleicht wäre die "Neue Arbeit"

auch für Bernd Zimmermann besser als Yogakurse.

Stephanie macht weiterhin ihren kleinen Putzjob

in diesem Gemeindehaus im Dorf.

Die Fahrschule hat ja nicht geklappt.

(Traurige Musik)

Mit dem Minijob jetzt nebenher kann ich wenigstens mal sagen,

meine Tochter, keine Ahnung, wenn sie ein Heft will

oder sie möchte ... fürs Schwimmen eine Taucherbrille,

also, eine teure oder so,

dann kann ich das mal Gott sei Dank auch mal ein bisschen leisten.

Aber würde ich nur Hartz IV bekommen,

würde ich gar nichts, also, ich könnte nichts bieten.

Es geht nicht.

(Traurige Musik)

Was werden Stephanie die seltsamen Kurse vom Jobcenter noch bringen?

Sie muss einfach Geld verdienen.

Hier, mein Putzjob - ich liebe meinen Putzjob.

Viele sagen: Wuäh, Toiletten putzen, Dreck von anderen wegräumen.

Das ist nicht schlimm. Es ist Arbeit.

Das macht sie lieber als Coachingkurse und Seminare,

mit denen sie kein Geld verdient.

Richtiges Leben ist, nicht vom Hartz IV zu leben.

Leben heißt arbeiten, leben heißt Freude haben.

Maßnahmen sollten nicht weiter im Blindflug vergeben werden.

Nur individuelle Maßnahmen machen Sinn.

SWR 2022

Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (3) Unemployed - The strange courses from the Jobcenter | SWR Doku (3) Desempleados - Los extraños cursos de la oficina de empleo | SWR Doku (3) Au chômage - Les cours étranges du Jobcenter | SWR Doku (3) Pengangguran - Kursus-kursus Aneh dari Pusat Kerja | SWR Doku (3) Werklozen - De vreemde cursussen van het arbeidsbureau | SWR Doku (3) Desempregados - Os estranhos cursos do Centro de Emprego | SWR Doku (3) Безработные - странные курсы от центра занятости | SWR Doku (3) İşsizler - İş Bulma Merkezinden Gelen Tuhaf Kurslar | SWR Doku (3) Безробітні - дивні курси від центру зайнятості | SWR Doku (3) 失业者——就业中心的奇怪课程| SWR 纪录片 (3)

Tschüss! Sampai jumpa!

Es gibt viele seltsame Kurse vom Jobcenter. Ada banyak kursus aneh yang ditawarkan oleh Job Centre.

Die Trainerinnen haben jedenfalls Arbeit. Bagaimanapun, para pelatih memiliki pekerjaan yang harus dilakukan.

So viel steht fest. Itu sudah pasti.

In diesem kleinen Laden in Stuttgart Di toko kecil di Stuttgart ini

werden auch Arbeitssuchende im Auftrag vom Jobcenter gecoacht. pencari kerja juga dilatih atas nama pusat kerja.

Gemeinsam kochen und essen. Das hält fit. Memasak dan makan bersama. Itu membuat tubuh tetap bugar.

Und zumindest offiziell ist man gar nicht mehr arbeitslos,

wenn man hier mitmacht.

Auch hier, mitten in Stuttgart,

bietet das Jobcenter einen interessanten Kurs an.

Er heißt: "Besser schlafen - Entspannt durch den Tag".

Das Problem ist, find ich, beim Jobcenter ...

Es werden Kurse gekauft,

aber es kommen gar nicht so viele Menschen.

Ne? Das heißt, es werden Gelder verschleudert.

Wenn dann mal ein Fall da ist, er möchte das wirklich machen,

darf man es nicht mehr machen, weil keine Gelder da sind.

Wenn ich sag, Leute, ich brauch was zu tun,

gebt mir eine Maßnahme oder irgendeinen Job oder sonst was,

krieg ich das dementsprechend schon auch.

Aber manche Maßnahmen sind einfach so,

die helfen mir in dem Sinn nicht.

Und die, wo mir helfen könnten, die krieg ich meistens nicht.

Oder ich darf nur die zwei Wochen mitmachen, danach ist vorbei.

Die Führerschein-Theorie hat sie selbst gemacht.

Aber die Fahrstunden übernimmt das Jobcenter nicht.

Ich hatte alles geklärt, komplett alles.

Und jetzt darf ich es nicht mehr machen.

Solche Stellenangebote findet sie täglich.

Da würde sie sich gerne bewerben.

Aber das funktioniert nur mit einem Führerschein.

