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Emil und die Detektive von Erich Kästner, 01. Emil und die Detektive

01. Emil und die Detektive

Erstes Kapitel - Emil hilft Köpfe waschen

"So", sagte Frau Tischbein, "und nun bringe mir mal den Krug mit dem warmen Wasser nach!" Sie selber nahm einen anderen Krug und den kleinen blauen Topf mit der flüssigen Kamillenseife und spazierte aus der Küche in die Stube. Emil packte seinen Krug an und lief hinter der Mutter her. In der Stube saß eine Frau und hielt den Kopf über das weiße Waschbecken gebückt. Ihre Frisur war aufgelöst und hing wie drei Pfund Wolle nach unten. Emils Mutter goß die Kamillenseife in das blonde Haar und begann, den fremden Kopf zu waschen, daß es schäumte. "Ist es nicht zu heiß?" fragte sie. "Nein, es geht", antwortete der Kopf. "Ach, das ist ja Frau Bäckermeister Wirth! Guten Tag!" sagte Emil und schob seinen Krug unter die Waschtoilette. "Du hast's gut, Emil. Du fährst nach Berlin, wie ich höre", meinte der Kopf. Und es klang, als spräche wer, der in Schlagsahne untergetaucht worden ist. "Erst hatte er zwar keine rechte Lust", sagte die Mutter und schrubbte die Bäckermeisterin. "Aber wozu soll der Junge die Ferien hier totschlagen? Er kennt Berlin überhaupt noch nicht. Und meine Schwester Martha hat uns schon immer mal einladen wollen. Ihr Mann verdient ganz anständig. Er ist bei der Post. Im Innendienst. Ich kann freilich nicht mitfahren. Vor den Feiertagen gibt's viel zu tun. Na, er ist ja groß genug und muß eben unterwegs gut aufpassen. Außerdem holt ihn meine Mutter am Bahnhof Friedrichstraße ab. Sie treffen sich am Blumenkiosk." "Berlin wird ihm sicher gefallen. Das ist was für Kinder. Wir waren vor anderthalb Jahren mit dem Kegelklub drüben. So ein Rummel! Da gibt es doch wirklich Straßen, die nachts genau so hell sind wie am Tage. Und die Autos!" berichtete Frau Wirth aus der Tiefe des Waschbeckens. "Sehr viele ausländische Wagen?" fragte Emil. "Woher soll ich denn das wissen?" sagte Frau Wirth und mußte niesen. Ihr war Seifenschaum in die Nase gekommen. "Na, nun mach aber, daß du fertig wirst", drängte die Mutter. "Deinen guten Anzug hab ich im Schlafzimmer zurechtgelegt. Zieh ihn an, damit wir dann sofort essen können, wenn ich Frau Wirth frisiert habe." "Was für'n Hemd?" erkundigte sich Emil. "Liegt alles auf dem Bett. Und zieh die Strümpfe vorsichtig an. Und wasch dich erst gründlich. Und ziehe dir neue Schnürsenkel in die Schuhe. Dalli, dalli!" "Puh!" bemerkte Emil und trollte sich. Als Frau Wirth, schön onduliert und mit ihrem Spiegelbild zufrieden, gegangen war, trat die Mutter ins Schlafzimmer und sah, wie Emil unglücklich herumlief. "Kannst du mir nicht sagen, wer die guten Anzüge erfunden hat?" "Nein, tut mir leid. Aber warum willst du's wissen?" "Gib mir die Adresse, und ich erschieße den Kerl." "Ach, hast du's schwer! Andere Kinder sind traurig, weil sie keinen guten Anzug haben. So hat jeder seine Sorgen... Ehe ich's vergesse: heute abend läßt du dir von Tante Martha einen Kleiderbügel geben und hängst den Anzug ordentlich auf. Vorher wird er mir aber ausgebürstet. Vergiß es nicht! Und morgen kannst du schon wieder deinen Pullover, dieses