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2021 Tagesschau, tagesthemen 23.09.2021, 21:45 Uhr - Rückblick auf einen denkwürdigen Wahlkampf, TV-Wahlkampf: Sieben Spitzenkandidaten

tagesthemen 23.09.2021, 21:45 Uhr - Rückblick auf einen denkwürdigen Wahlkampf, TV-Wahlkampf: Sieben Spitzenkandidaten

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (23.09.2021)

Heute im Studio: Aline Abboud

Guten Abend.

Eines kann man diesem Wahlkampf nicht vorwerfen:

Dass es nicht spannend wäre.

Drei Tage vor der Bundestagswahl erscheint völlig unklar,

wer ins Kanzleramt einziehen und wer die nächste Regierung bilden wird.

Die Kandidatinnen und Kandidaten versuchen, noch so viele wie möglich

davon zu überzeugen, ihr Kreuz bei ihnen zu machen.

Gelingen sollte das am besten mit inhaltlichen Konzepten.

Doch Beobachter haben mehr als sonst den Eindruck,

dass es weniger um Ideen zu Rente, Steuern oder Klima geht

als vielmehr um das Bild, das das Spitzenpersonal abgibt.

Christian Feld.

Die Ära dieser Raute geht zu Ende.

Nach 16 Jahren.

Der Wahlkampf um die Nachfolge war ...

... schleppend.

Der Wahlkampf geht um Kleinigkeiten, die eigentlich kein Ausmaß haben.

Es wird darüber gestritten, welcher Lebenslauf wie gut war.

Dabei könnten die Aufgaben für eine neue Regierung

kaum größer seien.

Die Pandemie droht, Existenzen zu zerstören.

Und legt offen, wo es digital im Land hapert.

Und der Klimawandel - nicht nur in der Nachbarschaft.

Brutal zu spüren im eigenen Land.

Eigentlich eine historische Chance für sie.

Ja, ich war noch nie Kanzlerin oder Ministerin.

Ich trete an für Erneuerung.

Doch Inhalte rücken lange in den Hintergrund.

Dafür sorgt die Kandidatin auch selbst - durch eigene Fehler.

Ein Buch mit abgeschriebenen Passagen beschädigt die Glaubwürdigkeit.

Ich will ein Bundeskanzler des Vertrauens werden,

und dafür bitte ich um Ihr Vertrauen.

Das bleibt ein mühsamer Kampf.

Laschets Botschaften – oft nicht klar genug.

Läuft es nicht rund, kann ein Moment große Wirkung haben.

Das Hochwasser – eigentlich Stunde der Macher.

Nicht für ihn.

In dem Wahlkampf kamen keine Inhalte rüber.

Ich steh doof da und weiß nicht, wen ich wählen soll.

Ein persönlicher Eindruck,

den Meinungsforscher Nico Siegel nicht unbedingt teilt.

Die Kritik, dass Inhalte im Wahlkampf viel zu kurz kommen,

die beobachten wir seit Jahrzehnten.

Tatsächlich haben Inhalte bei dieser Wahl eine große Rolle gespielt.

Wir sehen ja in der Wirtschafts- und Sozialpolitik eine Lagerbildung.

Zwischen FDP und CDU auf der einen Seite

und Rot und Grün auf der anderen Seite.

Ein Wahlkampf voller Überraschungen.

Große Aufgaben, zu denen unser Land aber fähig ist.

Ich möchte Ihnen dafür als Kanzler dienen.

Scholz bleibt ruhig, verspricht Veränderung mit Sicherheit -

und liegt plötzlich vorne.

Der Psychologe Stephan Grünewald hat die Stimmung vor der Wahl erforscht.

Ein wirklicher Wunsch nach Wechsel? Fehlanzeige.

Die Menschen realisieren, es gibt Jahrhundert-Herausforderungen.

Sie wissen aber nicht, wie die bewältigt werden können.

Sie konstatieren:

Der Stabilitätsfaktor Merkel geht von Bord.

Sie spüren, dass eine ungeheure Wandlung notwendig ist,

haben aber Angst davor.

Ist es ein merkwürdiger Wahlkampf? Vielleicht.

Mit Sicherheit ein Wahlkampf in ungewöhnlichen Zeiten.

Corona-Wahlkampf.

In diesem Wahlkampf galt bislang bei den Fernsehdiskussionen

eine strikte Trennung.

Die beiden Kanzlerkandidaten und die -kandidatin

diskutierten in drei Runden miteinander.

Die Spitzenleute der übrigen vier im Bundestag vertretenen Parteien

taten dies in einer eigenen Sendung.

Heute Abend waren nun alle sieben im Studio

zur Schlussrunde der Spitzenkandidaten.

Nadine Bader.

In der Schlussrunde von ARD und ZDF versuchen die Parteispitzen,

letzte Unentschlossene zu überzeugen.

Besonders brisant: der Umgang mit der Gewalttat in Idar-Oberstein.

Dort erschoss ein Masken-Verweigerer ein Tankstellen-Mitarbeiter.

Könnte ein Wehrhafte-Demokratie-Gesetz

helfen, die Gesellschaft besser zu schützen?

Dieser Hass lässt sich nicht beseitigen

durch ein Wehrhafte-Demokratie-Gesetz.

Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie.

Und wir brauchen Regeln, wie man Rassismus bekämpft,

Fremdenfeindlichkeit und Gewalt von allen Seiten.

Wir müssen handeln können im gesellschaftlichen Raum.

Das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz, das die Regierung entwickelt hat,

hätte im Bundestag beschlossen werden sollen.

Aber die Unionsfraktion wollte nicht mitmachen.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen fordert,

beim Waffenrecht nachzuschärfen.

Bei diesem furchtbaren Attentat,

aber auch vorher bei Mordanschlägen und Amokläufen:

Immer wieder waren Waffen im Spiel, illegale oder legale,

die trotzdem zu so vielen Morden geführt haben.

Wir brauchen eine Verschärfung des Waffenrechts.

Die Kandidatin der AfD weicht aus bei der Frage,

ob sich die AfD klarer von Querdenkern distanzieren müsste.

Ich halte grundsätzlich nichts

von einer Stigmatisierung einer Protestbewegung.

Das ist die Verantwortung der Politik,

die Menschen nicht zu stigmatisieren.

Genau der Vorwurf muss der AfD gemacht werden.

Sie stimuliert Leute, in diese Ecke hineinzukommen.

Es geht nicht um diejenigen, die unsicher sind.

Beim Thema Wohnen

spricht sich die Linke-Kandidatin für Enteignungen aus.

Wir müssen verhindern, dass immer mehr Wohnraum, der bezahlbar war,

das irgendwann nicht mehr ist.

Die Wohnungen, die sich die Leute in den Innenstädten

nicht leisten können, sind ja nicht weg.

Deswegen ist Enteignung eine Sache.

Der Kandidat der FDP distanziert sich erneut von den Grünen.

die die Schuldenbremse aufweichen möchten.

Es spricht nichts dagegen, Investitionen anzuschieben.

Insbesondere im privaten Bereich müssen Investitionen erfolgen.

Klimaschutz ist auch Aufgabe der Privatwirtschaft.

In der Außenpolitik fordern die Kandidaten, die EU zu stärken.

Damit wir als Europa deutlich machen,

dass wir eine eigene strategische Souveränität haben.

Sonst spielen wir keine Rolle.

Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit den USA,

gerade, wenn es kritisch wird.

Wir haben in Afghanistan gesehen, ohne die Amerikaner

können wir nicht einmal den Flughafen in Kabul sichern.

Wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat,

der alle Informationen bündelt.

Die Schlussrunde hat Unterschiede bei den Parteien deutlich gemacht.

Matthias Deiß hat für uns die Schlussrunde beobachtet.

