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2021 ZDF Sendung, Auslandsjournal 28. April 2021 - Parties statt Lockdown in Großbritannien, Cancel Culture in Amerika

Auslandsjournal 28. April 2021 - Parties statt Lockdown in Großbritannien, Cancel Culture in Amerika

Österreich, Niederlande, Frankreich, Italien -

halb Europa macht auf,

trotz zum Teil höherer Coronazahlen als bei uns.

Wir blicken heute nach London,

wo die Bürgersteige zum Biergarten werden.

Außerdem:

Außerdem: Das Chile-Rätsel –

warum der Impfmeister wieder in den Lockdown muss.

Meinung, Mainstream und Moral: Wer darf was noch sagen?

Der Kulturkampf spaltet Amerika.

Herzlich willkommen zum "auslandsjournal".

Großbritannien feiert.

Das Bier fließt wieder und wie – als gäbe es kein Morgen.

Und als müsste man das Gestern schnell vergessen.

Manchen wird dabei Angst und bang:

Wird nicht zu früh zu schnell geöffnet?

Vorallem angesichts der gefährlichen Mutationen

wie der aus Indien?

Andreas Stamm über die Partyzone Bürgersteig -

und warum, nur ein paar Straßen weiter,

die Angst in London tief sitzt.

London lebt wieder.

Soho, die Partymeile im Herzen der Stadt.

Vereinzelt erinnern Masken an die Pandemie.

Das Motto der Nacht: Man lebt nur einmal.

Großartig, wieder ausgehen zu können.

Bisschen voll, keiner trägt Maske,

aber ansonsten super.

Der Alkoholpegel steigt, das Abstandsgebot fällt.

Ist doch sicher, solange du nur mit deinen Leuten abhängst.

Probleme gibt es, wenn dir jemand wie er zu nahekommt,

der gehört nicht zu uns!

Sie wollen vier endlos scheinende Monate vergessen machen.

Wir waren so viele Abende zuhause, Sofaparty für zwei.

Nichts wie raus, wir gehen uns sonst so auf die Nerven.

Endlich Abwechslung.

Noa, Orly, Isabelle und Danielle

haben sich seit Herbst nicht sehen können.

Essen, quatschen, ein paar Drinks.

Gar nicht so einfach, einen Platz zu finden.

Dabei hat die Stadt halb Soho zur Fußgängerzone erklärt.

Die Idee: So viel Tische mit genügend Abstand im Freien.

Nur da ist Feiern, sind Treffen erlaubt.

Das geht zu weit, null Abstand oder ähnliches.

Erst wenn alle geimpft sind, ist es sinnvoll,

die Beschränkungen aufheben.

Denn nein, hier ist doch kaum einer geimpft.

So viele Menschen um dich herum, das kann nicht sicher sein.

Hier sind Leute, die Corona haben, die das gar nicht wissen.

Das macht mir wirklich Angst.

15 Minuten Durchzwängen später: Ein freies Plätzchen.

Mit der Corona-App anmelden.

Kontaktnachverfolgung ermöglichen.

Was die Dame am Nachbartisch für einen Witz hält.

Es fühlt sich an, als ob wir auf dem Weg in Lockdown Nummer vier sind

Die Leute führen sich auf wie Wilde.

Und dazu sind das doch keine zwei Meter Tischabstand.

Momentan, nach vier Monaten strengem Lockdown,

sind die Infektionszahlen niedrig.

Treffen im Freien seien da weniger problematisch,

so neueste Studienergebnisse.

Corona-Ansteckung: Ein Innenraumproblem.

Aber ohne Risiko sei es nicht,

wenn die Bevölkerung noch nicht vollständig geimpft ist.

Wenn man zu schnell öffnet ist es,

in Verbindung mit den Virus-Varianten,

mittel- und langfristig die größte Gefahr.

Wenn man erst halb durch ist mit dem Impfprogramm riskiert man,

dass das Virus auf Ungeimpfte ausweicht,

die Infektionen zunehmen.

So wie gerade in Chile.

Nach dem 40 % geimpft waren hat man sehr schnell geöffnet.

Nun gilt wieder ein Lockdown.

Und in den Krankenhäusern landen sehr viel Jüngere.

Es gibt kein Handbuch fürs Öffnen in einer Pandemie.

Einen vorsichtigen Weg geht König Fußball.

Beim Ligapokalfinale: Man City gegen Tottenham.

Im Londoner Wembley-Stadion.

8000 handverlesene Fans erlaubt.

Drei Tests sind Pflicht.

Zwei davor, einer danach.

Teil eines Experiments:

Fußball mit Fans, geht das schon wieder?

Es hat Nerven gekostet,

weil du nach dem letzten Test auf das Ergebnis per SMS wartest.

Und du musst ihn im Zeitraum gestern bis 13 Uhr heute machen.

Ist er positiv, ist dein Geld futsch,

und wir wollen so sehr ins Stadion.

Es ist so viel sicherer als jeden Tag mit dem Bus zur Uni,

mit Leuten, von denen ich nicht weiß, wo sie waren,

was sie gemacht haben.

Hier hält sich jeder an die Abstandsregeln.

Alle sind getestet und respektvoll.

Einfach nur ein echt super Tag.

Bleiben die Besucher gesund, geht alles gut,

könnten zum EM-Finale im Sommer 45.000 ins Stadion, halbvoll.

Unter zwei Bedingungen:

Das Impfprogramm läuft weiter ohne Probleme.

Und es taucht keine Variante auf, die alles durcheinanderbringt.

Dabei jüngst unter Verdacht,

dass sie die Impfstoffe austricksen könnte: Die indische Variante.

Seit Freitag ist die Einreise aus Indien untersagt.

Rückreisende mit britischem Wohnsitz

müssen auf eigene Kosten in Hotelquarantäne.

Außerhalb Indiens ist die Variante in Großbritannien am häufigsten.

Wir haben zwar erst rund 200 Fälle entdeckt.

Es fehlt an genügend Daten.

Aber die Ausbreitungsgeschwindigkeit,

mit welcher Wucht es Indien trifft,

dass es in Pakistan und Bangladesch auftaucht,

ist wirklich besorgniserregend.

Vor allem, da man annimmt,

dass bis zu 80 % der Inder schon Immunität haben,

schon mal erkrankt waren.

Entweder ist die Variante sehr viel ansteckender

oder sie kann Menschen, die Corona hatten,

mühelos nochmal infizieren.

Für die Indische Gemeinde in London

sind die Nachrichten aus der alten Heimat ein Albtraum.

Während um sie herum das Leben erwacht, Geschäfte wieder öffnen

fürchtet Ranjan Ladwa um ihre Tochter Sonal.

Trotz ständiger Videoanrufe, erzählt sie,

fresse sie die Angst auf.

Ich werde verrückt, rufe ständig an.

Ermahne sie, das Haus nicht zu verlassen.

Das nicht zu tun, dies nicht.

Klar, vielleicht halten sie sich dran.

Aber ich habe noch mehr Familie dort

Ranjans Tochter wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern nahe Neu-Delhi.

Wir tun alles, um uns selbst zu schützen.

Dass es uns nicht erwischt.

Es fühlt sich einsam an.

Ich vermisse meine Familie so sehr.

Niemand verlässt bei Familie Jajoo in Wembley das Haus,

wenn Sie mit Indien sprechen.

