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YouTube | News Videos / Doku, Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten | STRG_F

Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten | STRG_F

Er wollte den Umsturz, ein neues Nazideutschland.

(alle:) Sieg heil! Sieg heil!

(Unruhige Musik)

Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben.

In den Wendejahren nannten man ihn den Führer von Berlin.

Ich war geistiger Brandstifter - nicht folgenlos.

Wie kam es zu dieser massiven Gewalt und was hat das mit heute zu tun?

Wir haben ein paar Mal hin- und hergeschrieben, telefoniert.

bevor ich ihn in Berlin treffen kann,

den ehemals bekanntesten Neonazi Ostdeutschlands.

Falls ihr euch wundert, wir haben den Film im letzten Sommer gedreht.

Da waren die Coronazahlen noch ganz unten.

Ich mach mal ein bisschen leiser.

(off:) Ich hab im Archiv einen alten Film gefunden von Anfang der 90er.

Es gibt ja hier in dem Film so Passagen von militanten Neonazis.

(Unverständlicher Ruf)

(Schüsse)

Es ist ein Film über Ingo Hasselbach und seine damaligen Mitstreiter.

Hasselbach läuft vorne weg.

(Video:) "Manöver gehören längst zum Alltag

neonazistischer Organisationen."

"In fast allen größeren deutschen Städten gibt es Wehrsportgruppen."

"Sie werden meistens von Rekruten der Bundeswehr ausgebildet.

(Knall)

(Laufschritte)

(Schuss)

(Schuss)

"Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben."

"Kannst du dir das vorstellen?" - "Sicher."

"In welcher Situation?"

"Zum Beispiel ... erst mal von Haus aus Notwehr."

"Politisch gesehen?"

Vielleicht auch irgendwann mal zur Durchsetzung politischer Ziele.

Wie ist denn das für Sie, wenn Sie das wieder mal so gucken?

Es ist schwer, mich zusammenzubringen mit der Person, es ist so lange her.

Ich weiß natürlich, dass ich das bin,

aber es ist schon wahnsinnig absurd zu sehen.

Dass ich das mal gesagt habe, also ...

Den ganzen Zusammenhang sehe, für was das alles steht

und wo das herkommt.

Aber letztlich ist es ein Teil meiner Geschichte, den ich akzeptieren muss,

den ich auch akzeptiere natürlich.

Wann haben Sie das zum letzten Mal geguckt?

Ich hab's noch nie geguckt.

Sie haben es noch nie geguckt? - Nee.

Das ist für mich auch mit so wahnsinnig viel Scham belastet,

ich denke, das ist eigentlich unglaublich, dass ich das bin.

(Er räuspert sich.)

Aber er ist es.

Ingo Hasselbach war vor 30 Jahren

eine zentrale Führungsfigur der Neonazis,

zuständig für den Osten Deutschlands, da ist er großgeworden.

(Treibende Musik)

In der Weitlingstraße in Ostberlin

errichtete die neue Rechte Bewegung ihr Hauptquartier.

Das war 1990.

Der junge Ingo Hasselbach wurde Anführer

und Parteivorsitzender der nationalen Alternative.

Er sagt, dass er in der Zeit oft Waffen mit sich trug,

das sei besser gewesen.

(Treibende Musik)

Von den Medien wurde Hasselbach "der Führer von Berlin" genannt.

Die Neonazis besetzten Häuser,

das hatten sie sich von den Linken abgeschaut.

Schnell wurde die Weitlingstraße zum Treffpunkt von bis zu 400 Neonazis

aus Ost und West.

So sieht es heute hier aus.

(Treibende Musik)

Ingo Hasselbach ist das erste Mal seit 1990 wieder hier.

So richtig wohl fühle er sich nicht, sagt er.

(Treibende Musik)

Aber er will mir zeigen,

wo er und andere Neonazis damals in diesem Haus gewohnt haben.

Es ist seine Vergangenheit.

Hier konnte man sich nicht mehr bewegen in dieser Straße,

ohne Stress zu kriegen.

Die Linken haben draußen patrouilliert,

die Polizei hat patrouilliert,

der Verfassungsschutz hat patrouilliert.

alle waren draußen auf den Straßen unterwegs.

Es gab eine totale Überwachung, nachdem die geschnallt haben,

wer eingezogen ist in das Haus.

In der Weitlingstraße

versammelten sich viele junge Männer wegen Hasselbach.

Die Rechten ließen oft Medien rein,

doch manche Fragen wurden nicht beantwortet.