Matthias, alle sieben Parteien erstmals zusammen.

Konnten die Kandidatinnen und Kandidaten inhaltlich punkten

oder ging es am Ende wieder um die Köpfe?

Sowohl als auch.

Es geht immer auch um Köpfe, auch bei dieser Schlussrunde.

Aber es war eine gute und die letzte Gelegenheit,

neben den Spitzenkandidaten die Inhalte der großen Parteien

im direkten Vergleich zu messen.

Das war heute - anders als zeitweise bei den Triellen -

eine ruhige und sachliche Diskussion.

Es gab wenig Streit und Unterbrechungen,

aber viele unterschiedliche Positionen.

Ein Schwerpunkt war die Außen- und Sicherheitspolitik.

Laschet hat betont, Deutschland müsse ein verlässlicher Partner blieben.

Baerbock hat gegenüber China einen härteren Kurs gefordert.

Alice Weidel hat gewarnt vor einer Politik der Keule gegen China.

Die Linken-Kandidatin

hat auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht.

Ein großer Diskussionspunkt bis jetzt:

Wer würde mit wem welche Koalition eingehen?

Wie konkret hat sich die Runde heute gezeigt?

Das ist kurz vor Ende sehr interessant.

Die zwei Kandidaten der Union haben betont,

am Sonntag gehe es um eine Richtungsentscheidung.

Sie haben die Gefahren von Rot-Rot-Grün beschrieben -

auch falls die Union vor der SPD landet.

In der letzten Phase

sollen die eigenen Stammwähler noch mal mobilisiert werden.

Christian Lindner hat sich zwischen Union und SPD positioniert.

Er weiß, es kommt auf den Sonntag an.

Er hält sich alle Koalitionsoptionen offen.

Olaf Scholz gibt sich siegesgewiss.

Wie der künftige Kanzler, der über den Dingen schwebt

und bei den Optionen lieber nicht so konkret wird.

Die grüne Kandidatin

spricht nicht mehr vorrangig über die Kanzlerschaft.

Sondern darüber, möglichst viel grüne Inhalte umsetzen zu können.

Es sind nur noch drei Tage bis zur Wahl.

Sehr viele Wählerinnen und Wähler sind noch unentschlossen,

wem sie ihre Stimme geben.

Was bedeutet das?

Die Entscheidung fällt diesmal vielen sehr schwer.

Dabei gab es so viele TV-Runden der Kanzlerkandidaten wie noch nie.

Der Wahlausgang bleibt damit bis zuletzt offen,

der Wahlkampf ein besonderer:

Die Amtsinhaberin stand nicht zur Wiederwahl.

Alle drei Kandidaten lagen einmal vorne.

Es gab große Aufs und Abs.

Auch persönliche Fehler der Kandidaten

spielten eine zentrale Rolle.

Gesucht wird ein neuer Kanzler oder eine Kanzlerin.

Die Wähler haben auch darauf geschaut, wer da zur Wahl steht.

Morgen gibt es die Abschlusskundgebungen.

Dann sind die Wähler am Zug.

Außer denen, die per Briefwahl schon abgestimmt haben.

Da gibt es wohl einen Rekordwert.

Alle, die noch unentschlossen sind, müssen jetzt ran.

Wer nicht wählt,

überlässt die Entscheidung über die Zukunft des Landes anderen.

Danke, Matthias Deiß.

Mehr als 100 Gipfeltreffen und zwei EU-Ratspräsidentschaften

werden hinter der Kanzlerin liegen, wenn sie das Kanzleramt verlässt.

Etliche Nachtsitzungen mit teils dramatischen Wendungen.

Immer wieder Krisen, die die EU

an den Rand ihrer Existenz gebracht haben.

Auch wenn nicht immer alle Europäer der Kanzlerin wohlgesonnen waren:

Sie hat sich während dieser 16 Kanzlerinnen-Jahre

den Ruf einer vielleicht nicht visionären,

aber verlässlichen Krisenmanagerin erworben.

Und so schaut auch der Rest von Europa gespannt darauf,

wer nun bald Deutschland in Europa vertreten wird.

Markus Preiß.

Wenn dieser Stuhl reden könnte:

Dezentes Anthrazit, französisches Fabrikat, stabil,

aber auch gut gepolstert, wenn es mal wieder länger dauert:

Es ist der Stuhl, auf dem Angela Merkel

all die Gipfeltage und -nächte in Brüssel saß.

Der Stuhl wartet nun, wer ihn denn demnächst besitzt.

Die Leute wissen: Alle Stühle sind gleich.

Aber es gibt in der EU Stühle, die wichtiger sind als andere.

Weil dort Geschichte geschrieben wird.

Für diesen gilt das.

Wer Deutschland in der Brüsseler Gipfelrunde vertreten wird:

Die Aufgaben sind gewaltig.

Eine Asylreform in der EU kommt seit Jahren nicht voran.

Mehr militärische Stärke – ein Hit in jeder Sonntagsrede.

Doch entschiedene Schritte: Fehlanzeige.

Zudem bröckelt der Rechtsstaat in Ungarn oder Polen.

Klare Kante kam dazu aus Deutschland nicht.

Der französische Journalist Jean Quatremer

beobachtet seit Langem die Kanzler in Brüssel.

Er wundert sich über die deutsche Ideenlosigkeit.

Ein künftiger Kanzler muss den Deutschen erklären:

Diese friedliche, ruhige Zeit, wo wir Handel treiben,

dem ganzen Planeten neue BMW verkaufen ...

Wo unsere Sicherheit von den USA garantiert wird.

Wo wir uns auch nicht mit Militär beschäftigen,

weil der Krieg, das Trauma - Sie wissen schon.

Das ist vorbei.

Dabei gibt es einen Wunsch:

Wer auch immer demnächst auf dem deutschen Stuhl sitzt,

dass der die Dinge in der EU stärker in die Hand nimmt.

Wissenschaftler des European Council on Foreign Relations

fanden das in einer europaweiten Studie heraus.

In der Wirtschaftspolitik und bei der Verteidigung des Rechtsstaats

wünschen sich EU-Bürger Ansagen aus Berlin.

Interessant ist, wie groß die Aufmerksamkeit ist.

Wie in anderen Ländern diskutiert wird,

welche Koalitionen welche Folgen auf europäischer Ebene haben.

Bei uns spielt die europäische Ebene im Wahlkampf

dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die Europäer*innen glauben:

Was in Deutschland gewählt wird,

hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie es in ihren Ländern weitergeht.

Braucht dieser Stuhl bald einen energischeren Besitzer,

der eine eigene Vorstellung formuliert und durchsetzen will?

Merkel hat hier eher moderiert.

Sie hat auch den Slowenen zugehört,

den Slowaken, den Österreichern, allen.

Sie hat sich nicht auf herablassende Art

mit kleineren und mittleren Staaten im Gespräch verhalten.

Das hat wesentlich zu ihrem Einfluss in der EU beigetragen.

Aber dieser Fokus, alle immer mit an Bord zu holen,

ist nicht mehr ausreichend.

Unsere Entscheidungen dauern zu lange.

Und wir müssen in einigen Krisen

vorangehen in Koalitionen mit Partnern in der EU.

Ein Kanzler sollte sagen, was aus Europa werden soll.

Ohne hart zu sein, kann man Ideen haben.

Doch wird oder muss das

der neue deutsche Stil sein auf diesem Stuhl?

Fragen, die im deutschen Wahlkampf kaum diskutiert werden.

Aber ein, zwei Mal kommt ja wohl Angela Merkel noch.

Wer immer auch der Kanzlerin nachfolgt:

Über die Flüchtlingspolitik wird weiter gestritten werden in Europa.

