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YouTube | GERMANIA, Sugar MMFK über seine drohende Abschiebung, Doppelleben und Aufwachsen ohne Vater

Sugar MMFK über seine drohende Abschiebung, Doppelleben und Aufwachsen ohne Vater

Ich habe hier meine 1. Worte gesprochen.

Und ich soll dann auch auf diesem Boden hart auf hart beerdigt werden.

Und nicht von hier auf einmal,

okay, jetzt ist er alt genug, soll er zurück.

So sehe ich die Sache.

* Titelmelodie *

Mein Name ist Sugar MMFK.

Ich komme aus Bonn.

Ich bin Rapper.

Und meine Eltern kommen ursprünglich aus Angola.

Meine Mutter ist 92 nach Deutschland gekommen.

In Angola gab es 'nen Bürgerkrieg.

Und die ist aus Kriegsgründen dann geflohen,

mit meinen Geschwistern zusammen.

Ich war quasi im Bauch.

Mein Vater ist nachgekommen. Der hatte Einreiseschwierigkeiten

und konnte dann erst 98 nachkommen.

Ich bin dann 93 in Linz am Rhein geboren.

Ich war auch das erste afrikanische Baby im Linzer Krankenhaus.

Daher hatte ich immer so einen Promi-Status.

Meine Mutter, meine 2 Geschwister und ich

wurden da super von der Gemeinde aufgenommen.

Die haben auch direkt von unserer Geschichte erfahren.

Dass meine Mutter mit mir im Bauch geflüchtet ist,

das hat viele auch emotional so gepackt,

dass viele ihre Unterstützung angeboten hatten.

Meine Schulzeit:

Schon in der 1. Klasse

hatte ich sehr große Probleme mit meiner Lehrerin gehabt.

Wir waren halt laut.

Die stand schon vorne in der Klasse. Man sagt ja immer: guten Morgen.

Also der Unterricht ging noch nicht mal richtig los,

die hat mich direkt nach vorne gebeten. Dann kam ich nach vorne.

Sollte ich mich halt Richtung Klasse drehen.

Dann habe ich mich halt gedreht, die Mitschüler angeschaut.

Und dann hat sie halt den Mülleimer über meinem Kopf ausgeleert.

Und alle haben halt gelacht.

Sie wollte mir halt so klarmachen: Ich bin weniger wert.

Für mich war das in dem Moment gar nicht so schlimm,

weil alle haben gelacht, ich hab auch gelacht.

Meine Mutter hat mich gefragt: Was ist passiert?

Ich hab der das dann erzählt. Da hat die angefangen zu weinen.

Mir hat es voll weh getan, weil ich dachte: Ich hab was falsch gemacht.

Das hat mich halt in der Schulzeit geprägt.

Ich habe dann auch irgendwann gezweifelt,

ob ich es überhaupt in der Schule machen kann,

ob ich überhaupt was im Kopf hab.

Weil im Vordergrund

stand immer so mein Ego, mich selbst, meine Würde zu behalten

und halt auf den Unterricht zu scheißen, sag ich mal.

Die Kinder, die mit mir auf der Schule waren,

sind mit ihren Vätern Fußballspielen gegangen, Angeln gegangen.

Die haben mich zu denen eingeladen,

ich habe immer gesehen, die haben so 'ne ganze Familie.

Und bei uns gab es das nicht so.

Mein Vater war nie da.

Und ich hab dann irgendwann so erzählt: Mein Vater ist gestorben.

Weil mich diese Fragen genervt haben.

Die ganze Zeit: Wo ist dein Vater, oder wann kommt er? Und sowas.

Ich kannte ihn ja auch nicht.

Weil es gab auch nicht Momente, wo ich mit ihm telefoniert habe

oder ein Bild von ihm hatte oder sowas. Nix.

Einfach wegen dem ganzen Krieg und so.

Meine Mutter hat ja alles dalassen müssen.

Und dadurch, dass ich das gesagt, dass er gestorben ist,

habe ich das mit der Zeit auch verinnerlicht:

Ich hab einfach keinen Vater.

Und dann in der besagten Nacht, wo er dann gekommen ist,

habe ich dann so 'ne Riesengestalt gesehen.