Es wird davon gesprochen,

dass es größere Waffenlager im rechten Lager gibt?

Kein Kommentar.

Warum?

Kein Kommentar.

Jahre später wird Hasselbach die Waffenlager preisgeben.

Das war meine Wohnung. - Das war Ihre Wohnung?

Vor 30 Jahren. - Vor 30 Jahren, genau.

War schon so eine Art rechtsfreier Raum?

Das war ein komplett rechtsfreier Raum.

Es galt nur das, was wir als Gesetz erklärt haben.

Hier gab's im Prinzip direkten Zugang auf den Dachboden.

Hatten Sie Waffen im Haus?

Wir hatten immer Waffen im Haus, ja.

Das war auch unausgesprochen klar, dass jeder hier eine Waffe hat.

Für den Fall, dass man überfallen wird, dass es eine Stürmung gibt,

was auch immer.

Die heftigste Auseinandersetzung um die Weitlingstraße

gab es am 23. Juni 1990.

(Sirene)

Ein linkes Bündnis

hatte zur Demonstration gegen das rechte Zentrum aufgerufen.

Die Weitlingstraße stand im Prinzip

als Symbol für die Wiedervereinigung der Rechten,

also der Vereinigung der Rechten Ost-West.

Wir hatten das Gefühl, wir können Geschichte machen,

das haben wir versucht.

Hasselbach sagt, er und seine Kameraden

hätten an dem Tag im Sommer 1990

die Weitlingstraße bis zum Allerletzten verteidigt.

Dass es keine Toten gab, ist ein kleines Wunder.

Der Angriff der Linken war eine Reaktion

auf etliche Gewalttaten der Neonazis.

(Sirene)

(Ernste Musik)

Die Gewalt, die die Skins, die hier gelebt haben,

gegen Ausländer ausgeübt haben, das wurde auch hochgradig kriminell.

Es gab Raubüberfälle, es war nicht mehr zu kontrollieren.

Natürlich waren wir verantwortlich.

Wir haben die hier hergeholt, denen ein Zuhause gegeben.

Wir haben zwar nicht gesagt: "Geht raus und schlagt Ausländer tot",

aber sie haben es trotzdem gemacht.

Ausländer verprügelt, überfallen, Brandstiftung

und weiß der Teufel, was die gemacht haben.

Aber wir waren verantwortlich.

Auch Westneonazi Christian Worch rechts neben Hasselbach.

Die beiden lernen sich kurz nach Mauerfall kennen.

Worch wurde "Führer von Hamburg" genannt.

Die Kader aus dem Westen wie Worch

sahen auf dem Gebiet der Ex-DDR einen fruchtbaren Boden

für ihre radikalen Ideen.

Sie witterten ihre Chance.

Dass wir gemeinsam vereint sind

in einem heiligen Großdeutschen Reich.

(mehrere:) Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil!

Wir haben hier ein großes Potential von vorwiegend jungen Menschen,

die politisch unverbraucht sind.

Diese Naivität, ich möchte es schöne Naivität nennen,

die wird sehr befruchtend, die wird sehr beflügelnd auf das rechte Lager

Gesamtdeutschlands, also auch der alten Bundesländer wirken.

Wie wichtig war der Osten wirklich für die Westnazis?

Ich fahre zum ehemaligen Führer von Hamburg.

Heute wohnt er in Parchim.

In den letzten Jahren fuhr er noch Taxi.

Jetzt lebt er von Hartz IV erzählt er.

Seit 40 Jahren ist Christian Worch strammer Rechtsextremist.

Ein Ordner mit "NS-heute" fällt mir auf.

Ansonsten lässt hier wenig auf seine politische Gesinnung schließen.

(Elektronische Musik)

Auf Smalltalk vor dem Interview haben weder er noch ich Lust.

(Ernste Musik)

Wo stand denn die Rechte vor Mauerfall in der Bundesrepublik?

Als radikale Rechte waren wir vor dem Mauerfall in der BRD

nicht einmal im Stande 1.000 Mann auf die Straße zu bringen.

War denn der Mauerfall für Sie ein Glücksfall?

Das war er eindeutig, ja.

Wir hatten die Hoffnung,

dass nach dem Sturz des einen deutschen Systems

möglicherweisen nahezu direkt anschließend

der Sturz des zweiten deutschen Systems stattfinden könnte.

Wir hatten plötzlich Zugriff auf personelle Ressourcen von Menschen,

die mit dem kommunistischen System überhaupt nichts mehr am Hut hatten.

