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YouTube | Y-Kollektiv - kurze Videodokumentationen und Reportagen, Auschwitz - Was hat der Holocaust mit mir zu tun? (1/2)

Auschwitz - Was hat der Holocaust mit mir zu tun? (1)

Jetzt wird's ernst und auschwitzmäßig.

Wart ihr schon mal in Auschwitz? Und hättet ihr Lust mal hinzufahren?

Wie ist dieser Ort?

Wenn man eine gesunde Seele hat, spürt man noch immer den Geruch vom Tod.

Wir fahren hin, um zu sehen, was von der Geschichte übrig geblieben ist.

Ich frag mich, ob irgendetwas nicht ganz richtig mit mir ist.

Ich bin irgendwie noch relativ nüchtern jetzt gerade.

Hat der Holocaust überhaupt noch was mit mir zu tun?

Nazi-Deutschland ist seit fast 75 Jahren Geschichte.

Können Sie sich noch an die jüdischen Familien erinnern?

Ja, alle. Die hatten so ein kleines Kauflädchen dahinten.

Jüdisches Leben bei uns auf dem Dorf.

Was für eine Welt das damals war, kann ich mir kaum vorstellen.

Louis Stern - ermordert in Auschwitz.

In Auschwitz komme ich der Geschichte aber so nah, dass es unangenehm wird.

Meine Essensschale ist jetzt von einem Wächter von der SS. Das kann man hier ja auch ganz gut sehen.

Beim Restaurieren alter Überbleibsel reden wir über Deutschland heute.

Was?

Ja.

Alter.

Wo war das?

Das hier ist keine Hitler-Doku in Schwarz-Weiß.

Das hier ist eine Holocaust-Geschichte aus der Gegenwart.

Und von meiner anfänglichen Abgeklärtheit bleibt am Ende nicht mehr viel übrig.

Ja, ich hab mir vorgenommen, einen Film über den Holocaust zu machen.

Ich hab aber nicht gedacht, dass der Film auch so in meiner Heimat verwurzelt ist.

Mittelhessen. Hier ist es ja relativ unspektakulär.

Aber ich hab so ein paar Sachen rausgefunden, die mir überhaupt nicht bewusst waren.

Da ist Niederwalgern, mein Heimatdorf. Und das Dorf da drüben heißt Roth.

Bei der Recherche für dieses Thema fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen:

Da gibt's doch auch eine Synagoge, aber ich war da noch nie.

Was hat der Holocaust eigentlich mit mir selber zu tun?

Mein Geschichtsunterricht in Sachen Nazi-Zeit beschränkte sich auf Bücher wälzen und Filme gucken.

Um meine Heimat ging es dabei nicht.

Ich will herausfinden, was während des Holocaust hier passiert ist,

nur zwei Kilometer von dem Ort entfernt, in dem ich aufgewachsen bin.

Hallo. Ja, Wenz, hallo. Und das ist unsere Synagoge.

Das ist die Synagoge.

Wenn man aber davor steht, und sich die Rundbogenfenster anguckt

und auch das Wallendach und so, dann merkt man am Ende schon,

dass es eine besondere Bewandnis mit dem Gebäude haben muss.

Vielleicht gehen wir erstmal rein.

Keine Ahnung, was ich von der Synagoge erwartet habe. Aber was ich empfinde, ist erstmal Leere.

Keine Bänke, keine Tora, viel Platz.

Das ist jetzt einfach ein Raum, ne.

Weil die Nazis hier alles, was hier drin war, kurz und klein geschlagen haben.

Deswegen ist das einfach nur noch ein Raum.

Am 08. November 1938 wurde in der kleinen Dorf-Synagoge alles zerstört.

Das war einen Tag vor der Reichspogromnacht,

in der Synagogen im ganzen Land verwüstet und abgefackelt wurden.

Man ist hier wirklich mit Äxten in die Synagoge eingedrungen

und hat förmlich alles kurz und klein geschlagen und das dann auch auf die Straße geschmissen.

Also das ist Kürze, was hier passiert sein muss.

Und absehbar ist es ganz stark noch an der Säule, hier, da sehen Sie nämlich die Axthiebe.

Das ist der eindeutige Beweis auch dafür, dass man mit Werkzeugen hier reingegangen ist.

Das waren Leute aus dem Dorf?