Und es war halt dunkel, ich war am schlafen,

aber ich hab irgendwie das gespürt, irgendwer kommt da so.

Und es war so vertraut, weißt du?

Und der hat mich dann vom Bett runtergehoben

und auf seinen Schultern quasi getragen.

Und ich habe direkt gespürt, dass es mein Vater ist.

Das war der schönste Tag bis heute in meinem ganzen Leben.

* Hip-Hop-Musik *

Wir waren Flüchtlinge, wir hatten halt viele Sachen,

was Kinder zu der Zeit hatten, nicht.

Z. B. wenn jetzt so, sag ich mal,

deutsche Jungs dann zu mir nach Hause kommen wollten,

wo ich mich geschämt habe.

Ich habe keine Playstation, ich hab nix, was ich denen anbieten kann.

Bei uns war es so, wir hatten ein großes Wohnzimmer,

da wurde der Raum quasi in der Mitte getrennt mit so einem Bettlaken.

Auf der einen Seite hat meine Mutter geschlafen,

auf der anderen Seite halt mein Bruder.

Dann habe ich halt Freunde gesucht, die sowas auch von zu Hause kennen.

Dann war ich halt viel mehr Jungs aus dem Kosovo, Albanern,

aber irgendwann habe ich mich trotzdem danach gesehnt,

auch schwarze Jungs zu treffen, Jungs auch aus meiner Heimat.

Auch einfach, weil ich diesen Drang nach meiner Kultur irgendwie hatte.

Irgendwann habe ich so ein Mädel kennengelernt, eine Latina.

Durch diesen Kontakt bin ich dann auch zu schwarzen Jungs gekommen.

Und ich kann mich noch genau daran erinnern,

ich war dann in so einer Hausparty von denen.

Dann in dieser besagten Hausparty gab es so ein Mädchen,

sie hat die ganze Zeit gerufen: Oskar, Oskar.

Dann tippt die mich an: Hey Oskar, ich rufe dich die ganze Zeit.

Sage ich: Ich heiße nicht Oskar.

Dann fragt sie: Wie heißt du denn?

Meinte ich: Nenn mich einfach Sugar.

Von da an haben mich alle Sugar genannt.

Und dann hat sich auch dieser Charakter Sugar so entwickelt,

mit der Zeit so.

Das war dann so wie mein Doppelleben so.

Kann man sich vorstellen wie auch 'ne Maske so.

Es war dann auch viel einfacher fürs Gewissen.

Zuhause bin ich Joao Michel, wenn du rausgehst, bist du Sugar,

lebst ein anderes Leben, bist auf der Straße, machst deine Sachen.

Mit der Zeit kamen dann viele Straftaten, Schlägereien.

Ich hatte das Gefühl, ich muss mich irgendwie beweisen und sowas,

weil Gewalt auch eine Art war sich durchzusetzen, zu zeigen,

dass man jemand ist.

Wenn man jung ist, nicht viel gesehen hat, aber irgendwie Muckis hat,

dann greift man oft dazu.

Wenn jetzt einer irgendwie was sagt, was dir nicht gefällt,

du hast das Gefühl, dass dein Umfeld dich als schwach empfindet,

dann zeigst du halt kurz, dass du nicht schwach bist,

indem du einen weghaust.

Es hat sich irgendwie dazu entwickelt,

dass wir durch die Städte gezogen sind,

in andere Stadtteile und uns auch beweisen wollten.

Wir wollten irgendwie einen Namen machen.

Wie gesagt, Sugar war schon zu der Zeit mein Name gewesen,

aber jeder sollte auch den Namen kennen,

nicht unbedingt nur durch Schlägerei, aber wenn es sein muss, dann so.

Diese vergangene Zeit hat mich sehr geprägt,

natürlich auch zu dem gemacht, was ich jetzt bin.

Und auch sehr viele Teile verarbeite ich in meiner Musik,

in meinen Texten, auch da ist sehr viel Gewalt drin.

* Musik: Sugar MMFK "Lass laufen" *

# Kriminelle Achterbahn, Dschungelfahrt geht los

# Von NRW bis Rotterdam, alle jagen Flouz

# Diebe kamen für mein Brot, sind gefallen wie der Kurs

# MMFK, die Straße macht uns groß

Die aktuelle Situation mit der Abschiebung

kam erst so ans Tageslicht:

Ich wollte meinen Führerschein anfangen.