Mit anderen Worten Leute, die bereits etwas geändert hatten

und die im Prinzip zu weiteren Veränderungen bereit waren.

(Ernste Musik)

So wie Ingo Hasselbach und seine Kameraden.

Der Fall der Mauer, der Zusammenbruch der DDR,

also eines ganzen Staates,

brachte nach der ersten Euphorie viel Unsicherheit.

Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit -

eine gefährliche Mischung.

(Treibende Musik)

Ich treffe einen Mann,

der gegen Ingo Hasselbach in den 90ern ermittelt hat.

Jahre später werden sie gemeinsam

die Aussteigerorganisation "Exit" gründen.

Bernd Wagner war schon Kriminalpolizist in der DDR.

Auf den Zusammenbruch der DDR

haben die Neonazis in Ost und West lange gewartet,

erzählt er mir.

Kaum war die Mauer auf, gab es einen Aufbauplan Ost.

Führende Kader aus dem Westen kamen in den Osten,

die haben gedacht, sie trauen ihren Augen nicht,

wie viele Kameraden da rumlaufen, optisch sichtbar, völlig unbefangen,

keine Angst vor dem Verfassungsschutz, Stasi war tot,

die waren also hochbegeistert.

Die haben sogar geträumt in der Zeit von der nationalen Revolution.

Schon zu DDR-Zeiten hat Kriminalpolizist Wagner gemerkt,

dass sein Staat ein massives Problem mit Neonazis hat.

Wagner entdeckte etliche rechte Gruppierungen.

"SS-Division Walter Krüger Wolgast." - Ja.

"SS-Kampfstaffel Nord."

"Wotansbrüder."

"Wilhelmsruher Türkenklatscher."

"Lichtenberger Front", die "Vandalen", die "Ostkreuzler".

"Deutschland stirbt nicht", "SS-Teutonenkampfstaffel".

Die waren alle aktiv und viele mehr.

Das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit.

Alle waren nationalsozialistisch,

alle haben sich am Dritten Reich orientiert.

Man kann davon ausgehen, dass in allen Städten der DDR

mindestens eine Gruppierung existierte,

also kommen Sie auf eine Zahl, die weit über 200 liegt

nur an Gruppierungen.

Vor Mauerfall durfte Wagner seine Erkenntnisse nicht veröffentlichen.

Denn ins Selbstbild der DDR passten keine Neonazis.

Die durfte es offiziell nicht geben.

(Fröhliche Marschmusik)

Heute wie damals lautet der Schwur:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die deutsche demokratische Republik,

sie verkörpert die Ideale des antifaschistischen Kampfes.

(off:) Aber nicht alle folgten dieses Idealen.

Kurz vor Mauerfall 1988, das Politmagazin "Kontraste"

drehte heimlich in der DDR diese Aufnahmen von Neonazis.

Wir sind sehr auf Gewalt aus.

Wir wollen was gegen die ganzen Linken tun und

uns kotzt es ja an in dem Scheißstaat.

Ich meine, viel können wir ja nicht machen.

Wir treten ein für ein vereinigtes Deutschland

und dass die Scheißkanaken raus sind.

(Langsame Musik)

Erst kurz nach Mauerfall konnte Wagner seine Ermittlungsergebnisse

auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Bis September diesen Jahres wurden bevorzugt angegriffen

Anhänger der Punkbewegung wegen ihrer undeutschen Lebensweise,

Gruftis, homosexuelle Bürger,

Ausländer mit dunkler Hautfarbe und auch Vietnamesen.

Das Ergebnis war, dass wir es schon mit einem ziemlich rüden System

von rechtsradikalen zu tun haben in der DDR.

Wagner zählt in der DDR schon 15.000 Rechtsradikale,

das war in den 80ern.

Zu der Zeit wuchs Ingo Hasselbach

in der Plattenbausiedlung Berlin-Lichtenberg auf.

Ich war weder links noch recht, sagen wir so,

so ein Mittelding

und war im Protest gegen den Staat als Punk oder so.

(Schnelle Musik)

Am Anfang war das nicht politisch, überhaupt nicht.

Das war wirklich ein reines Anderssein.

Wir wollten uns nicht einordnen lassen in dieses System.

Wir sind ja nicht als Punks losge- gangen und haben alles kaputtgehauen.

Wir haben in den Kaufhallen geklaut, das haben wir gemacht,

aber wir haben nicht wirklich kriminelle Taten begangen,

wo man sagen muss, die gehörten verfolgt.