Auch, auch. Es wurde, am Anfang wurde immer sehr stark erzählt, dass das SA-Leute aus

anderen Dörfern gewesen seien und dann kamen aber immer mehr Stimmen, die auch gesagt haben,

ja ja, aber es waren auch Rother dabei.

Die Synagoge steht mitten im Dorf, umzingelt von den Nachbarhäusern der nicht-jüdischen Bauern.

In genau so einem Bauernhaus bin ich aufgewachsen, ein Dorf weiter.

Das ist das erste Mal, wo es mir mulmig wird.

Denn auf so einem Dorf kennt jeder jeden. Die Nachbarn sind keine Fremden, du kennst sie in und auswendig.

Wie kann das sein, dass in diesem Mikrokosmos plötzlich die Äxte rausgeholt werden?

Können Sie sich noch an die jüdischen Familien erinnern?

Ja, alle. Die hatten so ein kleines Kauflädchen dahinten. Es waren ja auch alles, mal sagen,

so ein bisschen ärmere Leute, die nicht so mit dem Geld…

Weil immer gesagt wurde, Juden, die haben das Geld.

Und waren die denn, waren die jüdischen Familien denn immer irgendwie so abgetrennt vom Dorfleben

oder waren die ganz normal integriert?

Och, früher, da war das… Da haben manche Leute gar nicht gewusst

vielleicht, dass das was anderes war.

Sind die denn damals in die Synagoge gegangen zum Beten und so?

Die Juden? Ja.

Einige Familien flohen in den 1930er Jahren. 1941 wurde Roth zum Ghettodorf,

Jüdische Familien aus anderen Orten wurden hergebracht und bei den Rother Juden einquartiert.

Ein paar Monate später wurden alle Juden aus Roth deportiert.

Hier wohnte Hugo Stern. Jahrgang 1896. Ermordet 18.05.1944. Auschwitz.

Haben Sie das damals verstanden, warum die gegangen sind?

Ne, richtig verstanden habe ich es noch nicht, weil wir ja sozusagen den Hitlergruß gemacht haben

in der Schule, da ging das doch schon los. Da konnte man das gar nicht fassen, ich war ja noch ein Kind.

Ich hätte meine Oma fragen können, wie das alles genau war. Die war damals kein Kind mehr.

Sie ist 1913 geboren, war also schon zwanzig, als Hitler an die Macht kam.

Meine Oma war meine direkte Verbindung in die Holocaust-Zeit

- aber ich hab nie mit ihr darüber geredet.

Jetzt ist es zu spät, Oma ist vor ein paar Jahren gestorben. Diese Chance hab ich verpasst.

Das war einer der Hauptgründe, dass ich diesen Film machen wollte.

Die plötzliche Einsicht, dass jetzt die letzte Möglichkeit ist, mit denen zu sprechen, die damals dabei waren.

Ah.

Ich treffe Eva Fahidi, 93 Jahre alt, eine Jüdin aus Ungarn.

Sie war mit 19 Jahren in Auschwitz. Ihre komplette Familie wurde dort vergast,

nur sie überlebte, weil sie als Zwangsarbeiterin noch gebraucht werden konnte.

Ich hab gelesen, dass Sie ganz lange Zeit, Jahrzehnte, nicht darüber gesprochen haben,

was Ihnen passiert ist.

Also das ist… Ich denke, ich war nicht die Einzige, weil, das ist die Natur des Traumas.

Das man zuerst überhaupt nicht darüber, normalerweise, nicht darüber spricht.

Also bei mir waren das 59 Jahre. Und dann auf einmal.

Und jetzt habe ich eine Stunde Zeit, um genau in diesen Wunden ‘rumzubohren.

Das fühlt sich nicht gut an.

Aber ich wollte ja wissen, was damals passiert ist, als Frau Fahidi nach Auschwitz kam.

Die Details, die nur jemand kennt, der es miterlebt hat.

Also man ist angekommen und es hat … es hat gestunken und man wusste doch nicht was.

Und man wollte nicht zur Kenntnis nehmen, das ist das Menschenfleisch.

Menschenfleisch stinkt entsetzlich, wenn es verbrannt wird. Eigentlich.

Haben Sie denn Angst, dass das in Zukunft ganz vergessen wird, was damals passiert ist.

Davor habe ich Angst, dass es verfälscht wird.

Jetzt finde ich ist es wert, weil vor allem in Ungarn, das man absichtlich, ganz, ganz absichtlich

die Geschichte verfälscht. Und das ist sehr, sehr gefährlich.