Das will sich der Machthaber in Belarus offenbar zunutze machen.

Über sein Land kommen seit Monaten Tausende Migranten in die EU.

Die hat den Verdacht, Lukaschenko schleust sie ins EU-Land Polen,

um Vergeltung zu üben für Sanktionen des Westens gegen sein Land.

Polens Regierung verhängte den Ausnahmezustand

entlang der 420-Kilometer-Grenze zum Nachbarland.

Hier sitzen nun Menschen fest, unter unwürdigen Bedingungen.

Isabel Schayani und Bamdad Esmaili.

Am Sonntag wurden drei Männer auf polnischem Gebiet tot aufgefunden -

wohl unterkühlt oder vor Erschöpfung gestorben.

Auf belarussischer Seite wurde eine Frauenleiche entdeckt,

acht Menschen wurden aus einem Sumpfgebiet gerettet.

Es gab keine Informationen - nur diese Zahlen.

Aber es gab offizielle Worte von Polens Regierung.

Im August und September sind es mehr als 7000.

Wir haben es zu tun mit einer organisierten Massenaktion,

inszeniert von Minsk und Moskau.

Vor einigen Monaten hatte Belarus' Präsident Lukaschenko angekündigt,

er werde Migranten nicht mehr hindern an der Weiterreise in die EU.

Das war seine Reaktion auf westliche Sanktionen.

Gestern sollen 230 Menschen illegal von Belarus nach Polen gelangt sein.

Im August waren es 3500, im September bislang 4700,

darunter offenbar viele Menschen aus dem Irak und aus Afghanistan.

Eine Gruppe von 32 Leuten wird seit über 40 Tagen eingekesselt.

Das Gebiet ist abgesperrt - Grenzschützer auf beiden Seiten.

Sie kommen weder vor noch zurück.

Sie sagen, sie seien Afghanen, unter ihnen 5 Frauen, die jüngste 15.

Mit einem konnten wir telefonieren.

Vor acht Tagen hat das Rote Kreuz das letzte Mal Essen gebracht.

15 von uns sind nur im Zelt, schaffen es nicht mehr raus.

Keiner sagt uns, was passiert, um uns herum überall Stacheldraht.

Ich glaube, die warten, dass wir sterben.

Ärzte und Helfer dürfen nicht mehr hin.

Längst gibt es heftige Kritik in Polen,

von der Opposition, aber auch von humanitären Helfern.

Dass man diese Menschen in den Wald verfrachtet,

sie von unserer Grenze wegtreibt und an die weißrussische drängt,

ist ein Gewaltverbrechen.

Man liefert sie Lukaschenko aus.

Wer es aus dem Grenzgebiet schafft und um Asyl bittet,

den setzt Polens Regierung in einem von sechs Lagern fest.

Unter ihnen Reyhane mit drei Kindern.

Mit ihr können wir nur sprechen.

Die Familie floh vor den Taliban über Land nach Europa.

(weinend) Möge Gott uns retten.

Ich werde hier verrückt.

Niemand hilft uns, wir haben keine Medizin.

Ich werde verrückt.

Über Polen scheint eine neue Route in die EU zu führen.

Wer das Sperrgebiet überlebt, ist noch lange nicht angekommen.

Olaf Bock ist in Polen im Grenzgebiet,

Drei Kilometer vor der belarussischen Grenze.

Wie erleben Sie die Situation dort?

Es ist bedrückend.

Bei Nässe und Kälte sind Menschen hier in den Wäldern

auf beiden Seiten der Grenze.

Hinter mir beginnt das Sperrgebiet.

Da dürfen auch keine Journalisten rein oder Hilfsorganisationen.

Es sind schon 80 Kilometer Stacheldrahtzaun gebaut worden,

und das wird weiter erweitert.

4000 Grenzschützer und Soldaten sind dort, 500 sollen noch kommen.

Die Mauer Richtung Belarus wird ausgebaut.

Heute soll es wieder

mehr als 200 "illegale" versuchte Grenzübertritte gegeben haben.

Es wird auch gesprochen von illegalen "Push-Backs":

Menschen werden ohne Asylverfahren direkt zurückgeschickt.

Was hören Sie dazu?

Ich habe mich gerade unterhalten mit einer Flüchtlingshelferin.

Die sind hier nachts in den Wäldern unterwegs

und halten Ausschau nach Menschen,

die es aus dem Sperrgebiet herausgeschafft haben.

Sie wollen ihnen helfen mit Nahrung und medizinischer Hilfe.

Oder sie versuchen, Unterlagen herzustellen

für einen Asylantrag.

Die haben gesagt, wenn die Grenzbehörden gerufen werden,

werden die Menschen oft eingeladen und zurückgebracht -

ohne dass etwas geprüft wird.

Das haben Kollegen von mir auch von anderen Flüchtlingen gehört.

Ich war heute bei der Grenzschutzbehörde.

Die hat gesagt, sie hätten mehr als 200 Menschen,

die jeden Tag über die Grenze wollen.

Die meisten sind abends wieder an der Grenze zu Belarus.

Richtig angehört werden die nicht.

Das Wort "Push-Back" ist nicht gefallen.

Aber wenn die Menschen so schnell wieder an der Grenze sind

und nach Belarus abgeschoben werden, hört sich das schon danach an.

Der Winter kommt.

Es sind schon Menschen gestorben.

Wie soll es weitergehen, wenn beide Länder weiter dichtmachen?

Das ist eine verhärtete Situation.

Polen spricht von einer hybriden Kriegsführung seitens Belarus.

Da wird Kriegsrhetorik verwendet.

Und man rüstet auf,

indem man immer mehr Grenzschutzbeamte herbringt.

Andererseits heißt es, Belarus würde planen,

einen Flughafen nahe der Grenze zu eröffnen.

Um eventuell noch mehr Menschen hierher zu schaffen.

Das sind keine guten Anzeichen.

Und im September sind die Zahlen auch schon wieder gestiegen.

Es wird hier keine leichte Lösung geben.

Für morgen sind Gespräche mit der EU geplant.

Ylva Johansson möchte sich die Situation anschauen.

Danke, Olaf Bock.

Singen, feiern und plaudern – mit Gesten.

Heute ist der Internationale Tag der Gebärdensprachen.

In der Sprache gehörloser Menschen kann jenseits der bloßen Übersetzung

vieles andere ausgedrückt werden - sogar Dialekte sind möglich.

Es ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Gestik und Mimik.

Weltweit gibt es rund 300 Gebärdensprachen.

Es gibt also nicht DIE EINE Gebärdensprache.

Vor 20, 30 Jahren war Gebärdendolmetschen

auf Veranstaltungen eher selten.

Jetzt wird es immer visueller, im Fernsehen immer mehr.

Aber Sichtbarkeit ist das eine.

Das andere ist, die - für uns selbstverständliche -

geräuschvolle Welt für alle zugänglich zu machen.

Jenni Rieger.

Diese klangvolle, laute Welt - für ihn ist sie voller Stille.

Mein Name ist Markus Fertig.

Ich bin gehörlos.

Von Geburt an kann er nicht hören.

Sprechen kann er - mit seinen Händen.

Nur versteht kaum jemand seine Sprache.

Wenn ich auf Leute treffe und Fragen stelle,

ist das beschwerlich und mühsam.

Eine Kommunikation ist so gut wie nicht möglich.

Wie alle anderen Gebärdensprachen auf der Welt hat auch die deutsche

eine eigene Grammatik, eigene Vokabeln, Hunderte Gesten.

Nur wenige Hörende beherrschen diese Sprache.

Deshalb muss Markus Fertig im Alltag Lippenlesen

und seine Stimme benutzen – die er selbst nicht hören kann.

Zwei Cappuccino.

Einen stark, zweiten schwach.