Das Auto wäre das kleinere Problem, aber der Führerschein ...

In Städten mit gutem öffentlichen Personennahverkehr

scheitert die Jobsuche weniger am Führerschein.

In Stuttgart braucht man nicht unbedingt ein Auto,

um zur Arbeit zu kommen.

Mit S-Bahn und Straßenbahn geht das oft auch.

Aber Stephanie kann sich die Mieten in Stuttgart nicht leisten,

und das Geld für einen Umzug bekommt sie auch nicht zusammen.

Wie geht hier das Jobcenter mit Langzeitarbeitslosen um?

Es arbeitet eng zusammen mit einem großen Konzern:

Ingeus, im selben Gebäude.

Bernd Zimmermann ist einer von über 100 Langzeitarbeitslosen,

die das Jobcenter pro Monat zu Ingeus schickt.

Seit Jahren schon findet er immer nur für kurze Zeit Arbeit.

Er muss sich immer wieder beim Jobcenter melden

und die minimale Grundsicherung beantragen.

Zu Hause hat er weder Computer noch Internet.

Manchmal hängt's nur an Kleinigkeiten,

wie sich dann die Firmen entscheiden für einen Bewerber,

der genommen wird, der eingeladen wird zum Vorstellungsgespräch

beziehungsweise zu Probearbeit.

Das ist ein bisschen Glücksache, würde ich sagen.

Bei einer war ich zum Probearbeiten, hab aber keinen Vertrag bekommen.

Warum, weiß ich nicht.

Mir wurde gesagt, an mir liegt es nicht.

Ich hab in einer Firma gearbeitet,

jeden zweiten Samstag siebeneinhalb Stunden.

Also, er ist ... ein gut ausgebildeter Werkzeugmacher.

Er hat Anfang der 80er-Jahre, damals noch in Ostdeutschland,

seine Ausbildung gemacht.

Und die war wirklich sehr, sehr gut, hat dort auch permanent gearbeitet,

ist dann Anfang der 90er nach Westdeutschland gekommen sozusagen

und hat insgesamt um die 30 Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich,

als Werkzeugmacher, als CNC-Fräser.

Also, er ist eigentlich top ausgebildet,

und von daher ist er sehr wertvoll für die Firmen hier.

Auch Bernd Zimmermann muss immer wieder

bei Coaching-Kursen vom Jobcenter mitmachen.

Zum Beispiel bei dieser gesund- heitlichen Beschäftigungsmaßnahme.

Sechs Arbeitslose hat das Jobcenter geschickt,

aber nur zwei sind gekommen.

Die Trainerin gibt sich trotzdem Mühe.

Heute auf dem Stundenplan: Bewegung im Büro.

Ja, welche Bewegungsarten,

was kann man am Tag noch mehr machen,

um sich noch mehr zu bewegen?

Das ist gesund, wenn man viele Stunden im Büro sitzen muss.

Natürlich auch sonst.

Hauptsache, immer in Bewegung bleiben.

So, dann können Sie die Hände benutzen.

Und wieder hoch. Zwei ... eins ...

(Ein Mann stellt eine Frage.)

Ja, machen Sie weiter.

Gucken Sie, dass die Knie nicht zusammengehen, genau.

(Handyklingeln) Oh Gott. Uiuiui.

Gucken Sie, dass die Knie nicht zusammengehen, genau.

(Handyklingeln) Oh Gott.

So atmen, wie wenn Sie einen Ballon aufblasen.

(Ausatmen)

Durch den Mund aus. Sie können auch mitmachen.

Merken Sie, wie schnell der Puls runtergeht?

Ja, mir ist schwindlig ... - Ja?

Trainerin Monika Bühlmayer hält gleich auf demselben Flur

einen Kurs, um alle intensiv auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten.

Ein absolutes Pflichtprogramm - auch für die, die das schon kennen.

Alle sollen einstudieren,

was die Personalchefs gerne hören und sehen wollen.

Auch Bernd Zimmermann ist mal wieder dabei.

Die richtige Haltung sei wichtig.

Die Einstellung. Die Motivation.

Jeder von Ihnen hat 100-prozentig gute Fähigkeiten.

Und dann frage ich Sie,

woran das liegen könnte, dass Sie so oft arbeitslos sind.

Und dann sollten Sie selbst darüber nachdenken,

ob es auch ein bisschen Ihr Fehler war.

Weil die Räumlichkeiten, die Berater muss bezahlt werden.

