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2021 from Youtube, Adam Smith · Theorie der ethischen Gefühle | 1759

Adam Smith · Theorie der ethischen Gefühle | 1759

Hi! Heute geht es um Adam Smith und seine Theorie der ethischen Gefühle,

als Auftakt zu einem dreiteiligen Exkurs zu den Themen moralisches Handeln, Geld und Gerechtigkeit.

Hier und jetzt geht's um das moralische Handeln anhand besagter Theorie.

Adam Smith wurde 1723 in Schottland geboren.

Geschichtlich bewegen wir uns damit in der Epoche der Aufklärung – und thematisch im Bereich

der Moralphilosophie, also der Ethik.

Zu den Epochen der Philosophie-Geschichte gibt's einen eigenen Beitrag, der ist unten verlinkt, ebenso ein

klickbares Inhaltsverzeichnis für diesen Beitrag. Wir widmen uns nun zunächst dem Adam-Smith-Problem.

Danach gibt es eine historische Einordnung und einen Überblick zu Aufbau und Inhalt

der »Theorie der ethischen Gefühle«.

Zuletzt nehmen wir den zweiten Teil dieser Theorie, über Verdienst und Schuld,

dann etwas genauer unter die Lupe.

Kurzum: hol' dir ein Käffchen dazu, könnte was länger gehen heute.

Smith ist v. a. für sein Hauptwerk bekannt, »Der Wohlstand der Nationen«.

Diese Schrift ist 1776 erschienen und markiert den Beginn der Wirtschaftswissenschaft.

Du kennst im Kontext mit Adam Smith vielleicht die Metapher von der »unsichtbaren Hand« des Marktes.

Damit ist oft die Vorstellung gemeint, dass der Markt sich von allein reguliere – wie durch

unsichtbare Hand eben – wenn nur jeder Mensch im Marktgeschehen

auf sein eigenes Wohl bedacht sei.

Wie passt es zusammen, dass der Autor einer vermeintlich so egoistischen Wirtschaftslehre

17 Jahre zuvor eine Theorie der ethischen Gefühle geschrieben hat?

Zumal das Fazit dieser Theorie nicht lautet: »Moral ist Müll, also weg damit!«

Nein, die beiden Werke scheinen tatsächlich Widersprüche zu offenbaren, oder?

Diese Widersprüche wurden zum Gegenstand des Adam-Smith-Problems aufgebauscht,

mit der zentralen Frage:

Wie passen der egoistische Nationalökonom und der altruistische Moralphilosoph zusammen?

Auf den Punkt bringt's vielleicht die Vermutung des Übersetzers Walther Eckstein, der Smith zu denjenigen

Autoren zählt, »die mehr zitiert als gelesen werden«.

An dieser Stelle will ich betonen, dass ich »Der Wohlstand der Nationen« auch noch nicht

in Gänze gelesen habe,

und ich hoffe richtig recherchiert zu haben, wenn ich jetzt ein Beispiel nenne,

nämlich das der »unsichtbaren Hand«.

Die wird in »Der Wohlstand der Nationen« eher beiläufig genannt – 4. Buch, Kap. 2 – und ist nicht von

Smith erfunden. Er verwendet bloß eine seinerzeit verbreitete Redensart im Zusammenhang

mit Markt-Beteiligten, die nicht nach einem Gemeinwohl strebten,

sondern auf ihren eigenen Güterbedarf bedacht seien.

Dennoch wirke der Mechanismus des Marktes (wie gesteuert durch eine »unsichtbare Hand«)

auf ein wirtschaftliches Optimum hin.

Erstens besteht hier kein Aufruf zur Ellenbogen-Gesellschaft,

zweitens kein Widerspruch zur »Theorie der ethischen Gefühle«, in der Smith – 4. Teil, Kap. 1 – über einen

gefühllosen Grundherrn schreibt. Er gehört zu den Reichen, die...

Das war jetzt – wie gesagt – aus der »Theorie der ethischen Gefühle«.

Und schon in dieser Schrift heißt es, gleich im nächsten Satz:

Als aktuelle Galionsfigur für einen solchen Grundherrn-Typus ließe sich Jeff Bezos anführen.

Der Amazon-Chef und Multimilliardär mit dem Rich-Kid-Hobby Raumfahrt ist als legendär

kontroverser Arbeitgeber bekannt.

Doch hunderttausende Jobs unter umstrittenen Bedingungen sind immer noch

hunderttausende Jobs und ein unbestreitbarer Einfluss auf die wachsende Weltwirtschaft.

In beiden Erwähnungen der »unsichtbaren Hand« geht es Smith nicht darum, wie die

Zustände sein sollten, sondern wie sie seien. Er versteht sich als Beobachter.

Und er beobachtet auch in seiner moralphilosophischen Schrift,

dass Egoismus gesellschaftliche Anerkennung genießt.

Aufmerksames, fleißiges oder umsichtiges Verhalten gilt als lobenswert, obwohl es maßgeblich

erstmal einer Person dient: der, die sich so verhält.

Kurzum: Die beiden betreffenden Werke von Smith sind bei näherem Hinschauen mehr auf Linie,

als es das Adam-Smith-Problem glauben machen möchte.

Sie lassen sich auch als Bestandteile eines großen,

nie beendeten Gesamtwerkes der Sozialphilosophie interpretieren.

Das Adam-Smith-Problem basiert so gesehen auf Unkenntnis und Missverständnissen

hinsichtlich seiner Schriften. Das ist nicht meine Erkenntnis, sondern die von Fachleuten, die viel tiefer

im Thema sind. Als weiterführende Lektüre empfehle ich das sekundärliterarische Werk

»Adam Smith – politische Philosophie und politische Ökonomie« von Manfred Trapp (1987).

Es beginnt mit dem Satz: »Es gab einmal ein Adam-Smith-Problem [...]«

Die »Theorie der ethischen Gefühle« kommt mit einem Untertitel daher, den heutige Marketing-Menschen

als nicht-ganz-so-griffig bezeichnen würden. Er lautet:

Smith unternimmt seine Analyse der Menschennatur mitten im 18. Jahrhundert.

Als seine Theorie 1759 in zwei Bänden erscheint, ist der Siebenjährige Krieg in vollem Gange.

Alle europäischen Großmächte mischen darin mit und liefern sich fortlaufend blutige Schlachten.

Derweil weist der amtierende Papst auf Gefahren durch Korruption in der Kirche hin und Joseph Haydn

komponiert fleißig seine Meisterwerke.

Die erste Welle der Frauenbewegung wird noch Jahrzehnte auf sich warten lassen,

doch anstoßen vom Zeitgeist der Aufklärung ziehen emanzipatorische Gedanken bereits Kreise.

Smith indes adressiert mit seinen Bemerkungen zum Verhalten und Charakter der Menschen allerdings

noch merklich ein männliches Publikum.

Frauen werden in ihrer Vorzeige-Funktion als »das schöne Geschlecht« herangezogen (S. 38, 547).

Ihnen komme zwar Menschlichkeit zu, aber nicht der viel noblere Edelmut (307),

stattdessen die Kraft zur Verführung (162) und ein Hang zur Eitelkeit (184). Ansonsten bezieht Smith sich

gelegentlich auf »weibische Schwäche und Weichlichkeit« (71),

die er dem »furchtsameren Geschlecht« (338) zuschreibt

– und damit der Hälfte der Weltbevölkerung, die insgesamt noch unter einer Milliarde liegt.

Die Mitte des 18. Jahrhunderts markiert genau die Zeit, in der das Bevölkerungswachstum anfängt,

sich drastisch zu beschleunigen. Und boom:

260 Jahre später gibt es über 7,7 Mrd. von uns – und damit werden Fragen des sozialen Zusammenlebens

gelinge gesagt dringender. Sind die Erkenntnisse von Adam Smith,

abgesehen von seinem überholten Frauenbild, denn noch für den Menschen der Gegenwart

gültig und relevant? Schauen wir mal.

Die Erstausgabe von »Theorie der ethischen Gefühle« erschien unter dem Titel

»Theory of Moral Sentiments« – zu deutsch eher: Theorie der moralischen Gefühle.

Mir scheint »moralisch« im Kontext mit Gefühlen auch der passendere Begriff zu sein.

Zum Unterschied von Moral und Ethik gibt's hier einen eigenen Beitrag, der ist unten verlinkt.

Die mir vorliegende Neuausgabe trägt jedenfalls den Titel »Theorie der ethischen Gefühle« und ist 2010

im Felix Meiner Verlag erschienen, mit einer Einleitung besagten Übersetzers Walther Eckstein.

Eckstein geht seinerseits auch auf jenes Adam-Smith-Problem ein, das bei genauer Betrachtung – zitiere:

»vollends in nichts« zusammenfalle. Er weist in der Einleitung noch darauf hin,

Worum geht es nun in der Moralphilosophie von Mr. Smith?

Die hier besprochene Ausgabe basiert nicht auf der Erstausgabe von 1759,

sondern auf der Ausgabe letzter Hand von 1790, die Smith überarbeitet und erweitert hat.

Sie umfasst sieben Teile.

Der erste Teil handelt von der Schicklichkeit oder sittlichen Richtigkeit der Handlungen,

im Englischen »propriety of action«.

Der Begriff »propriety« lässt sich auch mit Angemessenheit übersetzen.

