tagesthemen 03.10.2021, 22:45 Uhr - Sondierungsgespräche der Parteien zur Regierungsbildung, Tag der Deutschen Einheit
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (03.10.2021)
Heute im Studio: Ingo Zamperoni
Guten Abend.
Willkommen am Tag der Deutschen Einheit.
Es herrscht noch lange keine Einigkeit,
wer mit wem dieses vereinigte Land regieren wird.
Einige Sondierungsrunden wird es dazu brauchen.
Heute stiegen endlich die Parteien in den Reigen ein,
die mitregieren und ins Kanzleramt ziehen wollen.
Die SPD traf sich mit der FDP, anschließend mit den Grünen.
Die FDP setzte sich erstmals mit der Union zusammen.
Umworbene und Umwerbende ...
SPD und FDP lassen wenig durchblicken.
Ankunft der Sondierer:
Hier ist es Marco Buschmann von den Liberalen.
Der neue Stil lautet: gemeinsam ohne Kameras.
Zwei Stunden später der gemeinsame Auftritt:
Die SPD ist optimistisch, die FDP kritisch.
Unsere Positionierungen liegen bei wesentlichen Punkten auseinander.
Aber wir haben einen Anspruch, eine Reformregierung zu bilden.
Die SPD sieht das positiver.
Man sei für Gespräche zu dritt bereit.
Wir wollen Olaf Scholz als Kanzler, eine Koalition der Gewinner.
Drei Parteien haben zugelegt.
Dann geht es zu Sondierungspartnern, mit denen sich beide wohler fühlen:
Für die FDP zur Union, auf die SPD warten die Grünen.
Doch auch danach gibt es wenig Erhellendes.
Es gehe um Erneuerung.
Wir haben gesprochen über Herausforderungen:
Die Transformation der Industriegesellschaft
hin zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft.
Auf dem EUREF-Campus treffen sich FDP und Union.
Die Union sucht nach der Möglichkeit, zu regieren.
Wir haben diese Wahl nicht gewonnen.
Wir haben keinen Anspruch auf die Führung einer Regierung.
Aber wir machen ein Angebot.
Das schlägt die FDP noch nicht aus.
Wir haben konstruktiv geredet.
Inhaltlich haben wir wenig Klippen.
Dienstag treffen sich Union und Grüne.
Wann kommen welche Parteien wieder zusammen?
Schweigen.
Matthias Deiß ist in Berlin:
Inhaltlich hielten sich wieder alle bedeckt.
Welche Botschaft steckt dahinter?
Man will sich nicht in die Karten gucken lassen.
Man will sich alle Optionen offen halten.
Beides hat einen guten Grund.
Die ersten Sondierungen waren konstruktiv.
Aber es waren nur erste Gespräche.
Die sagen noch nicht viel aus.
Die inhaltlichen Differenzen sind groß.
Die kommen später auf den Tisch.
Wohl dem, der sich andere Möglichkeiten offen hält.
Auch die Union ist in die Gespräche eingestiegen.
Wie ernsthaft ist die Aussicht auf eine Jamaika-Koalition?
Die Chance auf die Ampel sei groß.
Das sagt die Union.
Aber die Fliehkräfte in der Union sind immens.
Die CSU macht nicht den Eindruck,
dass ihr viel liegen würde am Gelingen der Sondierung.
Laschet wird weiter geschwächt durch Äußerungen aus eigenen Reihen.
Potenzielle Koalitionspartner müssen sich fragen:
Ist diese Union überhaupt koalitionsfähig?
Für Laschet ist Jamaika andererseits die einzige Chance,
zum Kanzler zu werden.
Er wird alles dafür tun,
dass die Sondierungen zum Erfolg werden.
Die Ergebnisse der Wahl führten zu diesen Gesprächen.
Und sie zeigten, wie unterschiedlich gewählt wird.
Vielleicht wurde die Kanzlerin auch deshalb ungewohnt persönlich:
Am Tag der Deutschen Einheit mahnte sie als Ostdeutsche.
Man müssen ehemaligen DDR-Bürgern das Gefühl nehmen,
sie trügen durch ihre Herkunft einen Ballast mit sich herum.
Merkel warnte in Halle aber auch davor,
mit der Demokratie leichtfertig umzugehen.
Noch einmal großer Bahnhof, Gruppenbild der Staatsspitzen.
Nicht nur die Einheit wird gefeiert, auch die Kanzlerin.
Es war gut, das in entscheidenden Zeiten in Deutschland und Europa
eine Regierungschefin da war, die ostdeutsche Erfahrung einbrachte.
Angela Merkel hält keine Jubelrede.
Sie gibt zu:
Auch sie fühlte sich gekränkt,
wenn andere Erfahrungen Ostdeutscher vor 1989 als Ballast abtaten.
Ganz gleich, welche Erfahrungen man mitbrachte:
Ballast.
Bis heute wird zu wenig gesehen,
was die Vereinigung für Menschen in Westdeutschland bedeutete:
Es geht weiter wie zuvor.