Wann sie kommen können,

fragt Amit Jajoos Vater über den Bildschirm.

Der Vater wurde positiv getestet.

Die Großmutter ist an Corona gestorben.

Bei der Beerdigung dabei sein, unterstützen - nichts geht.

You know how much we all love you!

Wir fühlen uns so hilflos gerade.

Wir können nicht hinreisen und uns kümmern.

Dafür sorgen,

dass sie medizinisch anständig versorgt werden.

Wie alle wollen wir nur, dass wir bei der Familie sein können.

Trauer und Freudentänze liegen dicht beieinander in diesen Tagen.

Auch, wenn im wenige Kilometer entfernten Soho

die Sorge mitfeiert.

Doch am Ende gilt, man ist nur einmal jung.

So schmerzhaft bedrohlich der Kater auch werden könnte:

Die Show muss weitergehen.

Die Expertin in London hat es angesprochen:

Was passieren kann, wenn man zu schnell lockert, zeigt Chile.

Zwar ist das Land rasant schnell beim Impfen.

Galt als Pandemiemusterschüler Südamerikas.

Doch wegen rasant steigender Fallzahlen musste das Land

Anfang April wieder in den Lockdown.

Corona hat außerdem ein anderes Problem Chiles schmerzhaft

offengelegt und verschärft:

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft jetzt noch weiter auseinander.

Christoph Röckerath über ein Land

zwischen Impfrekorden und Ausnahmezustand.

Jesua übt den Protest an der Gitarre

Ein Lied des Widerstandes.

Es heißt: "Südamerika ist ein Land südlich der USA".

Das Lied beschreibt, dass wir hier immer schon die armen Leute waren,

dass wir immer nach den Gringos kommen,

dass wir immer hinter einer Elite zurückstehen müssen.

Und das war schon immer so.

Wir sind in einem Armenviertel am Rand von Santiago de Chile.

Hier leben die Verlierer des von großer Ungleichheit

und sozialen Unruhen gebeutelten Landes.

Und hier zeigt sich auch,

wie schwierig der Kampf gegen Corona ist,

obwohl die Impfkampagne in Chile so gut läuft,

wie fast nirgendwo auf der Welt.

Auch hier werden die Menschen getestet und geimpft.

Corona breitet sich trotzdem weiter aus.

Weil gerade die Ärmsten nicht zuhause bleiben können,

sondern Geld verdienen müssen.

Paulina hat schon beide Impfdosen erhalten.

Nun ist sie wieder zurück in ihrem täglichen Kampf ums Überleben.

Wegen der Corona-Pandemie verlor sie ihren gut bezahlten Job

als Köchin in einem Casino.

Ich war Chefköchin.

Ich verdiente gut, aber mit all dem, was passiert ist,

habe ich meinen Job verloren.

Sie haben die Casinos geschlossen

und die meisten meiner Kollegen sind alle in der gleichen Situation,

ohne Arbeit, ohne Ressourcen, ohne Unterstützung.

Paulina musste ins Armenviertel ziehen.

Sie lebt in einer Hütte, die aus zwei Räumen besteht,

gemeinsam mit ihren vier Enkelkindern.

Jeden Monat muss sie kämpfen, um die Miete aufbringen zu können.

Das ist das einzige Schlafzimmer.

Jeder hat ein Bett, da ist meins, das ist von den Mädchen.

Und hier ist das Badezimmer.

Es fehlen noch ein paar Kleinigkeiten.

Wegen des Geldes komme ich nicht so schnell voran.

Ein Leben ohne Abstand, drinnen, wie draußen.

Was anderes kann sie sich nicht leisten.

Paulina muss unter Leute, um Geld zu verdienen.

Sie backt und verkauft Empanadas, kleine Teigtaschen.

Die Pandemie macht die Ärmsten ärmer

und schafft so selbst die Bedingungen,

die ihre Bekämpfung erschweren.

Die staatlichen Hilfen reichen nicht aus, um zu verhindern,

dass die Menschen raus gehen und arbeiten.

Wir befinden uns also epidemiologisch in einem sehr,

sehr, sehr schlechten Moment.

Gepaart mit der ewigen Hoffnung,

dass die Impfstrategie aufgehen möge.

Isskia Sitsches ist die Leiterin der Impfkampagne

und im ganzen Land beliebt, seit es so gut läuft.

Doch gerade sie ist es, die immer wieder mahnt, geduldig zu bleiben.

Denn bis zur Herdenimmunität sei es noch weiter Weg.

Manchmal kann der Impfprozess einen paradoxen Effekt erzeugen,

wenn er zusammen mit dem Druck der Wirtschaft

auf die Regierungen dazu führt,

dass Maßnahmen frühzeitig gelockert werden.

Dabei impft Chile so schnell wie kaum ein anderes Land.

Mehr als ein Viertel der Menschen

hat bereits beide Impfdosen erhalten.

Präsident Pinera wird viel kritisiert

wegen seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik.

Doch seine Bereitschaft, schon vor einem Jahr für viel Geld

Verträge mit den Herstellern der Impfstoffe abzuschließen,

obwohl unklar war, ob sie liefern können,

macht sich jetzt bezahlt.

Auch für Marcela.

Sie macht sich auf zum Impfzentrum.

Sie ist 52 und ist froh, dass sie jetzt an der Reihe ist.

Die Impfung soll die Viruslast senken und das ist es,

wonach wir suchen.

Niemand ist sicher.

Jeder Körper reagiert anders auf das Virus.

Also besser mit Impfstoff als ohne.

Marcela gehört zur Mittelschicht Chiles.

Sie ist Ingenieurin.

Doch das bedeutet in Chile keineswegs Sicherheit.

Zu hoch sind die Lebenshaltungskosten,

zu groß das wirtschaftliche Abstiegsrisiko.

Und so will auch sie mit uns lieber

über die soziale Schieflage im Land reden,

als über Corona oder ihre Impfung.

Wir wollen, dass alle Menschen zu ihrem Recht kommen,

dass die Menschen in Chile gleichgestellt werden.

Das Land ist sehr gespalten,

was den Wohlstand und die Möglichkeiten angeht.

Das ist eine ganz andere Pandemie, die wir lange vor dieser hatten.

Zwei Pandemien beuteln das Land und befruchten sich gegenseitig:

Wachsende Ungleichheit und Covid.

Die sozialen Unruhen in Chile brechen aus im Herbst 2019.

Was als Protest gegen erhöhte U-Bahn Tickets beginnt,

entwickelt sich zu einem blutigen Konflikt

gegen ein als ungerecht empfundenes, kapitalistisches System.

Die Regierung gibt schließlich nach und verspricht eine neue Verfassung.

Doch Corona hat den Prozess unterbrochen.

Geblieben sind gegenseitiges Misstrauen und Angst

vor einer erneuten Eskalation.

Und das behindert zusätzlich die Eindämmung der Pandemie.

Jede Regel, die der Staat erlässt, steht unter dem Verdacht,

auch ein Mittel zur politischen Unterdrückung zu sein.

Und so verführt der Erfolg beim Impfen die Regierung dazu,

die unpopulären Lockdown-Maßnahmen zu schnell zu lockern.

Die Folge ist der erneute Anstieg der Infizierten,

trotz vieler Impfungen.