Wir wurden verfolgt, weil das politische System

diese westliche Jugendkultur, die wir in die DDR geschleppt haben,

zum Staatsfeind erklärt haben, wir wurden politisiert.

Wir fingen an nachzudenken, was es bedeutet,

wenn man unter so einen Druck gerät, dass man das aufgreift.

Dann wird man politisch, fängt an zu denken,

wo leben wir hier, wir leben in einem Land,

das eingesperrt ist.

(Langsame Musik)

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen.

(Langsame Musik)

Als 19-jähriger Punk kommt Ingo Hasselbach in Haft.

Er wird als Neonazi den Knast wieder verlassen.

Seine Erinnerungen an diesen Ort liegen lange zurück.

Doch die Bilder sind sofort wieder da.

Das wurde von den Gefangenen Tigerkäfig genannt.

Da oben lief halt so ein Posten rum,

der konnte von da in jede Freigangszelle gucken.

Also, so weit, wie wir jetzt hier stehen, war nicht erlaubt.

Und man musste laufen.

(Dynamische Musik)

Seine Geschichte begann so:

Er wurde 1986 von der Staatssicherheit,

der Geheimpolizei der DDR, festgenommen.

Weil ick auf 'nem Druschba-Fest,

das ist so 'n Freund der ... so 'n Fest der ...

russischen Streitkräfte, der Alliierten sozusagen,

gerufen hab: "Die Mauer muss weg."

Weißt du? So, dat war dann ...

da hab ick gemerkt, dass es mit der Meinungsfreiheit hapert.

Die Vernehmungen waren halt sehr intensiv hier.

Wo man halt ...

auf Herz und Niere geprüft wurd sozusagen,

ob man 'n Staatsfeind ist.

Darum geht's letztlich.

Zu welchem Ergebnis sind die gekommen?

Na, offensichtlich waren wir Staatsfeinde.

Staatsfeind mit 19. (Beklemmende Musik)

Weil er den Satz "Die Mauer muss weg." gerufen hatte.

Dafür bekam Ingo Hasselbach sieben Monate Haft.

Nach seiner Strafe wollte er nur noch weg aus dieser DDR.

Aber sein Fluchtversuch scheiterte.

Er kam wieder in Haft, diesmal zweieinhalb Jahre.

Eine Odyssee durch ein Dutzend DDR-Gefängnisse begann.

Oft wurde er transportiert

in solchen Bahnwagons.

(Traurige Musik)

Hier waren jetzt vier Gefangene?

Wir waren zu viert drinnen, ja.

War immer voll besetzt, dat war nie leer.

Die sind nie halbbesetzt gefahren, immer voll.

Und man war immer gefesselt an den Nachbarn.

Wo waren Sie überall?

Ähm ...

Also, in Berlin war ich in der Keibelstraße, Rummelsburg,


Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten | STRG_F Ex-Neonazi: How we wanted to overthrow Germany | STRG_F Ex-Neonazi: Cómo queríamos derrocar a Alemania | STRG_F Ex-nazista: come volevamo rovesciare la Germania | STRG_F 元ネオナチ:我々はいかにしてドイツを転覆させたかったか|STRG_F Ex-Neonazi: Como quisemos derrubar a Alemanha | STRG_F Eski Neonazi: Almanya'yı nasıl devirmek istedik | STRG_F

Er wollte den Umsturz, ein neues Nazideutschland. He wanted the overthrow, a new Nazi Germany.

(alle:) Sieg heil! Sieg heil! (Sieg heil! Sieg heil!

(Unruhige Musik) (Restless music)

Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele, When I shoot or aim at someone with real ammunition,

dann wird das einen Grund haben. then there will be a reason for that.

In den Wendejahren nannten man ihn den Führer von Berlin. In the Wende years, he was called the Führer of Berlin.

Ich war geistiger Brandstifter - nicht folgenlos. I was a spiritual arsonist - not without consequences.

Wie kam es zu dieser massiven Gewalt und was hat das mit heute zu tun? How did this massive violence occur and what does it have to do with today?

Wir haben ein paar Mal hin- und hergeschrieben, telefoniert. We texted back and forth a few times, talked on the phone.

bevor ich ihn in Berlin treffen kann, before I can meet him in Berlin,

den ehemals bekanntesten Neonazi Ostdeutschlands. the former best-known neo-Nazi in East Germany.

Falls ihr euch wundert, wir haben den Film im letzten Sommer gedreht. In case you're wondering, we shot the film last summer.