Okay, also vier insgesamt.

Missverständnisse. Immer wieder.

Vor allem mit Maske.

Ich hab nicht verstanden.

Ah. Möchtest du zwei oder vier? Zwei Cappuccino.

Am Ende fühlen sich beide unwohl.

Die Kellnerin - sie hat ihn falsch verstanden.

Und Markus Fertig - weil er viel besser sprechen könnte, mit Händen.

Ich möchte mich auch mit Hörenden auf Augenhöhe unterhalten

und tief über Themen diskutieren.

Aber das klappt nicht, weil sie nicht gebärden können.

Und so bleibt alles immer nur an der Oberfläche.

Oft hilft Markus Fertigs Frau, übersetzt seine Gebärden.

Dolmetscht.

Baut Brücken in die Welt der Hörenden.

Das ist jetzt auch meine Welt.

Man muss sich darauf einlassen.

Das war für mich keine Frage.

Ich habe mich ja in den Menschen verliebt

und nicht in die Behinderung.

Ohne ein Gegenüber, das gebärden kann,

ist es still in der Welt der Gehörlosen.

Aber auf 100 Gehörlose kommt in Deutschland

momentan nur etwa ein Dolmetscher.

Dass es mehr werden, daran arbeitet Markus Fertig.

Ab Oktober unterrichtet er

an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Gebärdensprache.

Als einziger Gehörloser unter Hörenden.

In Sachen Gebärdensprache hat Deutschland Nachholbedarf.

100 Jahre lang hat man an Schulen die lautsprachliche Methode verfolgt

und sich darauf konzentriert, dass sich Gehörlose Hörenden anpassen.

Dass man nur über Lippenlesen kommuniziert, ohne Hände.

Deswegen sind wir da hintendran.

Als Kind ist auch Fertig gezwungen worden, Lippen zu lesen,

statt mit Händen zu sprechen.

Heute freut er sich über jedes Gespräch mit Freunden,

die gebärden können.

Denn dann, so sagt er, ist auch seine lautlose Welt nicht still.

Das werde sie erst, wenn niemand seine Sprache spricht.

Am Tag der Gebärdensprache hat auch unsere Meinung einen anderen Klang.

Sie kommt von Iris Meinhardt vom BR, die selbst taub ist.

Die Meinung von Iris Meinhardt.

Seit Jahren will die EU

Hersteller von Handys, Lautsprechern oder Spielkonsolen

zu einem gemeinsamen Standard bei den Ladekabeln bewegen.

Freiwillig hat es nicht geklappt - nun soll ein Gesetz her.

Damit beginnen weitere Nachrichten mit Susanne Daubner.

Die EU-Kommission hat eine Gesetzesinitiative

zur Vereinheitlichung von Ladekabeln vorgestellt.

Geräte wie Smartphones aller Hersteller sollten

über USB-C geladen werden können, um z.B. Elektroschrott zu vermeiden.

Kritik kommt u.a. vom Digitalverband Bitkom:

Es gebe andere Möglichkeiten, um Elektroschrott zu vermeiden.

Außerdem setzten viele Hersteller bereits auf kabelloses Laden.

Der Anstieg der Gaspreise

hat eine Diskussion über die Ursachen ausgelöst.

Großhandelspreise haben sich seit Jahresanfang zeitweise vervierfacht.

Verbraucherschützer befürchten eine teure Heizsaison.

Experten verweisen auf die hohe Nachfrage weltweit

und unzureichend gefüllte Speicher.

Eine Gruppe EU-Parlamentarier kritisiert Hauptlieferant Russland.

Der staatsdominierte Konzern Gazprom und die russische Führung

seien verantwortlich für hohe Gaspreise.

Gazprom liefere zu wenig, so Vorwürfe in der EU.

Moskau wolle die schnelle Genehmigung der Pipeline Nord Stream 2 erzwingen.

43 Europaabgeordnete fordern eine Untersuchung der EU-Kommission.

Ob das hier Teil einer politischen Strategie ist,

die darauf abzielt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.

Man habe Verträge mehr als erfüllt, heißt es aus Moskau.

Seit Jahresbeginn hat sich der Gaspreis vervierfacht.

Marktbeobachter und das Gashandelsunternehmen VNG

sehen andere Gründe.

Auf Nachfrageseite muss man sagen:

Der letzte Winter war sehr kalt,

davon sehen wir einen Nachklappeffekt.

Und auf Angebotsseite:

Wir haben viele LNG-Lieferungen, die per Tanker Richtung Asien gehen,

weil sich die Märkte da schneller erholt haben.

Die Lage bleibe angespannt, so Experten.

Einen Versorgungsengpass werde es wohl nicht geben.

Einige Länder wie Frankreich oder Griechenland

wollen Unterstützungen zahlen oder Energiegutscheine ausstellen.

Der Gaspreis soll auch Thema des EU-Oktobergipfels werden.

Stark gestiegene Lebensmittelpreise haben Sozialverbände alarmiert.

Gesunde Grundnahrungsmittel würden immer mehr zum Luxusgut,

das sich ärmere Menschen immer weniger leisten könnten.

Die Verbände fordern, für Grundnahrungsmittel

die Mehrwertsteuer zu senken oder abzuschaffen.

Mehr dazu von Stefan Wolff in Frankfurt.

Preistreiber waren u.a. starke Regenfälle im Sommer,

die zu Missernten geführt haben.

Viele Preise für Grundnahrungsmittel haben sich deswegen verteuert.

Im August stiegen die Lebensmittelpreise

im Jahresvergleich um 4,6 %.

Insgesamt sind die Preise so stark gestiegen wie seit 28 Jahren nicht.

Die Notenbanken könnten mit steigenden Zinsen Einhalt gebieten.

Ihnen sind aber die Hände gebunden:

Die Regierungen benötigen niedrige Zinsen,

um ihre Schulden zu stemmen.

In der Debatte über eine Reform der katholischen Kirche

herrscht Uneinigkeit unter den deutschen Bischöfen.

Das erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz

zum Abschluss der Vollversammlung.

Es ging v.a. um strittige Themen

wie die Rolle der Frau in kirchlichen Ämtern.

Bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs

liege noch ein weiter Weg vor der Kirche, so Bätzing.

Uns bleibt der Blick aufs Wetter.

Donald Bäcker, wie wird's?

Es wird im Süden unverändert bleiben.

Aber wir haben einen perfekten Start in den Herbst auf Sylt hinbekommen.

Gestern war es dort fantastisch.

Fast noch Badewetter.

Und hier ein Bild von heute.

Windstärke zehn, hohe Wellen, Badeverbot.

Auf Hiddensee gab es sogar Windstärke zwölf, satte Orkanböen.

Unser Sturmtief zieht ab.

Aber es zieht eine Schleppe mit vielen Wolken hinter sich her.

Aus Südwesten kommen neue Wolken.

In der Nacht anfangs Sturmböen an der Ostsee.

Das legt sich.

Die Kaltfront kommt weiter nach Süden voran.

Auch in der Mitte ein paar Tropfen.

Die warme Luft zieht morgen von Westen Richtung Osten.

Am sonnigsten im äußersten Westen und Südwesten.

Am Samstag im Norden und Osten noch dichte Wolken, aber ohne Regen.

Im Süden ändert sich nichts.

Am Sonntag Schauer und Gewitter von Südwesten.

Die können Unwetterpotenzial haben.

Im Norden und Osten wird es schöner und wärmer.

Danke, Donald Bäcker.

Das waren die tagesthemen.

Hier folgt Satire mit Dieter Nuhr.

Um 0.05 Uhr meldet sich das nachtmagazin.

Wir sind morgen wieder da.

Einen schönen Abend, tschüss.