Ich wollte Ihnen erzählen wir ja auch nächste Woche nach Auschwitz fahren.

Wie ist dieser Ort? Was passiert, wenn man an diesem Ort heutzutage ist.

Können Sie mir das sagen?

Ja, ich denke, wenn man eine gesunde Seele hat,

dann spürt man noch immer den Geruch vom Tod.

Wir fahren nach Oświęcim, die polnische Stadt,

in der sich das Konzentrationslager Auschwitz befindet.

Aus dem normalen Leben, bam, nach Auschwitz. Jetzt gerade merke ich, ganz ehrlich gesagt,

noch nichts von der Betroffenheit.

Oświęcim liegt im Süden von Polen, eine Autostunde weit weg von Krakau.

Die Stadt hat etwa 40.000 Einwohner und man spürt wenig von der Vergangenheit,

alles wirkt total normal und durchschnittlich.

Bis man am Lager ankommt.

Über eine Millionen Menschen wurden allein hier ermordet.

Zuerst fahren wir nach Auschwitz-Birkenau, auch Auschwitz II genannt.

Der Teil von Auschwitz, in dem das größte deutsche Vernichtungslager stand.

Wow.

Also man sieht hier den Waggon und da hinten ganz viele Reihen, wo früher die Baracken standen.

Diese Türme sind so widerlich, weil die aussehen, so wie Jägerhochsitze. Das ist auch saueklig.

Das ist schon abartig.

Oah, alter.

Jews selected bei the SS for immediate death in the gas chambers for crematoria four and five

were herded along this road.

Also in Herden gesammelt. Auf dieser Straße.

Darf ich da einmal lang laufen?

Am besten lässt sich das mit Ekel beschreiben, was ich hier empfinde.

Ihh.

Dieser Ort ist einfach nur widerlich.

Da durch dieses Tor zu gehen, ist ja echt heftig. Also, das fand ich jetzt schon...

Die Fahrt hierher ist keine Fahrt in die deutsche Demütigung.

Sondern es ist eine Fahrt in die eigene Würde und in die eigene Fähigkeit

sich selbstkritisch zu sehen und dadurch Größe zu gewinnen.

Ich hab gesagt, die Angst war, das was der SS am wichtigsten war.

Das ist Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

Die Menschen durften auch nicht brüllen, nicht schreien, nicht weinen.

Er macht hier gerade eine Führung mit jungen Leuten aus Polen und Deutschland.

Er kennt die Details von damals so genau, weil er seit Jahrzehnten mit Überlebenden gesprochen hat.

Als sie noch jünger waren und als noch mehr Zeit übrig war.

Ich habe viel mit Überlebenden gefeiert, gelacht, gelebt, Landschaft genossen.

Geschichten gehört, die sich nicht auf Auschwitz erstreckten

und das war wirklich einfach die andere Seite der Medaille, die einprägsam war

und die dann auch zu einer Nähe geführt hat, die einfach bleibt.

Wir gehen auf den Turm in Auschwitz II. Der gesamte Lagerkomplex Auschwitz ist unfassbar groß.

Auch von hier oben sehen wir nicht alles, bekommen aber eine Ahnung.

Ihr erinnert euch, 190 Hektar, davon entfallen 120 Hektar auf dieses Gelände.

Das ist eine Fabrik zur Ermordung von Menschen, die der damalige deutsche Staat errichtet hatte.

Viele der Häftlinge sind so alte, wie ihr jetzt seid.

Die Gruppe, mit der Herr Heubner unterwegs ist, sind Auszubildende,

die meisten aus der Autoindustrie.

Zusammen schauen wir uns die Baracken an, in denen die Häftlinge untergebracht waren.

Der eine Mitarbeiter hat mir erzählt,

dass da irgendwie sieben, acht Leute auf so einer Pritsche lagen.

Aber gut, die waren halt auch krank, ne. Die hast du dann einfach gestapelt wahrscheinlich.

Merve ist 19 Jahre alt und lernt Industriekauffrau bei Volkswagen.

Die Reise nach Auschwitz macht sie im Rahmen ihrer Ausbildung.

Bis jetzt war ihr nicht klar, wie sehr Auschwitz einer Fabrik geähnelt hat.

Das hier Menschen wie Ware eingelagert werden, aber nur gute Ware.

Und schlechte Ware kommt halt direkt weg.