Da waren die Coronazahlen noch ganz unten. At that time, the corona numbers were still at the bottom.

Ich mach mal ein bisschen leiser. I'll turn it down a bit.

(off:) Ich hab im Archiv einen alten Film gefunden von Anfang der 90er. (off:) I found an old film in the archive from the early 90s.

Es gibt ja hier in dem Film so Passagen von militanten Neonazis. There are passages in the film about militant neo-Nazis.

(Unverständlicher Ruf) (Unintelligible shout)

(Schüsse) (shots)

Es ist ein Film über Ingo Hasselbach und seine damaligen Mitstreiter. It is a film about Ingo Hasselbach and his comrades-in-arms at the time.

Hasselbach läuft vorne weg. Hasselbach runs away in front.

(Video:) "Manöver gehören längst zum Alltag (Video:) "Maneuvers have long been part of everyday life

neonazistischer Organisationen."

"In fast allen größeren deutschen Städten gibt es Wehrsportgruppen." "There are military sports groups in almost every major German city."

"Sie werden meistens von Rekruten der Bundeswehr ausgebildet.

(Knall)

(Laufschritte)

(Schuss)

(Schuss)

"Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben."

"Kannst du dir das vorstellen?" - "Sicher."

"In welcher Situation?"

"Zum Beispiel ... erst mal von Haus aus Notwehr."

"Politisch gesehen?"

Vielleicht auch irgendwann mal zur Durchsetzung politischer Ziele.

Wie ist denn das für Sie, wenn Sie das wieder mal so gucken?

Es ist schwer, mich zusammenzubringen mit der Person, es ist so lange her.

Ich weiß natürlich, dass ich das bin,

aber es ist schon wahnsinnig absurd zu sehen.

Dass ich das mal gesagt habe, also ...

Den ganzen Zusammenhang sehe, für was das alles steht

und wo das herkommt.

Aber letztlich ist es ein Teil meiner Geschichte, den ich akzeptieren muss,

den ich auch akzeptiere natürlich.

Wann haben Sie das zum letzten Mal geguckt?

Ich hab's noch nie geguckt.

Sie haben es noch nie geguckt? - Nee.

Das ist für mich auch mit so wahnsinnig viel Scham belastet,

ich denke, das ist eigentlich unglaublich, dass ich das bin.

(Er räuspert sich.)

Aber er ist es.

Ingo Hasselbach war vor 30 Jahren

eine zentrale Führungsfigur der Neonazis,

zuständig für den Osten Deutschlands, da ist er großgeworden.

(Treibende Musik)

In der Weitlingstraße in Ostberlin

errichtete die neue Rechte Bewegung ihr Hauptquartier.

Das war 1990.

Der junge Ingo Hasselbach wurde Anführer

und Parteivorsitzender der nationalen Alternative.

Er sagt, dass er in der Zeit oft Waffen mit sich trug,

das sei besser gewesen.

(Treibende Musik)

Von den Medien wurde Hasselbach "der Führer von Berlin" genannt.

Die Neonazis besetzten Häuser,

das hatten sie sich von den Linken abgeschaut.

Schnell wurde die Weitlingstraße zum Treffpunkt von bis zu 400 Neonazis

aus Ost und West.

So sieht es heute hier aus.

(Treibende Musik)

Ingo Hasselbach ist das erste Mal seit 1990 wieder hier.

So richtig wohl fühle er sich nicht, sagt er.

(Treibende Musik)

Aber er will mir zeigen,

wo er und andere Neonazis damals in diesem Haus gewohnt haben.

Es ist seine Vergangenheit.

Hier konnte man sich nicht mehr bewegen in dieser Straße,

ohne Stress zu kriegen.

Die Linken haben draußen patrouilliert,

die Polizei hat patrouilliert,

der Verfassungsschutz hat patrouilliert.

alle waren draußen auf den Straßen unterwegs.

Es gab eine totale Überwachung, nachdem die geschnallt haben,

wer eingezogen ist in das Haus.

In der Weitlingstraße

versammelten sich viele junge Männer wegen Hasselbach.

Die Rechten ließen oft Medien rein,

doch manche Fragen wurden nicht beantwortet.

Es wird davon gesprochen,

dass es größere Waffenlager im rechten Lager gibt?

Kein Kommentar.

Warum?

Kein Kommentar.

Jahre später wird Hasselbach die Waffenlager preisgeben.

Das war meine Wohnung. - Das war Ihre Wohnung?

Vor 30 Jahren. - Vor 30 Jahren, genau.