Räuberjackett, anziehen. Sonst noch was? Der Koffer ist gepackt. Die Blumen für die Tante sind eingewickelt. Das Geld für Großmutter gebe ich dir nachher. Und nun wollen wir essen. Kommen Sie, junger Mann!" Frau Tischbein legte den Arm um seine Schulter und transportierte ihn nach der Küche. Es gab Makkaroni mit Schinken und geriebenem Parmesankäse. Emil futterte wie ein Scheunendrescher. Nur manchmal setzte er ab und blickte zur Mutter hinüber, als fürchtete er, sie könne ihm, so kurz vor dem Abschied, seinen Appetit übelnehmen. "Und schreib sofort eine Karte. Ich habe sie dir zurechtgelegt. Im Koffer, gleich obenauf." "Wird gemacht", sagte Emil und schob, möglichst unauffällig, einen Makkaroni vom Knie. Die Mutter merkte glücklicherweise nichts. "Grüße sie alle schön von mir. Und paß gut auf. In Berlin geht es anders zu als bei uns in Neustadt. Und am Sonntag gehst du mit Onkel Robert ins KaiserFriedrich-Museum. Und benimm dich anständig, damit es nicht heißt, wir hier wüßten nicht, was sich gehört." "Mein großes Ehrenwort", sagte Emil. Nach dem Essen zogen beide in die Stube. Die Mutter holte einen Blechkasten aus dem Schrank und zählte Geld. Dann schüttelte sie den Kopf und zählte noch einmal. Dann fragte sie: "Wer war eigentlich gestern nachmittag da, hm?" "Fräulein Thomas", sagte er, "und Frau Homburg." "Ja. Aber es stimmt noch nicht." Sie dachte nach, suchte den Zettel, auf dem sie die Geschäftseinnahmen notierte, rechnete und meinte schließlich: "Es fehlen acht Mark." "Der Gasmann war heute früh hier." "Richtig! Nun stimmt es leider." Die Mutter pfiff sich eins, vermutlich, um ihre Sorgen zu ärgern, und holte drei Scheine aus dem Blechkasten. "So, Emil! Hier sind hundertvierzig Mark. Ein Hundertmarkschein und zwei Zwanzigmarkscheine. Hundertzwanzig Mark gibst du der Großmutter und sagst ihr, sie solle nicht böse sein, daß ich voriges Mal nichts geschickt hätte. Da wäre ich zu knapp gewesen. Und dafür brächtest du es diesmal selber. Und mehr als sonst. Und gib ihr einen Kuß. Verstanden? Die zwanzig Mark, die übrig bleiben, behältst du. Davon kaufst du dir die Fahrkarte, wenn du wieder heimfährst. Das macht ungefähr zehn Mark. Genau weiß ich's nicht. Und von dem Rest bezahlst du, wenn ihr ausgeht, was du ißt und trinkst. Außerdem ist es immer gut, wenn man ein paar Mark in der Tasche hat, die man nicht braucht und für alle Fälle parat hält. Ja. Und hier ist das Kuvert von Tante Marthas Brief. Da stecke ich das Geld hinein. Paß mir ja gut auf, daß du es nicht verlierst! Wo willst du es hintun?" Sie legte die drei Scheine in den seitlich aufgeschnittenen Briefumschlag, knickte ihn in der Mitte um und gab ihn Emil. Der besann sich erst eine Weile. Dann schob er ihn in die rechte innere Tasche, tief hinunter, klopfte sich, zur Beruhigung, noch einmal von außen auf die blaue Jacke und sagte überzeugt: "So, da klettert es nicht heraus." "Und erzähle keinem Menschen im Coupé, daß du so viel Geld bei dir hast!" "Aber Muttchen!" Emil war geradezu beleidigt. Ihm so eine Dummheit zuzutrauen! Frau Tischbein tat noch etwas Geld in ihr Portemonnaie. Dann trug sie den Blechkasten wieder zum Schrank und las rasch noch einmal den Brief, den sie von ihrer Schwester aus Berlin