×

We use cookies to help make LingQ better. By visiting the site, you agree to our cookie policy.


image

2021 from Youtube, Materialismus und Idealismus (Platons Ideenlehre erklärt)

Materialismus und Idealismus (Platons Ideenlehre erklärt)

Materialismus und Idealismus sind zwei gegensätzliche ontologische Strömungen in der Philosophie.

Ontologisch heißt, dass es hier um das Sein, um die Existenz von Substanzen geht.

Und eine Substanz ist etwas, was selbstständig existiert, was also nicht nur eine Eigenschaft

von etwas anderem ist.

Die zwei Substanzen, um die es hier geht, sind Materie und Geist.

Ein Materialist ist der Auffassung, dass nur Materie existiert und sonst nichts.

Die Welt ist eine Ansammlung von Elementarteilchen.

Der Mensch ist nichts anderes als sein Körper und das Bewusstsein des Menschen ist eine

Eigenschaft des Gehirns.

Ein Idealist dagegen hält die Materie für Illusion und meint, dass nur Geistiges wirklich

existiert.

Der Mensch ist ein Geistwesen, was man an seinem Bewusstsein erkennt.

Wir beginnen mit dem Materialismus, den viele Wissenschaftler und auch Philosophen der heutigen

Zeit vertreten.

Ein bekannter Vertreter war zum Beispiel der französische Physiker Pierre Simon Laplace.

Er meinte: „Wenn wir die genaue Lage aller Himmelskörper im Universum kennen würden,

dann könnten wir die Zukunft mit Sicherheit voraussagen.“

Darin drückt sich ein mechanistisches materialistisches Weltbild aus, dass wir im Wesentlichen auch

heute noch in der Schule und durch die Medien lernen:

Am Anfang war der Urknall und damit war das Reich der Materie geboren.

Später entstanden Sterne und Galaxien und schließlich unser Planet Erde.

Irgendwann gab es das erste Leben auf Erden, also eine Urzelle, die sich vermehren konnte.

Manche meinen auch, dass diese Urzelle aus dem All kam, aber das tut hier nichts zur

Sache.

Jedenfalls entwickelten sich durch Evolution daraus Pflanzen und Tiere und schließlich

der Mensch.

Eine Besonderheit des Menschen ist sein abnorm großes Gehirn.

Dieser hochkomplexe Nervenschwamm produziert angeblich das menschliche Bewusstsein, so

wie wir es unmittelbar von uns selbst kennen.

Hier werden Sinneswahrnehmungen und Gefühle erlebt.

Hier tauchen auch Vorstellungen auf, Begriffe werden gebildet und zu Gedanken und Geschichten

kombiniert.

Mit abstrakteren Begriffen und Vorstellungen erbaut die Menschheit schließlich Theorien

wie die Mathematik oder die Relativitätstheorie.

Ein knallharter Materialist geht nun - wie gesagt – davon aus, dass es nur eine Art

von Substanz gibt, nämlich die Materie.

Das Bewusstsein und die Bewusstseinsinhalte existieren nur als Eigenschaft oder als sogenanntes

Epiphänomen der Materie.

Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein, und ohne Gehirn gäbe es auch kein Bewusstsein.

Also kein Leben nach dem Tod zum Beispiel.

So ähnlich wie die Temperatur eine Eigenschaft der Materie ist und ohne Materie gäbe es

auch keine Temperatur.

Und auch die Begriffe und die Theorien, die sich das Gehirn ausgedacht hat, haben keine

unabhängige Existenz.

Wenn die Menschheit ausstirbt, dann gibt es keine Vorstellungen und Begriffe mehr und

auch keine Mathematik oder Relativitätstheorie.

Denn all das ist vom menschlichen Gehirn erfunden.

Oder etwa nicht?

Das ist eine alte und schwierige Frage.

Ein Idealist würde es anders sehen.

Platon ist der bekannteste Idealist.

Er steht für den sogenannten objektiven Idealismus.

Er sagte: „Ideen sind die Quelle aller Dinge.“

Er geht nämlich von einem Reich der Ideen aus, in dem zum Beispiel die Mathematik objektiv

und unabhängig vom menschlichen Denken existiert.

Für ihn ist ein mathematischer Satz wie der Satz des Pythagoras nicht vom Menschen erfunden,

sondern vielmehr durch das vernünftige Denken entdeckt oder vielleicht sogar wiederentdeckt.

Das heißt, der Satz des Pythagoras existierte auch vor seiner Entdeckung schon im Reich

der Ideen.

Genauso existieren auch Zahlen, geometrische Formen und andere mathematische Gesetze unabhängig

von uns, nämlich als sogenannte Ideen.