Woher wissen wir, was richtig im Sinne von angemessen oder eben schicklich ist?

Ein zentraler Begriff bei Smith ist die »Sympathie«.

Gemeint ist »unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten« (S. 8, wobei sich im weiteren Kontext des Werks zeigt,

dass mit »Sympathie« weniger das Mitgefühl selbst gemeint ist,

als die Fähigkeit des Mitfühlens oder Nachempfindens von Affekten).

Affekte sind Gefühlswallungen wie Lachen, Weinen oder Wutausbrüche.

Entscheidend für Sympathie, damit sie sozusagen funktioniert, ist laut Smith nicht

der reine Anblick eines Affektes – etwa eines weinenden Menschen – sondern ein Nachvollziehen der Situation

dieses Menschen – also dem Grund für die Tränen. Smith bemerkt:

Smith vergleicht das Phänomen mit unserem Sichtfeld.

Ein Gegenstand, den ich mir kurz vors Gesicht halte, erscheint mir größer,

als wenn er weit weg liegt. Kalt ausgedrückt:

Ein Mückenstich am eigenen Körper juckt mich mehr, als der Messerstich in einen anderen Körper.

Wie lässt sich von dieser Tatsache her eine sittlich richtige, also angemessene Handlung vollziehen?

Dazu schlägt Smith die Idee eines »unparteiischen Zuschauers« vor.

Und wie tickt der so?

Das heißt, dieser gedachte, unparteiische Zuschauer bringt der Person A, welche die

Affekte fühlt (also zum Beispiel einen Wutausbruch hat) genauso viel Mitgefühl entgegen,

wie Person B, auf die sich die Affekte (die Wut) richten. Klingt leichter, als es ist.

Im zweiten Teil geht es, wie gesagt, um die Kategorien Verdienst und Schuld, dazu später mehr.

Im dritten Teil schreibt Smith über die Grundlage der Urteile, die Menschen über ihre eigenen Gefühle

und Verhaltensweisen fällen, womit sie zu Beobachtenden ihrer selbst werden.

Kurzgesagt: Du urteilst über dein Verhalten so, wie es andere vernünftigerweise tun würden.

Dieser Teil handelt auch vom Pflichtgefühl.

Nur am Rande: Wie Smith hier der Natur eine Art Intention unterstellt,

tut er das im Verlauf seiner Theorie oft – und benutzt den Begriff »Natur« geradezu als Synonym für »Gott«.

Er schreibt etwa »die Natur selbst lehrt uns« (S. 10), »die Natur [habe] die Zuschauer gelehrt« (30) und

»So wurde der Mensch, der nur in Gesellschaft bestehen kann, von der Natur jener Situation angepaßt,

für die er geschaffen war« (137).

Walther Eckstein weist auf eine Rezension aus dem Jahr 1759 hin, in der »die strengste Rücksicht

auf die Prinzipien der Religion« in Smiths Theorie lobend hervorgehoben wird, sodass »ein ernster Leser

nichts finden wird, woran er [...] Anstoß nehmen könnte.« Erst in einer späteren Auflage fügte Smith den Satz ein:

Über das Vorhandensein sowohl solch skeptisch anmutender Passagen

als auch eher religiöser Bemerkungen bei Smith geht Eckstein in seiner Einleitung ausführlicher ein.

Im vierten Teil befasst sich Smith mit dem Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung

(etwas zu billigen heißt, etwas für gut zu befinden).

Insbesondere philosophisch ambitionierte Menschen laufen laut Smith Gefahr, tugendhaftes Verhalten

hinsichtlich seines Nutzens für die Gesellschaft zu billigen. Tatsächlich aber seien es

verschiedene Institutionen, die einen gesellschaftlichen Nutzen bringen, wenn sie sich denn

auf bestimmte Tugenden hin ausrichteten.

Vielleicht lässt sich hier von einem Kategorienfehler sprechen, den Smith unterstellt.

»Eine Begründung der Moral aus dem Nutzen«, so schreibt Manfred Trapp über Smith,

lehne dieser jedenfalls »aufs schärfste ab«.

Im fünften Teil widmet Smith sich dem Einfluss von Brauch und Mode auf unsere Begriffe von Schönheit

und Hässlichkeit sowie auf unsere moralischen Gefühle.

Hier erfahren wir endlich, wie eine schöne Nase geformt sein muss, nämlich:

»Weder sehr lang, noch sehr kurz, weder sehr gerade, noch sehr krumm [...], sondern eine Art von Mittleren

zwischen all diesen Extremen« (S. 320). Smith führt den Gedanken weiter:

Mit anderen Worten: »schön« ist, was Mainstream ist – und wonach richtet sich der Mainstream?

Nicht selten nach den Reichen, die bekanntlich auch die Schönen sind.

Problematisch wird es dann, wenn ebenso unsere Vorstellung von »gut« oder »tugendhaft« daher rühren,

was die Reichen so treiben (#trumping).

Brauch und Mode verzerren die Moralvorstellungen der Allgemeinheit, weshalb Smith diese

von jenem gedachten, unparteiischen Zuschauer unterscheidet.

Abschließend stellt Smith im sechsten Teil die Frage »Wen nennen wir tugendhaft?«

und geht dazu auf eine Reihe von Tugenden ein, um im siebten Teil zu guter Letzt einige Systeme

der Moralphilosophie vorzustellen. Das Ergebnis ist eine Übersicht, die laut Eckstein zu »den wertvollsten Teilen

des Buches gehört, und die man als ein Meisterstück wahrhaft produktiver Kritik bezeichnen« könne.

Darin geht es u. a. um Tugend bei Aristoteles sowie Epikureismus und Stoizismus – zu diesen Themen

gibt es hier je eigene Beiträge, die sind unten verlinkt.

Soviel zum allgemeinen Aufbau und Inhalt der Theorie der ethischen Gefühle von Smith.

Zuletzt widmen wir uns nun dem zweiten Teil nochmal im Detail.

Zur Erinnerung: Im ersten Teil seiner Abhandlung setzte sich Smith damit auseinander,

worin die Schicklichkeit von Handlungen besteht. Dabei ging es um das Handeln im Allgemeinen.

Dieses ist schicklich im Sinne von angemessen, wenn eine Person sich einerseits

von ihren Gefühlen leiten lässt (und damit anderen, Sympathie-fähigen Menschen die Möglichkeit gibt,

ihr Handeln nachzuvollziehen) und die sich andererseits nicht von ihrem persönlichen Vorteil leiten lässt

(dazu führte Smith die Instanz des unparteiischen Zuschauers ein).

Im zweiten Teil geht es nun um das Handeln in einem engeren, und zwar moralischen Sinne.

Damit kommen wir zum Kern der »Theory of Moral Sentiments«.

Wann ist eine Handlung moralisch gut oder verwerflich, also lobens- oder strafwürdig?

Lobenswürdigkeit (Verdienst) und Strafwürdigkeit (Schuld) sind für Smith zwei Eigenschaften

von Handlungen, die von der Eigenschaft der Schicklichkeit, kategorial zu unterscheiden sind.

Smith schreibt:

Mit der ersten Empfindung ist die Dankbarkeit gemeint, mit der zweiten das Vergeltungsgefühl.

Belohnen ist das Wiedererstatten von Gutem für Gutes. Bestrafen ist das Wiedererstatten eines Übels

für ein anderes Übel, das zugefügt worden ist.

Smith sagt, eine Handlung muss uns einer Belohnung würdig – also moralisch gut – erscheinen,

wenn sie uns Dankbarkeit empfinden lässt.

Und sie muss uns einer Bestrafung würdig – also moralisch verwerflich – erscheinen,

wenn sie unser Verlangen nach Vergeltung weckt.

So gesehen beruht unser moralisches Urteil über eine bestimmte Handlung auf unserem Gefühl

für die Schicklichkeit des Handelns im Allgemeinen. Genau genommen nicht unserem Gefühl,

sondern dem jenes unparteiischen Zuschauers, in den wir uns hineinversetzen müssen.

Dankbarkeit und Vergeltungsgefühl unterscheiden sich von anderen Affekten wie Liebe und Hass dadurch,

dass wir nicht bloß Anteil nehmen, an jemandes Glück oder Unglück. Es geht auch nicht darum,

dass wir uns wünschen, jemandem komme allgemein Glück oder Unglück zu.

Gefühle der Dankbarkeit oder Vergeltung verlangen eine Wiedererstattung für und mit Bezug

auf genau jene Wohltat oder Untat, die besagte Affekte in uns hervorgerufen haben.

Immer unter der Voraussetzung, dass eine unparteiische Allgemeinheit diese Affekte nachempfinden kann

und eine Wiedererstattung für vernünftig befindet – in Kenntnis über die Ursachen.

Wir erinnern uns, dass wir zur Beurteilung der Schicklichkeit einer Handlung nicht nur

die damit verbundenen Affekte betrachten dürfen.

Wir müssen die Situation der handelnden Person berücksichtigen.

Bei der moralischen Handlung geht es nun um die Schicklichkeit in Bezug auf die Absicht oder Intention

der handelnden Person. Das heißt, um eine Handlung als moralisch gut oder verwerflich bewerten zu können,

betrachten wir nicht die tatsächlichen Folgen der Handlung, sondern die beabsichtigten Folgen.