erhalten hatte und in dem die genauen Abfahrtszeiten und Ankunftszeiten des Zuges standen, mit dem Emil fahren sollte... Manche von euch werden sicher der Ansicht sein, man brauche sich wegen hundertvierzig Mark wahrhaftig nicht so gründlich zu unterhalten wie Frau Friseuse Tischbein mit ihrem Jungen. Und wenn jemand zweitausend oder zwanzigtausend oder gar hunderttausend Mark im Monat verdient, hat er das ja auch nicht nötig. Aber, falls ihr es nicht wissen solltet: Die meisten Leute verdienen viel, viel weniger. Und wer pro Woche fünfunddreißig Mark verdient, der muß, ob es euch gefällt oder nicht, hundertvierzig Mark, die er gespart hat, für sehr viel Geld halten. Für zahllose Menschen sind hundert Mark fast so viel wie eine Million, und sie schreiben hundert Mark sozusagen mit sechs Nullen. Und wieviel eine Million in Wirklichkeit ist, das können sie sich nicht einmal vorstellen, wenn sie träumen. Emil hatte keinen Vater mehr. Doch seine Mutter hatte zu tun, frisierte in ihrer Stube, wusch blonde Köpfe und braune Köpfe und arbeitete unermüdlich, damit sie zu essen hatten und die Gasrechnung, die Kohlen, die Miete, die Kleidung, die Bücher und das Schulgeld bezahlen konnten. Nur manchmal war sie krank und lag zu Bett. Der Doktor kam und verschrieb Medikamente. Und Emil machte der Mutter heiße Umschläge und kochte in der Küche für sie und sich. Und wenn sie schlief, wischte er sogar die Fußböden mit dem nassen Scheuerlappen, damit sie nicht sagen sollte: "Ich muß aufstehen. Die Wohnung verkommt ganz und gar." Könnt ihr es begreifen und werdet ihr nicht lachen, wenn ich euch jetzt erzähle, daß Emil ein Musterknabe war? Seht, er hatte seine Mutter sehr lieb. Und er hätte sich zu Tode geschämt, wenn er faul gewesen wäre, während sie arbeitete, rechnete und wieder arbeitete. Da hätte er seine Schularbeiten verbummeln oder von Nau-manns Richard abschreiben sollen? Da hätte er, wenn es sich machen ließ, die Schule schwänzen sollen? Er sah, wie sie sich bemühte, ihn nichts von dem entbehren zu lassen, was die ändern Realschüler bekamen und besaßen. Und da hätte er sie beschwindeln und ihr Kummer machen sollen? Emil war ein Musterknabe. So ist es. Aber er war keiner von der Sorte, die nicht anders kann, weil sie feig ist und geizig und nicht richtig jung. Er war ein Musterknabe, weil er einer sein wollte! Er hatte sich dazu entschlossen, wie man sich etwa dazu entschließt, nicht mehr ins Kino zu gehen oder keine Bonbons mehr zu essen. Er hatte sich dazu entschlossen, und oft fiel es ihm recht schwer. Wenn er aber zu Ostern nach Hause kam und sagen konnte: "Mutter, da sind die Zensuren, und ich bin wieder der Beste! ", dann war er sehr zufrieden. Er liebte das Lob, das er in der Schule und überall erhielt, nicht deshalb, weil es ihm, sondern weil es seiner Mutter Freude machte. Er war stolz darauf, daß er ihr, auf seine Weise, ein bißchen vergelten konnte, was sie für ihn, ihr ganzes Leben lang, ohne müde zu werden, tat... "Hoppla", rief die Mutter, "wir müssen zum Bahnhof. Es ist schon Viertel nach eins. Und der Zug geht kurz vor zwei Uhr." "Also los, Frau Tischbein!" sagte Emil zu seiner Mutter, "aber, daß Sie es nur wissen, den Koffer trage ich selber!"