Und das Jobcenter verspricht sich natürlich auch durch diese Maßnahme,

dass wir Ihnen ein paar Tipps geben, wie auch immer,

bei den Bewerbungen helfen, bei der Stellensuche.

Es ist letztendlich ein Verkaufsgespräch.

Also, sich bewerben, da ist das Wort Werbung drin.

Sie machen für sich Werbung.

Versuchen Sie bitte nachzuhaken, warum.

Also am besten halt Interesse zeigen,

wie lange zum Beispiel dauert die Einarbeitungszeit für mich ...

oder, ähm ...

Du musst in Deutschland ein halbes Jahr deine Probezeit,

egal, ob es eine feste Firma ist oder eine Leihfirma ...

Und dann ist es in Deutschland meistens so die größere Firma,

dann arbeitest du noch mal ein halbes Jahr, insgesamt ein Jahr.

Und dann, wenn alles klappt, wirst du übernommen.

Dafür bieten wir auch Workshops an, Kurse an.

Wir machen Mock-Interviews.

Das sind sozusagen simulierte Vorstellungsgespräche,

wo wir mit den Teilnehmern in einen Raum reingehen.

Der Teilnehmer spielt sich selber.

Wir spielen den Personaler der Firma

und stellen demjenigen potenzielle Fragen, die drankommen könnten.

Bernd Zimmermann wird endlich

telefonisch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Er wird alles geben, um den Job zu bekommen.

Mit der richtigen Einstellung. Mit Haltung und Motivation.

Wird er diesmal eine feste Stelle bekommen?

Für die anderen geht es weiter wie gehabt. Ein neuer Kurs.

Wieder hatte das Jobcenter sechs Arbeitssuchende geschickt.

Anwesend sind aber nur Teilnehmerin Irini und Trainerin Natalia.

Wer nicht erscheint, kann von einem Ingeus-Team zu Hause abgeholt werden.

Wer dann nicht mitgeht, dem drohen Sanktionen.

Natalia schickt kein Team los. Der Kurs ist vom Jobcenter bezahlt.

Also läuft er auch, obwohl nur eine Teilnehmerin da ist.

Heute steht auf dem Programm:

Spazierengehen durch die Stadt und anschließend Yoga.

Eine Maßnahme im Auftrag vom Jobcenter Stuttgart -

einfallsreich oder hilflos?

Solche Spaziergänge, Yoga oder Gymnastik

können sinnvolle Erfahrungen auch für Langzeitarbeitslose sein.

Viele von ihnen haben gesundheitliche Probleme.

Aber sind dafür die Jobcenter zuständig

oder nicht eher Ärzte und Krankenkassen?

Yogakurse wie von der Abendakademie.

Positiv könnte man sagen: ein kostenloser Service Ihres Jobcenters.

Wie zufrieden ist man dort damit?

(Getragene Musik)

Das wollen wir im Jobcenter Stuttgart erfahren.

Jürgen Peeß ist hier der Leiter seit 2005.

Für ihn machen die Yogakurse für Langzeitarbeitslose Sinn.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter

und Ingeus oder der Firma Metis?

Die ist ein bisschen kleiner, aber auch in Stuttgart.

Ja, also, man muss unterscheiden zwischen Fort- und Weiterbildung

von den Bildungsträgern,

die tatsächlich Grundkurse zur Qualifizierung anbieten,

und Trägern, die Sie gerade genannt haben,

die Menschen eher coachen.

Die ... noch mal abklären, was möglich ist,

die sie unterstützen.

Sie wissen, es gab da schon häufiger Kritik an solchen Gruppenmaßnahmen.

Ja, das war sehr schwierig, auch den Teilnehmenden zu vermitteln,

warum sie jetzt zum dritten Mal einen Bewerbungskurs machen sollen.

Also, das versuchen wir auch tunlichst zu vermeiden.

Unsere Erfahrung ist in den letzten Jahren,

dass es einfach Sinn macht,

sehr individuell mit diesen Menschen in den Maßnahmen zu arbeiten.

Also stimmen diese Zahlen,

dass die meisten eigentlich keine Arbeit finden?

Also die Übergangsquoten aus Maßnahmen in Beschäftigung

sind tatsächlich bei 30 Prozent, auch mal bei 40 Prozent.

Aber das hängt auch immer davon ab,

welche Teilnehmer zugewiesen werden in das Angebot.

Diese Übergangsquoten sind auch in der ganzen Bundesrepublik ähnlich.

Anders gesagt, 60 bis 70 Prozent führen nicht auf den Arbeitsmarkt,

nicht zum Erfolg.