War schon so eine Art rechtsfreier Raum?

Das war ein komplett rechtsfreier Raum.

Es galt nur das, was wir als Gesetz erklärt haben.

Hier gab's im Prinzip direkten Zugang auf den Dachboden.

Hatten Sie Waffen im Haus?

Wir hatten immer Waffen im Haus, ja.

Das war auch unausgesprochen klar, dass jeder hier eine Waffe hat.

Für den Fall, dass man überfallen wird, dass es eine Stürmung gibt,

was auch immer.

Die heftigste Auseinandersetzung um die Weitlingstraße

gab es am 23. Juni 1990.

(Sirene)

Ein linkes Bündnis

hatte zur Demonstration gegen das rechte Zentrum aufgerufen.

Die Weitlingstraße stand im Prinzip

als Symbol für die Wiedervereinigung der Rechten,

also der Vereinigung der Rechten Ost-West.

Wir hatten das Gefühl, wir können Geschichte machen,

das haben wir versucht.

Hasselbach sagt, er und seine Kameraden

hätten an dem Tag im Sommer 1990

die Weitlingstraße bis zum Allerletzten verteidigt.

Dass es keine Toten gab, ist ein kleines Wunder.

Der Angriff der Linken war eine Reaktion

auf etliche Gewalttaten der Neonazis.

(Sirene)

(Ernste Musik)

Die Gewalt, die die Skins, die hier gelebt haben,

gegen Ausländer ausgeübt haben, das wurde auch hochgradig kriminell.

Es gab Raubüberfälle, es war nicht mehr zu kontrollieren.

Natürlich waren wir verantwortlich.

Wir haben die hier hergeholt, denen ein Zuhause gegeben.

Wir haben zwar nicht gesagt: "Geht raus und schlagt Ausländer tot",

aber sie haben es trotzdem gemacht.

Ausländer verprügelt, überfallen, Brandstiftung

und weiß der Teufel, was die gemacht haben.

Aber wir waren verantwortlich.

Auch Westneonazi Christian Worch rechts neben Hasselbach.

Die beiden lernen sich kurz nach Mauerfall kennen.

Worch wurde "Führer von Hamburg" genannt.

Die Kader aus dem Westen wie Worch

sahen auf dem Gebiet der Ex-DDR einen fruchtbaren Boden

für ihre radikalen Ideen.

Sie witterten ihre Chance.

Dass wir gemeinsam vereint sind

in einem heiligen Großdeutschen Reich.

(mehrere:) Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil!

Wir haben hier ein großes Potential von vorwiegend jungen Menschen,

die politisch unverbraucht sind.

Diese Naivität, ich möchte es schöne Naivität nennen,

die wird sehr befruchtend, die wird sehr beflügelnd auf das rechte Lager

Gesamtdeutschlands, also auch der alten Bundesländer wirken.

Wie wichtig war der Osten wirklich für die Westnazis?

Ich fahre zum ehemaligen Führer von Hamburg.

Heute wohnt er in Parchim.

In den letzten Jahren fuhr er noch Taxi.

Jetzt lebt er von Hartz IV erzählt er.

Seit 40 Jahren ist Christian Worch strammer Rechtsextremist.

Ein Ordner mit "NS-heute" fällt mir auf.

Ansonsten lässt hier wenig auf seine politische Gesinnung schließen. Além disso, há pouco para sugerir suas inclinações políticas aqui.

(Elektronische Musik)

Auf Smalltalk vor dem Interview haben weder er noch ich Lust. Nem ele nem eu queremos conversa fiada antes da entrevista.

(Ernste Musik)

Wo stand denn die Rechte vor Mauerfall in der Bundesrepublik?

Als radikale Rechte waren wir vor dem Mauerfall in der BRD

nicht einmal im Stande 1.000 Mann auf die Straße zu bringen. nem mesmo capaz de colocar 1.000 homens nas ruas.

War denn der Mauerfall für Sie ein Glücksfall?

Das war er eindeutig, ja.

Wir hatten die Hoffnung,

dass nach dem Sturz des einen deutschen Systems

möglicherweisen nahezu direkt anschließend possivelmente quase imediatamente depois

der Sturz des zweiten deutschen Systems stattfinden könnte. poderia ocorrer a queda do segundo sistema alemão.

Wir hatten plötzlich Zugriff auf personelle Ressourcen von Menschen, De repente, tivemos acesso aos recursos humanos de pessoas

die mit dem kommunistischen System überhaupt nichts mehr am Hut hatten. que não tinha absolutamente nada a ver com o sistema comunista.