Chile kann ein gutes Beispiel dafür sein,

dass andere Länder in der Welt mit Vorsicht öffnen sollten,

und nicht den gleichen Fehler machen wie wir,

nämlich Lockerungen zu überstürzen

und damit eine Pandemie zu entfesseln,

die zu vielen Todesfällen führt.

Das Virus ist auf dem Vormarsch wie nie zuvor in Chile,

die Krankenhäuser sind voll.

Santiago befindet sich wieder im Lockdown.

Maria ist Krankenschwester auf der Intensivstation.

Seit Beginn der Pandemie hat sie sich von ihrer Familie isoliert,

um sie zu schützen.

Das einsame Sterben der Opfer, die Arbeitsbelastung,

das allgengenwärtige Virus gehen nicht spurlos an ihr vorbei.

Es berührt mich.

Aber mit wem kann ich das teilen,

wenn es meinen Kollegen genauso geht?

Zuhause ist sie allein mit ihrer Last.

Kraft gibt ihr eine Collage mit Fotos ihrer Familie.

Andere Menschen haben auch Verwandte, die ihnen so wichtig sind

Deswegen macht meine Arbeit einen Unterschied, ich rette Menschen,

damit niemand jemanden in seiner eigenen Collage verliert.

Doch so wie Maria nicht aufgibt,

ist auch das Virus nicht leicht kleinzukriegen.

Chile ist ein Vorbild beim Impfen, aber zugleich eine Mahnung,

im Kampf gegen Corona nicht locker zu lassen.

Zwischen der Forderung, alles dicht machen und der Frage:

sind die noch ganz dicht?

Ging es in den letzten Tagen hoch her.

Man kann sicher über die Aktion der Schauspielerinnen

und Schauspieler trefflich streiten.

Unbestritten bleibt aber die Hitze der Diskussion danach.

Was kann man noch sagen -

vorallem in der Zeit von Twitter, Facebook und Shitstorms?

Das ist eine Frage, die vorallem in den USA aggressiv geführt wird.

Es geht um Worte, aber auch darum: Welche Bücher darf man noch lesen,

welche Strassennamen oder Denkmäler sollten verschwinden,

damit sich niemand verletzt und ausgegrenzt fühlt?

Cancel Culture ist der Kampfbegriff,

mit dem immer öfter auch bei uns versucht wird,

Minderheiten und Mehrheit gegeneinander auszuspielen.

In den USA treibt er eine ohnehin gespaltene Gesellschaft

noch weiter auseinander, berichtet Johannes Hano.

Amerika ist auf den Barrrikaden, steckt mitten in einem Kulturkampf

um die Zukunft der stärksten Demokratie der Welt.

Wollt ihr die Cancel Culture der cosmopolitischen Elite

von Nancy Pelosi, Chuck Schumer und Joe Biden haben?

Unerbittlich kämpfen manche gegen die Veränderung

und schrecken dabei auch vor Gewalt nicht zurück.

Wenn das keine Cancel Culture ist, was dann?

Es ist ein Kampf um die Zukunft,

an dem mittlerweile alle Gruppen der Gesellschaft beteiligt sind.

Sport, Wirtschaft, Politik, und auch die Hochschulen.

Per Video-Chat haben wir uns mit Greg Patton verabredet,

Professor an der Marshall Business School,

der renommierten Universität von Southern California.

Er wurde vergangenes Jahr Opfer einer besonders absurden Attacke.

Der Vorwurf: Ich soll absichtlich ein rassistisches Schimpfwort

in böser Absicht genutzt haben,

angeblich versucht haben, es zu vertuschen.

Die Studierenden sollten mich mehrfach gebeten haben,

das Wort nicht mehr zu sagen, doch nichts davon ist wahr.

In einer digitalen Vorlesung zu Wirtschaftskommunikation

spricht er über Füllwörter in verschiedenen Kulturen.

Er nutzt unteranderem auch ein Beispiel aus China,

"this and that", "dies und das".

Je nach Muttersprache könnte das so klingen:

Da da da, im Chinesischen wäre das niga, niga, niga.

Es gibt dafür verschiedene Worte in verschiedenen Ländern.

Die kann dann so klingen:

Da da da, ähm ähm ähm oder ä, ä ,ä.

Drei Studenten fühlen sich durch das chinesische Beispiel

rassistisch gekränkt und beleidigt, beschweren sich bei der Universität.

Der Dekan der Fakultät reagiert ohne Rücksprache mit Patton

sofort mit einer Email und nimmt ihm den Kurs ab.

Solche Anschuldigungen

haben an amerikanischen Universitäten stark zugenommen.

Der frühere US-Präsident Barak Obama ist besorgt

und meldet sich zu Wort.

Da gibt es diese Einstellung, dass ich Veränderung herbeiführen kann,

in dem ich über andere so harsch wie möglich urteile und das reicht.

Wenn ich darüber twittere, wie du etwas falsch gemacht hast

oder die falschen Worte verwendet hast,

dann lehne ich mich zurück und fühle mich gut.

"Schau, wie woke und wachsam ich bin."

"Ich habe dich erwischt."

Mehr als 150 Intellektuelle, Linke und Konservative,

sind besorgt über den Trend, zu Diffamieren statt zu Diskutieren.

Und haben einen offenen Brief geschrieben,

rufen auf zu Diskurs und Toleranz.

Mit dabei: Noam Chomsky, Francis Fukuyama,

der Jazz Trompeter Wynton Marsalis,

die Schriftsteller*innen Salman Rushdi und J.K. Rowling.

Und auch Loretta Ross,

Aktivistin und Professorin am renommierten Smith College.

Ich habe den Brief unterschrieben, denn ich denke,

wir sind zu weit gegangen.

Auf der Linken, wie auf der Rechten.

Wir haben unsere Fähigkeit zum Dialog verloren.

Viel zu schnell dämonisieren wir andere,

weil sie uns nicht beipflichten.

Ganz so, als würden wir einen Kult gründen.

Aber wir wollen keinen Kult schaffen,

sondern eine Menschenrechtsbewegung.

Und bei Definition brauchen wir dafür

die Diversität der Meinungen und Gedanken,

denn Diversität bringt mehr in den Pool

und du kommst mit besseren Ideen wieder raus.

Das Problem aber sei nicht neu.

Amerika befinde sich in einem ständigen Kulturkampf.

Cancel Culture gebe es schon seit den 50er Jahren.

Es war immer schon da.

Du erinnerst dich vielleicht an die 50 Jahre,

in denen Senator McCarthy

vielen die Hollywood-Karriere zerstört hat,

indem er sie als Kommunisten beschuldigte.

Es ist schon eine ganze Weile da.

Heute wird Cancel Culture von beiden Seiten als Waffe genutzt,

von der Linken wie von der Rechten.

Die Politisch Rechte nutzt die Methode Cancel Culture,

um Kritik und Diskurs zu unterdrücken,

um ihre Vormachtstellung in der Gesellschaft zu verteidigen.

Sie rufen auf, Sportler zu entlassen,

deren Kritik nicht in ihr Weltbild passt und Konzerne zu boykottieren,

die sich gegen ihre Politik stellen,

Minderheiten das Wählen zu erschweren.

Und sie gehen noch einen Schritt weiter:

Behaupten selbst, Opfer der politischen Korrektheit

einer linken Meinungsdiktatur zu sein,

meint die Bloggerin Amanda Marcotte.