Copyright Untertitel: NDR 2021


tagesthemen 23.09.2021, 21:45 Uhr - Rückblick auf einen denkwürdigen Wahlkampf, TV-Wahlkampf: Sieben Spitzenkandidaten tagesthemen 23.09.2021, 21:45 - Review of a memorable election campaign, TV election campaign: seven top candidates tagesthemen 2021.09.23 21:45 - 記憶に残る選挙戦を振り返る、テレビ選挙戦 7人のトップ候補

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.

Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (23.09.2021)

Heute im Studio: Aline Abboud

Guten Abend.

Eines kann man diesem Wahlkampf nicht vorwerfen:

Dass es nicht spannend wäre.

Drei Tage vor der Bundestagswahl erscheint völlig unklar,

wer ins Kanzleramt einziehen und wer die nächste Regierung bilden wird.

Die Kandidatinnen und Kandidaten versuchen, noch so viele wie möglich

davon zu überzeugen, ihr Kreuz bei ihnen zu machen.

Gelingen sollte das am besten mit inhaltlichen Konzepten.

Doch Beobachter haben mehr als sonst den Eindruck,

dass es weniger um Ideen zu Rente, Steuern oder Klima geht

als vielmehr um das Bild, das das Spitzenpersonal abgibt.

Christian Feld.

Die Ära dieser Raute geht zu Ende.

Nach 16 Jahren.

Der Wahlkampf um die Nachfolge war ...

... schleppend.

Der Wahlkampf geht um Kleinigkeiten, die eigentlich kein Ausmaß haben.

Es wird darüber gestritten, welcher Lebenslauf wie gut war.

Dabei könnten die Aufgaben für eine neue Regierung

kaum größer seien.

Die Pandemie droht, Existenzen zu zerstören.

Und legt offen, wo es digital im Land hapert.

Und der Klimawandel - nicht nur in der Nachbarschaft.

Brutal zu spüren im eigenen Land.

Eigentlich eine historische Chance für sie.

Ja, ich war noch nie Kanzlerin oder Ministerin.

Ich trete an für Erneuerung.

Doch Inhalte rücken lange in den Hintergrund.

Dafür sorgt die Kandidatin auch selbst - durch eigene Fehler.

Ein Buch mit abgeschriebenen Passagen beschädigt die Glaubwürdigkeit.

Ich will ein Bundeskanzler des Vertrauens werden,

und dafür bitte ich um Ihr Vertrauen.

Das bleibt ein mühsamer Kampf.

Laschets Botschaften – oft nicht klar genug.

Läuft es nicht rund, kann ein Moment große Wirkung haben.

Das Hochwasser – eigentlich Stunde der Macher.

Nicht für ihn.

In dem Wahlkampf kamen keine Inhalte rüber.

Ich steh doof da und weiß nicht, wen ich wählen soll.

Ein persönlicher Eindruck,

den Meinungsforscher Nico Siegel nicht unbedingt teilt.

Die Kritik, dass Inhalte im Wahlkampf viel zu kurz kommen,

die beobachten wir seit Jahrzehnten.

Tatsächlich haben Inhalte bei dieser Wahl eine große Rolle gespielt.

Wir sehen ja in der Wirtschafts- und Sozialpolitik eine Lagerbildung.

Zwischen FDP und CDU auf der einen Seite

und Rot und Grün auf der anderen Seite.

Ein Wahlkampf voller Überraschungen.

Große Aufgaben, zu denen unser Land aber fähig ist.

Ich möchte Ihnen dafür als Kanzler dienen.

Scholz bleibt ruhig, verspricht Veränderung mit Sicherheit -

und liegt plötzlich vorne.

Der Psychologe Stephan Grünewald hat die Stimmung vor der Wahl erforscht.

Ein wirklicher Wunsch nach Wechsel? Fehlanzeige.

Die Menschen realisieren, es gibt Jahrhundert-Herausforderungen.

Sie wissen aber nicht, wie die bewältigt werden können.

Sie konstatieren:

Der Stabilitätsfaktor Merkel geht von Bord.

Sie spüren, dass eine ungeheure Wandlung notwendig ist,

haben aber Angst davor.

Ist es ein merkwürdiger Wahlkampf? Vielleicht.

Mit Sicherheit ein Wahlkampf in ungewöhnlichen Zeiten.

Corona-Wahlkampf.

In diesem Wahlkampf galt bislang bei den Fernsehdiskussionen

eine strikte Trennung.

Die beiden Kanzlerkandidaten und die -kandidatin

diskutierten in drei Runden miteinander.

Die Spitzenleute der übrigen vier im Bundestag vertretenen Parteien

taten dies in einer eigenen Sendung.

Heute Abend waren nun alle sieben im Studio

zur Schlussrunde der Spitzenkandidaten.

Nadine Bader.

In der Schlussrunde von ARD und ZDF versuchen die Parteispitzen,

letzte Unentschlossene zu überzeugen.

Besonders brisant: der Umgang mit der Gewalttat in Idar-Oberstein.

Dort erschoss ein Masken-Verweigerer ein Tankstellen-Mitarbeiter.

Könnte ein Wehrhafte-Demokratie-Gesetz

helfen, die Gesellschaft besser zu schützen?

Dieser Hass lässt sich nicht beseitigen

durch ein Wehrhafte-Demokratie-Gesetz.

Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie.

Und wir brauchen Regeln, wie man Rassismus bekämpft,

Fremdenfeindlichkeit und Gewalt von allen Seiten.

Wir müssen handeln können im gesellschaftlichen Raum.

Das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz, das die Regierung entwickelt hat,

hätte im Bundestag beschlossen werden sollen.

Aber die Unionsfraktion wollte nicht mitmachen.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen fordert,

beim Waffenrecht nachzuschärfen.

Bei diesem furchtbaren Attentat,

aber auch vorher bei Mordanschlägen und Amokläufen:

Immer wieder waren Waffen im Spiel, illegale oder legale,

die trotzdem zu so vielen Morden geführt haben.

Wir brauchen eine Verschärfung des Waffenrechts.

Die Kandidatin der AfD weicht aus bei der Frage,

ob sich die AfD klarer von Querdenkern distanzieren müsste.

Ich halte grundsätzlich nichts

von einer Stigmatisierung einer Protestbewegung.

Das ist die Verantwortung der Politik,

die Menschen nicht zu stigmatisieren.

Genau der Vorwurf muss der AfD gemacht werden.

Sie stimuliert Leute, in diese Ecke hineinzukommen.

Es geht nicht um diejenigen, die unsicher sind.

Beim Thema Wohnen

spricht sich die Linke-Kandidatin für Enteignungen aus.

Wir müssen verhindern, dass immer mehr Wohnraum, der bezahlbar war,

das irgendwann nicht mehr ist.

Die Wohnungen, die sich die Leute in den Innenstädten

nicht leisten können, sind ja nicht weg.

Deswegen ist Enteignung eine Sache.

Der Kandidat der FDP distanziert sich erneut von den Grünen.

die die Schuldenbremse aufweichen möchten.

Es spricht nichts dagegen, Investitionen anzuschieben.

Insbesondere im privaten Bereich müssen Investitionen erfolgen.

Klimaschutz ist auch Aufgabe der Privatwirtschaft.

In der Außenpolitik fordern die Kandidaten, die EU zu stärken.

Damit wir als Europa deutlich machen,

dass wir eine eigene strategische Souveränität haben.

Sonst spielen wir keine Rolle.

Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit den USA,

gerade, wenn es kritisch wird.

Wir haben in Afghanistan gesehen, ohne die Amerikaner

können wir nicht einmal den Flughafen in Kabul sichern.

Wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat,

der alle Informationen bündelt.

Die Schlussrunde hat Unterschiede bei den Parteien deutlich gemacht.