Ist ja toll, dass du der Oma über die Straße geholfen hast – wenn sie aber nur mitgeschleift wurde,

bei deinem gescheiterten Versuch, ihre Handtasche zu klauen: Nicht so toll. Smith fasst es so zusammen:

Umgekehrt können wir das Vergeltungsgefühl einer Person gegen eine andere nur dann nachvollziehen,

wenn die andere Person nicht bloß die Urheberin des Unglücks der ersten Person ist,

sondern dieses Unglück auch herbeiführen wollte.

Kann ja sein, dass die Pflegerin jener Oma nach deren stressigem Spaziergang die falschen Tabletten

zum Dinner serviert – woraufhin die Oma einschläft und nicht mehr aufwacht.

Ob das aus Versehen oder Absicht geschah, ist für unser moralisches Urteil fundamental.

Smith unterscheidet zwischen einer direkten und einer indirekten Sympathie. Kraft unserer direkten Sympathie

empfinden wir eine Handlung als angemessen oder schicklich – auch die gute Tat einer handelnden Person

gegenüber einer dritten. Doch zur Nachempfindung der Dankbarkeit dieser dritten Person mischt sich

zur direkten Sympathie eine indirekte Sympathie.

Diese muss nicht schwächer sein, als die direkte Sympathie. Sie kann zuweilen gar lebhafter

gefühlt werden. Smith nennt als Beispiel unsere direkte Antipathie gegen einen Tyrannen,

der sein Volk misshandelt. Ungleich energischer fühlen wir die indirekte Sympathie mit dem

Vergeltungsgefühl des Volkes und wünschen mit diesem, dass der Tyrann bestraft werde.

In einer Anmerkung schreibt Smith jedoch, dass Vergeltung gemeinhin als hassenswert gelte.

Viele Menschen wollten dieses Gefühl nicht in Zusammenhang gebracht sehen, mit dem höher

geschätzten Gefühl der Tadelnswürdigkeit.

Denn es ist doch nur gerecht, eine Person für Untaten zu tadeln.

»Vergeltung« hingegen hat einen hitzigen Beigeschmack.

Wenn sie gar in Rachsucht umschlägt, verabscheuen wir sie geradezu. Die geforderte Vergeltung

muss also auf ein nachvollziehbares Maß angepasst sein, um breite Zustimmung zu finden.

Und wir wissen ja, wie schwer es den Menschen fällt, sich in Mäßigung zu üben.

Daher bringen wir Bewunderung für diejenigen auf, denen es gelingt: Selbstbeherrschung ob der

eigenen Vergeltungsgefühle. Stört es dich auch, dass Smith unser Gefühl der Tadelnswürdigkeit

von Handelnden einer Sympathie mit dem Vergeltungsgefühl von Leidtragenden zuschreibt?

Vielleicht versöhnt dich der Hinweis, dass unser Gefühl der Verdienstlichkeit bestimmter Handlungen

gleichermaßen einer Sympathie mit der Dankbarkeit anderer entspringt

– woran doch nichts auszusetzen ist.

Und da Dankbarkeit und Vergeltungsgefühl offensichtlich Gegensätze sind, schließt sich der Kreis.

Und sei's drum: Smith weist an dieser Stelle darauf hin, dass seine Untersuchung

keine Frage des Sollens betreffe, sondern eine Frage nach Tatsachen.

Im zweiten Abschnitt des zweiten Teils vergleicht Smith die Tugenden der Wohltätigkeit

und der Gerechtigkeit miteinander, hinsichtlich ihrer Folgen für andere.

Die Wohltätigkeit ist ein positives Handeln. Sie zielt darauf ab, anderen Menschen etwas

Gutes zu tun. Da dies aus freien Stücken geschieht – sonst handelt es sich nicht um Wohltätigkeit – lässt sich

dafür auch keine Dankbarkeit einfordern.

Der unparteiische Zuschauer würde es gewiss missbilligen, wenn jemand, dem eine Wohltat widerfährt,

sich dafür nicht dankbar zeigt. Denn Dankbarkeit gegenüber wohltätigen Mitmenschen

erscheint angemessen. Dennoch fügt jener Undankbare durch seine Undankbarkeit niemandem

einen positiven Schaden zu – und handelt somit, im moralischen Sinne,

nicht strafwürdig. Trotzdem kennen wir das Konzept der Dankesschuld, jemandem Dank schuldig sein.

Das werfen wir auch nicht über Bord, sondern wenden es bloß nicht gegenüber Wohltätigkeit an.

Ebensowenig gibt es eine Schuld der Menschenliebe oder des Edelmutes, aufgrund derer wir irgendwem

Wohltätigkeit schuldig wären. Anders sieht da es mit der Tugend der Gerechtigkeit aus.

Die Gerechtigkeit ist ein negatives Handeln.

Sie zielt darauf ab, anderen Menschen nichts Böses zu tun. Wer sich an diese Tugend nicht hält, fügt einer

bestimmten Person einen positiven, also wirklichen Schaden zu. Deshalb sei ungerechtes Handeln

auch »der angemessene Gegenstand des Vergeltungsgefühls und auch der Bestrafung«,

welche die naturgemäße Folge des Vergeltungsgefühls darstellt«, so Smith (S. 126). Er schreibt auch:

Aber wo zieht Smith die Grenze zwischen nur tadelnswert und schon bestrafungswürdig?

Tadelnswert erscheine, was hinter einem gewöhnlichen Grad sittlich richtiger Wohltätigkeit zurückbleibt,

den wir erfahrungsgemäß von jeder Person erwarten dürften. Was wiederum über diesen

Grad hinausgeht, erscheint lobenswert. Strafbar macht sich ein Mensch erst im Ungehorsam,

so Smith. Als Beispiel nennt er die Befehle eines Landesherrn, gegen die nicht zu verstoßen sei.

Doch zwei Sätze später spricht er schon allgemeiner vom Gesetzgeber, der sich bei

Zuwiderhandlung gegen die Gesetze nicht zu sehr in Zurückhaltung üben dürfe. Die Strafbarkeit

gewisser Taten zu vernachlässigen, »hieße das Gemeinwesen mancherlei groben Ordnungswidrigkeiten

und anstößigen Freveln aussetzen«, was »verderblich für alle Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit« sei (S. 130).

Im dritten und letzten Abschnitt des zweiten Teils schreibt Smith »über den Einfluß des Zufalls

auf die Empfindungen der Menschen in Hinsicht der Verdienstlichkeit oder Tadelnswürdigkeit«.

Er benennt drei Momente einer jeden Handlung: erstens die Absicht oder innere Gesinnung,

zweitens die äußere Tat oder Körperbewegung infolge dieser Gesinnung und drittens

die guten oder bösen Folgen, die tatsächlich aus ihr hervorgehen. Eindrucksvoll schreibt Smith:

Wie vorhin gesagt: Unsere moralischen Urteile sollten sich vernünftigerweise nur auf die Absicht

oder Intention der handelnden Person richten. Nochmal Smith:

Dem müsse ein jeder Mensch zustimmen. Doch das ist graue Theorie. »[...] die Betonung,

daß moralisches Handeln gewollt sein muß«, so kommentiert es Manfred Trapp,

»soll keiner reinen Gesinnungsethik das Wort reden, die unabhängig

von den äußeren Wirkungen des Handelns wäre.«

Smith erkenne, dass moralisches Handeln keine bloße Absicht bleiben könne, die sich nirgendwo äußere.

Er bespricht drei Arten oder Grade von Fahrlässigkeit im menschlichen Handeln, im Zusammenhang

mit der Vorsicht unseres Vorgehens, und misst dem Zufall seine gebührende Bedeutung

im Drama des Lebens bei.

Smith nennt Ödipus als Beispiel. Heute könnten wir Jon Snow aus »Game of Thrones« nennen,

denn er wusste doch nicht, was er tat, als er die Drachenmutter erst [beep!] und dann [beep!]

– aber ich will ja nicht spoilern. Zufall hin oder her, »man was made for action«,

schreibt er, der Moralphilosoph Adam Smith.

Soviel zur Theorie der ethischen Gefühle von Adam Smith. Im nächsten Beitrag

geht es um die »Philosophie des Geldes« von Georg Simmel. Wenn dir dieser Beitrag geholfen hat,

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Adam Smith · Theorie der ethischen Gefühle | 1759 Adam Smith - Theory of Ethical Sentiments | 1759 Adam Smith - Teoria dei sentimenti etici | 1759 Adam Smith - Teorin om etiska känslor | 1759

Hi! Heute geht es um Adam Smith und seine Theorie der ethischen Gefühle, Ahoj! Dnes je o Adamu Smithovi a jeho teorii etických citů,

als Auftakt zu einem dreiteiligen Exkurs zu den Themen moralisches Handeln, Geld und Gerechtigkeit. jako předehra k třídílnému exkurzu na témata mravního jednání, peněz a spravedlnosti. as a prelude to a three-part excursus on the topics of moral action, money and justice. como um prelúdio para uma excursão de três partes sobre os tópicos de ação moral, dinheiro e justiça.

Hier und jetzt geht's um das moralische Handeln anhand besagter Theorie. Tady a teď jde o morální jednání založené na uvedené teorii. Here and now it's about moral action based on said theory.