01. Emil und die Detektive 01 Emil and the detectives 01 Emil y los detectives 01. Emil et les détectives 01 Emil és a nyomozók 01 Emil e os detectives 01 Emil ve Dedektifler 01 Еміль і детективи

Erstes Kapitel - Emil hilft Köpfe waschen First chapter - Emil helps wash heads Első fejezet - Emil segít fejet mosni

"So", sagte Frau Tischbein, "und nun bringe mir mal den Krug mit dem warmen Wasser nach!" "So," said Frau Tischbein, "and now bring me the jug with the warm water!" "Így - mondta Tischbein asszony -, és most hozza ide a kancsó meleg vizet! Sie selber nahm einen anderen Krug und den kleinen blauen Topf mit der flüssigen Kamillenseife und spazierte aus der Küche in die Stube. She herself took another jug and the little blue pot with the liquid chamomile soap and walked out of the kitchen into the room. Ő maga fogott egy másik kancsót és a kis kék edényt a folyékony kamillaszappannal, és kisétált a konyhából a nappaliba. Emil packte seinen Krug an und lief hinter der Mutter her. Emil grabbed his mug and ran after his mother. Emil felkapta a kancsóját, és az anyja után szaladt. In der Stube saß eine Frau und hielt den Kopf über das weiße Waschbecken gebückt. A woman was sitting in the room with her head bent over the white washbasin. Ihre Frisur war aufgelöst und hing wie drei Pfund Wolle nach unten. Her hairstyle was loose and hung down like three pounds of wool. A haja kibomlott, és úgy lógott lefelé, mint három kiló gyapjú. I suoi capelli erano sciolti e pendevano come tre chili di lana. Emils Mutter goß die Kamillenseife in das blonde Haar und begann, den fremden Kopf zu waschen, daß es schäumte. Emil's mother poured the chamomile soap into the blond hair and began to wash the strange head so that it foamed. La madre di Emil versò il sapone alla camomilla nei suoi capelli biondi e iniziò a lavare quella strana testa in modo che schiumasse. "Ist es nicht zu heiß?" "Isn't it too hot?" fragte sie. she asked. "Nein, es geht", antwortete der Kopf. "No, it works," replied the head. "Ach, das ist ja Frau Bäckermeister Wirth! "Oh, that's Ms. master baker Wirth! Guten Tag!" Good day!" sagte Emil und schob seinen Krug unter die Waschtoilette. Emil said and pushed his jug under the washing toilet. Emil disse e spinse la sua brocca sotto il water. "Du hast's gut, Emil. "You're fine, Emil. "Ti è andata bene, Emil. Du fährst nach Berlin, wie ich höre", meinte der Kopf. You are going to Berlin, I hear, "said the head. Und es klang, als spräche wer, der in Schlagsahne untergetaucht worden ist. And it sounded like someone who was dipped in whipped cream was speaking. E sembrava che stesse parlando qualcuno che era stato immerso nella panna montata. "Erst hatte er zwar keine rechte Lust", sagte die Mutter und schrubbte die Bäckermeisterin. "At first he didn't really feel like it," said his mother, scrubbing the master baker. "All'inizio non ne aveva molta voglia", ha detto la mamma e ha lavato il mastro fornaio. "Aber wozu soll der Junge die Ferien hier totschlagen? "But why should the boy kill the vacation here? "Ma perché il ragazzo dovrebbe trascorrere qui le sue vacanze? Er kennt Berlin überhaupt noch nicht. He doesn't know Berlin at all yet. Und meine Schwester Martha hat uns schon immer mal einladen wollen. And my sister Martha always wanted to invite us. E mia sorella Martha ha sempre voluto invitarci. Ihr Mann verdient ganz anständig. Your husband earns quite decently. Suo marito guadagna uno stipendio decente. Er ist bei der Post. He's at the post office. Im Innendienst. In the office. Ich kann freilich nicht mitfahren. Of course, I can't go with you. Naturalmente, non posso venire con voi. Vor den Feiertagen gibt's viel zu tun. There's a lot to do before the holidays. Na, er ist ja groß genug und muß eben unterwegs gut aufpassen. Well, he's big enough and has to be careful on the way. Beh, è abbastanza grande e deve fare attenzione durante il percorso. Außerdem holt ihn meine Mutter am Bahnhof Friedrichstraße ab. My mother will also pick him up at Friedrichstrasse station. Sie