Die Konservativen wollen sich als Opfer sehen,

denn das macht sie zu den Helden der Geschichte.

So sind sie die Unterdrückten.

Sie erzählen sich gegenseitig diese Geschichten,

dass sie nicht mehr "frohe Weihnachten" sagen

oder keine Hamburger mehr essen dürfen.

Das sind alles Lügen.

So aber machen sie sich selbst zu den Guten in der Geschichte

und die Liberalen zu den Bösen.

Über die Sozialen Medien millionenfach geteilt,

erzählen sie sich,

dass die radikale Linke ihnen die Wahlen gestohlen hat.

So machen sie sich zum Opfer einer Verschwörung,

die ihnen dann alles erlaubt,

auch den gewaltsamen Sturm des Kapitols.

Aufgeheizt von ihrem Anführer,

der Millionen Stimmen gegen Ihn für ungültig erklären lassen will.

Wenn du versuchst, den Menschen ihre Stimme zu nehmen,

ist das die beste Definition von Cancel Culture.

Denn du sagst damit:

Deine Meinung, deine Rechte, deine Teilnahme

spielt in unserem politischen System keine Rolle.

Und wie sieht das der Wirtschaftsprofessor,

der seinen Kurs verloren hat?

Manche schießen übers Ziel hinaus,

in meinem Fall auf lächerliche Weise,

Aber mehr zur Verantwortung gezogen werden für das, was man tut,

ist eigentlich gut.

Denn Licht vertreibt die Dunkelheit.

Cancel Culture sei vor allem ein Begriff,

der von denen verwendet werde,

die sozialen Fortschritt aufhalten wollten.

Die Unfähigkeit zum Dialog aber

ist eine Gefahr für die amerikanische Demokratie,

die mitten in einem Kulturkampf um ihre Zukunft steckt.

"Wir gegen die" - nicht Diskurs und Miteinander,

sondern vor allem das Prinzip "wütende Attacke"

war ein Kennzeichen der Ära Trump.

Ein schweres Erbe für seinen Nachfolger Joe Biden.

Zusammen mit seiner Vize Kamala Harris trat er an

mit dem Versprechen,

die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden,

sich für Versöhnung einzusetzen.

"Ohne Einheit gibt es keinen Frieden",

sondern nur Bitterkeit, Empörung und Chaos, so Bidens Worte.

Knapp 100 Tage nach Amtsantritt ist es Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

Was hat der Neue im Weißen Haus bisher geschafft?

Corona, Wirtschaft, Einwanderung die Herausforderungen sind enorm:

Elmar Thevessen.

An der Chesapeake Bay in Maryland,

zwei Stunden entfernt von Washington,

teilen sich die Meinungen, eigentlich immer schon.

Haarscharf, nur mit 0,5 Prozent Vorsprung,

hat Joe Biden die Wahl im Landkreis gewonnen.

Hier bei den Menschen in Saint Michaels

muss er mit seiner Politik punkten.

Die Bevölkerung ist politisch tief gespalten.

Ich bin eigentlich enttäuscht.

Er hat Versprechen gemacht, die er nicht hält.

Hatte versprochen, alle zusammenzubringen,

das tut er nicht.

Dass er so viel in den 100 Tagen geschafft hat, ist ein Wunder.

Es wird nicht mehr an jeder Ecke gestritten.

Das ist nett.

Man kann jetzt wieder mehr miteinander reden als vor 150 Tagen.

Der Umgangston ist ziviler geworden, meint auch Scott Wagner.

Der ehemalige republikanische Senator

und Gouverneurskandidat in Pennsylvania

hat einiges an Biden und Vizepräsidentin Harris auszusetzen.

Dazu kommen wir noch - aber erstmal lobt er sie:

Biden ist entschlossen, fällt blitzschnell Entscheidungen.

Ich habe heute morgen ein Interview mit Kamala Harris bei CNN gesehen.

Die fällen wirklich Entscheidungen,

und das habe ich in der Geschwindigkeit

noch nie gesehen in Washington.

Manchmal lässt sich an Stiften ablesen,

was ein entschlossener Präsident erreichen kann.

Diese hängen in der Johnson-Bibliothek.

Lyndon B. Johnson unterschrieb mit ihnen die Great Society-Gesetze,

die Amerika sozial und wirtschaftlich

ein Stück gerechter machten.

Mit Johnson wird Joe Biden gern verglichen.

Auch er will eine Umwälzung und beide waren vorher Senatoren,

die wissen, wie man Dinge voranbringt in Washington.

Sein Corona-Hilfspaket mit fast zwei Billionen Dollar,

verabschiedet im Kongress ohne eine republikanische Stimme,

und seine Impfstrategie finden knapp 70 Prozent der Amerikaner gut.

Seine Gesamtzustimmungsrate, 53 %,

hält die Weiße Haus-Expertin Martha Kumar für erstaunlich.

Seine Stärke ist das, was er hinter den Kulissen tun kann,

mithilfe der Beziehungen, die er über die Jahre gepflegt hat.

Deshalb findet vieles, was er tut, vertraulich statt,

nicht öffentlich.

Die Nation soll aber sehen, dass er sich bemüht,

mit den Republikanern ins Gespräch zu kommen

über seine großen Reformpläne.

Doch wenn notwendig macht er den Alleingang.

Biden folgt einem peniblen Terminplan.

Jede Kleinigkeit ist getaktet für etwas ganz Großes.

Ein neues Amerika im Dreisprung:

Das Corona-Paket,

ein Infrastrukturprogramm mit Kampf gegen den Klimawandel,

nun noch der Plan für amerikanische Familien mit Kindergeld,

teils kostenloser Kinderbetreuung und Fachhochschulbildung.

Gesamtpreisschild sechs Billionen Dollar,

bezahlt vor allem aus Steuererhöhungen für die Reicheren.

Biden werfe das Geld zum Fenster raus, meint Scott Wagner.

Es gebe drängendere Problem, z.B. die illegale Einwanderung.

Die kümmern sich gar nicht drum, was an der Südgrenze passiert.

Die Vizepräsidentin soll den Mist aufräumen,

aber war bisher nicht dort, auch der Präsident nicht.

Eine schlimme Lage.

Es ist die größte Schwachstelle der neuen Regierung.

Allein im März kamen 170.000 illegale Einwanderer,

darunter viele unbegleitete Kinder.

Die Aufnahmelager sind überfüllt.

Fast 60 % der Amerikaner

sehen Bidens unentschlossenes Einwanderungsmanagement kritisch.

Kamala Harris soll das Problem lösen,

sie spricht direkt mit den Präsidenten von Guatemala,

Mexiko und Honduras.

Im Juni wird sie auch dort hin reisen.

Die Vizepräsidentin ist die engste Beraterin von Joe Biden.

Auch bei seiner Entscheidung für den Abzug aus Afghanistan.

Manche warnen vor den Risiken, aber die,

so signalisiert Biden mit seinem Besuch

auf dem Arlington Friedhof, rechtfertigen nicht mehr,

das Leben von US-Soldaten zu riskieren.

Er wendet sich globaleren Problemen zu.

Beim Klimagipfel bringt er auch Widersacher an den Tisch,

mit denen Amerika und seine Verbündeten

auch schnell in militärische Konflikte schlittern könnten.

Er ziehe seinen Hut, so der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz,

wie viel Biden in 100 Tagen schon erreicht habe,

auch im Umgang mit China.