Adam Smith wurde 1723 in Schottland geboren. Adam Smith was born in Scotland in 1723.

Geschichtlich bewegen wir uns damit in der Epoche der Aufklärung – und thematisch im Bereich

der Moralphilosophie, also der Ethik.

Zu den Epochen der Philosophie-Geschichte gibt's einen eigenen Beitrag, der ist unten verlinkt, ebenso ein There is a separate article on the epochs of philosophy history, which is linked below, as well as one

klickbares Inhaltsverzeichnis für diesen Beitrag. Wir widmen uns nun zunächst dem Adam-Smith-Problem.

Danach gibt es eine historische Einordnung und einen Überblick zu Aufbau und Inhalt Then there is a historical classification and an overview of the structure and content

der »Theorie der ethischen Gefühle«.

Zuletzt nehmen wir den zweiten Teil dieser Theorie, über Verdienst und Schuld, Nakonec vezmeme druhou část této teorie o zásluhách a vině, Finally we take the second part of this theory, about merit and guilt,

dann etwas genauer unter die Lupe. then a little closer under the microscope. então um pouco mais perto sob o microscópio.

Kurzum: hol' dir ein Käffchen dazu, könnte was länger gehen heute. Zkrátka: dejte si kávu, něco by dnes mohlo trvat déle. In short: get yourself a cup of coffee, something could go on today. Resumindo: pegue uma xícara de café, algo pode acontecer hoje.

Smith ist v. a. für sein Hauptwerk bekannt, »Der Wohlstand der Nationen«. Smith is best known for his main work, "The Wealth of Nations".

Diese Schrift ist 1776 erschienen und markiert den Beginn der Wirtschaftswissenschaft. Tento spis byl publikován v roce 1776 a představuje počátek ekonomie. This publication was published in 1776 and marks the beginning of economics.

Du kennst im Kontext mit Adam Smith vielleicht die Metapher von der »unsichtbaren Hand« des Marktes.

Damit ist oft die Vorstellung gemeint, dass der Markt sich von allein reguliere – wie durch This often means the idea that the market regulates itself - as if by itself

unsichtbare Hand eben – wenn nur jeder Mensch im Marktgeschehen neviditelná ruka - kdyby jen každý člověk na trhu invisible hand - if only everyone in the market mão invisível - se apenas todos no mercado

auf sein eigenes Wohl bedacht sei. dbát na své vlastní blaho. be careful of his own good. tenha cuidado com o seu próprio bem.

Wie passt es zusammen, dass der Autor einer vermeintlich so egoistischen Wirtschaftslehre How does it fit together that the author of a supposedly so selfish economics theory Como isso se encaixa que o autor de uma teoria econômica supostamente tão egoísta

17 Jahre zuvor eine Theorie der ethischen Gefühle geschrieben hat? Wrote a theory of ethical feelings 17 years earlier?

Zumal das Fazit dieser Theorie nicht lautet: »Moral ist Müll, also weg damit!« Zejména proto, že závěr této teorie není: »Mrava je svinstvo, tak se jí zbavte!« Especially since the conclusion of this theory is not: "Morality is rubbish, so get away with it!" Especialmente porque a conclusão dessa teoria não é: "Moralidade é lixo, então livre-se disso!"

Nein, die beiden Werke scheinen tatsächlich Widersprüche zu offenbaren, oder? Ne, zdá se, že tato dvě díla skutečně odhalují rozpory, že? No, the two works actually seem to reveal contradictions, don't they?

Diese Widersprüche wurden zum Gegenstand des Adam-Smith-Problems aufgebauscht, These contradictions were exaggerated into the subject of the Adam Smith problem, Essas contradições foram exageradas no assunto do problema de Adam Smith,

mit der zentralen Frage: with the central question:

Wie passen der egoistische Nationalökonom und der altruistische Moralphilosoph zusammen? Jak se k sobě hodí egoistický politický ekonom a altruistický morální filozof? How do the selfish economist and the altruistic moral philosopher fit together? Como o economista egoísta e o filósofo moral altruísta se encaixam?

Auf den Punkt bringt's vielleicht die Vermutung des Übersetzers Walther Eckstein, der Smith zu denjenigen Perhaps the guesswork of the translator Walther Eckstein, the Smith to those, brings it to the point Talvez a suposição do tradutor Walther Eckstein, o Smith deles, vá direto ao ponto

Autoren zählt, »die mehr zitiert als gelesen werden«. What counts are authors "who are more cited than read". O que conta são os autores "que são mais citados do que lidos".

An dieser Stelle will ich betonen, dass ich »Der Wohlstand der Nationen« auch noch nicht At this point I want to emphasize that I have not yet spoken of "The Wealth of Nations" either

in Gänze gelesen habe, have read in full

und ich hoffe richtig recherchiert zu haben, wenn ich jetzt ein Beispiel nenne, and I hope to have researched properly, if I give you an example now,

nämlich das der »unsichtbaren Hand«. namely that of the "invisible hand".

Die wird in »Der Wohlstand der Nationen« eher beiläufig genannt – 4. Buch, Kap. 2 – und ist nicht von This is mentioned in "The Prosperity of Nations" rather casually - 4th book, chap. 2 - and is not from

Smith erfunden. Er verwendet bloß eine seinerzeit verbreitete Redensart im Zusammenhang Smith invented. He's just using a phrase that was common at the time in context Smith inventado. Ele está apenas usando uma frase que era comum na época no contexto

mit Markt-Beteiligten, die nicht nach einem Gemeinwohl strebten, with market participants who do not strive for a common good,

sondern auf ihren eigenen Güterbedarf bedacht seien. but are concerned with their own goods needs.

Dennoch wirke der Mechanismus des Marktes (wie gesteuert durch eine »unsichtbare Hand«)

auf ein wirtschaftliches Optimum hin. towards an economic optimum.

Erstens besteht hier kein Aufruf zur Ellenbogen-Gesellschaft, First of all, there is no call to the elbow society here, Primeiro, não há nenhuma convocação para a sociedade de cotovelo aqui,

zweitens kein Widerspruch zur »Theorie der ethischen Gefühle«, in der Smith – 4. Teil, Kap. 1 – über einen

gefühllosen Grundherrn schreibt. Er gehört zu den Reichen, die...

Das war jetzt – wie gesagt – aus der »Theorie der ethischen Gefühle«.

Und schon in dieser Schrift heißt es, gleich im nächsten Satz:

Als aktuelle Galionsfigur für einen solchen Grundherrn-Typus ließe sich Jeff Bezos anführen. Jeff Bezos could be cited as the current figurehead for such a landlord type.

Der Amazon-Chef und Multimilliardär mit dem Rich-Kid-Hobby Raumfahrt ist als legendär The Amazon boss and multi-billionaire with the rich kid hobby of space travel is legendary

kontroverser Arbeitgeber bekannt.

Doch hunderttausende Jobs unter umstrittenen Bedingungen sind immer noch Yet hundreds of thousands of jobs under controversial conditions are still there

hunderttausende Jobs und ein unbestreitbarer Einfluss auf die wachsende Weltwirtschaft. hundreds of thousands of jobs and an undeniable impact on the growing world economy.

In beiden Erwähnungen der »unsichtbaren Hand« geht es Smith nicht darum, wie die

Zustände sein sollten, sondern wie sie seien. Er versteht sich als Beobachter. States should be, but how they are. He sees himself as an observer.

Und er beobachtet auch in seiner moralphilosophischen Schrift, And he also observes in his moral-philosophical writing,

dass Egoismus gesellschaftliche Anerkennung genießt. that egoism enjoys social recognition.

Aufmerksames, fleißiges oder umsichtiges Verhalten gilt als lobenswert, obwohl es maßgeblich Attentive, hard-working, or prudent behavior is commendable, although it is decisive Comportamento atencioso, trabalhador ou prudente é recomendável, embora seja decisivo

erstmal einer Person dient: der, die sich so verhält. first of all serves a person: the one who behaves like this. antes de mais nada serve a uma pessoa: aquele que assim se comporta.

Kurzum: Die beiden betreffenden Werke von Smith sind bei näherem Hinschauen mehr auf Linie, In short: the two works in question by Smith are more in line on closer inspection,

als es das Adam-Smith-Problem glauben machen möchte. than the Adam Smith problem would lead you to believe.

Sie lassen sich auch als Bestandteile eines großen,

nie beendeten Gesamtwerkes der Sozialphilosophie interpretieren. interpret never finished complete works of social philosophy.

Das Adam-Smith-Problem basiert so gesehen auf Unkenntnis und Missverständnissen

hinsichtlich seiner Schriften. Das ist nicht meine Erkenntnis, sondern die von Fachleuten, die viel tiefer regarding his writings. That is not my finding, but that of experts, which is much deeper

im Thema sind. Als weiterführende Lektüre empfehle ich das sekundärliterarische Werk are in the topic. For further reading, I recommend the secondary literary work

»Adam Smith – politische Philosophie und politische Ökonomie« von Manfred Trapp (1987).

Es beginnt mit dem Satz: »Es gab einmal ein Adam-Smith-Problem [...]«

Die »Theorie der ethischen Gefühle« kommt mit einem Untertitel daher, den heutige Marketing-Menschen The "theory of ethical feelings" comes with a subtitle, today's marketing people A "teoria dos sentimentos éticos" vem com um subtítulo: o pessoal de marketing de hoje

als nicht-ganz-so-griffig bezeichnen würden. Er lautet: would describe as not-quite-so-handy. It reads: descreveria como não tão útil. Diz:

Smith unternimmt seine Analyse der Menschennatur mitten im 18. Jahrhundert.