treffen sich am Blumenkiosk." They meet at the flower kiosk. " "Berlin wird ihm sicher gefallen. "He will definitely like Berlin. Das ist was für Kinder. This is for kids. È una cosa per bambini. Wir waren vor anderthalb Jahren mit dem Kegelklub drüben. We were over there with the bowling club a year and a half ago. So ein Rummel! What a hype! Da gibt es doch wirklich Straßen, die nachts genau so hell sind wie am Tage. There really are streets that are just as bright at night as they are during the day. Ci sono davvero strade che sono luminose sia di notte che di giorno. Und die Autos!" And the cars! " berichtete Frau Wirth aus der Tiefe des Waschbeckens. reported Mrs. Wirth from the depths of the sink. "Sehr viele ausländische Wagen?" "A lot of foreign cars?" fragte Emil. Emil asked. "Woher soll ich denn das wissen?" "How should I know that?" sagte Frau Wirth und mußte niesen. said Frau Wirth and had to sneeze. Ihr war Seifenschaum in die Nase gekommen. Soap foam got up her nose. "Na, nun mach aber, daß du fertig wirst", drängte die Mutter. "Well, get on with it," urged the mother. "Bene, ora preparati", esortò la madre. "Deinen guten Anzug hab ich im Schlafzimmer zurechtgelegt. "I laid out your good suit in the bedroom. Zieh ihn an, damit wir dann sofort essen können, wenn ich Frau Wirth frisiert habe." Put it on so we can eat as soon as I've done Frau Wirth's hair. " "Was für'n Hemd?" "What kind of shirt?" "Che tipo di camicia?" erkundigte sich Emil. Emil inquired. Emil si è informato. "Liegt alles auf dem Bett. "It's all on the bed. Und zieh die Strümpfe vorsichtig an. And put on the stockings carefully. Und wasch dich erst gründlich. And wash yourself thoroughly first. Und ziehe dir neue Schnürsenkel in die Schuhe. And put new shoelaces in your shoes. E mettere nuovi lacci alle scarpe. Dalli, dalli!" Hurry up!" Dalli, dalli!" "Puh!" "Phew!" bemerkte Emil und trollte sich. noticed Emil and trudged off. Emil osservò e si allontanò. Als Frau Wirth, schön onduliert und mit ihrem Spiegelbild zufrieden, gegangen war, trat die Mutter ins Schlafzimmer und sah, wie Emil unglücklich herumlief. When Frau Wirth had left, nicely undulating and satisfied with her reflection in the mirror, her mother stepped into the bedroom and saw Emil walking around unhappy. "Kannst du mir nicht sagen, wer die guten Anzüge erfunden hat?" "Can't you tell me who invented the good suits?" "Nein, tut mir leid. "No, I'm sorry. Aber warum willst du's wissen?" But why do you want to know? " "Gib mir die Adresse, und ich erschieße den Kerl." "Give me the address and I'll shoot the guy." "Dammi l'indirizzo e gli sparo". "Ach, hast du's schwer! "Oh, it's hard for you! "Oh, stai passando un momento difficile! Andere Kinder sind traurig, weil sie keinen guten Anzug haben. Other children are sad because they don't have a good suit. Altri bambini sono tristi perché non hanno un buon vestito. So hat jeder seine Sorgen... Ehe ich's vergesse: heute abend läßt du dir von Tante Martha einen Kleiderbügel geben und hängst den Anzug ordentlich auf. So everyone has their worries ... Before I forget: Tonight you'll have Aunt Martha give you a coat hanger and hang up your suit properly. Quindi ognuno ha le sue preoccupazioni... Prima che mi dimentichi: stasera vi farete dare dalla zia Martha un appendiabiti e appenderete il vostro vestito come si deve. Vorher wird er mir aber ausgebürstet. But first it will be brushed out for me. Ma prima lo spazzolo. Vergiß es nicht! Do not forget it! Und morgen kannst du schon wieder deinen Pullover, dieses Räuberjackett, anziehen. And tomorrow you can put on your sweater, that robber's jacket, again. Sonst noch was? Is there anything else? C'è altro? Der Koffer ist gepackt. The suitcase is packed. Die Blumen für die Tante sind eingewickelt. The flowers for the aunt are wrapped up. Das Geld für Großmutter gebe ich dir nachher. I'll give you the money for grandma later. Und nun wollen wir essen. And now we want to eat. Kommen Sie, junger Mann!" Come on, young man!" Frau Tischbein legte