Matthias Deiß hat für uns die Schlussrunde beobachtet.

Matthias, alle sieben Parteien erstmals zusammen.

Konnten die Kandidatinnen und Kandidaten inhaltlich punkten

oder ging es am Ende wieder um die Köpfe?

Sowohl als auch.

Es geht immer auch um Köpfe, auch bei dieser Schlussrunde.

Aber es war eine gute und die letzte Gelegenheit,

neben den Spitzenkandidaten die Inhalte der großen Parteien

im direkten Vergleich zu messen.

Das war heute - anders als zeitweise bei den Triellen -

eine ruhige und sachliche Diskussion.

Es gab wenig Streit und Unterbrechungen,

aber viele unterschiedliche Positionen.

Ein Schwerpunkt war die Außen- und Sicherheitspolitik.

Laschet hat betont, Deutschland müsse ein verlässlicher Partner blieben.

Baerbock hat gegenüber China einen härteren Kurs gefordert.

Alice Weidel hat gewarnt vor einer Politik der Keule gegen China.

Die Linken-Kandidatin

hat auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht.

Ein großer Diskussionspunkt bis jetzt:

Wer würde mit wem welche Koalition eingehen?

Wie konkret hat sich die Runde heute gezeigt?

Das ist kurz vor Ende sehr interessant.

Die zwei Kandidaten der Union haben betont,

am Sonntag gehe es um eine Richtungsentscheidung.

Sie haben die Gefahren von Rot-Rot-Grün beschrieben -

auch falls die Union vor der SPD landet.

In der letzten Phase

sollen die eigenen Stammwähler noch mal mobilisiert werden.

Christian Lindner hat sich zwischen Union und SPD positioniert.

Er weiß, es kommt auf den Sonntag an.

Er hält sich alle Koalitionsoptionen offen.

Olaf Scholz gibt sich siegesgewiss.

Wie der künftige Kanzler, der über den Dingen schwebt

und bei den Optionen lieber nicht so konkret wird.

Die grüne Kandidatin

spricht nicht mehr vorrangig über die Kanzlerschaft.

Sondern darüber, möglichst viel grüne Inhalte umsetzen zu können.

Es sind nur noch drei Tage bis zur Wahl.

Sehr viele Wählerinnen und Wähler sind noch unentschlossen,

wem sie ihre Stimme geben.

Was bedeutet das?

Die Entscheidung fällt diesmal vielen sehr schwer.

Dabei gab es so viele TV-Runden der Kanzlerkandidaten wie noch nie.

Der Wahlausgang bleibt damit bis zuletzt offen,

der Wahlkampf ein besonderer:

Die Amtsinhaberin stand nicht zur Wiederwahl.

Alle drei Kandidaten lagen einmal vorne.

Es gab große Aufs und Abs.

Auch persönliche Fehler der Kandidaten

spielten eine zentrale Rolle.

Gesucht wird ein neuer Kanzler oder eine Kanzlerin.

Die Wähler haben auch darauf geschaut, wer da zur Wahl steht.

Morgen gibt es die Abschlusskundgebungen.

Dann sind die Wähler am Zug.

Außer denen, die per Briefwahl schon abgestimmt haben.

Da gibt es wohl einen Rekordwert.

Alle, die noch unentschlossen sind, müssen jetzt ran.

Wer nicht wählt,

überlässt die Entscheidung über die Zukunft des Landes anderen.

Danke, Matthias Deiß.

Mehr als 100 Gipfeltreffen und zwei EU-Ratspräsidentschaften

werden hinter der Kanzlerin liegen, wenn sie das Kanzleramt verlässt.

Etliche Nachtsitzungen mit teils dramatischen Wendungen.

Immer wieder Krisen, die die EU

an den Rand ihrer Existenz gebracht haben.

Auch wenn nicht immer alle Europäer der Kanzlerin wohlgesonnen waren:

Sie hat sich während dieser 16 Kanzlerinnen-Jahre

den Ruf einer vielleicht nicht visionären,

aber verlässlichen Krisenmanagerin erworben.

Und so schaut auch der Rest von Europa gespannt darauf,

wer nun bald Deutschland in Europa vertreten wird.

Markus Preiß.

Wenn dieser Stuhl reden könnte:

Dezentes Anthrazit, französisches Fabrikat, stabil,

aber auch gut gepolstert, wenn es mal wieder länger dauert:

Es ist der Stuhl, auf dem Angela Merkel

all die Gipfeltage und -nächte in Brüssel saß.

Der Stuhl wartet nun, wer ihn denn demnächst besitzt.

Die Leute wissen: Alle Stühle sind gleich.

Aber es gibt in der EU Stühle, die wichtiger sind als andere.

Weil dort Geschichte geschrieben wird.

Für diesen gilt das.

Wer Deutschland in der Brüsseler Gipfelrunde vertreten wird:

Die Aufgaben sind gewaltig.

Eine Asylreform in der EU kommt seit Jahren nicht voran.

Mehr militärische Stärke – ein Hit in jeder Sonntagsrede.

Doch entschiedene Schritte: Fehlanzeige.

Zudem bröckelt der Rechtsstaat in Ungarn oder Polen.

Klare Kante kam dazu aus Deutschland nicht.

Der französische Journalist Jean Quatremer

beobachtet seit Langem die Kanzler in Brüssel.

Er wundert sich über die deutsche Ideenlosigkeit.

Ein künftiger Kanzler muss den Deutschen erklären:

Diese friedliche, ruhige Zeit, wo wir Handel treiben,

dem ganzen Planeten neue BMW verkaufen ...

Wo unsere Sicherheit von den USA garantiert wird.

Wo wir uns auch nicht mit Militär beschäftigen,

weil der Krieg, das Trauma - Sie wissen schon.

Das ist vorbei.

Dabei gibt es einen Wunsch:

Wer auch immer demnächst auf dem deutschen Stuhl sitzt,

dass der die Dinge in der EU stärker in die Hand nimmt.

Wissenschaftler des European Council on Foreign Relations

fanden das in einer europaweiten Studie heraus.

In der Wirtschaftspolitik und bei der Verteidigung des Rechtsstaats

wünschen sich EU-Bürger Ansagen aus Berlin.

Interessant ist, wie groß die Aufmerksamkeit ist.

Wie in anderen Ländern diskutiert wird,

welche Koalitionen welche Folgen auf europäischer Ebene haben.

Bei uns spielt die europäische Ebene im Wahlkampf

dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die Europäer*innen glauben:

Was in Deutschland gewählt wird,

hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie es in ihren Ländern weitergeht.

Braucht dieser Stuhl bald einen energischeren Besitzer,

der eine eigene Vorstellung formuliert und durchsetzen will?

Merkel hat hier eher moderiert.

Sie hat auch den Slowenen zugehört,

den Slowaken, den Österreichern, allen.

Sie hat sich nicht auf herablassende Art

mit kleineren und mittleren Staaten im Gespräch verhalten.

Das hat wesentlich zu ihrem Einfluss in der EU beigetragen.

Aber dieser Fokus, alle immer mit an Bord zu holen,

ist nicht mehr ausreichend.

Unsere Entscheidungen dauern zu lange.

Und wir müssen in einigen Krisen

vorangehen in Koalitionen mit Partnern in der EU.

Ein Kanzler sollte sagen, was aus Europa werden soll.

Ohne hart zu sein, kann man Ideen haben.

Doch wird oder muss das

der neue deutsche Stil sein auf diesem Stuhl?

Fragen, die im deutschen Wahlkampf kaum diskutiert werden.

Aber ein, zwei Mal kommt ja wohl Angela Merkel noch.

Wer immer auch der Kanzlerin nachfolgt:

Über die Flüchtlingspolitik wird weiter gestritten werden in Europa.