Und die gute Ware kann man dann quasi weiterverarbeiten.

Bis sie schlecht wird. Also, das ist für mich ne Fabrik.

Es ist kein Zufall, dass hier gleich drei VW-Busse durch's Bild rollen.

Volkswagen organisiert nämlich diese Begegnungsreise zwischen deutschen und polnischen Azubis.

Warum gerade VW? Der Konzern ist mit der Nazi-Zeit untrennbar verbunden.

Die Kurzversion: Hitler legte den Grundstein für das erste VW-Werk.

In den 40er Jahren arbeiteten 20.000 Menschen als Zwangsarbeiter bei Volkswagen.

Deshalb setzt sich der Konzern heute für die Gedenkstättenpflege in Auschwitz ein.

Wir sind jetzt im Stammlager, auch Auschwitz I genannt. Von hier aus wurde der Komplex verwaltet.

Auch hier wurden Menschen vergast, erhängt.

Der leitende KZ-Arzt Joseph Mengele führte hier seine Experimente durch.

Er operierte Kinder ohne Narkose, infizierte sie absichtlich mit den furchtbarsten Krankheiten,

um an den kleinen Körpern zu forschen.

75 Jahre später kehren wir jetzt gleich hier den Hof.

Jacket?

Eine Regenjacke?

Rain jacket?

Yes.

Also du musst mal sagen, ob das geht oder ob ich die Jacke da drunter ausziehen muss.

Ne, das ist top.

Alles an Ort und Stelle.

Alles an Ort und Stelle.

Die Arbeit in der Gedenkstätte gehört zum Reiseprogramm der Azubis dazu.

Zwölf Tage lang helfen sie hier mit.

Ich hab gesagt, mache ich sofort mit. Ja, es war für mich irgendwie keine Frage.

Abgesehen davon war ich noch nie hier. Und äh…

Aber man ist schon geplättet, ne.

Unverständnis halt. Das ist so eines, was ich jetzt halt immernoch hab.

Dieser, dieser Hass, irgendwie. Das verstehe ich bis heute nicht.

Also, klar denkt man, dass man heute viel weiter ist als früher.

Und das das ja sich ja so gar nicht wiederholen könnte in der heutigen Zeit, das sagen ja auch viele.


Auschwitz - Was hat der Holocaust mit mir zu tun? (1) Auschwitz - What does the Holocaust have to do with me? (1/2)

Jetzt wird's ernst und auschwitzmäßig.

Wart ihr schon mal in Auschwitz? Und hättet ihr Lust mal hinzufahren?

Wie ist dieser Ort?

Wenn man eine gesunde Seele hat, spürt man noch immer den Geruch vom Tod.

Wir fahren hin, um zu sehen, was von der Geschichte übrig geblieben ist.

Ich frag mich, ob irgendetwas nicht ganz richtig mit mir ist.

Ich bin irgendwie noch relativ nüchtern jetzt gerade.

Hat der Holocaust überhaupt noch was mit mir zu tun?

Nazi-Deutschland ist seit fast 75 Jahren Geschichte.

Können Sie sich noch an die jüdischen Familien erinnern?

Ja, alle. Die hatten so ein kleines Kauflädchen dahinten.

Jüdisches Leben bei uns auf dem Dorf.

Was für eine Welt das damals war, kann ich mir kaum vorstellen.

Louis Stern - ermordert in Auschwitz.

In Auschwitz komme ich der Geschichte aber so nah, dass es unangenehm wird.

Meine Essensschale ist jetzt von einem Wächter von der SS. Das kann man hier ja auch ganz gut sehen.

Beim Restaurieren alter Überbleibsel reden wir über Deutschland heute.

Was?

Ja.

Alter.

Wo war das?

Das hier ist keine Hitler-Doku in Schwarz-Weiß.

Das hier ist eine Holocaust-Geschichte aus der Gegenwart.

Und von meiner anfänglichen Abgeklärtheit bleibt am Ende nicht mehr viel übrig.

Ja, ich hab mir vorgenommen, einen Film über den Holocaust zu machen.

Ich hab aber nicht gedacht, dass der Film auch so in meiner Heimat verwurzelt ist.

Mittelhessen. Hier ist es ja relativ unspektakulär.

Aber ich hab so ein paar Sachen rausgefunden, die mir überhaupt nicht bewusst waren.