Mit anderen Worten Leute, die bereits etwas geändert hatten

und die im Prinzip zu weiteren Veränderungen bereit waren. e que estavam, em princípio, prontos para novas mudanças.

(Ernste Musik)

So wie Ingo Hasselbach und seine Kameraden.

Der Fall der Mauer, der Zusammenbruch der DDR,

also eines ganzen Staates,

brachte nach der ersten Euphorie viel Unsicherheit.

Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit - desemprego e insatisfação -

eine gefährliche Mischung.

(Treibende Musik)

Ich treffe einen Mann,

der gegen Ingo Hasselbach in den 90ern ermittelt hat. que investigou Ingo Hasselbach nos anos 90.

Jahre später werden sie gemeinsam

die Aussteigerorganisation "Exit" gründen.

Bernd Wagner war schon Kriminalpolizist in der DDR. Bernd Wagner já era policial na RDA.

Auf den Zusammenbruch der DDR

haben die Neonazis in Ost und West lange gewartet,

erzählt er mir.

Kaum war die Mauer auf, gab es einen Aufbauplan Ost. Assim que o muro foi erguido, havia um plano de construção para o leste.

Führende Kader aus dem Westen kamen in den Osten, Quadros dirigentes do oeste vieram para o leste,

die haben gedacht, sie trauen ihren Augen nicht,

wie viele Kameraden da rumlaufen, optisch sichtbar, völlig unbefangen, quantos camaradas estão andando por aí, visualmente visíveis, completamente desinibidos,

keine Angst vor dem Verfassungsschutz, Stasi war tot, sem medo da proteção da constituição, Stasi estava morto,

die waren also hochbegeistert.

Die haben sogar geträumt in der Zeit von der nationalen Revolution.

Schon zu DDR-Zeiten hat Kriminalpolizist Wagner gemerkt,

dass sein Staat ein massives Problem mit Neonazis hat.

Wagner entdeckte etliche rechte Gruppierungen.

"SS-Division Walter Krüger Wolgast." - Ja.

"SS-Kampfstaffel Nord."

"Wotansbrüder."

"Wilhelmsruher Türkenklatscher."

"Lichtenberger Front", die "Vandalen", die "Ostkreuzler".

"Deutschland stirbt nicht", "SS-Teutonenkampfstaffel".

Die waren alle aktiv und viele mehr.

Das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit.

Alle waren nationalsozialistisch,

alle haben sich am Dritten Reich orientiert.

Man kann davon ausgehen, dass in allen Städten der DDR

mindestens eine Gruppierung existierte,

also kommen Sie auf eine Zahl, die weit über 200 liegt então você chega a um número bem acima de 200

nur an Gruppierungen. apenas aos grupos.

Vor Mauerfall durfte Wagner seine Erkenntnisse nicht veröffentlichen.

Denn ins Selbstbild der DDR passten keine Neonazis.

Die durfte es offiziell nicht geben. Não foi oficialmente autorizado a existir.

(Fröhliche Marschmusik)

Heute wie damals lautet der Schwur:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die deutsche demokratische Republik,

sie verkörpert die Ideale des antifaschistischen Kampfes. ela encarna os ideais da luta antifascista.

(off:) Aber nicht alle folgten dieses Idealen.

Kurz vor Mauerfall 1988, das Politmagazin "Kontraste"

drehte heimlich in der DDR diese Aufnahmen von Neonazis. filmou secretamente essas gravações de neonazistas na RDA.

Wir sind sehr auf Gewalt aus. Somos muito violentos.

Wir wollen was gegen die ganzen Linken tun und Queremos fazer algo contra toda a esquerda e

uns kotzt es ja an in dem Scheißstaat. isso nos irrita no estado de merda.

Ich meine, viel können wir ja nicht machen. Quero dizer, não há muito que possamos fazer.

Wir treten ein für ein vereinigtes Deutschland Defendemos uma Alemanha unida

und dass die Scheißkanaken raus sind.

(Langsame Musik)

Erst kurz nach Mauerfall konnte Wagner seine Ermittlungsergebnisse Wagner só pôde relatar os resultados de sua investigação logo após a queda do Muro

auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Bis September diesen Jahres wurden bevorzugt angegriffen

Anhänger der Punkbewegung wegen ihrer undeutschen Lebensweise, adeptos do movimento punk por causa de seu modo de vida não-alemão,

Gruftis, homosexuelle Bürger,

Ausländer mit dunkler Hautfarbe und auch Vietnamesen.