Das will sich der Machthaber in Belarus offenbar zunutze machen.

Über sein Land kommen seit Monaten Tausende Migranten in die EU.

Die hat den Verdacht, Lukaschenko schleust sie ins EU-Land Polen,

um Vergeltung zu üben für Sanktionen des Westens gegen sein Land.

Polens Regierung verhängte den Ausnahmezustand

entlang der 420-Kilometer-Grenze zum Nachbarland.

Hier sitzen nun Menschen fest, unter unwürdigen Bedingungen.

Isabel Schayani und Bamdad Esmaili.

Am Sonntag wurden drei Männer auf polnischem Gebiet tot aufgefunden -

wohl unterkühlt oder vor Erschöpfung gestorben.

Auf belarussischer Seite wurde eine Frauenleiche entdeckt,

acht Menschen wurden aus einem Sumpfgebiet gerettet.

Es gab keine Informationen - nur diese Zahlen.

Aber es gab offizielle Worte von Polens Regierung.

Im August und September sind es mehr als 7000.

Wir haben es zu tun mit einer organisierten Massenaktion,

inszeniert von Minsk und Moskau.

Vor einigen Monaten hatte Belarus' Präsident Lukaschenko angekündigt,

er werde Migranten nicht mehr hindern an der Weiterreise in die EU.

Das war seine Reaktion auf westliche Sanktionen.

Gestern sollen 230 Menschen illegal von Belarus nach Polen gelangt sein.

Im August waren es 3500, im September bislang 4700,

darunter offenbar viele Menschen aus dem Irak und aus Afghanistan.

Eine Gruppe von 32 Leuten wird seit über 40 Tagen eingekesselt.

Das Gebiet ist abgesperrt - Grenzschützer auf beiden Seiten.

Sie kommen weder vor noch zurück.

Sie sagen, sie seien Afghanen, unter ihnen 5 Frauen, die jüngste 15.

Mit einem konnten wir telefonieren.

Vor acht Tagen hat das Rote Kreuz das letzte Mal Essen gebracht.

15 von uns sind nur im Zelt, schaffen es nicht mehr raus.

Keiner sagt uns, was passiert, um uns herum überall Stacheldraht.

Ich glaube, die warten, dass wir sterben.

Ärzte und Helfer dürfen nicht mehr hin.

Längst gibt es heftige Kritik in Polen,

von der Opposition, aber auch von humanitären Helfern.

Dass man diese Menschen in den Wald verfrachtet,

sie von unserer Grenze wegtreibt und an die weißrussische drängt,

ist ein Gewaltverbrechen.

Man liefert sie Lukaschenko aus.

Wer es aus dem Grenzgebiet schafft und um Asyl bittet,

den setzt Polens Regierung in einem von sechs Lagern fest.

Unter ihnen Reyhane mit drei Kindern.

Mit ihr können wir nur sprechen.

Die Familie floh vor den Taliban über Land nach Europa.

(weinend) Möge Gott uns retten.

Ich werde hier verrückt.

Niemand hilft uns, wir haben keine Medizin.

Ich werde verrückt.

Über Polen scheint eine neue Route in die EU zu führen.

Wer das Sperrgebiet überlebt, ist noch lange nicht angekommen.

Olaf Bock ist in Polen im Grenzgebiet,

Drei Kilometer vor der belarussischen Grenze.

Wie erleben Sie die Situation dort?

Es ist bedrückend.

Bei Nässe und Kälte sind Menschen hier in den Wäldern

auf beiden Seiten der Grenze.

Hinter mir beginnt das Sperrgebiet.

Da dürfen auch keine Journalisten rein oder Hilfsorganisationen.

Es sind schon 80 Kilometer Stacheldrahtzaun gebaut worden,

und das wird weiter erweitert.

4000 Grenzschützer und Soldaten sind dort, 500 sollen noch kommen.

Die Mauer Richtung Belarus wird ausgebaut.

Heute soll es wieder

mehr als 200 "illegale" versuchte Grenzübertritte gegeben haben.

Es wird auch gesprochen von illegalen "Push-Backs":

Menschen werden ohne Asylverfahren direkt zurückgeschickt.

Was hören Sie dazu?

Ich habe mich gerade unterhalten mit einer Flüchtlingshelferin.

Die sind hier nachts in den Wäldern unterwegs

und halten Ausschau nach Menschen,

die es aus dem Sperrgebiet herausgeschafft haben.

Sie wollen ihnen helfen mit Nahrung und medizinischer Hilfe.

Oder sie versuchen, Unterlagen herzustellen

für einen Asylantrag.

Die haben gesagt, wenn die Grenzbehörden gerufen werden,

werden die Menschen oft eingeladen und zurückgebracht -

ohne dass etwas geprüft wird.

Das haben Kollegen von mir auch von anderen Flüchtlingen gehört.

Ich war heute bei der Grenzschutzbehörde.

Die hat gesagt, sie hätten mehr als 200 Menschen,

die jeden Tag über die Grenze wollen.

Die meisten sind abends wieder an der Grenze zu Belarus.

Richtig angehört werden die nicht.

Das Wort "Push-Back" ist nicht gefallen.

Aber wenn die Menschen so schnell wieder an der Grenze sind

und nach Belarus abgeschoben werden, hört sich das schon danach an.

Der Winter kommt.

Es sind schon Menschen gestorben.

Wie soll es weitergehen, wenn beide Länder weiter dichtmachen?

Das ist eine verhärtete Situation.

Polen spricht von einer hybriden Kriegsführung seitens Belarus.

Da wird Kriegsrhetorik verwendet.

Und man rüstet auf,

indem man immer mehr Grenzschutzbeamte herbringt.

Andererseits heißt es, Belarus würde planen,

einen Flughafen nahe der Grenze zu eröffnen.

Um eventuell noch mehr Menschen hierher zu schaffen.

Das sind keine guten Anzeichen.

Und im September sind die Zahlen auch schon wieder gestiegen.

Es wird hier keine leichte Lösung geben.

Für morgen sind Gespräche mit der EU geplant.

Ylva Johansson möchte sich die Situation anschauen.

Danke, Olaf Bock.

Singen, feiern und plaudern – mit Gesten.

Heute ist der Internationale Tag der Gebärdensprachen.

In der Sprache gehörloser Menschen kann jenseits der bloßen Übersetzung

vieles andere ausgedrückt werden - sogar Dialekte sind möglich.

Es ist ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Gestik und Mimik.

Weltweit gibt es rund 300 Gebärdensprachen.

Es gibt also nicht DIE EINE Gebärdensprache.

Vor 20, 30 Jahren war Gebärdendolmetschen

auf Veranstaltungen eher selten.

Jetzt wird es immer visueller, im Fernsehen immer mehr.

Aber Sichtbarkeit ist das eine.

Das andere ist, die - für uns selbstverständliche -

geräuschvolle Welt für alle zugänglich zu machen.

Jenni Rieger.

Diese klangvolle, laute Welt - für ihn ist sie voller Stille.

Mein Name ist Markus Fertig.

Ich bin gehörlos.

Von Geburt an kann er nicht hören.

Sprechen kann er - mit seinen Händen.

Nur versteht kaum jemand seine Sprache.

Wenn ich auf Leute treffe und Fragen stelle,

ist das beschwerlich und mühsam.

Eine Kommunikation ist so gut wie nicht möglich.

Wie alle anderen Gebärdensprachen auf der Welt hat auch die deutsche

eine eigene Grammatik, eigene Vokabeln, Hunderte Gesten.

Nur wenige Hörende beherrschen diese Sprache.

Deshalb muss Markus Fertig im Alltag Lippenlesen

und seine Stimme benutzen – die er selbst nicht hören kann.

Zwei Cappuccino.