Hier muss man aufpassen.

Das Wort „Idee“ hat nämlich unterschiedliche Bedeutungen.

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist eine Idee etwas, was man im Kopf hat.

Mein Freund hat die Idee, ins Kino zu gehen.

Damit ist ein Gedanke gemeint, also ein Bewusstseinsinhalt und nicht ein universelles geistiges Objekt.

Aber ich spreche hier von der Idee im Sinne Platons.

Für Platon ist eine Idee etwas, das unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existiert.

Als geistige Substanz.

Wenn man nun die Mathematik an sich im Reich der Ideen ansiedelt, so könnte man das auch

mit anderen Theorien tun.

Wie ist es zum Beispiel mit der Physik?

Die Natur scheint gewissen Gesetzen zu folgen, vermutlich gibt es also Naturgesetze.

Das heißt, auch Naturgesetze existieren unabhängig vom Menschen.

Und wo existieren Sie?

Auch im Reich der Ideen?

Aber Platon geht noch viel weiter.

Er meint, dass jeder echte Begriff, der so in Gedanken auftauchen kann, ursprünglich

im Reich der Ideen existiert.

Die Gedanken sind sozusagen nur Schatten der Ideen.

Zum Beispiel die Idee des Stuhls.

Die Idee eines Sitzmöbels mit Rückenlehne aber ohne Armlehnen.

Erst existierte sie im Reich der Ideen.

Dann tauchte sie irgendwann im Bewusstsein eines Menschen auf.

Und der realisierte diese Idee schließlich mit seinen Händen.

So ähnlich ist es auch mit der Idee des Menschen.

Auch der Mensch ist nach einem bestimmten Plan entstanden.

Das nennt man die Idee des Menschen oder das sogenannte Wesen des Menschen.

Diese Idee ist für einen Idealisten der Urgrund unseres Daseins und unsere Bestimmung.

Und hoffentlich findet man im Reich der Ideen auch moralische Gesetze wie die Menschenrechte.

Absolute, kulturunabhängige und unveränderliche Rechte, die jeder Mensch von Natur hat.

Das wiederum setzt voraus, dass es eine Idee des Guten gibt.

Dass es einen objektiven Unterschied zwischen Gut und Böse gibt.

Nur dann macht es Sinn, von absoluter Moral und allgemeingültigen Menschenrechten zu

sprechen.

Und diese Idee des Guten ist die höchste aller Ideen, sagt Platon.

Das Reich der Ideen muss man sich also sehr vielgestaltig und vielschichtig vorstellen.

Bevölkert von geistiger Substanz.

Aber wie ist diese geistige Substanz beschaffen?

Wie kann man sich diese Substanz vorstellen?

Man sollte auf jeden Fall nicht den Fehler machen, sich die Ideen wie materielle Dinge

vorzustellen.

Die Ideen sind eben nicht materieller, sondern geistiger Natur.

Sie sind nicht räumlich und zeitlich, man kann sie nicht anfassen, aber man kann sie

denkerisch begreifen, sie sind intelligibel.

Ein radikaler Idealist glaubt nun, dass es nur diese eine geistige Substanz gibt, aus

der die Ideen sind, und alles andere ist Illusion.

Er kehrt das Weltbild des Materialismus um und denkt gewissermaßen von oben nach unten.

Das Reich der Ideen ist nun der Urgrund allen Seins.

Alle Dinge und Wesen unserer Sinneswelt sind nur Abbilder der Ideen.

Auch du selbst.

Du bist ein Exemplar der Idee des Menschen.

Du bist ein Geistwesen.

Du hast keinen materiellen Körper.

Dein Bewusstsein ist eine Eigenschaft des Geistigen.

In diesem Bewusstsein stellst du dir zwar eine materielle Welt vor, diese gibt es aber

so nicht.

Es ist wie im Traum.

Hinter den Sinneswahrnehmungen stecken keine materiellen Dinge, sondern Ideen.

Das kann man glauben.

Muss man aber nicht.

Gegen Platons Ideenlehre hat schon sein Schüler Aristoteles argumentiert.

Er hielt die Ideen für reine Abstraktionen der materiellen Dinge ohne eigenständige

Existenz.

Materialisten meinen also, Ideen sind nichts weiter als Hirngespinste.

Man könnte auch mit Occams Rasiermesser kritisieren, dass ein Reich der Ideen überflüssig ist,

wenn doch alles durch die Materie erklärbar ist.

Und selbst wenn die Ideen die Quelle aller Dinge wären, wie sollten sie die Welt hervorbringen?