Das Ergebnis war, dass wir es schon mit einem ziemlich rüden System

von rechtsradikalen zu tun haben in der DDR. de extremistas de direita na RDA.

Wagner zählt in der DDR schon 15.000 Rechtsradikale, Wagner já conta com 15.000 radicais de direita na RDA,

das war in den 80ern.

Zu der Zeit wuchs Ingo Hasselbach

in der Plattenbausiedlung Berlin-Lichtenberg auf.

Ich war weder links noch recht, sagen wir so, Eu não estava nem de esquerda nem de direita, vamos colocar dessa forma

so ein Mittelding

und war im Protest gegen den Staat als Punk oder so.

(Schnelle Musik)

Am Anfang war das nicht politisch, überhaupt nicht. No começo não era político, nem um pouco.

Das war wirklich ein reines Anderssein.

Wir wollten uns nicht einordnen lassen in dieses System. Não queríamos ser classificados neste sistema.

Wir sind ja nicht als Punks losge- gangen und haben alles kaputtgehauen. Nós não começamos como punks e quebramos tudo.

Wir haben in den Kaufhallen geklaut, das haben wir gemacht,

aber wir haben nicht wirklich kriminelle Taten begangen, mas não cometemos atos criminosos,

wo man sagen muss, die gehörten verfolgt. onde deve ser dito que pertencia ao perseguido.

Wir wurden verfolgt, weil das politische System Fomos perseguidos por causa do sistema político

diese westliche Jugendkultur, die wir in die DDR geschleppt haben, essa cultura jovem ocidental que arrastamos para a RDA,

zum Staatsfeind erklärt haben, wir wurden politisiert. declarado inimigo do Estado, fomos politizados.

Wir fingen an nachzudenken, was es bedeutet,

wenn man unter so einen Druck gerät, dass man das aufgreift. quando você está sob tanta pressão que você aceita.

Dann wird man politisch, fängt an zu denken, Então você fica político, começa a pensar

wo leben wir hier, wir leben in einem Land,

das eingesperrt ist. que está travado.

(Langsame Musik)

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Centro de detenção Stasi Berlin-Hohenschoenhausen.

(Langsame Musik)

Als 19-jähriger Punk kommt Ingo Hasselbach in Haft.

Er wird als Neonazi den Knast wieder verlassen.

Seine Erinnerungen an diesen Ort liegen lange zurück.

Doch die Bilder sind sofort wieder da.

Das wurde von den Gefangenen Tigerkäfig genannt.

Da oben lief halt so ein Posten rum,

der konnte von da in jede Freigangszelle gucken.

Also, so weit, wie wir jetzt hier stehen, war nicht erlaubt.

Und man musste laufen.

(Dynamische Musik)

Seine Geschichte begann so:

Er wurde 1986 von der Staatssicherheit,

der Geheimpolizei der DDR, festgenommen.

Weil ick auf 'nem Druschba-Fest,

das ist so 'n Freund der ... so 'n Fest der ...

russischen Streitkräfte, der Alliierten sozusagen,

gerufen hab: "Die Mauer muss weg."

Weißt du? So, dat war dann ...

da hab ick gemerkt, dass es mit der Meinungsfreiheit hapert.

Die Vernehmungen waren halt sehr intensiv hier.

Wo man halt ...

auf Herz und Niere geprüft wurd sozusagen,

ob man 'n Staatsfeind ist.

Darum geht's letztlich.

Zu welchem Ergebnis sind die gekommen?

Na, offensichtlich waren wir Staatsfeinde.

Staatsfeind mit 19. (Beklemmende Musik)

Weil er den Satz "Die Mauer muss weg." gerufen hatte.

Dafür bekam Ingo Hasselbach sieben Monate Haft.

Nach seiner Strafe wollte er nur noch weg aus dieser DDR.

Aber sein Fluchtversuch scheiterte.

Er kam wieder in Haft, diesmal zweieinhalb Jahre.

Eine Odyssee durch ein Dutzend DDR-Gefängnisse begann.

Oft wurde er transportiert

in solchen Bahnwagons.

(Traurige Musik)

Hier waren jetzt vier Gefangene?

Wir waren zu viert drinnen, ja.

War immer voll besetzt, dat war nie leer.

Die sind nie halbbesetzt gefahren, immer voll.

Und man war immer gefesselt an den Nachbarn.

Wo waren Sie überall?

Ähm ...

Also, in Berlin war ich in der Keibelstraße, Rummelsburg,