Und die haben dir dann gesagt:

Mit diesen Papieren kannst du das nicht machen, mit dieser Duldung,

da ist nicht mal ein Bild drauf. Das ist eine Aufenthaltserlaubnis,

aber die musst du alle 3 Monate verlängern.

Bin ich zum Ausländeramt gegangen. Dann sagte die Frau:

Zeig mal deine Papiere.

Meinte ich: hier.

Hat die das eingesteckt, meinte:

So, das ist jetzt ungültig.

Du hast 24 Tage Zeit, die Schengen-Staaten zu verlassen.

Von jetzt auf gleich. Ich wusste nicht warum, weshalb.

Und jetzt quasi nach diesen ganzen Hürden, die ich hatte,

nach dieser schweren Zeit,

wo ich mir jetzt selber meinen Weg ermöglicht habe,

meine eigene Perspektive geschaffen hab, für mich, für meine Familie,

für Freunde, für Tänzer, die ich mit auf Tour nehme,

andere Leute, die die Tour managen, die quasi auch von dem Geld leben,

das mit meiner Tour quasi generiert wird.

Da ich mir das jetzt alles so ermöglicht hab,

wäre das auch für mich ein großer Rückschritt,

jetzt abgeschoben zu werden in ein Land, wo ich noch nie war,

wo ich auch keine Familie habe

und mir da überhaupt nix aufgebaut habe.

Ich starte von null, sogar noch von weiter, weißt du?

Ob jemand, der mehrfach kriminell geworden ist,

abgeschoben werden soll?

Das Ding ist, ich bin hier geboren.

Ich bin ja in dem System kriminell geworden.

D. h.: Das System ist ja auch irgendwie mit dafür verantwortlich.

Ich habe ja nicht meine Kriminalität von irgendwo mitgebracht

und werde jetzt hier kriminell,

sondern ich bin in diesem System aufgewachsen.

Und deshalb finde ich, wenn jetzt jemand

in seinem Land kriminell war und dann hierherkommt und kriminell ist,

dann kann man den abschieben, soll man den abschieben.

Aber wenn jemand hier aufgewachsen ist,

hier das System kennt und hier kriminell wird,

soll er hier seine Strafe kriegen und hierbleiben.

Weil ein Deutscher,

der hier kriminell wird, wird auch nicht abgeschoben,

Guantanamo oder sowas. Wohin mit denen?

Ich bin hier geboren, weißt du? So.

Und das ist für mich nicht etwas, was ich jetzt ausnutze:

Ich bin hier geboren, ich kann machen, was ich will.

Nein.

Für mich auf jeden Fall ist Heimat da, wo ich aufgewachsen bin,

wo ich die Sprache spreche, wo meine Familie quasi lebt,

wo meine Freunde sind.

Wo ich ...

Laufen gelernt habt.

Das ist für mich Heimat.

Ich bin auf jeden Fall ein deutscher Mann so, 100%.

Das Problem ist, ich sehe mich so, aber ich werde nicht so gesehen,

weißt du, was ich mein?

Ich sehe mich als Deutscher, aber ich werd nicht so gesehen.

Ich bin ja hier geboren, sprech die Sprache,

bin hier zur Schule gegangen, arbeite hier, zahle Steuern,

aber ich bin immer noch kein Deutscher.

Ich krieg immer noch diese Papiere nicht, diese Anerkennung nicht.

D. h.: Ich bin im System irgendwie noch nicht angekommen,

immer noch nicht anerkannt. Was muss ich tun?

Ist ein Deutscher zu sein etwas auf dem Papier

oder ist es etwas von deinem Empfinden?

Weil von meinem Empfinden her bin ich Deutscher.

Aber auf dem Papier nicht.

* Titelmelodie *

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)

So, das war Germania mit Sugar MMFK.

Auf jeden Fall noch eine Frage an euch:

Findet ihr das in Ordnung,

dass Menschen aus ihren Herkunftsländern flüchten,

wo sie ihre Lebensgrundlage verloren haben

und nach Deutschland kommen, um sich hier etwas aufzubauen?

Schreibt das in die Kommentare, würde mich auf jeden Fall interessieren.