Wie sollten Sterne und Planeten aus Ideen geformt sein, wenn man nicht an einen Schöpfergott

glaubt?

Ein Idealist könnte entgegnen, dass ja gerade die Grundlage des Materialismus eine Illusion

ist.

Warum sollte man ein Reich der Materie annehmen, wenn doch alles Erleben im Bewusstsein durch

dahinterliegende Ideen erklärbar ist?

Schließlich behauptet ja auch niemand, dass die Welt eines nächtlichen Traums in materieller

Weise existiert.

Und selbst die Physiker haben inzwischen erkannt, dass Atome hauptsächlich aus leerem Raum

bestehen und sogar Raum und Zeit selbst relativ sind.

Und wie kann ein Materialist ernsthaft die Existenz des Geistigen leugnen, wo doch das

einzig Unbezweifelbare das eigene Bewusstsein ist.

Und selbst wenn das Bewusstsein eine Eigenschaft der Materie wäre, so ist das sogenannten

Leib-Seele Problem völlig ungeklärt: Wie soll aus Materie Geist entstehen?

Wie soll ein Gehirn Bewusstsein produzieren?

Könnte auch ein Computer Bewusstsein haben?

Woran liegt es?

Wie kommt man nun raus aus diesem ontologischen Schlamassel?

Gibt es eine sinnvolle Synthese?

Der versöhnliche Ansatz wäre ein Dualismus, wie ihn zum Beispiel Rene Descartes vertreten

hat: Er glaubt sowohl an die Existenz von Materie als auch an die Existenz einer geistigen

Substanz.

Beide Reiche existieren nebeneinander und im Menschen treffen sie aufeinander.

Damit schafft man sich zwar zusätzliche Probleme, aber das ist eine andere Geschichte.

Der nihilistische Ansatz wäre, sowohl die Existenz der Materie als auch die Existenz

einer überindividuellen geistigen Substanz zu verneinen.

Übrig bliebe nur das eigene Bewusstsein.

Das wäre dann die einzige Existenz und alles andere wäre nur eine Vorstellung in meinem

Bewusstsein.

Diese radikale Sichtweise nennt man Solipsismus, aber den will keiner ernsthaft vertreten.

Denn Solipsismus macht einsam.


Materialismus und Idealismus (Platons Ideenlehre erklärt) Materialism and Idealism (Plato's Theory of Ideas Explained) Materialismo e idealismo (explicación de la teoría de las ideas de Platón) Materialismo e idealismo (explicação da teoria das ideias de Platão) Materyalizm ve idealizm (Platon'un idealar teorisinin açıklanması)

Materialismus und Idealismus sind zwei gegensätzliche ontologische Strömungen in der Philosophie.

Ontologisch heißt, dass es hier um das Sein, um die Existenz von Substanzen geht.

Und eine Substanz ist etwas, was selbstständig existiert, was also nicht nur eine Eigenschaft

von etwas anderem ist.

Die zwei Substanzen, um die es hier geht, sind Materie und Geist.

Ein Materialist ist der Auffassung, dass nur Materie existiert und sonst nichts.

Die Welt ist eine Ansammlung von Elementarteilchen.

Der Mensch ist nichts anderes als sein Körper und das Bewusstsein des Menschen ist eine

Eigenschaft des Gehirns.

Ein Idealist dagegen hält die Materie für Illusion und meint, dass nur Geistiges wirklich

existiert.

Der Mensch ist ein Geistwesen, was man an seinem Bewusstsein erkennt.

Wir beginnen mit dem Materialismus, den viele Wissenschaftler und auch Philosophen der heutigen

Zeit vertreten.

Ein bekannter Vertreter war zum Beispiel der französische Physiker Pierre Simon Laplace.

Er meinte: „Wenn wir die genaue Lage aller Himmelskörper im Universum kennen würden,

dann könnten wir die Zukunft mit Sicherheit voraussagen.“

Darin drückt sich ein mechanistisches materialistisches Weltbild aus, dass wir im Wesentlichen auch

heute noch in der Schule und durch die Medien lernen:

Am Anfang war der Urknall und damit war das Reich der Materie geboren.

Später entstanden Sterne und Galaxien und schließlich unser Planet Erde.

Irgendwann gab es das erste Leben auf Erden, also eine Urzelle, die sich vermehren konnte.

Manche meinen auch, dass diese Urzelle aus dem All kam, aber das tut hier nichts zur

Sache.

Jedenfalls entwickelten sich durch Evolution daraus Pflanzen und Tiere und schließlich

der Mensch.