Da ist Niederwalgern, mein Heimatdorf. Und das Dorf da drüben heißt Roth.

Bei der Recherche für dieses Thema fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen:

Da gibt's doch auch eine Synagoge, aber ich war da noch nie.

Was hat der Holocaust eigentlich mit mir selber zu tun?

Mein Geschichtsunterricht in Sachen Nazi-Zeit beschränkte sich auf Bücher wälzen und Filme gucken.

Um meine Heimat ging es dabei nicht.

Ich will herausfinden, was während des Holocaust hier passiert ist,

nur zwei Kilometer von dem Ort entfernt, in dem ich aufgewachsen bin.

Hallo. Ja, Wenz, hallo. Und das ist unsere Synagoge.

Das ist die Synagoge.

Wenn man aber davor steht, und sich die Rundbogenfenster anguckt

und auch das Wallendach und so, dann merkt man am Ende schon,

dass es eine besondere Bewandnis mit dem Gebäude haben muss.

Vielleicht gehen wir erstmal rein.

Keine Ahnung, was ich von der Synagoge erwartet habe. Aber was ich empfinde, ist erstmal Leere.

Keine Bänke, keine Tora, viel Platz.

Das ist jetzt einfach ein Raum, ne.

Weil die Nazis hier alles, was hier drin war, kurz und klein geschlagen haben.

Deswegen ist das einfach nur noch ein Raum.

Am 08. November 1938 wurde in der kleinen Dorf-Synagoge alles zerstört.

Das war einen Tag vor der Reichspogromnacht,

in der Synagogen im ganzen Land verwüstet und abgefackelt wurden.

Man ist hier wirklich mit Äxten in die Synagoge eingedrungen

und hat förmlich alles kurz und klein geschlagen und das dann auch auf die Straße geschmissen.

Also das ist Kürze, was hier passiert sein muss.

Und absehbar ist es ganz stark noch an der Säule, hier, da sehen Sie nämlich die Axthiebe.

Das ist der eindeutige Beweis auch dafür, dass man mit Werkzeugen hier reingegangen ist.

Das waren Leute aus dem Dorf?

Auch, auch. Es wurde, am Anfang wurde immer sehr stark erzählt, dass das SA-Leute aus

anderen Dörfern gewesen seien und dann kamen aber immer mehr Stimmen, die auch gesagt haben,

ja ja, aber es waren auch Rother dabei.

Die Synagoge steht mitten im Dorf, umzingelt von den Nachbarhäusern der nicht-jüdischen Bauern.

In genau so einem Bauernhaus bin ich aufgewachsen, ein Dorf weiter.

Das ist das erste Mal, wo es mir mulmig wird.

Denn auf so einem Dorf kennt jeder jeden. Die Nachbarn sind keine Fremden, du kennst sie in und auswendig.

Wie kann das sein, dass in diesem Mikrokosmos plötzlich die Äxte rausgeholt werden?

Können Sie sich noch an die jüdischen Familien erinnern?

Ja, alle. Die hatten so ein kleines Kauflädchen dahinten. Es waren ja auch alles, mal sagen,

so ein bisschen ärmere Leute, die nicht so mit dem Geld…

Weil immer gesagt wurde, Juden, die haben das Geld.

Und waren die denn, waren die jüdischen Familien denn immer irgendwie so abgetrennt vom Dorfleben

oder waren die ganz normal integriert?

Och, früher, da war das… Da haben manche Leute gar nicht gewusst

vielleicht, dass das was anderes war.

Sind die denn damals in die Synagoge gegangen zum Beten und so?

Die Juden? Ja.

Einige Familien flohen in den 1930er Jahren. 1941 wurde Roth zum Ghettodorf,

Jüdische Familien aus anderen Orten wurden hergebracht und bei den Rother Juden einquartiert.

Ein paar Monate später wurden alle Juden aus Roth deportiert.

Hier wohnte Hugo Stern. Jahrgang 1896. Ermordet 18.05.1944. Auschwitz.

Haben Sie das damals verstanden, warum die gegangen sind?

Ne, richtig verstanden habe ich es noch nicht, weil wir ja sozusagen den Hitlergruß gemacht haben

in der Schule, da ging das doch schon los. Da konnte man das gar nicht fassen, ich war ja noch ein Kind.

Ich hätte meine Oma fragen können, wie das alles genau war. Die war damals kein Kind mehr.

Sie ist 1913 geboren, war also schon zwanzig, als Hitler an die Macht kam.