MMFK von Bantu Nation. Peace.


Sugar MMFK über seine drohende Abschiebung, Doppelleben und Aufwachsen ohne Vater Sugar MMFK on his impending deportation, double life and growing up without a father

Ich habe hier meine 1. Worte gesprochen.

Und ich soll dann auch auf diesem Boden hart auf hart beerdigt werden.

Und nicht von hier auf einmal,

okay, jetzt ist er alt genug, soll er zurück.

So sehe ich die Sache.

* Titelmelodie *

Mein Name ist Sugar MMFK.

Ich komme aus Bonn.

Ich bin Rapper.

Und meine Eltern kommen ursprünglich aus Angola.

Meine Mutter ist 92 nach Deutschland gekommen.

In Angola gab es 'nen Bürgerkrieg.

Und die ist aus Kriegsgründen dann geflohen,

mit meinen Geschwistern zusammen.

Ich war quasi im Bauch.

Mein Vater ist nachgekommen. Der hatte Einreiseschwierigkeiten

und konnte dann erst 98 nachkommen.

Ich bin dann 93 in Linz am Rhein geboren.

Ich war auch das erste afrikanische Baby im Linzer Krankenhaus.

Daher hatte ich immer so einen Promi-Status.

Meine Mutter, meine 2 Geschwister und ich

wurden da super von der Gemeinde aufgenommen.

Die haben auch direkt von unserer Geschichte erfahren.

Dass meine Mutter mit mir im Bauch geflüchtet ist,

das hat viele auch emotional so gepackt,

dass viele ihre Unterstützung angeboten hatten.

Meine Schulzeit:

Schon in der 1. Klasse

hatte ich sehr große Probleme mit meiner Lehrerin gehabt.

Wir waren halt laut.

Die stand schon vorne in der Klasse. Man sagt ja immer: guten Morgen.

Also der Unterricht ging noch nicht mal richtig los,

die hat mich direkt nach vorne gebeten. Dann kam ich nach vorne.

Sollte ich mich halt Richtung Klasse drehen.

Dann habe ich mich halt gedreht, die Mitschüler angeschaut.

Und dann hat sie halt den Mülleimer über meinem Kopf ausgeleert.

Und alle haben halt gelacht.

Sie wollte mir halt so klarmachen: Ich bin weniger wert.

Für mich war das in dem Moment gar nicht so schlimm,

weil alle haben gelacht, ich hab auch gelacht.

Meine Mutter hat mich gefragt: Was ist passiert?

Ich hab der das dann erzählt. Da hat die angefangen zu weinen.

Mir hat es voll weh getan, weil ich dachte: Ich hab was falsch gemacht.

Das hat mich halt in der Schulzeit geprägt.

Ich habe dann auch irgendwann gezweifelt,

ob ich es überhaupt in der Schule machen kann,

ob ich überhaupt was im Kopf hab.

Weil im Vordergrund

stand immer so mein Ego, mich selbst, meine Würde zu behalten

und halt auf den Unterricht zu scheißen, sag ich mal.

Die Kinder, die mit mir auf der Schule waren,

sind mit ihren Vätern Fußballspielen gegangen, Angeln gegangen.

Die haben mich zu denen eingeladen,

ich habe immer gesehen, die haben so 'ne ganze Familie.

Und bei uns gab es das nicht so.

Mein Vater war nie da.

Und ich hab dann irgendwann so erzählt: Mein Vater ist gestorben.

Weil mich diese Fragen genervt haben.

Die ganze Zeit: Wo ist dein Vater, oder wann kommt er? Und sowas.

Ich kannte ihn ja auch nicht.

Weil es gab auch nicht Momente, wo ich mit ihm telefoniert habe

oder ein Bild von ihm hatte oder sowas. Nix.

Einfach wegen dem ganzen Krieg und so.

Meine Mutter hat ja alles dalassen müssen.

Und dadurch, dass ich das gesagt, dass er gestorben ist,

habe ich das mit der Zeit auch verinnerlicht:

Ich hab einfach keinen Vater.

Und dann in der besagten Nacht, wo er dann gekommen ist,

habe ich dann so 'ne Riesengestalt gesehen.

Und es war halt dunkel, ich war am schlafen,

aber ich hab irgendwie das gespürt, irgendwer kommt da so.