Für uns Ostdeutsche veränderte sich fast alles.
Merkel sagt nichts zur Wahl, nichts zum Abschneiden der CDU.
Sie zeigt sich besorgt um den Zustand der Demokratie.
Wir erleben eine Öffentlichkeit,
in der Ressentiments und Hass geschürt werden.
Ohne Hemmungen und ohne Scham.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt steht auf dem Prüfstand.
Langer Applaus.
Merkel weiß,
dass das Projekt innere Einheit nicht abgeschlossen ist.
Künftig wird sich ein anderer darum kümmern -
einer mit westdeutscher Biografie.
Von Deutschland nach Großbritannien.
Das Land leidet unter einer Versorgungskrise,
eine Folge des Brexit.
Ausgerechnet jetzt kommen die Konservativen von Premier Johnson
zu einem Parteitag zusammen.
Die Nachrichten.
Der Auftakt zum Treffen in Manchester war von Protesten begleitet.
Premier Johnson verteidigte vorab seine Brexit-Politik –
trotz der Versorgungskrise.
Er versprach befristete Visa für EU-Bürger.
Eine Lockerung der Einwanderungspolitik schloss er aus.
Supermärkte und Tankstellen haben kaum Waren oder Treibstoff,
weil es nicht genug Lkw-Fahrer gibt.
Zum 25. Mal haben Moscheen ihre Türen für Besucher geöffnet.
Jede dritte der 2800 Gemeinden lud zum Tag der offenen Moschee ein.
Der Tag war 1997 ins Leben gerufen worden
und findet jährlich am 3. Oktober statt.
Auf Lampedusa im Mittelmeer ist der Menschen gedacht worden,
die ums Leben gekommen sind, als sie in die EU gelangen wollten.
Anlass ist der achte Jahrestag eines Schiffsunglücks,
bei dem damals 360 Migranten ertranken.
Eine Wende in der Flüchtlingspolitik blieb trotzdem aus.
1100 Menschen starben laut UN in diesem Jahr im Mittelmeer.
Wer steckt eigentlich hinter Briefkastenfirmen?
Den undurchsichtigen Geschäftsmodellen
mit undurchsichtigen Absichten?
Im Fall von tausenden Unternehmen liegt das offen.
Ein Datenleck enthüllt Offshore-Geschäfte von Politikern,
Spitzensportler oder Firmenvorstände auf der ganzen Welt.
In dem Leak, das den Namen Pandora Papers trägt,
haben Journalisten auf der ganzen Welt recherchiert.
Sie fanden auch den Namen des Ministerpräsidenten von Tschechien.
Er präsentiert sich gern als Vorkämpfer für Transparenz:
Andrej Babis, tschechischer Ministerpräsident.
Die Enthüllungen der Pandora Papers passen nicht ins Bild.
Er soll dieses Anwesen in Frankreich über Briefkastenfirmen gekauft haben.
Die Konstruktion hat er offenbar nicht angezeigt.
Wenn jemand Immobilien über Offshore-Konstruktionen hält,
wird das entweder vorm Finanzamt versteckt und nicht versteuert.
Oder das Geld stammt aus dubiosen Quellen.
Babis taucht in den Daten auf,
die dem Journalisten-Verband ICIJ zugespielt wurden.
NDR, WDR und SZ waren an der Recherche beteiligt.
Darunter ist der jordanische König.
Er erwarb Immobilien in den USA.
Auf Nachfrage hieß es,
die meisten Firmen gehörten ihm nicht mehr.
Wenn Politiker diese geheimen Konstrukte nutzen,
erklärt es, warum die Praxis kein Ende nimmt.
Schriftliche Fragen hat Babis nicht beantwortet.
Wir fragen direkt.
Hatten Sie mal eine Offshore-Firma?
Unbequeme Nachfragen zur unpassenden Zeit.
Nächste Woche wird in Tschechien gewählt.
Mehr über die Pandora Papers und über "Geld, Gier und Geheimnisse"
sehen Sie im Anschluss an die tagesthemen.
In der Fußball-Bundesliga ist es an der Tabellenspitze wieder spannend.
Der FC Bayern hat die erste Pflichtspielniederlage kassiert,
Patrick Halatsch.
Das 1:2 gegen Frankfurt kommt doch ziemlich überraschend -
so gut, wie die Bayern zuletzt drauf waren.
Selbst in der Champions League haben sie Konkurrenten deklassiert.
Frankfurt war ohne Auswärtssieg.
Aber die Rechnung wurde ohne Kevin Trapp gemacht.
Der Keeper brachte die Bayern zur Verzweiflung -
und das vor den Augen von Hansi Flick.
Der Bundestrainer hatte den Torwart nicht für Länderspiele nominiert.
Kevin Trapp schreit seinen Jubel heraus.
Der Torhüter von Frankfurt hat überragend gehalten.
Er brachte die Bayern zur Verzweiflung.
Die Fußparade gegen Lewandowski vor den Augen des Bundestrainers
ist seine größte Rettungstat.