Eine Besonderheit des Menschen ist sein abnorm großes Gehirn.

Dieser hochkomplexe Nervenschwamm produziert angeblich das menschliche Bewusstsein, so

wie wir es unmittelbar von uns selbst kennen.

Hier werden Sinneswahrnehmungen und Gefühle erlebt.

Hier tauchen auch Vorstellungen auf, Begriffe werden gebildet und zu Gedanken und Geschichten

kombiniert.

Mit abstrakteren Begriffen und Vorstellungen erbaut die Menschheit schließlich Theorien

wie die Mathematik oder die Relativitätstheorie.

Ein knallharter Materialist geht nun - wie gesagt – davon aus, dass es nur eine Art

von Substanz gibt, nämlich die Materie.

Das Bewusstsein und die Bewusstseinsinhalte existieren nur als Eigenschaft oder als sogenanntes

Epiphänomen der Materie.

Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein, und ohne Gehirn gäbe es auch kein Bewusstsein.

Also kein Leben nach dem Tod zum Beispiel.

So ähnlich wie die Temperatur eine Eigenschaft der Materie ist und ohne Materie gäbe es

auch keine Temperatur.

Und auch die Begriffe und die Theorien, die sich das Gehirn ausgedacht hat, haben keine

unabhängige Existenz.

Wenn die Menschheit ausstirbt, dann gibt es keine Vorstellungen und Begriffe mehr und

auch keine Mathematik oder Relativitätstheorie.

Denn all das ist vom menschlichen Gehirn erfunden.

Oder etwa nicht?

Das ist eine alte und schwierige Frage.

Ein Idealist würde es anders sehen.

Platon ist der bekannteste Idealist.

Er steht für den sogenannten objektiven Idealismus.

Er sagte: „Ideen sind die Quelle aller Dinge.“

Er geht nämlich von einem Reich der Ideen aus, in dem zum Beispiel die Mathematik objektiv

und unabhängig vom menschlichen Denken existiert.

Für ihn ist ein mathematischer Satz wie der Satz des Pythagoras nicht vom Menschen erfunden,

sondern vielmehr durch das vernünftige Denken entdeckt oder vielleicht sogar wiederentdeckt.

Das heißt, der Satz des Pythagoras existierte auch vor seiner Entdeckung schon im Reich

der Ideen.

Genauso existieren auch Zahlen, geometrische Formen und andere mathematische Gesetze unabhängig

von uns, nämlich als sogenannte Ideen.

Hier muss man aufpassen.

Das Wort „Idee“ hat nämlich unterschiedliche Bedeutungen.

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist eine Idee etwas, was man im Kopf hat.

Mein Freund hat die Idee, ins Kino zu gehen.

Damit ist ein Gedanke gemeint, also ein Bewusstseinsinhalt und nicht ein universelles geistiges Objekt.

Aber ich spreche hier von der Idee im Sinne Platons.

Für Platon ist eine Idee etwas, das unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existiert.

Als geistige Substanz.

Wenn man nun die Mathematik an sich im Reich der Ideen ansiedelt, so könnte man das auch

mit anderen Theorien tun.

Wie ist es zum Beispiel mit der Physik?

Die Natur scheint gewissen Gesetzen zu folgen, vermutlich gibt es also Naturgesetze.

Das heißt, auch Naturgesetze existieren unabhängig vom Menschen.

Und wo existieren Sie?

Auch im Reich der Ideen?

Aber Platon geht noch viel weiter.

Er meint, dass jeder echte Begriff, der so in Gedanken auftauchen kann, ursprünglich

im Reich der Ideen existiert.

Die Gedanken sind sozusagen nur Schatten der Ideen.

Zum Beispiel die Idee des Stuhls.

Die Idee eines Sitzmöbels mit Rückenlehne aber ohne Armlehnen.

Erst existierte sie im Reich der Ideen.

Dann tauchte sie irgendwann im Bewusstsein eines Menschen auf.

Und der realisierte diese Idee schließlich mit seinen Händen.

So ähnlich ist es auch mit der Idee des Menschen.

Auch der Mensch ist nach einem bestimmten Plan entstanden.

Das nennt man die Idee des Menschen oder das sogenannte Wesen des Menschen.

Diese Idee ist für einen Idealisten der Urgrund unseres Daseins und unsere Bestimmung.

Und hoffentlich findet man im Reich der Ideen auch moralische Gesetze wie die Menschenrechte.

Absolute, kulturunabhängige und unveränderliche Rechte, die jeder Mensch von Natur hat.

Das wiederum setzt voraus, dass es eine Idee des Guten gibt.