Und es war so vertraut, weißt du?

Und der hat mich dann vom Bett runtergehoben

und auf seinen Schultern quasi getragen.

Und ich habe direkt gespürt, dass es mein Vater ist.

Das war der schönste Tag bis heute in meinem ganzen Leben.

* Hip-Hop-Musik *

Wir waren Flüchtlinge, wir hatten halt viele Sachen,

was Kinder zu der Zeit hatten, nicht.

Z. B. wenn jetzt so, sag ich mal,

deutsche Jungs dann zu mir nach Hause kommen wollten,

wo ich mich geschämt habe.

Ich habe keine Playstation, ich hab nix, was ich denen anbieten kann.

Bei uns war es so, wir hatten ein großes Wohnzimmer,

da wurde der Raum quasi in der Mitte getrennt mit so einem Bettlaken.

Auf der einen Seite hat meine Mutter geschlafen,

auf der anderen Seite halt mein Bruder.

Dann habe ich halt Freunde gesucht, die sowas auch von zu Hause kennen.

Dann war ich halt viel mehr Jungs aus dem Kosovo, Albanern,

aber irgendwann habe ich mich trotzdem danach gesehnt,

auch schwarze Jungs zu treffen, Jungs auch aus meiner Heimat.

Auch einfach, weil ich diesen Drang nach meiner Kultur irgendwie hatte.

Irgendwann habe ich so ein Mädel kennengelernt, eine Latina.

Durch diesen Kontakt bin ich dann auch zu schwarzen Jungs gekommen.

Und ich kann mich noch genau daran erinnern,

ich war dann in so einer Hausparty von denen.

Dann in dieser besagten Hausparty gab es so ein Mädchen,

sie hat die ganze Zeit gerufen: Oskar, Oskar.

Dann tippt die mich an: Hey Oskar, ich rufe dich die ganze Zeit.

Sage ich: Ich heiße nicht Oskar.

Dann fragt sie: Wie heißt du denn?

Meinte ich: Nenn mich einfach Sugar.

Von da an haben mich alle Sugar genannt.

Und dann hat sich auch dieser Charakter Sugar so entwickelt,

mit der Zeit so.

Das war dann so wie mein Doppelleben so.

Kann man sich vorstellen wie auch 'ne Maske so.

Es war dann auch viel einfacher fürs Gewissen.

Zuhause bin ich Joao Michel, wenn du rausgehst, bist du Sugar,

lebst ein anderes Leben, bist auf der Straße, machst deine Sachen.

Mit der Zeit kamen dann viele Straftaten, Schlägereien.

Ich hatte das Gefühl, ich muss mich irgendwie beweisen und sowas,

weil Gewalt auch eine Art war sich durchzusetzen, zu zeigen,

dass man jemand ist.

Wenn man jung ist, nicht viel gesehen hat, aber irgendwie Muckis hat,

dann greift man oft dazu.

Wenn jetzt einer irgendwie was sagt, was dir nicht gefällt,

du hast das Gefühl, dass dein Umfeld dich als schwach empfindet,

dann zeigst du halt kurz, dass du nicht schwach bist,

indem du einen weghaust.

Es hat sich irgendwie dazu entwickelt,

dass wir durch die Städte gezogen sind,

in andere Stadtteile und uns auch beweisen wollten.

Wir wollten irgendwie einen Namen machen.

Wie gesagt, Sugar war schon zu der Zeit mein Name gewesen,

aber jeder sollte auch den Namen kennen,

nicht unbedingt nur durch Schlägerei, aber wenn es sein muss, dann so.

Diese vergangene Zeit hat mich sehr geprägt,

natürlich auch zu dem gemacht, was ich jetzt bin.

Und auch sehr viele Teile verarbeite ich in meiner Musik,

in meinen Texten, auch da ist sehr viel Gewalt drin.

* Musik: Sugar MMFK "Lass laufen" *

# Kriminelle Achterbahn, Dschungelfahrt geht los

# Von NRW bis Rotterdam, alle jagen Flouz

# Diebe kamen für mein Brot, sind gefallen wie der Kurs

# MMFK, die Straße macht uns groß

Die aktuelle Situation mit der Abschiebung

kam erst so ans Tageslicht:

Ich wollte meinen Führerschein anfangen.