den Arm um seine Schulter und transportierte ihn nach der Küche. Frau Tischbein put her arm around his shoulder and carried him to the kitchen. Es gab Makkaroni mit Schinken und geriebenem Parmesankäse. There was macaroni with ham and grated parmesan cheese. Emil futterte wie ein Scheunendrescher. Emil ate like a barn thresher. Nur manchmal setzte er ab und blickte zur Mutter hinüber, als fürchtete er, sie könne ihm, so kurz vor dem Abschied, seinen Appetit übelnehmen. Only now and then did he stop and look over at his mother, as if he feared that she might resent his appetite so shortly before saying goodbye. Solo di tanto in tanto si posava e guardava sua madre, come se temesse che potesse risentirsi del suo appetito così poco prima di salutarla. "Und schreib sofort eine Karte. "And write a card right away. Ich habe sie dir zurechtgelegt. I have laid it out for you. Im Koffer, gleich obenauf." In the suitcase, right on top. " Nella valigia, proprio sopra". "Wird gemacht", sagte Emil und schob, möglichst unauffällig, einen Makkaroni vom Knie. "Will be done," said Emil and pushed a macaroni off his knee, as inconspicuously as possible. "Lo farò", disse Emil e spinse un maccherone dal ginocchio nel modo più discreto possibile. Die Mutter merkte glücklicherweise nichts. Fortunately, the mother noticed nothing. "Grüße sie alle schön von mir. "Give them my best regards. "Fate loro i miei migliori auguri. Und paß gut auf. And be careful. E fate attenzione. In Berlin geht es anders zu als bei uns in Neustadt. Things are different in Berlin than here in Neustadt. Und am Sonntag gehst du mit Onkel Robert ins KaiserFriedrich-Museum. And on Sunday you're going to the Kaiser Friedrich Museum with Uncle Robert. E domenica andrete al Museo Kaiser Friedrich con lo zio Robert. Und benimm dich anständig, damit es nicht heißt, wir hier wüßten nicht, was sich gehört." And behave decently so that it doesn't mean we don't know what is proper here. " "Mein großes Ehrenwort", sagte Emil. "My word of honor," said Emil. Nach dem Essen zogen beide in die Stube. After dinner they both moved into the room. Die Mutter holte einen Blechkasten aus dem Schrank und zählte Geld. The mother took a tin box out of the cupboard and counted the money. Dann schüttelte sie den Kopf und zählte noch einmal. Then she shook her head and counted again. Dann fragte sie: "Wer war eigentlich gestern nachmittag da, hm?" Then she asked: "Who was there yesterday afternoon, huh?" "Fräulein Thomas", sagte er, "und Frau Homburg." "Miss Thomas," he said, "and Mrs. Homburg." "Ja. Aber es stimmt noch nicht." But it's not true yet. " Sie dachte nach, suchte den Zettel, auf dem sie die Geschäftseinnahmen notierte, rechnete und meinte schließlich: "Es fehlen acht Mark." She thought about it, looked for the slip of paper on which she noted the business income, did the math and finally said: "Eight marks are missing." "Der Gasmann war heute früh hier." "The gas man was here this morning." "Richtig! "That's right! Nun stimmt es leider." Unfortunately, it is now true. " Die Mutter pfiff sich eins, vermutlich, um ihre Sorgen zu ärgern, und holte drei Scheine aus dem Blechkasten. The mother whistled, presumably to annoy her worries, and took three bills out of the tin box. "So, Emil! Hier sind hundertvierzig Mark. Ein Hundertmarkschein und zwei Zwanzigmarkscheine. Hundertzwanzig Mark gibst du der Großmutter und sagst ihr, sie solle nicht böse sein, daß ich voriges Mal nichts geschickt hätte. You give grandmother a hundred and twenty marks and tell her not to be angry that I didn't send anything last time. Da wäre ich zu knapp gewesen. I would have been too short. Und dafür brächtest du es diesmal selber. And this time you would do it yourself. Und mehr als sonst. And more than usual. Und gib ihr einen Kuß. And give her a kiss. Verstanden? Die zwanzig Mark, die übrig bleiben, behältst du. You keep the twenty marks that are left over. Davon kaufst du dir die Fahrkarte, wenn du wieder heimfährst. You use this to buy the ticket when you go home. Das