Meine Oma war meine direkte Verbindung in die Holocaust-Zeit

- aber ich hab nie mit ihr darüber geredet.

Jetzt ist es zu spät, Oma ist vor ein paar Jahren gestorben. Diese Chance hab ich verpasst.

Das war einer der Hauptgründe, dass ich diesen Film machen wollte.

Die plötzliche Einsicht, dass jetzt die letzte Möglichkeit ist, mit denen zu sprechen, die damals dabei waren.

Ah.

Ich treffe Eva Fahidi, 93 Jahre alt, eine Jüdin aus Ungarn.

Sie war mit 19 Jahren in Auschwitz. Ihre komplette Familie wurde dort vergast,

nur sie überlebte, weil sie als Zwangsarbeiterin noch gebraucht werden konnte.

Ich hab gelesen, dass Sie ganz lange Zeit, Jahrzehnte, nicht darüber gesprochen haben,

was Ihnen passiert ist.

Also das ist… Ich denke, ich war nicht die Einzige, weil, das ist die Natur des Traumas.

Das man zuerst überhaupt nicht darüber, normalerweise, nicht darüber spricht.

Also bei mir waren das 59 Jahre. Und dann auf einmal.

Und jetzt habe ich eine Stunde Zeit, um genau in diesen Wunden ‘rumzubohren.

Das fühlt sich nicht gut an.

Aber ich wollte ja wissen, was damals passiert ist, als Frau Fahidi nach Auschwitz kam.

Die Details, die nur jemand kennt, der es miterlebt hat.

Also man ist angekommen und es hat … es hat gestunken und man wusste doch nicht was.

Und man wollte nicht zur Kenntnis nehmen, das ist das Menschenfleisch.

Menschenfleisch stinkt entsetzlich, wenn es verbrannt wird. Eigentlich.

Haben Sie denn Angst, dass das in Zukunft ganz vergessen wird, was damals passiert ist.

Davor habe ich Angst, dass es verfälscht wird.

Jetzt finde ich ist es wert, weil vor allem in Ungarn, das man absichtlich, ganz, ganz absichtlich

die Geschichte verfälscht. Und das ist sehr, sehr gefährlich.

Ich wollte Ihnen erzählen wir ja auch nächste Woche nach Auschwitz fahren.

Wie ist dieser Ort? Was passiert, wenn man an diesem Ort heutzutage ist.

Können Sie mir das sagen?

Ja, ich denke, wenn man eine gesunde Seele hat,

dann spürt man noch immer den Geruch vom Tod.

Wir fahren nach Oświęcim, die polnische Stadt,

in der sich das Konzentrationslager Auschwitz befindet.

Aus dem normalen Leben, bam, nach Auschwitz. Jetzt gerade merke ich, ganz ehrlich gesagt,

noch nichts von der Betroffenheit.

Oświęcim liegt im Süden von Polen, eine Autostunde weit weg von Krakau.

Die Stadt hat etwa 40.000 Einwohner und man spürt wenig von der Vergangenheit,

alles wirkt total normal und durchschnittlich.

Bis man am Lager ankommt.

Über eine Millionen Menschen wurden allein hier ermordet.

Zuerst fahren wir nach Auschwitz-Birkenau, auch Auschwitz II genannt.

Der Teil von Auschwitz, in dem das größte deutsche Vernichtungslager stand.

Wow.

Also man sieht hier den Waggon und da hinten ganz viele Reihen, wo früher die Baracken standen.

Diese Türme sind so widerlich, weil die aussehen, so wie Jägerhochsitze. Das ist auch saueklig.

Das ist schon abartig.

Oah, alter.

Jews selected bei the SS for immediate death in the gas chambers for crematoria four and five

were herded along this road.

Also in Herden gesammelt. Auf dieser Straße.

Darf ich da einmal lang laufen?

Am besten lässt sich das mit Ekel beschreiben, was ich hier empfinde.

Ihh.

Dieser Ort ist einfach nur widerlich.

Da durch dieses Tor zu gehen, ist ja echt heftig. Also, das fand ich jetzt schon...

Die Fahrt hierher ist keine Fahrt in die deutsche Demütigung.

Sondern es ist eine Fahrt in die eigene Würde und in die eigene Fähigkeit

sich selbstkritisch zu sehen und dadurch Größe zu gewinnen.