Und die haben dir dann gesagt:

Mit diesen Papieren kannst du das nicht machen, mit dieser Duldung,

da ist nicht mal ein Bild drauf. Das ist eine Aufenthaltserlaubnis,

aber die musst du alle 3 Monate verlängern.

Bin ich zum Ausländeramt gegangen. Dann sagte die Frau:

Zeig mal deine Papiere.

Meinte ich: hier.

Hat die das eingesteckt, meinte:

So, das ist jetzt ungültig.

Du hast 24 Tage Zeit, die Schengen-Staaten zu verlassen.

Von jetzt auf gleich. Ich wusste nicht warum, weshalb.

Und jetzt quasi nach diesen ganzen Hürden, die ich hatte,

nach dieser schweren Zeit,

wo ich mir jetzt selber meinen Weg ermöglicht habe,

meine eigene Perspektive geschaffen hab, für mich, für meine Familie,

für Freunde, für Tänzer, die ich mit auf Tour nehme,

andere Leute, die die Tour managen, die quasi auch von dem Geld leben,

das mit meiner Tour quasi generiert wird.

Da ich mir das jetzt alles so ermöglicht hab,

wäre das auch für mich ein großer Rückschritt,

jetzt abgeschoben zu werden in ein Land, wo ich noch nie war,

wo ich auch keine Familie habe

und mir da überhaupt nix aufgebaut habe.

Ich starte von null, sogar noch von weiter, weißt du?

Ob jemand, der mehrfach kriminell geworden ist,

abgeschoben werden soll?

Das Ding ist, ich bin hier geboren.

Ich bin ja in dem System kriminell geworden.

D. h.: Das System ist ja auch irgendwie mit dafür verantwortlich.

Ich habe ja nicht meine Kriminalität von irgendwo mitgebracht

und werde jetzt hier kriminell,

sondern ich bin in diesem System aufgewachsen.

Und deshalb finde ich, wenn jetzt jemand

in seinem Land kriminell war und dann hierherkommt und kriminell ist,

dann kann man den abschieben, soll man den abschieben.

Aber wenn jemand hier aufgewachsen ist,

hier das System kennt und hier kriminell wird,

soll er hier seine Strafe kriegen und hierbleiben.

Weil ein Deutscher,

der hier kriminell wird, wird auch nicht abgeschoben,

Guantanamo oder sowas. Wohin mit denen?

Ich bin hier geboren, weißt du? So.

Und das ist für mich nicht etwas, was ich jetzt ausnutze:

Ich bin hier geboren, ich kann machen, was ich will.

Nein.

Für mich auf jeden Fall ist Heimat da, wo ich aufgewachsen bin,

wo ich die Sprache spreche, wo meine Familie quasi lebt,

wo meine Freunde sind.

Wo ich ...

Laufen gelernt habt.

Das ist für mich Heimat.

Ich bin auf jeden Fall ein deutscher Mann so, 100%.

Das Problem ist, ich sehe mich so, aber ich werde nicht so gesehen,

weißt du, was ich mein?

Ich sehe mich als Deutscher, aber ich werd nicht so gesehen.

Ich bin ja hier geboren, sprech die Sprache,

bin hier zur Schule gegangen, arbeite hier, zahle Steuern,

aber ich bin immer noch kein Deutscher.

Ich krieg immer noch diese Papiere nicht, diese Anerkennung nicht.

D. h.: Ich bin im System irgendwie noch nicht angekommen,

immer noch nicht anerkannt. Was muss ich tun?

Ist ein Deutscher zu sein etwas auf dem Papier

oder ist es etwas von deinem Empfinden?

Weil von meinem Empfinden her bin ich Deutscher.

Aber auf dem Papier nicht.

* Titelmelodie *

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)

So, das war Germania mit Sugar MMFK.

Auf jeden Fall noch eine Frage an euch:

Findet ihr das in Ordnung,

dass Menschen aus ihren Herkunftsländern flüchten,

wo sie ihre Lebensgrundlage verloren haben

und nach Deutschland kommen, um sich hier etwas aufzubauen?

Schreibt das in die Kommentare, würde mich auf jeden Fall interessieren.

MMFK von Bantu Nation. Peace.