Dies wird eine der großen Herausforderungen,

nicht nur in 2021, sondern in den nächsten drei, fünf, zehn

und mehr Jahren sein.

Die europäisch-amerikanische Abstimmung über China.

Hoffentlich nicht eine kritische, streitige Auseinandersetzun,

hoffentlich finden wir hinreichend Felder der Überlappung

und Felder gemeinsamer Interessen.

Dass die liberale Demokratie stärker ist als der Autoritarismus,

dass sie noch liefern kann für die Menschen, Freiheit,

Sicherheit und Wohlstand, das wollen,

ja müssen diese beiden beweisen.

Das wird dann gehen, wenn er sagen kann:

"Ich habe tatsächlich eine Politik erfolgreich

für den amerikanischen Normalbürger führen können."

Das wird er umso leichter nachweisen können,

je stärker er zeigen kann,

dass Amerika nicht mehr die gesamte Last der Verteidigung,

der Sicherheitspolitik Europas tragen muss.

Auch hier in St. Michaels,

tief gespalten zwischen Demokraten und Republikanern,

muss Biden die Mitte der Gesellschaft gewinnen.

Nicht jeden Republikaner wird er überzeugen können, aber einige.

Er macht sich ans Werk wie ein Arbeiter.

Und umgibt sich mit hochkompetenten, fähigen und anständigen Menschen.

Jeder hat sein Ruder und rudert und macht seine Arbeit.

Amerikas Kurs scheint ruhiger mit dem neuen Mann am Steuer.

Doch Stürme können jederzeit entstehen –

das weiß man an der Chesapeake Bay in Maryland.

Heute Nacht stellt Präsident Biden seine Pläne für Amerika vor.

Die Rede zur Lage der Nation übertragen wir live ab 2:50 Uhr -

Elmar Theveßen ist für uns mit dabei.

Wie Demokratiefeinde versuchen,

die Wut auf der Straße und den digitalen Plattformen

für ihre Zwecke zu nutzen,

darum geht es jetzt gleich auch in "ZDFZoom".

Unsere Kollegen waren in der Corona-Skeptiker-Szene

monatelang auf Spurensuche.

Einen schönen Abend noch, auf Wiedersehen.


Auslandsjournal 28. April 2021 - Parties statt Lockdown in Großbritannien, Cancel Culture in Amerika

Österreich, Niederlande, Frankreich, Italien -

halb Europa macht auf,

trotz zum Teil höherer Coronazahlen als bei uns.

Wir blicken heute nach London,

wo die Bürgersteige zum Biergarten werden.

Außerdem:

Außerdem: Das Chile-Rätsel –

warum der Impfmeister wieder in den Lockdown muss.

Meinung, Mainstream und Moral: Wer darf was noch sagen?

Der Kulturkampf spaltet Amerika.

Herzlich willkommen zum "auslandsjournal".

Großbritannien feiert.

Das Bier fließt wieder und wie – als gäbe es kein Morgen.

Und als müsste man das Gestern schnell vergessen.

Manchen wird dabei Angst und bang:

Wird nicht zu früh zu schnell geöffnet?

Vorallem angesichts der gefährlichen Mutationen

wie der aus Indien?

Andreas Stamm über die Partyzone Bürgersteig -

und warum, nur ein paar Straßen weiter,

die Angst in London tief sitzt.

London lebt wieder.

Soho, die Partymeile im Herzen der Stadt.

Vereinzelt erinnern Masken an die Pandemie.

Das Motto der Nacht: Man lebt nur einmal.

Großartig, wieder ausgehen zu können.

Bisschen voll, keiner trägt Maske,

aber ansonsten super.

Der Alkoholpegel steigt, das Abstandsgebot fällt.

Ist doch sicher, solange du nur mit deinen Leuten abhängst.

Probleme gibt es, wenn dir jemand wie er zu nahekommt,

der gehört nicht zu uns!

Sie wollen vier endlos scheinende Monate vergessen machen.

Wir waren so viele Abende zuhause, Sofaparty für zwei.

Nichts wie raus, wir gehen uns sonst so auf die Nerven.

Endlich Abwechslung.

Noa, Orly, Isabelle und Danielle

haben sich seit Herbst nicht sehen können.

Essen, quatschen, ein paar Drinks.

Gar nicht so einfach, einen Platz zu finden.

Dabei hat die Stadt halb Soho zur Fußgängerzone erklärt.

Die Idee: So viel Tische mit genügend Abstand im Freien.

Nur da ist Feiern, sind Treffen erlaubt.

Das geht zu weit, null Abstand oder ähnliches.

Erst wenn alle geimpft sind, ist es sinnvoll,

die Beschränkungen aufheben.

Denn nein, hier ist doch kaum einer geimpft.

So viele Menschen um dich herum, das kann nicht sicher sein.

Hier sind Leute, die Corona haben, die das gar nicht wissen.

Das macht mir wirklich Angst.

15 Minuten Durchzwängen später: Ein freies Plätzchen.

Mit der Corona-App anmelden.

Kontaktnachverfolgung ermöglichen.

Was die Dame am Nachbartisch für einen Witz hält.

Es fühlt sich an, als ob wir auf dem Weg in Lockdown Nummer vier sind

Die Leute führen sich auf wie Wilde.

Und dazu sind das doch keine zwei Meter Tischabstand.

Momentan, nach vier Monaten strengem Lockdown,

sind die Infektionszahlen niedrig.

Treffen im Freien seien da weniger problematisch,

so neueste Studienergebnisse.

Corona-Ansteckung: Ein Innenraumproblem.

Aber ohne Risiko sei es nicht,

wenn die Bevölkerung noch nicht vollständig geimpft ist.

Wenn man zu schnell öffnet ist es,

in Verbindung mit den Virus-Varianten,

mittel- und langfristig die größte Gefahr.

Wenn man erst halb durch ist mit dem Impfprogramm riskiert man,

dass das Virus auf Ungeimpfte ausweicht,

die Infektionen zunehmen.

So wie gerade in Chile.

Nach dem 40 % geimpft waren hat man sehr schnell geöffnet.

Nun gilt wieder ein Lockdown.

Und in den Krankenhäusern landen sehr viel Jüngere.

Es gibt kein Handbuch fürs Öffnen in einer Pandemie.

Einen vorsichtigen Weg geht König Fußball.

Beim Ligapokalfinale: Man City gegen Tottenham.

Im Londoner Wembley-Stadion.

8000 handverlesene Fans erlaubt.

Drei Tests sind Pflicht.

Zwei davor, einer danach.

Teil eines Experiments:

Fußball mit Fans, geht das schon wieder?

Es hat Nerven gekostet,

weil du nach dem letzten Test auf das Ergebnis per SMS wartest.

Und du musst ihn im Zeitraum gestern bis 13 Uhr heute machen.

Ist er positiv, ist dein Geld futsch,

und wir wollen so sehr ins Stadion.

Es ist so viel sicherer als jeden Tag mit dem Bus zur Uni,

mit Leuten, von denen ich nicht weiß, wo sie waren,

was sie gemacht haben.

Hier hält sich jeder an die Abstandsregeln.

Alle sind getestet und respektvoll.

Einfach nur ein echt super Tag.

Bleiben die Besucher gesund, geht alles gut,

könnten zum EM-Finale im Sommer 45.000 ins Stadion, halbvoll.

