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Friedrich Wilhelm Nietzsche: Also sprach Zarathustra, Erster Teil: Die Reden Zarathustras - Vom Lesen und Schreiben

Erster Teil: Die Reden Zarathustras - Vom Lesen und Schreiben

Vom Lesen und Schreiben

Von allem Geschriebenen liebe ich nur Das, was Einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.

Es ist nicht leicht möglich, fremdes Blut zu verstehen: ich hasse die lesenden Müssiggänger.

Wer den Leser kennt, der thut Nichts mehr für den Leser. Noch ein Jahrhundert Leser - und der Geist selber wird stinken.

Dass Jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken.

Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen und jetzt wird er gar noch Pöbel.

Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden.

Im Gebirge ist der nächste Weg von Gipfel zu Gipfel: aber dazu musst du lange Beine haben. Sprüche sollen Gipfel sein: und Die, zu denen gesprochen wird, Grosse und Hochwüchsige.

Die Luft dünn und rein, die Gefahr nahe und der Geist voll einer fröhlichen Bosheit: so passt es gut zu einander.

Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin muthig. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft sich selber Kobolde, - der Muth will lachen.

Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke, die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere, über die ich lache, - gerade das ist eure Gewitterwolke.

Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.

Wer von euch kann zugleich lachen und erhoben sein?

Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste.

Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig - so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann.

Ihr sagt mir: "das Leben ist schwer zu tragen." Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und Abends eure Ergebung?

Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche lastbare Esel und Eselinnen.

Was haben wir gemein mit der Rosenknospe, welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem Leibe liegt?

Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben gewöhnt sind. Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.

Und auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter Menschen ist, am meisten vom Glücke zu wissen.

Diese leichten thörichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen - das verführt Zarathustra zu Thränen und Liedern.

Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.

Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich: es war der Geist der Schwere, - durch ihn fallen alle Dinge.

Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tödtet man. Auf, lasst uns den Geist der Schwere tödten!

Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen. Ich habe fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestossen sein, um von der Stelle zu kommen.

Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.

Also sprach Zarathustra.


Erster Teil: Die Reden Zarathustras - Vom Lesen und Schreiben Part One: The Speeches of Zarathustra - On Reading and Writing Première partie : Les discours de Zarathoustra - De la lecture et de l'écriture

Vom Lesen und Schreiben From reading and writing

Von allem Geschriebenen liebe ich nur Das, was Einer mit seinem Blute schreibt. Of all that is written, I only love what one writes with his blood. Av alt som er skrevet elsker jeg bare det noen skriver med blodet sitt. De tudo o que está escrito, só amo o que alguém escreve com seu sangue. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist. Skriv i blod: så lærer du at blod er ånd. Escreva com sangue: e você aprenderá que sangue é espírito.

Es ist nicht leicht möglich, fremdes Blut zu verstehen: ich hasse die lesenden Müssiggänger. It is not easy to understand foreign blood: I hate the idle readers. Det er ikke lett å forstå fremmed blod: Jeg hater tomgangskjørerne som leser. Não é fácil entender o sangue estrangeiro: odeio os preguiçosos que lêem.

Wer den Leser kennt, der thut Nichts mehr für den Leser. He who knows the reader does nothing more for the reader. Den som kjenner leseren, gjør ikke noe mer for leseren. Quem conhece o leitor, que não faz nada pelo leitor. Noch ein Jahrhundert Leser - und der Geist selber wird stinken. Another century readers - and the ghost itself will stink. Nok et århundre med lesere - og spøkelset selv vil stinke. Mais um século de leitores - e o próprio fantasma vai feder.

Dass Jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken. The fact that everyone can learn to read not only spoils writing in the long run, but also thinking. Det at alle kan lære å lese, ødelegger ikke bare for skriving på sikt, men også å tenke. O fato de que todos podem aprender a ler não só estraga a escrita a longo prazo, mas também o pensamento.

Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen und jetzt wird er gar noch Pöbel. Uma vez que o espírito era Deus, então se tornou uma pessoa e agora até mesmo uma turba.

Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden. Quem escreve com sangue e provérbios não quer ser lido, mas aprendido de cor.

Im Gebirge ist der nächste Weg von Gipfel zu Gipfel: aber dazu musst du lange Beine haben. Nas montanhas, o próximo caminho é de pico a pico: mas você precisa ter pernas longas para fazer isso. Sprüche sollen Gipfel sein: und Die, zu denen gesprochen wird, Grosse und Hochwüchsige. Provérbios devem ser o ápice: e aqueles com quem se fala, altos e altos.

Die Luft dünn und rein, die Gefahr nahe und der Geist voll einer fröhlichen Bosheit: so passt es gut zu einander. O ar rarefeito e puro, o perigo próximo e a mente cheia de malícia feliz: é assim que se dá bem.

Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin muthig. Eu quero goblins ao meu redor porque sou corajoso. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft sich selber Kobolde, - der Muth will lachen. A coragem, que afugenta os fantasmas, cria goblins para si - a coragem quer rir.

Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke, die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere, über die ich lache, - gerade das ist eure Gewitterwolke. I no longer feel with you: this cloud that I see below me, that blackness and heaviness that I laugh about - this is your thundercloud. Já não sinto com você: esta nuvem que vejo abaixo de mim, esta escuridão e peso dos quais eu rio, - esta é precisamente a sua nuvem de tempestade.

Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung verlangt. Você ergue os olhos quando pede exaltação. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin. E eu olho para baixo porque fui criado

Wer von euch kann zugleich lachen und erhoben sein?

Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste. Qualquer um que escala as montanhas mais altas ri de todos os jogos de luto e pesar sério.

Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig - so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann. Corajoso, despreocupado, zombeteiro, violento - é o que a sabedoria nos quer: ela é mulher e sempre ama um só soldado.

Ihr sagt mir: "das Leben ist schwer zu tragen." Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und Abends eure Ergebung? But why should you have your pride in the morning and your resignation in the evening? Mas por que você teria seu orgulho pela manhã e sua rendição à noite?

Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche lastbare Esel und Eselinnen. Somos todos burros bonitos e resistentes.

Was haben wir gemein mit der Rosenknospe, welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem Leibe liegt? O que temos em comum com o botão de rosa, que treme porque há uma gota de orvalho em seu corpo?

Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben gewöhnt sind. É verdade: amamos a vida, não porque estamos acostumados com a vida, mas porque estamos acostumados a amar. Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn. Mas há sempre um pouco de razão na loucura.

Und auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter Menschen ist, am meisten vom Glücke zu wissen. E para mim também, que sou bom para a vida, borboletas e bolhas de sabão e que tipo de pessoa parece saber mais sobre felicidade.

Diese leichten thörichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen - das verführt Zarathustra zu Thränen und Liedern. Ver vibrar essas almas leves, tolas e ágeis - isso leva Zaratustra a lágrimas e canções.

Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. Eu só acreditaria em um deus que soubesse dançar.

Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich: es war der Geist der Schwere, - durch ihn fallen alle Dinge. And when I saw my devil, I found him serious, thorough, deep, solemn: it was the spirit of gravity - all things fall through him.

Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tödtet man. Auf, lasst uns den Geist der Schwere tödten!

Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen. Ich habe fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestossen sein, um von der Stelle zu kommen. I learned to fly: since then I don't want to have to be pushed to get from the spot. Aprendi a voar: desde então não quis ser empurrado para sair do lugar.

Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.

Also sprach Zarathustra.