Bernd Zimmermann ist von seinem Vorstellungsgespräch zurück.

Er hat sich so viel Mühe gegeben.

Zuerst sei es auch gut gelaufen.

Der Werkstattleiter hätte ihn genommen.

Aber die Chefs wollten ihn dann doch nicht.

Was hatte ihm die Trainerin beigebracht?

Alles Quatsch, was sie erzählt, alles Theorie.

Praxis sieht ganz anders aus.

Aus der Traum.

Jetzt geht es wieder in die Maßnahmen.

Was macht Bernd Zimmermann eigentlich,

wenn er keine Yoga- Büro-Fitness-Kurse besucht?

Ich gehe leere Flaschen sammeln, Bierflaschen und Dosen.

Die sammle ich, stehe manchmal nachts halb drei auf,

die Nacht von Freitag zum Sonnabend, von Sonnabend zu Sonntag,

und lauf da hier meine Runde und geb die dann ab.

Ich habe meinen Arbeitsvertrag als Betreuer,

und am Montag geht es schon los.

(Applaus, Jubel)

Das war aber nur fürs Fernsehen, um das einmal zu erleben.

Heute hat Ingeus noch keine Arbeit vermittelt.

Aber es geht auch anders. Ein positives Beispiel:

Die Firma "Neue Arbeit" in Stuttgart

hat mehr als 2.000 Langzeitarbeitslose eingestellt.

Manche, wie Nicole Bartz, haben hier sogar Karriere gemacht.

Sie leitet die Abteilung für Werkzeugbau,

kontrolliert die neue Ware und betreut Bewerber,

die vom Jobcenter kommen.

Heute hat das Jobcenter Helmut Benninger hierhergeschickt.

Nicole wird ihm von ihrer Erfahrung berichten:

Sie bekam als Langzeitarbeitslose eine Chance, sich weiterzubilden,

vermittelt vom Jobcenter Stuttgart.

(Maschinenlärm, leises Gespräch)

Ich kann noch sagen, dass ich total gerne hier bin

und dass ich "Neue Arbeit" viel zu verdanken zu haben.

Also, ich wollte immer eine Ausbildung machen,

bin halt sehr früh Mutter geworden,

und dann hat das Arbeitsamt oder Jobcenter immer zu mir gesagt:

Sie sind zu alt.

Trotzdem konnte Nicole Bartz hier ihre Ausbildung machen,

sich weiter qualifizieren und gleichzeitig für ihr Kind da sein.

Nun leitet sie die Abteilung

und führt die schrittweise Quali- fizierung der Langzeitarbeitslosen.

Also, ich bin ja gelernte Maschinen- und Anlagenführerin.

Und, ich weiß nicht, ich hab einfach das Praktikum gemacht,

und mir hat das so supergut gefallen,

dass ich schon bereut habe,

dass ich nicht früher in diesen Beruf reingeschnuppert habe.

Einfach die Arbeit mit Metall, Kunststoff ...

Und ich hab mich halt dann auch durchgesetzt in diesem Männerberuf.

Vielleicht wäre die "Neue Arbeit"

auch für Bernd Zimmermann besser als Yogakurse.

Stephanie macht weiterhin ihren kleinen Putzjob

in diesem Gemeindehaus im Dorf.

Die Fahrschule hat ja nicht geklappt.

(Traurige Musik)

Mit dem Minijob jetzt nebenher kann ich wenigstens mal sagen,

meine Tochter, keine Ahnung, wenn sie ein Heft will

oder sie möchte ... fürs Schwimmen eine Taucherbrille,

also, eine teure oder so,

dann kann ich das mal Gott sei Dank auch mal ein bisschen leisten.

Aber würde ich nur Hartz IV bekommen,

würde ich gar nichts, also, ich könnte nichts bieten.

Es geht nicht.

(Traurige Musik)

Was werden Stephanie die seltsamen Kurse vom Jobcenter noch bringen?

Sie muss einfach Geld verdienen.

Hier, mein Putzjob - ich liebe meinen Putzjob.

Viele sagen: Wuäh, Toiletten putzen, Dreck von anderen wegräumen.

Das ist nicht schlimm. Es ist Arbeit.

Das macht sie lieber als Coachingkurse und Seminare,

mit denen sie kein Geld verdient.

Richtiges Leben ist, nicht vom Hartz IV zu leben.

Leben heißt arbeiten, leben heißt Freude haben.

Maßnahmen sollten nicht weiter im Blindflug vergeben werden.

Nur individuelle Maßnahmen machen Sinn.

SWR 2022