Unter zwei Bedingungen:

Das Impfprogramm läuft weiter ohne Probleme.

Und es taucht keine Variante auf, die alles durcheinanderbringt.

Dabei jüngst unter Verdacht,

dass sie die Impfstoffe austricksen könnte: Die indische Variante.

Seit Freitag ist die Einreise aus Indien untersagt.

Rückreisende mit britischem Wohnsitz

müssen auf eigene Kosten in Hotelquarantäne.

Außerhalb Indiens ist die Variante in Großbritannien am häufigsten.

Wir haben zwar erst rund 200 Fälle entdeckt.

Es fehlt an genügend Daten.

Aber die Ausbreitungsgeschwindigkeit,

mit welcher Wucht es Indien trifft,

dass es in Pakistan und Bangladesch auftaucht,

ist wirklich besorgniserregend.

Vor allem, da man annimmt,

dass bis zu 80 % der Inder schon Immunität haben,

schon mal erkrankt waren.

Entweder ist die Variante sehr viel ansteckender

oder sie kann Menschen, die Corona hatten,

mühelos nochmal infizieren.

Für die Indische Gemeinde in London

sind die Nachrichten aus der alten Heimat ein Albtraum.

Während um sie herum das Leben erwacht, Geschäfte wieder öffnen

fürchtet Ranjan Ladwa um ihre Tochter Sonal.

Trotz ständiger Videoanrufe, erzählt sie,

fresse sie die Angst auf.

Ich werde verrückt, rufe ständig an.

Ermahne sie, das Haus nicht zu verlassen.

Das nicht zu tun, dies nicht.

Klar, vielleicht halten sie sich dran.

Aber ich habe noch mehr Familie dort

Ranjans Tochter wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern nahe Neu-Delhi.

Wir tun alles, um uns selbst zu schützen.

Dass es uns nicht erwischt.

Es fühlt sich einsam an.

Ich vermisse meine Familie so sehr.

Niemand verlässt bei Familie Jajoo in Wembley das Haus,

wenn Sie mit Indien sprechen.

Wann sie kommen können,

fragt Amit Jajoos Vater über den Bildschirm.

Der Vater wurde positiv getestet.

Die Großmutter ist an Corona gestorben.

Bei der Beerdigung dabei sein, unterstützen - nichts geht.

You know how much we all love you!

Wir fühlen uns so hilflos gerade.

Wir können nicht hinreisen und uns kümmern.

Dafür sorgen,

dass sie medizinisch anständig versorgt werden.

Wie alle wollen wir nur, dass wir bei der Familie sein können.

Trauer und Freudentänze liegen dicht beieinander in diesen Tagen.

Auch, wenn im wenige Kilometer entfernten Soho

die Sorge mitfeiert.

Doch am Ende gilt, man ist nur einmal jung.

So schmerzhaft bedrohlich der Kater auch werden könnte:

Die Show muss weitergehen.

Die Expertin in London hat es angesprochen:

Was passieren kann, wenn man zu schnell lockert, zeigt Chile.

Zwar ist das Land rasant schnell beim Impfen.

Galt als Pandemiemusterschüler Südamerikas.

Doch wegen rasant steigender Fallzahlen musste das Land

Anfang April wieder in den Lockdown.

Corona hat außerdem ein anderes Problem Chiles schmerzhaft

offengelegt und verschärft:

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft jetzt noch weiter auseinander.

Christoph Röckerath über ein Land

zwischen Impfrekorden und Ausnahmezustand.

Jesua übt den Protest an der Gitarre

Ein Lied des Widerstandes.

Es heißt: "Südamerika ist ein Land südlich der USA".

Das Lied beschreibt, dass wir hier immer schon die armen Leute waren,

dass wir immer nach den Gringos kommen,

dass wir immer hinter einer Elite zurückstehen müssen.

Und das war schon immer so.

Wir sind in einem Armenviertel am Rand von Santiago de Chile.

Hier leben die Verlierer des von großer Ungleichheit

und sozialen Unruhen gebeutelten Landes.

Und hier zeigt sich auch,

wie schwierig der Kampf gegen Corona ist,

obwohl die Impfkampagne in Chile so gut läuft,

wie fast nirgendwo auf der Welt.

Auch hier werden die Menschen getestet und geimpft.

Corona breitet sich trotzdem weiter aus.

Weil gerade die Ärmsten nicht zuhause bleiben können,

sondern Geld verdienen müssen.

Paulina hat schon beide Impfdosen erhalten.

Nun ist sie wieder zurück in ihrem täglichen Kampf ums Überleben.

Wegen der Corona-Pandemie verlor sie ihren gut bezahlten Job

als Köchin in einem Casino.

Ich war Chefköchin. I was a chef.

Ich verdiente gut, aber mit all dem, was passiert ist,

habe ich meinen Job verloren.

Sie haben die Casinos geschlossen

und die meisten meiner Kollegen sind alle in der gleichen Situation,

ohne Arbeit, ohne Ressourcen, ohne Unterstützung.

Paulina musste ins Armenviertel ziehen.

Sie lebt in einer Hütte, die aus zwei Räumen besteht,

gemeinsam mit ihren vier Enkelkindern.

Jeden Monat muss sie kämpfen, um die Miete aufbringen zu können.

Das ist das einzige Schlafzimmer.

Jeder hat ein Bett, da ist meins, das ist von den Mädchen.

Und hier ist das Badezimmer.

Es fehlen noch ein paar Kleinigkeiten.

Wegen des Geldes komme ich nicht so schnell voran.

Ein Leben ohne Abstand, drinnen, wie draußen.

Was anderes kann sie sich nicht leisten.

Paulina muss unter Leute, um Geld zu verdienen.

Sie backt und verkauft Empanadas, kleine Teigtaschen. She bakes and sells empanadas, small dumplings.

Die Pandemie macht die Ärmsten ärmer

und schafft so selbst die Bedingungen,

die ihre Bekämpfung erschweren.

Die staatlichen Hilfen reichen nicht aus, um zu verhindern,

dass die Menschen raus gehen und arbeiten.

Wir befinden uns also epidemiologisch in einem sehr,

sehr, sehr schlechten Moment.

Gepaart mit der ewigen Hoffnung,

dass die Impfstrategie aufgehen möge.

Isskia Sitsches ist die Leiterin der Impfkampagne

und im ganzen Land beliebt, seit es so gut läuft.

Doch gerade sie ist es, die immer wieder mahnt, geduldig zu bleiben.

Denn bis zur Herdenimmunität sei es noch weiter Weg.

Manchmal kann der Impfprozess einen paradoxen Effekt erzeugen,

wenn er zusammen mit dem Druck der Wirtschaft

auf die Regierungen dazu führt,

dass Maßnahmen frühzeitig gelockert werden.

Dabei impft Chile so schnell wie kaum ein anderes Land.

Mehr als ein Viertel der Menschen

hat bereits beide Impfdosen erhalten.

Präsident Pinera wird viel kritisiert

wegen seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik.

Doch seine Bereitschaft, schon vor einem Jahr für viel Geld

Verträge mit den Herstellern der Impfstoffe abzuschließen,

obwohl unklar war, ob sie liefern können,

macht sich jetzt bezahlt.

Auch für Marcela.

Sie macht sich auf zum Impfzentrum.

Sie ist 52 und ist froh, dass sie jetzt an der Reihe ist.