Weltklasse.
Ich konzentriere mich auf mich.
Ich kann gute Leistungen bringen.
Hinteregger macht einen Fehler.
Goretzka mit dem 1:0.
Es läuft für Julian Nagelmanns Mannschaft.
Für Trapp ist das Tor das einzige Ärgerliche an diesem Abend.
Frankfurt spielt effektiv.
Erste Tormöglichkeit, Martin Hinteregger köpft das 1:1.
Die Führung der Bayern hält nur zwei Minuten.
Trapp steht immer richtig.
Da geht heute nichts mehr, meint der Fan.
Er sollte Recht behalten.
Das macht aus Bayern-Sicht keinen Spaß.
Auch wenn der Druck größer wurde, hat Kevin gehalten.
Aber wir hatten die Situationen.
Die Spieler wussten: Es kommt noch eine und noch eine.
Die haben sie verwertet.
83. Minute: Kostic mit dem 2:1. Der Siegtreffer.
Neuer sieht unglücklich aus.
Der erste Sieg für Frankfurt in der Saison.
Kevin Trapp mittendrin.
Die Bayern haben gepatzt.
Darüber freut sich die Konkurrenz.
Zu der gehört Bayer Leverkusen.
Das Team ist seiner Favoritenrolle in Bielefeld gerecht geworden.
Der 4:0-Auswärtssieg: der Verdienst eines Mannes.
Ein Assist und die Saisontreffer fünf und sechs:
Die Bilanz von Patrik Schick ist eindrucksvoll.
Es war ein starkes Spiel von uns.
Wir hatten es unter Kontrolle.
Wirtz bereitete den ersten Treffer vor.
Schick spielte auf Diaby.
Schon führten die Leverkusener.
Kurz danach durfte sich Frank Kramer wieder ärgern.
Der Arminia-Trainer sah den Treffer von Wimmer.
Der fand aber keine Anerkennung.
Auf der anderen Seite war wieder Wirtz der Ausgangspunkt.
Schick war der Vollstrecker.
Es lief alles im Sinne von Gerardo Seoane.
Auch nach dem Wechsel war dessen Team spielstärker.
Schick erzielte seinen zweiten Treffer.
Nach einer Stunde war der Dreier fast schon perfekt.
In der Nachspielzeit gab es noch einen Strafstoß.
Demirbay verwandelte.
Leverkusen feierte ein ungefährdetes 4:0 in Bielefeld.
Ach, hätten wir den bloß behalten ...
Das dürften sie sich heute in Mainz gedacht haben
nach der Niederlage gegen Union Berlin.
Der Matchwinner aus Köpenick war ein ehemaliger 05er.
Taiwo Awoniyi war bis 2020 ein Mainzer.
Heute erzielt er gegen Mainz zwei Tore und ist Mann des Tages.
Ich bin glücklich.
Aber das Wichtigste sind die drei Punkte,
Dann kommen meine Tore.
Es war ein gutes Spiel für uns.
Der Mainzer Stürmer Ingvartsen trug vor fünf Wochen das Union-Trikot.
Heute trifft er gegen die Ex-Kollegen zur Führung.
Dann kommt der zweite Durchgang und der Auftritt von Awoniyi.
In der 69. Minute schießt er das 1:1.
Das 100. Bundesliga-Tor für Union Berlin.
Vier Minuten später trifft Awoniyi erneut.
Er entscheidet die Partie für Berlin.
Nur jubeln will er heute nicht.
Mainz hat mir die Möglichkeit gegeben,
Bundesliga zu spielen.
Das respektiere ich.
Der Mainzer Kohr sieht noch Gelb-Tot.
Union fährt erstmals seit Februar einen Auswärtssieg ein.
Es war kein Leckerbissen.
Aber attraktiver Fußball ist, wenn wir gewinnen.
Und Taiwo Awoniyi war der attraktivste Mann des Tages.
Dann schauen wir noch auf die neue Woche.
Wie starten wir wettermäßig?
Ich möchte einen Blick auf die Kanaren werfen.
Auf La Palma brodelt ein Vulkan.
Wir haben etwas entdeckt.
Wolken ordnen sich kreisförmig um den Vulkan an.
Sie entstehen an der Grenzfläche zwischen Wasser und Luft.
Oder zwischen warmer und kalter Luft.
Der Impuls kommt vom Schlot des Vulkans.
Bei uns gibt es ein langes Wolkenband.
Es gibt immer wieder neuen Regen.
Im Osten von Bayern gibt es morgen Sonnenschein.
Auch im Nordwesten ist es freundlich.
Am Dienstag haben wir Regen im Osten.
Später ist der Regen auch im Westen.
Das waren die tagesthemen.
Weiter geht es mit Enthüllungen über Briefkastenfirmen,
die sich auch Politiker für ihre Geschäfte zunutze machen.
Ab morgen begrüßt Sie hier Aline Abbound.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche.
Bleiben Sie zuversichtlich.
Copyright Untertitel: NDR 2021