macht ungefähr zehn Mark. That's about ten marks. Genau weiß ich's nicht. I don't know exactly. Und von dem Rest bezahlst du, wenn ihr ausgeht, was du ißt und trinkst. And from the rest you pay when you run out of what you eat and drink. Außerdem ist es immer gut, wenn man ein paar Mark in der Tasche hat, die man nicht braucht und für alle Fälle parat hält. In addition, it is always good to have a few marks in your pocket that you don't need and have on hand just in case. Ja. Und hier ist das Kuvert von Tante Marthas Brief. And here is the envelope from Aunt Martha's letter. Da stecke ich das Geld hinein. That's where I put the money. Paß mir ja gut auf, daß du es nicht verlierst! Take good care that you don't lose it! Wo willst du es hintun?" Where are you going to put it?" Sie legte die drei Scheine in den seitlich aufgeschnittenen Briefumschlag, knickte ihn in der Mitte um und gab ihn Emil. She put the three bills in the envelope with the side cut open, folded it in the middle and gave it to Emil. Der besann sich erst eine Weile. He thought about it for a while. Dann schob er ihn in die rechte innere Tasche, tief hinunter, klopfte sich, zur Beruhigung, noch einmal von außen auf die blaue Jacke und sagte überzeugt: "So, da klettert es nicht heraus." Then he shoved it deep into the right inner pocket, patted himself on the outside of the blue jacket again to calm things down and said with conviction: "Well, it won't climb out of there." "Und erzähle keinem Menschen im Coupé, daß du so viel Geld bei dir hast!" "And don't tell anyone in the coupe that you have so much money with you!" "Aber Muttchen!" "But mother!" Emil war geradezu beleidigt. Emil was downright offended. Ihm so eine Dummheit zuzutrauen! To credit him with such stupidity! Frau Tischbein tat noch etwas Geld in ihr Portemonnaie. Frau Tischbein put some money in her purse. Dann trug sie den Blechkasten wieder zum Schrank und las rasch noch einmal den Brief, den sie von ihrer Schwester aus Berlin erhalten hatte und in dem die genauen Abfahrtszeiten und Ankunftszeiten des Zuges standen, mit dem Emil fahren sollte... Manche von euch werden sicher der Ansicht sein, man brauche sich wegen hundertvierzig Mark wahrhaftig nicht so gründlich zu unterhalten wie Frau Friseuse Tischbein mit ihrem Jungen. Then she carried the tin box back to the cupboard and quickly reread the letter she had received from her sister in Berlin, which gave the exact departure and arrival times of the train Emil was to take... Some of you will be sure be of the opinion that for a hundred and forty marks one really doesn't need to talk as thoroughly as Frau hairdresser Tischbein does with her boy. Und wenn jemand zweitausend oder zwanzigtausend oder gar hunderttausend Mark im Monat verdient, hat er das ja auch nicht nötig. And if someone earns two thousand or twenty thousand or even a hundred thousand marks a month, they don't need it. Aber, falls ihr es nicht wissen solltet: Die meisten Leute verdienen viel, viel weniger. But in case you don't know, most people make way, way less. Und wer pro Woche fünfunddreißig Mark verdient, der muß, ob es euch gefällt oder nicht, hundertvierzig Mark, die er gespart hat, für sehr viel Geld halten. And whoever earns thirty-five marks a week must, whether you like it or not, consider the hundred and forty marks he has saved to be a lot of money. Für zahllose Menschen sind hundert Mark fast so viel wie eine Million, und sie schreiben hundert Mark sozusagen mit sechs Nullen. For countless people, a hundred marks is almost as much as a million, and they write a hundred marks with six zeros, so to speak. Und wieviel eine Million in Wirklichkeit ist, das können sie sich nicht einmal vorstellen, wenn sie träumen. And how much a million is in reality they cannot even imagine when they dream. Emil hatte keinen Vater mehr. Emil no longer had a father. Doch seine Mutter hatte zu tun, frisierte in ihrer Stube, wusch blonde Köpfe und braune Köpfe und arbeitete unermüdlich, damit sie zu essen hatten und die Gasrechnung, die