Die Impfung soll die Viruslast senken und das ist es,

wonach wir suchen.

Niemand ist sicher.

Jeder Körper reagiert anders auf das Virus.

Also besser mit Impfstoff als ohne.

Marcela gehört zur Mittelschicht Chiles.

Sie ist Ingenieurin.

Doch das bedeutet in Chile keineswegs Sicherheit.

Zu hoch sind die Lebenshaltungskosten,

zu groß das wirtschaftliche Abstiegsrisiko.

Und so will auch sie mit uns lieber

über die soziale Schieflage im Land reden,

als über Corona oder ihre Impfung.

Wir wollen, dass alle Menschen zu ihrem Recht kommen,

dass die Menschen in Chile gleichgestellt werden.

Das Land ist sehr gespalten,

was den Wohlstand und die Möglichkeiten angeht.

Das ist eine ganz andere Pandemie, die wir lange vor dieser hatten.

Zwei Pandemien beuteln das Land und befruchten sich gegenseitig:

Wachsende Ungleichheit und Covid.

Die sozialen Unruhen in Chile brechen aus im Herbst 2019.

Was als Protest gegen erhöhte U-Bahn Tickets beginnt,

entwickelt sich zu einem blutigen Konflikt

gegen ein als ungerecht empfundenes, kapitalistisches System.

Die Regierung gibt schließlich nach und verspricht eine neue Verfassung.

Doch Corona hat den Prozess unterbrochen.

Geblieben sind gegenseitiges Misstrauen und Angst

vor einer erneuten Eskalation.

Und das behindert zusätzlich die Eindämmung der Pandemie.

Jede Regel, die der Staat erlässt, steht unter dem Verdacht,

auch ein Mittel zur politischen Unterdrückung zu sein.

Und so verführt der Erfolg beim Impfen die Regierung dazu,

die unpopulären Lockdown-Maßnahmen zu schnell zu lockern.

Die Folge ist der erneute Anstieg der Infizierten,

trotz vieler Impfungen.

Chile kann ein gutes Beispiel dafür sein,

dass andere Länder in der Welt mit Vorsicht öffnen sollten,

und nicht den gleichen Fehler machen wie wir,

nämlich Lockerungen zu überstürzen

und damit eine Pandemie zu entfesseln,

die zu vielen Todesfällen führt.

Das Virus ist auf dem Vormarsch wie nie zuvor in Chile,

die Krankenhäuser sind voll.

Santiago befindet sich wieder im Lockdown.

Maria ist Krankenschwester auf der Intensivstation.

Seit Beginn der Pandemie hat sie sich von ihrer Familie isoliert,

um sie zu schützen.

Das einsame Sterben der Opfer, die Arbeitsbelastung,

das allgengenwärtige Virus gehen nicht spurlos an ihr vorbei.

Es berührt mich.

Aber mit wem kann ich das teilen,

wenn es meinen Kollegen genauso geht?

Zuhause ist sie allein mit ihrer Last.

Kraft gibt ihr eine Collage mit Fotos ihrer Familie.

Andere Menschen haben auch Verwandte, die ihnen so wichtig sind

Deswegen macht meine Arbeit einen Unterschied, ich rette Menschen,

damit niemand jemanden in seiner eigenen Collage verliert.

Doch so wie Maria nicht aufgibt,

ist auch das Virus nicht leicht kleinzukriegen.

Chile ist ein Vorbild beim Impfen, aber zugleich eine Mahnung,

im Kampf gegen Corona nicht locker zu lassen.

Zwischen der Forderung, alles dicht machen und der Frage:

sind die noch ganz dicht?

Ging es in den letzten Tagen hoch her.

Man kann sicher über die Aktion der Schauspielerinnen

und Schauspieler trefflich streiten.

Unbestritten bleibt aber die Hitze der Diskussion danach.

Was kann man noch sagen -

vorallem in der Zeit von Twitter, Facebook und Shitstorms?

Das ist eine Frage, die vorallem in den USA aggressiv geführt wird.

Es geht um Worte, aber auch darum: Welche Bücher darf man noch lesen,

welche Strassennamen oder Denkmäler sollten verschwinden,

damit sich niemand verletzt und ausgegrenzt fühlt?

Cancel Culture ist der Kampfbegriff,

mit dem immer öfter auch bei uns versucht wird,

Minderheiten und Mehrheit gegeneinander auszuspielen.

In den USA treibt er eine ohnehin gespaltene Gesellschaft

noch weiter auseinander, berichtet Johannes Hano.

Amerika ist auf den Barrrikaden, steckt mitten in einem Kulturkampf

um die Zukunft der stärksten Demokratie der Welt.

Wollt ihr die Cancel Culture der cosmopolitischen Elite

von Nancy Pelosi, Chuck Schumer und Joe Biden haben?

Unerbittlich kämpfen manche gegen die Veränderung

und schrecken dabei auch vor Gewalt nicht zurück.

Wenn das keine Cancel Culture ist, was dann?

Es ist ein Kampf um die Zukunft,

an dem mittlerweile alle Gruppen der Gesellschaft beteiligt sind.

Sport, Wirtschaft, Politik, und auch die Hochschulen.

Per Video-Chat haben wir uns mit Greg Patton verabredet,

Professor an der Marshall Business School,

der renommierten Universität von Southern California.

Er wurde vergangenes Jahr Opfer einer besonders absurden Attacke.

Der Vorwurf: Ich soll absichtlich ein rassistisches Schimpfwort

in böser Absicht genutzt haben,

angeblich versucht haben, es zu vertuschen.

Die Studierenden sollten mich mehrfach gebeten haben,

das Wort nicht mehr zu sagen, doch nichts davon ist wahr.

In einer digitalen Vorlesung zu Wirtschaftskommunikation

spricht er über Füllwörter in verschiedenen Kulturen.

Er nutzt unteranderem auch ein Beispiel aus China,

"this and that", "dies und das".

Je nach Muttersprache könnte das so klingen:

Da da da, im Chinesischen wäre das niga, niga, niga.

Es gibt dafür verschiedene Worte in verschiedenen Ländern.

Die kann dann so klingen:

Da da da, ähm ähm ähm oder ä, ä ,ä.

Drei Studenten fühlen sich durch das chinesische Beispiel

rassistisch gekränkt und beleidigt, beschweren sich bei der Universität.

Der Dekan der Fakultät reagiert ohne Rücksprache mit Patton

sofort mit einer Email und nimmt ihm den Kurs ab.

Solche Anschuldigungen

haben an amerikanischen Universitäten stark zugenommen.

Der frühere US-Präsident Barak Obama ist besorgt

und meldet sich zu Wort.

Da gibt es diese Einstellung, dass ich Veränderung herbeiführen kann,

in dem ich über andere so harsch wie möglich urteile und das reicht.

Wenn ich darüber twittere, wie du etwas falsch gemacht hast

oder die falschen Worte verwendet hast,

dann lehne ich mich zurück und fühle mich gut.

"Schau, wie woke und wachsam ich bin."

"Ich habe dich erwischt."

Mehr als 150 Intellektuelle, Linke und Konservative,

sind besorgt über den Trend, zu Diffamieren statt zu Diskutieren.

Und haben einen offenen Brief geschrieben,

rufen auf zu Diskurs und Toleranz.