Einen stark, zweiten schwach.

Okay, also vier insgesamt.

Missverständnisse. Immer wieder.

Vor allem mit Maske.

Ich hab nicht verstanden.

Ah. Möchtest du zwei oder vier? Zwei Cappuccino.

Am Ende fühlen sich beide unwohl.

Die Kellnerin - sie hat ihn falsch verstanden.

Und Markus Fertig - weil er viel besser sprechen könnte, mit Händen.

Ich möchte mich auch mit Hörenden auf Augenhöhe unterhalten

und tief über Themen diskutieren.

Aber das klappt nicht, weil sie nicht gebärden können.

Und so bleibt alles immer nur an der Oberfläche.

Oft hilft Markus Fertigs Frau, übersetzt seine Gebärden.

Dolmetscht.

Baut Brücken in die Welt der Hörenden.

Das ist jetzt auch meine Welt.

Man muss sich darauf einlassen.

Das war für mich keine Frage.

Ich habe mich ja in den Menschen verliebt

und nicht in die Behinderung.

Ohne ein Gegenüber, das gebärden kann,

ist es still in der Welt der Gehörlosen.

Aber auf 100 Gehörlose kommt in Deutschland

momentan nur etwa ein Dolmetscher.

Dass es mehr werden, daran arbeitet Markus Fertig.

Ab Oktober unterrichtet er

an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Gebärdensprache.

Als einziger Gehörloser unter Hörenden.

In Sachen Gebärdensprache hat Deutschland Nachholbedarf.

100 Jahre lang hat man an Schulen die lautsprachliche Methode verfolgt

und sich darauf konzentriert, dass sich Gehörlose Hörenden anpassen.

Dass man nur über Lippenlesen kommuniziert, ohne Hände.

Deswegen sind wir da hintendran.

Als Kind ist auch Fertig gezwungen worden, Lippen zu lesen,

statt mit Händen zu sprechen.

Heute freut er sich über jedes Gespräch mit Freunden,

die gebärden können.

Denn dann, so sagt er, ist auch seine lautlose Welt nicht still.

Das werde sie erst, wenn niemand seine Sprache spricht.

Am Tag der Gebärdensprache hat auch unsere Meinung einen anderen Klang.

Sie kommt von Iris Meinhardt vom BR, die selbst taub ist.

Die Meinung von Iris Meinhardt.

Seit Jahren will die EU

Hersteller von Handys, Lautsprechern oder Spielkonsolen

zu einem gemeinsamen Standard bei den Ladekabeln bewegen.

Freiwillig hat es nicht geklappt - nun soll ein Gesetz her.

Damit beginnen weitere Nachrichten mit Susanne Daubner.

Die EU-Kommission hat eine Gesetzesinitiative

zur Vereinheitlichung von Ladekabeln vorgestellt.

Geräte wie Smartphones aller Hersteller sollten

über USB-C geladen werden können, um z.B. Elektroschrott zu vermeiden.

Kritik kommt u.a. vom Digitalverband Bitkom:

Es gebe andere Möglichkeiten, um Elektroschrott zu vermeiden.

Außerdem setzten viele Hersteller bereits auf kabelloses Laden.

Der Anstieg der Gaspreise

hat eine Diskussion über die Ursachen ausgelöst.

Großhandelspreise haben sich seit Jahresanfang zeitweise vervierfacht.

Verbraucherschützer befürchten eine teure Heizsaison.

Experten verweisen auf die hohe Nachfrage weltweit

und unzureichend gefüllte Speicher.

Eine Gruppe EU-Parlamentarier kritisiert Hauptlieferant Russland.

Der staatsdominierte Konzern Gazprom und die russische Führung

seien verantwortlich für hohe Gaspreise.

Gazprom liefere zu wenig, so Vorwürfe in der EU.

Moskau wolle die schnelle Genehmigung der Pipeline Nord Stream 2 erzwingen.

43 Europaabgeordnete fordern eine Untersuchung der EU-Kommission.

Ob das hier Teil einer politischen Strategie ist,

die darauf abzielt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.

Man habe Verträge mehr als erfüllt, heißt es aus Moskau.

Seit Jahresbeginn hat sich der Gaspreis vervierfacht.

Marktbeobachter und das Gashandelsunternehmen VNG

sehen andere Gründe.

Auf Nachfrageseite muss man sagen:

Der letzte Winter war sehr kalt,

davon sehen wir einen Nachklappeffekt.

Und auf Angebotsseite:

Wir haben viele LNG-Lieferungen, die per Tanker Richtung Asien gehen,

weil sich die Märkte da schneller erholt haben.

Die Lage bleibe angespannt, so Experten.

Einen Versorgungsengpass werde es wohl nicht geben.

Einige Länder wie Frankreich oder Griechenland

wollen Unterstützungen zahlen oder Energiegutscheine ausstellen.

Der Gaspreis soll auch Thema des EU-Oktobergipfels werden.

Stark gestiegene Lebensmittelpreise haben Sozialverbände alarmiert.

Gesunde Grundnahrungsmittel würden immer mehr zum Luxusgut,

das sich ärmere Menschen immer weniger leisten könnten.

Die Verbände fordern, für Grundnahrungsmittel

die Mehrwertsteuer zu senken oder abzuschaffen.

Mehr dazu von Stefan Wolff in Frankfurt.

Preistreiber waren u.a. starke Regenfälle im Sommer,

die zu Missernten geführt haben.

Viele Preise für Grundnahrungsmittel haben sich deswegen verteuert.

Im August stiegen die Lebensmittelpreise

im Jahresvergleich um 4,6 %.

Insgesamt sind die Preise so stark gestiegen wie seit 28 Jahren nicht.

Die Notenbanken könnten mit steigenden Zinsen Einhalt gebieten.

Ihnen sind aber die Hände gebunden:

Die Regierungen benötigen niedrige Zinsen,

um ihre Schulden zu stemmen.

In der Debatte über eine Reform der katholischen Kirche

herrscht Uneinigkeit unter den deutschen Bischöfen.

Das erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz

zum Abschluss der Vollversammlung.

Es ging v.a. um strittige Themen

wie die Rolle der Frau in kirchlichen Ämtern.

Bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs

liege noch ein weiter Weg vor der Kirche, so Bätzing.

Uns bleibt der Blick aufs Wetter.

Donald Bäcker, wie wird's?

Es wird im Süden unverändert bleiben.

Aber wir haben einen perfekten Start in den Herbst auf Sylt hinbekommen.

Gestern war es dort fantastisch.

Fast noch Badewetter.

Und hier ein Bild von heute.

Windstärke zehn, hohe Wellen, Badeverbot.

Auf Hiddensee gab es sogar Windstärke zwölf, satte Orkanböen.

Unser Sturmtief zieht ab.

Aber es zieht eine Schleppe mit vielen Wolken hinter sich her.

Aus Südwesten kommen neue Wolken.

In der Nacht anfangs Sturmböen an der Ostsee.

Das legt sich.

Die Kaltfront kommt weiter nach Süden voran.

Auch in der Mitte ein paar Tropfen.

Die warme Luft zieht morgen von Westen Richtung Osten.

Am sonnigsten im äußersten Westen und Südwesten.

Am Samstag im Norden und Osten noch dichte Wolken, aber ohne Regen.

Im Süden ändert sich nichts.

Am Sonntag Schauer und Gewitter von Südwesten.

Die können Unwetterpotenzial haben.

Im Norden und Osten wird es schöner und wärmer.

Danke, Donald Bäcker.

Das waren die tagesthemen.

Hier folgt Satire mit Dieter Nuhr.

Um 0.05 Uhr meldet sich das nachtmagazin.

Wir sind morgen wieder da.

Einen schönen Abend, tschüss.

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