Als seine Theorie 1759 in zwei Bänden erscheint, ist der Siebenjährige Krieg in vollem Gange. When his theory appeared in two volumes in 1759, the Seven Years War was in full swing.

Alle europäischen Großmächte mischen darin mit und liefern sich fortlaufend blutige Schlachten. All major European powers are involved and continue to fight bloody battles. Todas as principais potências europeias estão envolvidas e continuam a travar batalhas sangrentas.

Derweil weist der amtierende Papst auf Gefahren durch Korruption in der Kirche hin und Joseph Haydn Meanwhile, the incumbent Pope points out the dangers of corruption in the church and Joseph Haydn Enquanto isso, o papa em exercício aponta os perigos da corrupção na igreja e Joseph Haydn

komponiert fleißig seine Meisterwerke. diligently composes his masterpieces.

Die erste Welle der Frauenbewegung wird noch Jahrzehnte auf sich warten lassen, The first wave of the women's movement will be decades away,

doch anstoßen vom Zeitgeist der Aufklärung ziehen emanzipatorische Gedanken bereits Kreise. but triggered by the zeitgeist of the Enlightenment, emancipatory thoughts are already circling. mas desencadeados pelo espírito do Iluminismo, os pensamentos emancipatórios já estão circulando.

Smith indes adressiert mit seinen Bemerkungen zum Verhalten und Charakter der Menschen allerdings Smith, however, addresses with his remarks on the behavior and character of people Smith, no entanto, aborda com suas observações sobre o comportamento e caráter das pessoas

noch merklich ein männliches Publikum. still noticeably a male audience. ainda visivelmente um público masculino.

Frauen werden in ihrer Vorzeige-Funktion als »das schöne Geschlecht« herangezogen (S. 38, 547). Women are used in their showcase function as "the fair sex" (pp. 38, 547).

Ihnen komme zwar Menschlichkeit zu, aber nicht der viel noblere Edelmut (307), They do have humanity, but not the much nobler nobility (307), Eles merecem humanidade, mas não a nobreza muito mais nobre (307),

stattdessen die Kraft zur Verführung (162) und ein Hang zur Eitelkeit (184). Ansonsten bezieht Smith sich em vez disso, o poder de seduzir (162) e uma tendência à vaidade (184). Caso contrário, Smith se refere

gelegentlich auf »weibische Schwäche und Weichlichkeit« (71), occasionally "effeminate weakness and softness" (71), ocasionalmente "fraqueza efeminada e suavidade" (71),

die er dem »furchtsameren Geschlecht« (338) zuschreibt which he ascribes to the "more fearful generation" (338) que ele atribui à "geração mais temerosa" (338)

– und damit der Hälfte der Weltbevölkerung, die insgesamt noch unter einer Milliarde liegt. - and thus half of the world's population, which is still under a billion overall.

Die Mitte des 18. Jahrhunderts markiert genau die Zeit, in der das Bevölkerungswachstum anfängt,

sich drastisch zu beschleunigen. Und boom: to accelerate drastically. And boom:

260 Jahre später gibt es über 7,7 Mrd. von uns – und damit werden Fragen des sozialen Zusammenlebens 260 years later there are over 7.7 billion of us - and that raises questions of social coexistence

gelinge gesagt dringender. Sind die Erkenntnisse von Adam Smith, said it would succeed more urgently. Are the realizations of Adam Smith,

abgesehen von seinem überholten Frauenbild, denn noch für den Menschen der Gegenwart apart from its outdated image of women, because it is still for the contemporary além de sua imagem ultrapassada de mulher, porque ainda para as pessoas do presente

gültig und relevant? Schauen wir mal. valid and relevant? We'll see.

Die Erstausgabe von »Theorie der ethischen Gefühle« erschien unter dem Titel

»Theory of Moral Sentiments« – zu deutsch eher: Theorie der moralischen Gefühle.

Mir scheint »moralisch« im Kontext mit Gefühlen auch der passendere Begriff zu sein. It seems to me that "moral" is also the more appropriate term in the context of feelings.

Zum Unterschied von Moral und Ethik gibt's hier einen eigenen Beitrag, der ist unten verlinkt. On the difference between morals and ethics, there is a separate article here, which is linked below. Há um artigo separado sobre a diferença entre moral e ética, que está relacionado a seguir.

Die mir vorliegende Neuausgabe trägt jedenfalls den Titel »Theorie der ethischen Gefühle« und ist 2010 In any case, the new edition before me bears the title "Theory of Ethical Feelings" and is 2010 Em qualquer caso, a nova edição que tenho diante de mim leva o título de "Teoria dos Sentimentos Éticos" e é de 2010

im Felix Meiner Verlag erschienen, mit einer Einleitung besagten Übersetzers Walther Eckstein. published by Felix Meiner Verlag, with an introduction by said translator Walther Eckstein. publicado por Felix Meiner Verlag, com uma introdução do referido tradutor Walther Eckstein.

Eckstein geht seinerseits auch auf jenes Adam-Smith-Problem ein, das bei genauer Betrachtung – zitiere: Eckstein, for his part, also goes into the Adam Smith problem, which on closer inspection - quote: Eckstein, por sua vez, também aborda o problema de Adam Smith, que em uma inspeção mais detalhada - citação:

»vollends in nichts« zusammenfalle. Er weist in der Einleitung noch darauf hin, Collapse "completely into nothing". In the introduction he points out that Reduza "completamente no nada". Na introdução, ele aponta que

Worum geht es nun in der Moralphilosophie von Mr. Smith? So what is Mr. Smith's moral philosophy about? Então, sobre o que é a filosofia moral do Sr. Smith?

Die hier besprochene Ausgabe basiert nicht auf der Erstausgabe von 1759, The edition discussed here is not based on the first edition from 1759,

sondern auf der Ausgabe letzter Hand von 1790, die Smith überarbeitet und erweitert hat. but on the last edition of 1790, which Smith revised and expanded.

Sie umfasst sieben Teile. It consists of seven parts.

Der erste Teil handelt von der Schicklichkeit oder sittlichen Richtigkeit der Handlungen,

im Englischen »propriety of action«.

Der Begriff »propriety« lässt sich auch mit Angemessenheit übersetzen. The term "propriety" can also be translated appropriately.

Woher wissen wir, was richtig im Sinne von angemessen oder eben schicklich ist? How do we know what is right in the sense of appropriate or decent?

Ein zentraler Begriff bei Smith ist die »Sympathie«.

Gemeint ist »unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten« (S. 8, wobei sich im weiteren Kontext des Werks zeigt, What is meant is "our compassion for all kinds of affects" (p. 8, whereby in the broader context of the work it becomes clear that O que se quer dizer é "nossa compaixão por todos os tipos de afetos" (p. 8, em que, no contexto mais amplo do trabalho, torna-se claro

dass mit »Sympathie« weniger das Mitgefühl selbst gemeint ist,

als die Fähigkeit des Mitfühlens oder Nachempfindens von Affekten). than the ability to empathize with affects).

Affekte sind Gefühlswallungen wie Lachen, Weinen oder Wutausbrüche. Affects are surges of emotion such as laughing, crying or outbursts of anger. Afetos são ondas de emoção, como risos, choro ou explosões de raiva.

Entscheidend für Sympathie, damit sie sozusagen funktioniert, ist laut Smith nicht According to Smith, it is not crucial for sympathy to function, so to speak De acordo com Smith, não é crucial que a simpatia funcione, por assim dizer

der reine Anblick eines Affektes – etwa eines weinenden Menschen – sondern ein Nachvollziehen der Situation the mere sight of an affect - such as a crying person - but an understanding of the situation

dieses Menschen – also dem Grund für die Tränen. Smith bemerkt: this person - the reason for the tears. Smith notes:

Smith vergleicht das Phänomen mit unserem Sichtfeld. Smith compares the phenomenon to our field of vision.

Ein Gegenstand, den ich mir kurz vors Gesicht halte, erscheint mir größer, An object that I hold in front of my face seems larger to me,

als wenn er weit weg liegt. Kalt ausgedrückt: as if it is far away. To put it coldly: como se estivesse longe. Para colocá-lo friamente:

Ein Mückenstich am eigenen Körper juckt mich mehr, als der Messerstich in einen anderen Körper. A mosquito bite on my own body itches me more than a knife stab in another body. Uma picada de mosquito em meu próprio corpo me dá mais coceira do que uma facada de faca em outro corpo.

Wie lässt sich von dieser Tatsache her eine sittlich richtige, also angemessene Handlung vollziehen? Based on this fact, how can a morally correct, i.e. appropriate, act be carried out? Como pode um ato moralmente correto, isto é, apropriado, ser executado com base nesse fato?

Dazu schlägt Smith die Idee eines »unparteiischen Zuschauers« vor. To this end, Smith suggests the idea of an "impartial spectator". Para esse fim, Smith sugere a ideia de um "espectador imparcial".

Und wie tickt der so? And how does it tick?