Dass es einen objektiven Unterschied zwischen Gut und Böse gibt.

Nur dann macht es Sinn, von absoluter Moral und allgemeingültigen Menschenrechten zu

sprechen.

Und diese Idee des Guten ist die höchste aller Ideen, sagt Platon.

Das Reich der Ideen muss man sich also sehr vielgestaltig und vielschichtig vorstellen.

Bevölkert von geistiger Substanz.

Aber wie ist diese geistige Substanz beschaffen?

Wie kann man sich diese Substanz vorstellen?

Man sollte auf jeden Fall nicht den Fehler machen, sich die Ideen wie materielle Dinge

vorzustellen.

Die Ideen sind eben nicht materieller, sondern geistiger Natur.

Sie sind nicht räumlich und zeitlich, man kann sie nicht anfassen, aber man kann sie

denkerisch begreifen, sie sind intelligibel.

Ein radikaler Idealist glaubt nun, dass es nur diese eine geistige Substanz gibt, aus

der die Ideen sind, und alles andere ist Illusion.

Er kehrt das Weltbild des Materialismus um und denkt gewissermaßen von oben nach unten.

Das Reich der Ideen ist nun der Urgrund allen Seins.

Alle Dinge und Wesen unserer Sinneswelt sind nur Abbilder der Ideen.

Auch du selbst.

Du bist ein Exemplar der Idee des Menschen.

Du bist ein Geistwesen.

Du hast keinen materiellen Körper.

Dein Bewusstsein ist eine Eigenschaft des Geistigen.

In diesem Bewusstsein stellst du dir zwar eine materielle Welt vor, diese gibt es aber

so nicht.

Es ist wie im Traum.

Hinter den Sinneswahrnehmungen stecken keine materiellen Dinge, sondern Ideen.

Das kann man glauben.

Muss man aber nicht.

Gegen Platons Ideenlehre hat schon sein Schüler Aristoteles argumentiert.

Er hielt die Ideen für reine Abstraktionen der materiellen Dinge ohne eigenständige

Existenz.

Materialisten meinen also, Ideen sind nichts weiter als Hirngespinste.

Man könnte auch mit Occams Rasiermesser kritisieren, dass ein Reich der Ideen überflüssig ist,

wenn doch alles durch die Materie erklärbar ist.

Und selbst wenn die Ideen die Quelle aller Dinge wären, wie sollten sie die Welt hervorbringen?

Wie sollten Sterne und Planeten aus Ideen geformt sein, wenn man nicht an einen Schöpfergott

glaubt?

Ein Idealist könnte entgegnen, dass ja gerade die Grundlage des Materialismus eine Illusion

ist.

Warum sollte man ein Reich der Materie annehmen, wenn doch alles Erleben im Bewusstsein durch

dahinterliegende Ideen erklärbar ist?

Schließlich behauptet ja auch niemand, dass die Welt eines nächtlichen Traums in materieller

Weise existiert.

Und selbst die Physiker haben inzwischen erkannt, dass Atome hauptsächlich aus leerem Raum

bestehen und sogar Raum und Zeit selbst relativ sind.

Und wie kann ein Materialist ernsthaft die Existenz des Geistigen leugnen, wo doch das

einzig Unbezweifelbare das eigene Bewusstsein ist.

Und selbst wenn das Bewusstsein eine Eigenschaft der Materie wäre, so ist das sogenannten

Leib-Seele Problem völlig ungeklärt: Wie soll aus Materie Geist entstehen?

Wie soll ein Gehirn Bewusstsein produzieren?

Könnte auch ein Computer Bewusstsein haben?

Woran liegt es?

Wie kommt man nun raus aus diesem ontologischen Schlamassel?

Gibt es eine sinnvolle Synthese?

Der versöhnliche Ansatz wäre ein Dualismus, wie ihn zum Beispiel Rene Descartes vertreten

hat: Er glaubt sowohl an die Existenz von Materie als auch an die Existenz einer geistigen

Substanz.

Beide Reiche existieren nebeneinander und im Menschen treffen sie aufeinander.

Damit schafft man sich zwar zusätzliche Probleme, aber das ist eine andere Geschichte.

Der nihilistische Ansatz wäre, sowohl die Existenz der Materie als auch die Existenz

einer überindividuellen geistigen Substanz zu verneinen.

Übrig bliebe nur das eigene Bewusstsein.

Das wäre dann die einzige Existenz und alles andere wäre nur eine Vorstellung in meinem

Bewusstsein.

Diese radikale Sichtweise nennt man Solipsismus, aber den will keiner ernsthaft vertreten.

Denn Solipsismus macht einsam.