Kohlen, die Miete, die Kleidung, die Bücher und das Schulgeld bezahlen konnten. Nur manchmal war sie krank und lag zu Bett. Only sometimes she was ill and lay in bed. Der Doktor kam und verschrieb Medikamente. Und Emil machte der Mutter heiße Umschläge und kochte in der Küche für sie und sich. And Emil made hot compresses for his mother and cooked for her and himself in the kitchen. Und wenn sie schlief, wischte er sogar die Fußböden mit dem nassen Scheuerlappen, damit sie nicht sagen sollte: "Ich muß aufstehen. And when she slept, he even wiped the floors with the wet rag so she wouldn't have to say, "I have to get up. Die Wohnung verkommt ganz und gar." The apartment is degenerating completely. " Könnt ihr es begreifen und werdet ihr nicht lachen, wenn ich euch jetzt erzähle, daß Emil ein Musterknabe war? Can you understand it and won't you laugh when I tell you now that Emil was a model boy? Seht, er hatte seine Mutter sehr lieb. See, he loved his mother very much. Und er hätte sich zu Tode geschämt, wenn er faul gewesen wäre, während sie arbeitete, rechnete und wieder arbeitete. And he'd be ashamed to death if he'd been lazy while she worked, calculated, and worked again. Da hätte er seine Schularbeiten verbummeln oder von Nau-manns Richard abschreiben sollen? So he should have idled away from his schoolwork or copied from Naumann's Richard? Da hätte er, wenn es sich machen ließ, die Schule schwänzen sollen? If it was possible, should he have skipped school? Er sah, wie sie sich bemühte, ihn nichts von dem entbehren zu lassen, was die ändern Realschüler bekamen und besaßen. He saw how she tried not to let him miss anything that the other junior high school students got and had. Und da hätte er sie beschwindeln und ihr Kummer machen sollen? And then should he have swindled her and caused her grief? E lui avrebbe dovuto tradirla e causarle dolore? Emil war ein Musterknabe. Emil was a model boy. So ist es. Aber er war keiner von der Sorte, die nicht anders kann, weil sie feig ist und geizig und nicht richtig jung. But he wasn't the sort who can't help it because she's cowardly and stingy and not really young. Er war ein Musterknabe, weil er einer sein wollte! He was a model boy because he wanted to be one! Er hatte sich dazu entschlossen, wie man sich etwa dazu entschließt, nicht mehr ins Kino zu gehen oder keine Bonbons mehr zu essen. He had decided to do it the way one decides not to go to the movies or to stop eating sweets. Er hatte sich dazu entschlossen, und oft fiel es ihm recht schwer. He had made up his mind to do it, and it was often difficult for him. Wenn er aber zu Ostern nach Hause kam und sagen konnte: "Mutter, da sind die Zensuren, und ich bin wieder der Beste! But when he came home at Easter and could say: "Mother, there are the grades and I'm the best again! ", dann war er sehr zufrieden. Er liebte das Lob, das er in der Schule und überall erhielt, nicht deshalb, weil es ihm, sondern weil es seiner Mutter Freude machte. He loved the praise he received at school and everywhere, not because it made him happy, but because it made his mother happy. Er war stolz darauf, daß er ihr, auf seine Weise, ein bißchen vergelten konnte, was sie für ihn, ihr ganzes Leben lang, ohne müde zu werden, tat... "Hoppla", rief die Mutter, "wir müssen zum Bahnhof. He was proud that he could, in his own way, repay her a little, which she did for him all her life without getting tired... "Oops," cried the mother, "we have to go to the train station . Він пишався тим, що міг по-своєму відплатити їй трохи, що вона й робила для нього все життя, не втомлюючись... «Ой, — вигукнула мати, — нам треба йти на вокзал. Es ist schon Viertel nach eins. It's already a quarter past one. Und der Zug geht kurz vor zwei Uhr." And the train leaves just before two o'clock." "Also los, Frau Tischbein!" "So let's go, Mrs. Tischbein!" sagte Emil zu seiner Mutter, "aber, daß Sie es nur wissen, den Koffer trage ich selber!" Emil said to his mother, "but just so you know, I'm carrying the suitcase myself!"