Das heißt, dieser gedachte, unparteiische Zuschauer bringt der Person A, welche die That is, this thoughtful, impartial bystander brings person A, who the

Affekte fühlt (also zum Beispiel einen Wutausbruch hat) genauso viel Mitgefühl entgegen, Feels (e.g. has an outburst) just as much compassion towards affects,

wie Person B, auf die sich die Affekte (die Wut) richten. Klingt leichter, als es ist. like person B, on whom the affects (anger) are directed. Sounds easier than it is.

Im zweiten Teil geht es, wie gesagt, um die Kategorien Verdienst und Schuld, dazu später mehr.

Im dritten Teil schreibt Smith über die Grundlage der Urteile, die Menschen über ihre eigenen Gefühle

und Verhaltensweisen fällen, womit sie zu Beobachtenden ihrer selbst werden. and chop behaviors so that they become observers of themselves.

Kurzgesagt: Du urteilst über dein Verhalten so, wie es andere vernünftigerweise tun würden. In short: you judge your behavior the way others would reasonably judge it. Resumindo: você julga seu comportamento da maneira que os outros o julgariam razoavelmente.

Dieser Teil handelt auch vom Pflichtgefühl. Esta parte também é sobre o senso de dever.

Nur am Rande: Wie Smith hier der Natur eine Art Intention unterstellt, As an aside: How Smith assumes nature has a kind of intention here, Como um aparte: como Smith assume que a natureza tem uma espécie de intenção aqui,

tut er das im Verlauf seiner Theorie oft – und benutzt den Begriff »Natur« geradezu als Synonym für »Gott«. he often does this in the course of his theory - and uses the term "nature" as a synonym for "God".

Er schreibt etwa »die Natur selbst lehrt uns« (S. 10), »die Natur [habe] die Zuschauer gelehrt« (30) und

»So wurde der Mensch, der nur in Gesellschaft bestehen kann, von der Natur jener Situation angepaßt, "So man, who can only exist in society, was adapted by nature to that situation,

für die er geschaffen war« (137). for whom he was created ”(137).

Walther Eckstein weist auf eine Rezension aus dem Jahr 1759 hin, in der »die strengste Rücksicht Walther Eckstein refers to a review from 1759 in which »the strictest consideration

auf die Prinzipien der Religion« in Smiths Theorie lobend hervorgehoben wird, sodass »ein ernster Leser on the principles of religion "is lauded in Smith's theory, so that" a serious reader sobre os princípios da religião "é elogiado na teoria de Smith, de modo que" um leitor sério

nichts finden wird, woran er [...] Anstoß nehmen könnte.« Erst in einer späteren Auflage fügte Smith den Satz ein: won't find anything to offend him. "Only in a later edition did Smith insert the sentence: não encontrará nada que o ofenda. "Somente em uma edição posterior Smith inseriu a frase:

Über das Vorhandensein sowohl solch skeptisch anmutender Passagen About the presence of both such skeptical passages Sobre a presença de ambas as passagens céticas

als auch eher religiöser Bemerkungen bei Smith geht Eckstein in seiner Einleitung ausführlicher ein.

Im vierten Teil befasst sich Smith mit dem Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung In the fourth part, Smith examines the influence of usefulness on feelings of approval Na quarta parte, Smith examina a influência da utilidade nos sentimentos de aprovação

(etwas zu billigen heißt, etwas für gut zu befinden). (To approve of something means to consider something to be good).

Insbesondere philosophisch ambitionierte Menschen laufen laut Smith Gefahr, tugendhaftes Verhalten According to Smith, philosophically ambitious people in particular run the risk of virtuous behavior

hinsichtlich seines Nutzens für die Gesellschaft zu billigen. Tatsächlich aber seien es in terms of its benefit to society. In fact, it is em termos de seu benefício para a sociedade. Na verdade, é

verschiedene Institutionen, die einen gesellschaftlichen Nutzen bringen, wenn sie sich denn

auf bestimmte Tugenden hin ausrichteten. oriented towards certain virtues. orientado para certas virtudes.

Vielleicht lässt sich hier von einem Kategorienfehler sprechen, den Smith unterstellt. Perhaps we can speak of a category error that Smith implies.

»Eine Begründung der Moral aus dem Nutzen«, so schreibt Manfred Trapp über Smith, "A justification of morality based on utility," writes Manfred Trapp about Smith,

lehne dieser jedenfalls »aufs schärfste ab«. In any case, I reject it "in the strongest possible way." Em qualquer caso, eu rejeito "da maneira mais forte possível."

Im fünften Teil widmet Smith sich dem Einfluss von Brauch und Mode auf unsere Begriffe von Schönheit In the fifth part, Smith looks at the influence of custom and fashion on our concepts of beauty Na quinta parte, Smith examina a influência do costume e da moda em nossos conceitos de beleza

und Hässlichkeit sowie auf unsere moralischen Gefühle.

Hier erfahren wir endlich, wie eine schöne Nase geformt sein muss, nämlich: Here we finally learn how a beautiful nose has to be shaped, namely:

»Weder sehr lang, noch sehr kurz, weder sehr gerade, noch sehr krumm [...], sondern eine Art von Mittleren “Neither very long nor very short, neither very straight nor very crooked [...], but a kind of middle one “Nem muito comprido nem muito curto, nem muito reto nem muito torto [...], mas meio que meio

zwischen all diesen Extremen« (S. 320). Smith führt den Gedanken weiter:

Mit anderen Worten: »schön« ist, was Mainstream ist – und wonach richtet sich der Mainstream? In other words: what is mainstream is "beautiful" - and what is mainstream oriented towards? Em outras palavras: o que o mainstream é "bonito" - e para o que o mainstream está voltado?

Nicht selten nach den Reichen, die bekanntlich auch die Schönen sind. Not infrequently after the rich, who are also known to be the beautiful.

Problematisch wird es dann, wenn ebenso unsere Vorstellung von »gut« oder »tugendhaft« daher rühren, It becomes problematic when our ideas of "good" or "virtuous" also stem from Torna-se problemático quando nossas idéias de "bom" ou "virtuoso" também derivam de

was die Reichen so treiben (#trumping). what the rich are up to (#trumping). o que os ricos estão fazendo (#trumping).

Brauch und Mode verzerren die Moralvorstellungen der Allgemeinheit, weshalb Smith diese Customs and fashions distort the morals of the general public, which is why Smith these

von jenem gedachten, unparteiischen Zuschauer unterscheidet. from that imaginary, impartial viewer. daquele visualizador imaginário e imparcial.

Abschließend stellt Smith im sechsten Teil die Frage »Wen nennen wir tugendhaft?«

und geht dazu auf eine Reihe von Tugenden ein, um im siebten Teil zu guter Letzt einige Systeme and goes into a number of virtues, and finally some systems in the seventh part

der Moralphilosophie vorzustellen. Das Ergebnis ist eine Übersicht, die laut Eckstein zu »den wertvollsten Teilen to introduce moral philosophy. The result is an overview which, according to Eckstein, is »the most valuable parts

des Buches gehört, und die man als ein Meisterstück wahrhaft produktiver Kritik bezeichnen« könne. of the book and which can be described as a masterpiece of genuinely productive criticism «.

Darin geht es u. a. um Tugend bei Aristoteles sowie Epikureismus und Stoizismus – zu diesen Themen É sobre virtude em Aristóteles, bem como epicurismo e estoicismo - nesses tópicos

gibt es hier je eigene Beiträge, die sind unten verlinkt.

Soviel zum allgemeinen Aufbau und Inhalt der Theorie der ethischen Gefühle von Smith. So much for the general structure and content of Smith's theory of ethical sentiments.

Zuletzt widmen wir uns nun dem zweiten Teil nochmal im Detail. Finalmente, vamos nos dedicar novamente à segunda parte em detalhes.

Zur Erinnerung: Im ersten Teil seiner Abhandlung setzte sich Smith damit auseinander, As a reminder, in the first part of his treatise, Smith dealt with

worin die Schicklichkeit von Handlungen besteht. Dabei ging es um das Handeln im Allgemeinen. what is the propriety of actions. It was about action in general.

Dieses ist schicklich im Sinne von angemessen, wenn eine Person sich einerseits This is decent in the sense of appropriate when a person is on the one hand

von ihren Gefühlen leiten lässt (und damit anderen, Sympathie-fähigen Menschen die Möglichkeit gibt, is guided by their feelings (and thus gives other, sympathetic people the opportunity to

ihr Handeln nachzuvollziehen) und die sich andererseits nicht von ihrem persönlichen Vorteil leiten lässt understand their actions) and which, on the other hand, are not guided by their personal gain compreender suas ações) e que, por outro lado, não são guiadas por seu ganho pessoal

(dazu führte Smith die Instanz des unparteiischen Zuschauers ein). (To this end, Smith introduced the impartial spectator instance). (Para este fim, Smith introduziu a instância do espectador imparcial).

Im zweiten Teil geht es nun um das Handeln in einem engeren, und zwar moralischen Sinne.

Damit kommen wir zum Kern der »Theory of Moral Sentiments«.

Wann ist eine Handlung moralisch gut oder verwerflich, also lobens- oder strafwürdig? When is an action morally good or reprehensible, i.e. worthy of praise or punishment? Quando uma ação é moralmente boa ou repreensível, ou seja, digna de elogio ou punição?