Ich hab gesagt, die Angst war, das was der SS am wichtigsten war.

Das ist Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

Die Menschen durften auch nicht brüllen, nicht schreien, nicht weinen.

Er macht hier gerade eine Führung mit jungen Leuten aus Polen und Deutschland.

Er kennt die Details von damals so genau, weil er seit Jahrzehnten mit Überlebenden gesprochen hat.

Als sie noch jünger waren und als noch mehr Zeit übrig war.

Ich habe viel mit Überlebenden gefeiert, gelacht, gelebt, Landschaft genossen.

Geschichten gehört, die sich nicht auf Auschwitz erstreckten

und das war wirklich einfach die andere Seite der Medaille, die einprägsam war

und die dann auch zu einer Nähe geführt hat, die einfach bleibt.

Wir gehen auf den Turm in Auschwitz II. Der gesamte Lagerkomplex Auschwitz ist unfassbar groß.

Auch von hier oben sehen wir nicht alles, bekommen aber eine Ahnung.

Ihr erinnert euch, 190 Hektar, davon entfallen 120 Hektar auf dieses Gelände.

Das ist eine Fabrik zur Ermordung von Menschen, die der damalige deutsche Staat errichtet hatte.

Viele der Häftlinge sind so alte, wie ihr jetzt seid.

Die Gruppe, mit der Herr Heubner unterwegs ist, sind Auszubildende,

die meisten aus der Autoindustrie.

Zusammen schauen wir uns die Baracken an, in denen die Häftlinge untergebracht waren.

Der eine Mitarbeiter hat mir erzählt,

dass da irgendwie sieben, acht Leute auf so einer Pritsche lagen.

Aber gut, die waren halt auch krank, ne. Die hast du dann einfach gestapelt wahrscheinlich.

Merve ist 19 Jahre alt und lernt Industriekauffrau bei Volkswagen.

Die Reise nach Auschwitz macht sie im Rahmen ihrer Ausbildung.

Bis jetzt war ihr nicht klar, wie sehr Auschwitz einer Fabrik geähnelt hat.

Das hier Menschen wie Ware eingelagert werden, aber nur gute Ware.

Und schlechte Ware kommt halt direkt weg.

Und die gute Ware kann man dann quasi weiterverarbeiten.

Bis sie schlecht wird. Also, das ist für mich ne Fabrik.

Es ist kein Zufall, dass hier gleich drei VW-Busse durch's Bild rollen.

Volkswagen organisiert nämlich diese Begegnungsreise zwischen deutschen und polnischen Azubis.

Warum gerade VW? Der Konzern ist mit der Nazi-Zeit untrennbar verbunden.

Die Kurzversion: Hitler legte den Grundstein für das erste VW-Werk.

In den 40er Jahren arbeiteten 20.000 Menschen als Zwangsarbeiter bei Volkswagen.

Deshalb setzt sich der Konzern heute für die Gedenkstättenpflege in Auschwitz ein.

Wir sind jetzt im Stammlager, auch Auschwitz I genannt. Von hier aus wurde der Komplex verwaltet.

Auch hier wurden Menschen vergast, erhängt.

Der leitende KZ-Arzt Joseph Mengele führte hier seine Experimente durch.

Er operierte Kinder ohne Narkose, infizierte sie absichtlich mit den furchtbarsten Krankheiten,

um an den kleinen Körpern zu forschen.

75 Jahre später kehren wir jetzt gleich hier den Hof.

Jacket?

Eine Regenjacke?

Rain jacket?

Yes.

Also du musst mal sagen, ob das geht oder ob ich die Jacke da drunter ausziehen muss.

Ne, das ist top.

Alles an Ort und Stelle.

Alles an Ort und Stelle.

Die Arbeit in der Gedenkstätte gehört zum Reiseprogramm der Azubis dazu.

Zwölf Tage lang helfen sie hier mit.

Ich hab gesagt, mache ich sofort mit. Ja, es war für mich irgendwie keine Frage.

Abgesehen davon war ich noch nie hier. Und äh…

Aber man ist schon geplättet, ne.

Unverständnis halt. Das ist so eines, was ich jetzt halt immernoch hab.

Dieser, dieser Hass, irgendwie. Das verstehe ich bis heute nicht.

Also, klar denkt man, dass man heute viel weiter ist als früher.

Und das das ja sich ja so gar nicht wiederholen könnte in der heutigen Zeit, das sagen ja auch viele.