Lobenswürdigkeit (Verdienst) und Strafwürdigkeit (Schuld) sind für Smith zwei Eigenschaften Commendation (merit) and punishability (guilt) are two qualities for Smith

von Handlungen, die von der Eigenschaft der Schicklichkeit, kategorial zu unterscheiden sind. of actions which are to be categorically distinguished from the quality of propriety.

Smith schreibt:

Mit der ersten Empfindung ist die Dankbarkeit gemeint, mit der zweiten das Vergeltungsgefühl. The first is gratitude and the second is a feeling of retribution. O primeiro é gratidão e o segundo é um sentimento de retribuição.

Belohnen ist das Wiedererstatten von Gutem für Gutes. Bestrafen ist das Wiedererstatten eines Übels Rewarding is restoring what is good for good. Punishing is restoring an evil

für ein anderes Übel, das zugefügt worden ist. for another evil that has been inflicted. por outro mal que foi infligido.

Smith sagt, eine Handlung muss uns einer Belohnung würdig – also moralisch gut – erscheinen, Smith diz que um ato deve parecer digno de uma recompensa - isto é, moralmente bom -

wenn sie uns Dankbarkeit empfinden lässt.

Und sie muss uns einer Bestrafung würdig – also moralisch verwerflich – erscheinen, E deve parecer digno de uma punição - isto é, moralmente repreensível -

wenn sie unser Verlangen nach Vergeltung weckt. when it arouses our need for retribution.

So gesehen beruht unser moralisches Urteil über eine bestimmte Handlung auf unserem Gefühl From this point of view, our moral judgment about a certain action is based on our feeling Deste ponto de vista, nosso julgamento moral sobre uma determinada ação é baseado em nosso sentimento

für die Schicklichkeit des Handelns im Allgemeinen. Genau genommen nicht unserem Gefühl, for the propriety of action in general. Strictly speaking, not our feeling

sondern dem jenes unparteiischen Zuschauers, in den wir uns hineinversetzen müssen.

Dankbarkeit und Vergeltungsgefühl unterscheiden sich von anderen Affekten wie Liebe und Hass dadurch, Gratitude and retribution differ from other affects such as love and hate in that

dass wir nicht bloß Anteil nehmen, an jemandes Glück oder Unglück. Es geht auch nicht darum, that we are not merely interested in someone's happiness or unhappiness. It's not about

dass wir uns wünschen, jemandem komme allgemein Glück oder Unglück zu. that we wish that happiness or unhappiness would come to someone in general. que desejamos que a felicidade ou a infelicidade cheguem a alguém em geral.

Gefühle der Dankbarkeit oder Vergeltung verlangen eine Wiedererstattung für und mit Bezug Feelings of gratitude or retribution require reimbursement for and related to Sentimentos de gratidão ou retribuição exigem reembolso e relacionados a

auf genau jene Wohltat oder Untat, die besagte Affekte in uns hervorgerufen haben. on exactly that benefit or wrong that said affects have evoked in us.

Immer unter der Voraussetzung, dass eine unparteiische Allgemeinheit diese Affekte nachempfinden kann Always under the condition that an impartial general public can empathize with these affects

und eine Wiedererstattung für vernünftig befindet – in Kenntnis über die Ursachen. and finds a restitution reasonable - knowing the causes. e encontra uma restituição razoável - conhecendo as causas.

Wir erinnern uns, dass wir zur Beurteilung der Schicklichkeit einer Handlung nicht nur We remember that we do not only judge the propriety of an action Lembramos que não julgamos apenas a propriedade de uma ação

die damit verbundenen Affekte betrachten dürfen. be allowed to look at the affects associated with it.

Wir müssen die Situation der handelnden Person berücksichtigen. We have to take into account the situation of the acting person. Temos que levar em consideração a situação da pessoa que atua.

Bei der moralischen Handlung geht es nun um die Schicklichkeit in Bezug auf die Absicht oder Intention The moral act is now about the propriety in relation to the intention or intention

der handelnden Person. Das heißt, um eine Handlung als moralisch gut oder verwerflich bewerten zu können, the acting person. That is, in order to be able to evaluate an action as morally good or reprehensible,

betrachten wir nicht die tatsächlichen Folgen der Handlung, sondern die beabsichtigten Folgen. let us consider not the actual consequences of the action, but the intended consequences.

Ist ja toll, dass du der Oma über die Straße geholfen hast – wenn sie aber nur mitgeschleift wurde, It's great that you helped grandma across the street - but if she was only dragged along, É ótimo que você ajudou a vovó a atravessar a rua - mas se ela apenas foi arrastada,

bei deinem gescheiterten Versuch, ihre Handtasche zu klauen: Nicht so toll. Smith fasst es so zusammen: when you failed to steal her handbag: Not great. Smith sums it up like this: quando você falhou em roubar a bolsa dela: Não ótimo. Smith resume assim:

Umgekehrt können wir das Vergeltungsgefühl einer Person gegen eine andere nur dann nachvollziehen, Conversely, we can only understand a person's feeling of retaliation against another if Por outro lado, só podemos entender o sentimento de retaliação de uma pessoa contra outra se

wenn die andere Person nicht bloß die Urheberin des Unglücks der ersten Person ist, if the other person is not just the originator of the misfortune of the first person, se a outra pessoa não é apenas o originador do infortúnio da primeira pessoa,

sondern dieses Unglück auch herbeiführen wollte. but also wanted to bring about this misfortune.

Kann ja sein, dass die Pflegerin jener Oma nach deren stressigem Spaziergang die falschen Tabletten It could be that grandma's carer got the wrong pills after her stressful walk Pode ser que o cuidador da avó tenha tomado os comprimidos errados após sua caminhada estressante

zum Dinner serviert – woraufhin die Oma einschläft und nicht mehr aufwacht. served for dinner - whereupon grandma falls asleep and does not wake up again. servido no jantar - então a vovó adormece e não acorda de novo.

Ob das aus Versehen oder Absicht geschah, ist für unser moralisches Urteil fundamental. Whether this was accidentally or intentionally is fundamental to our moral judgment. Se isso foi acidental ou intencionalmente, é fundamental para nosso julgamento moral.

Smith unterscheidet zwischen einer direkten und einer indirekten Sympathie. Kraft unserer direkten Sympathie Smith distinguishes between direct and indirect sympathy. By virtue of our direct sympathy

empfinden wir eine Handlung als angemessen oder schicklich – auch die gute Tat einer handelnden Person we perceive an action as appropriate or appropriate - including the good deed of an acting person

gegenüber einer dritten. Doch zur Nachempfindung der Dankbarkeit dieser dritten Person mischt sich compared to a third. But to emulate the gratitude of this third person mixes contra um terceiro. Mas, para emular a gratidão dessa terceira pessoa, mistura

zur direkten Sympathie eine indirekte Sympathie.

Diese muss nicht schwächer sein, als die direkte Sympathie. Sie kann zuweilen gar lebhafter This does not have to be weaker than direct sympathy. It can be livelier at times

gefühlt werden. Smith nennt als Beispiel unsere direkte Antipathie gegen einen Tyrannen, be felt. Smith gives as an example our direct antipathy towards a tyrant,

der sein Volk misshandelt. Ungleich energischer fühlen wir die indirekte Sympathie mit dem who mistreats his people. We feel the indirect sympathy with the much more energetically

Vergeltungsgefühl des Volkes und wünschen mit diesem, dass der Tyrann bestraft werde.

In einer Anmerkung schreibt Smith jedoch, dass Vergeltung gemeinhin als hassenswert gelte. In a note, however, Smith writes that retaliation is commonly considered hateful. Em uma nota, no entanto, Smith escreve que a retaliação é amplamente considerada odiosa.

Viele Menschen wollten dieses Gefühl nicht in Zusammenhang gebracht sehen, mit dem höher Many people did not want to see this feeling associated with the higher

geschätzten Gefühl der Tadelnswürdigkeit. valued sense of blame. valorizado senso de culpa.

Denn es ist doch nur gerecht, eine Person für Untaten zu tadeln. Because it is only fair to blame a person for wrongdoing. Porque é justo culpar uma pessoa por uma transgressão.

»Vergeltung« hingegen hat einen hitzigen Beigeschmack. "Retribution", on the other hand, has a heated aftertaste. "Retribution", por outro lado, tem um gosto residual aquecido.

Wenn sie gar in Rachsucht umschlägt, verabscheuen wir sie geradezu. Die geforderte Vergeltung When it turns into vindictiveness, we downright abhor it. The required retribution Quando se transforma em vingança, nós absolutamente abominamos. A retribuição necessária

muss also auf ein nachvollziehbares Maß angepasst sein, um breite Zustimmung zu finden. must therefore be adjusted to a comprehensible level in order to meet with broad approval.

Und wir wissen ja, wie schwer es den Menschen fällt, sich in Mäßigung zu üben. And we know how difficult it is for people to exercise moderation.

Daher bringen wir Bewunderung für diejenigen auf, denen es gelingt: Selbstbeherrschung ob der Therefore, we have admiration for those who succeed: self-control over that Portanto, temos admiração por quem consegue: autocontrole sobre isso

eigenen Vergeltungsgefühle. Stört es dich auch, dass Smith unser Gefühl der Tadelnswürdigkeit own feelings of retribution. Also, do you mind that Smith made our sense of blameworthy?

von Handelnden einer Sympathie mit dem Vergeltungsgefühl von Leidtragenden zuschreibt? ascribes sympathy with the feelings of retaliation of those who suffer?

Vielleicht versöhnt dich der Hinweis, dass unser Gefühl der Verdienstlichkeit bestimmter Handlungen Perhaps the hint that our sense of merit of certain actions reconciles you

gleichermaßen einer Sympathie mit der Dankbarkeit anderer entspringt equally arises from sympathy with the gratitude of others

– woran doch nichts auszusetzen ist. - which is nothing to complain about.

Und da Dankbarkeit und Vergeltungsgefühl offensichtlich Gegensätze sind, schließt sich der Kreis. And since gratitude and retribution are obviously opposites, the circle is complete.

Und sei's drum: Smith weist an dieser Stelle darauf hin, dass seine Untersuchung Assim seja: Smith aponta neste ponto que sua investigação

keine Frage des Sollens betreffe, sondern eine Frage nach Tatsachen. not a question of ought, but a question of facts.

Im zweiten Abschnitt des zweiten Teils vergleicht Smith die Tugenden der Wohltätigkeit In the second section of the second part, Smith compares the virtues of benevolence

und der Gerechtigkeit miteinander, hinsichtlich ihrer Folgen für andere. and righteousness with one another regarding their consequences for others.

Die Wohltätigkeit ist ein positives Handeln. Sie zielt darauf ab, anderen Menschen etwas Charity is positive action. It aims to give something to other people A caridade é uma ação positiva. Tem como objetivo dar algo a outras pessoas

Gutes zu tun. Da dies aus freien Stücken geschieht – sonst handelt es sich nicht um Wohltätigkeit – lässt sich To do good. Since this is done voluntarily - otherwise it is not a question of charity - can

dafür auch keine Dankbarkeit einfordern. Don't ask for gratitude for it either.

Der unparteiische Zuschauer würde es gewiss missbilligen, wenn jemand, dem eine Wohltat widerfährt, The impartial viewer would certainly disapprove of a beneficiary who O espectador imparcial certamente desaprovaria um beneficiário que

sich dafür nicht dankbar zeigt. Denn Dankbarkeit gegenüber wohltätigen Mitmenschen does not show himself grateful for it. Because gratitude towards benevolent people

erscheint angemessen. Dennoch fügt jener Undankbare durch seine Undankbarkeit niemandem seems appropriate. Yet that ingratitude does not add to anyone by his ingratitude

einen positiven Schaden zu – und handelt somit, im moralischen Sinne, does positive harm - and thus acts, in a moral sense,

nicht strafwürdig. Trotzdem kennen wir das Konzept der Dankesschuld, jemandem Dank schuldig sein. not punishable. Even so, we know the concept of debt of thanks, owing someone thanks.

Das werfen wir auch nicht über Bord, sondern wenden es bloß nicht gegenüber Wohltätigkeit an. We're not throwing that overboard, we're just not applying it to charity. Não estamos jogando isso ao mar, apenas não estamos aplicando-o à caridade.

Ebensowenig gibt es eine Schuld der Menschenliebe oder des Edelmutes, aufgrund derer wir irgendwem Neither is there any guilt of philanthropy or nobility that we owe to anyone Nem há qualquer culpa de filantropia ou nobreza que devemos a ninguém

Wohltätigkeit schuldig wären. Anders sieht da es mit der Tugend der Gerechtigkeit aus. Would be guilty of charity. It is different with the virtue of justice.

Die Gerechtigkeit ist ein negatives Handeln. Justice is negative action.

Sie zielt darauf ab, anderen Menschen nichts Böses zu tun. Wer sich an diese Tugend nicht hält, fügt einer It aims to avoid harming other people. Whoever does not stick to this virtue adds one

bestimmten Person einen positiven, also wirklichen Schaden zu. Deshalb sei ungerechtes Handeln

auch »der angemessene Gegenstand des Vergeltungsgefühls und auch der Bestrafung«, also "the appropriate object of retaliation and also of punishment",

welche die naturgemäße Folge des Vergeltungsgefühls darstellt«, so Smith (S. 126). Er schreibt auch: which is the natural consequence of retaliation, ”said Smith (p. 126). He also writes: que é a consequência natural da retaliação ”, disse Smith (p. 126). Ele também escreve:

Aber wo zieht Smith die Grenze zwischen nur tadelnswert und schon bestrafungswürdig?

Tadelnswert erscheine, was hinter einem gewöhnlichen Grad sittlich richtiger Wohltätigkeit zurückbleibt, What seems reprehensible is what falls short of an ordinary degree of morally correct benevolence,

den wir erfahrungsgemäß von jeder Person erwarten dürften. Was wiederum über diesen which, based on experience, we can expect from every person. What again about this

Grad hinausgeht, erscheint lobenswert. Strafbar macht sich ein Mensch erst im Ungehorsam, Degree seems praiseworthy. A person only makes himself punishable in disobedience,

so Smith. Als Beispiel nennt er die Befehle eines Landesherrn, gegen die nicht zu verstoßen sei. so Smith. As an example, he cites the orders of a sovereign that are not to be violated. então Smith. Como exemplo, ele cita as ordens de um soberano que não devem ser violadas.

Doch zwei Sätze später spricht er schon allgemeiner vom Gesetzgeber, der sich bei But two sentences later he speaks in more general terms of the legislature, who is at

Zuwiderhandlung gegen die Gesetze nicht zu sehr in Zurückhaltung üben dürfe. Die Strafbarkeit Violation of the law should not exercise too much restraint. The criminal liability

gewisser Taten zu vernachlässigen, »hieße das Gemeinwesen mancherlei groben Ordnungswidrigkeiten To neglect certain deeds »would mean a number of gross administrative offenses in the community Negligenciar certas ações »significaria uma série de graves ofensas administrativas na comunidade

und anstößigen Freveln aussetzen«, was »verderblich für alle Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit« sei (S. 130). e para expor as iniqüidades ofensivas ", que é" pernicioso para toda liberdade, segurança e justiça "(p. 130).

Im dritten und letzten Abschnitt des zweiten Teils schreibt Smith »über den Einfluß des Zufalls In the third and final section of the second part, Smith writes “on the influence of chance

auf die Empfindungen der Menschen in Hinsicht der Verdienstlichkeit oder Tadelnswürdigkeit«. on people's feelings about merit or blameworthiness ”.

Er benennt drei Momente einer jeden Handlung: erstens die Absicht oder innere Gesinnung, He names three moments of every action: first, the intention or inner disposition,

zweitens die äußere Tat oder Körperbewegung infolge dieser Gesinnung und drittens secondly, the external act or body movement as a result of this disposition, and thirdly

die guten oder bösen Folgen, die tatsächlich aus ihr hervorgehen. Eindrucksvoll schreibt Smith: the good or bad consequences that actually flow from it. Smith writes impressively:

Wie vorhin gesagt: Unsere moralischen Urteile sollten sich vernünftigerweise nur auf die Absicht As I said earlier: Our moral judgments should reasonably be based only on intent

oder Intention der handelnden Person richten. Nochmal Smith:

Dem müsse ein jeder Mensch zustimmen. Doch das ist graue Theorie. »[...] die Betonung, Everyone has to agree to this. But that's gray theory. »[...] the emphasis

daß moralisches Handeln gewollt sein muß«, so kommentiert es Manfred Trapp, that moral action must be wanted «, commented Manfred Trapp,

»soll keiner reinen Gesinnungsethik das Wort reden, die unabhängig »Should not speak out to any pure ethics of conviction that are independent »Não deve falar sobre nenhuma ética pura de convicção que seja independente

von den äußeren Wirkungen des Handelns wäre.« of the external effects of action. "

Smith erkenne, dass moralisches Handeln keine bloße Absicht bleiben könne, die sich nirgendwo äußere. Smith recognized that moral action could not remain a mere intention that had nowhere to be expressed.

Er bespricht drei Arten oder Grade von Fahrlässigkeit im menschlichen Handeln, im Zusammenhang He discusses three types or degrees of negligence in human behavior, related

mit der Vorsicht unseres Vorgehens, und misst dem Zufall seine gebührende Bedeutung with the caution of our approach, and attaches due importance to chance com a cautela de nossa abordagem, e atribui a devida importância ao acaso

im Drama des Lebens bei.

Smith nennt Ödipus als Beispiel. Heute könnten wir Jon Snow aus »Game of Thrones« nennen, Smith cita Édipo como exemplo. Hoje poderíamos citar Jon Snow de Game of Thrones

denn er wusste doch nicht, was er tat, als er die Drachenmutter erst [beep!] und dann [beep!]

– aber ich will ja nicht spoilern. Zufall hin oder her, »man was made for action«, - but I don't want to spoil. Coincidence or not, "man was made for action", - mas eu não quero estragar. Coincidência ou não, "o homem foi feito para a ação",

schreibt er, der Moralphilosoph Adam Smith.

Soviel zur Theorie der ethischen Gefühle von Adam Smith. Im nächsten Beitrag So much for Adam Smith's theory of ethical sentiments. In the next post

geht es um die »Philosophie des Geldes« von Georg Simmel. Wenn dir dieser Beitrag geholfen hat, it's about Georg Simmel's "Philosophy of Money". If this post helped you,

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