Mit dabei: Noam Chomsky, Francis Fukuyama,

der Jazz Trompeter Wynton Marsalis,

die Schriftsteller*innen Salman Rushdi und J.K. Rowling.

Und auch Loretta Ross,

Aktivistin und Professorin am renommierten Smith College.

Ich habe den Brief unterschrieben, denn ich denke,

wir sind zu weit gegangen.

Auf der Linken, wie auf der Rechten.

Wir haben unsere Fähigkeit zum Dialog verloren.

Viel zu schnell dämonisieren wir andere,

weil sie uns nicht beipflichten.

Ganz so, als würden wir einen Kult gründen.

Aber wir wollen keinen Kult schaffen,

sondern eine Menschenrechtsbewegung.

Und bei Definition brauchen wir dafür

die Diversität der Meinungen und Gedanken,

denn Diversität bringt mehr in den Pool

und du kommst mit besseren Ideen wieder raus.

Das Problem aber sei nicht neu.

Amerika befinde sich in einem ständigen Kulturkampf.

Cancel Culture gebe es schon seit den 50er Jahren.

Es war immer schon da.

Du erinnerst dich vielleicht an die 50 Jahre,

in denen Senator McCarthy

vielen die Hollywood-Karriere zerstört hat,

indem er sie als Kommunisten beschuldigte.

Es ist schon eine ganze Weile da.

Heute wird Cancel Culture von beiden Seiten als Waffe genutzt,

von der Linken wie von der Rechten.

Die Politisch Rechte nutzt die Methode Cancel Culture,

um Kritik und Diskurs zu unterdrücken,

um ihre Vormachtstellung in der Gesellschaft zu verteidigen.

Sie rufen auf, Sportler zu entlassen,

deren Kritik nicht in ihr Weltbild passt und Konzerne zu boykottieren,

die sich gegen ihre Politik stellen,

Minderheiten das Wählen zu erschweren.

Und sie gehen noch einen Schritt weiter:

Behaupten selbst, Opfer der politischen Korrektheit

einer linken Meinungsdiktatur zu sein,

meint die Bloggerin Amanda Marcotte.

Die Konservativen wollen sich als Opfer sehen,

denn das macht sie zu den Helden der Geschichte.

So sind sie die Unterdrückten.

Sie erzählen sich gegenseitig diese Geschichten,

dass sie nicht mehr "frohe Weihnachten" sagen

oder keine Hamburger mehr essen dürfen.

Das sind alles Lügen.

So aber machen sie sich selbst zu den Guten in der Geschichte

und die Liberalen zu den Bösen.

Über die Sozialen Medien millionenfach geteilt,

erzählen sie sich,

dass die radikale Linke ihnen die Wahlen gestohlen hat.

So machen sie sich zum Opfer einer Verschwörung,

die ihnen dann alles erlaubt,

auch den gewaltsamen Sturm des Kapitols.

Aufgeheizt von ihrem Anführer,

der Millionen Stimmen gegen Ihn für ungültig erklären lassen will.

Wenn du versuchst, den Menschen ihre Stimme zu nehmen,

ist das die beste Definition von Cancel Culture.

Denn du sagst damit:

Deine Meinung, deine Rechte, deine Teilnahme

spielt in unserem politischen System keine Rolle.

Und wie sieht das der Wirtschaftsprofessor,

der seinen Kurs verloren hat?

Manche schießen übers Ziel hinaus,

in meinem Fall auf lächerliche Weise,

Aber mehr zur Verantwortung gezogen werden für das, was man tut,

ist eigentlich gut.

Denn Licht vertreibt die Dunkelheit.

Cancel Culture sei vor allem ein Begriff,

der von denen verwendet werde,

die sozialen Fortschritt aufhalten wollten.

Die Unfähigkeit zum Dialog aber

ist eine Gefahr für die amerikanische Demokratie,

die mitten in einem Kulturkampf um ihre Zukunft steckt.

"Wir gegen die" - nicht Diskurs und Miteinander,

sondern vor allem das Prinzip "wütende Attacke"

war ein Kennzeichen der Ära Trump.

Ein schweres Erbe für seinen Nachfolger Joe Biden.

Zusammen mit seiner Vize Kamala Harris trat er an

mit dem Versprechen,

die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden,

sich für Versöhnung einzusetzen.

"Ohne Einheit gibt es keinen Frieden",

sondern nur Bitterkeit, Empörung und Chaos, so Bidens Worte.

Knapp 100 Tage nach Amtsantritt ist es Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

Was hat der Neue im Weißen Haus bisher geschafft?

Corona, Wirtschaft, Einwanderung die Herausforderungen sind enorm:

Elmar Thevessen.

An der Chesapeake Bay in Maryland,

zwei Stunden entfernt von Washington,

teilen sich die Meinungen, eigentlich immer schon.

Haarscharf, nur mit 0,5 Prozent Vorsprung,

hat Joe Biden die Wahl im Landkreis gewonnen.

Hier bei den Menschen in Saint Michaels

muss er mit seiner Politik punkten.

Die Bevölkerung ist politisch tief gespalten.

Ich bin eigentlich enttäuscht.

Er hat Versprechen gemacht, die er nicht hält.

Hatte versprochen, alle zusammenzubringen,

das tut er nicht.

Dass er so viel in den 100 Tagen geschafft hat, ist ein Wunder.

Es wird nicht mehr an jeder Ecke gestritten.

Das ist nett.

Man kann jetzt wieder mehr miteinander reden als vor 150 Tagen.

Der Umgangston ist ziviler geworden, meint auch Scott Wagner.

Der ehemalige republikanische Senator

und Gouverneurskandidat in Pennsylvania

hat einiges an Biden und Vizepräsidentin Harris auszusetzen.

Dazu kommen wir noch - aber erstmal lobt er sie:

Biden ist entschlossen, fällt blitzschnell Entscheidungen.

Ich habe heute morgen ein Interview mit Kamala Harris bei CNN gesehen.

Die fällen wirklich Entscheidungen,

und das habe ich in der Geschwindigkeit

noch nie gesehen in Washington.

Manchmal lässt sich an Stiften ablesen,

was ein entschlossener Präsident erreichen kann.

Diese hängen in der Johnson-Bibliothek.

Lyndon B. Johnson unterschrieb mit ihnen die Great Society-Gesetze,

die Amerika sozial und wirtschaftlich

ein Stück gerechter machten.

Mit Johnson wird Joe Biden gern verglichen.

Auch er will eine Umwälzung und beide waren vorher Senatoren,

die wissen, wie man Dinge voranbringt in Washington.

Sein Corona-Hilfspaket mit fast zwei Billionen Dollar,

verabschiedet im Kongress ohne eine republikanische Stimme,

und seine Impfstrategie finden knapp 70 Prozent der Amerikaner gut.

Seine Gesamtzustimmungsrate, 53 %,

hält die Weiße Haus-Expertin Martha Kumar für erstaunlich.

Seine Stärke ist das, was er hinter den Kulissen tun kann,

mithilfe der Beziehungen, die er über die Jahre gepflegt hat.

Deshalb findet vieles, was er tut, vertraulich statt,

nicht öffentlich.

Die Nation soll aber sehen, dass er sich bemüht,

mit den Republikanern ins Gespräch zu kommen

über seine großen Reformpläne.

Doch wenn notwendig macht er den Alleingang.

Biden folgt einem peniblen Terminplan.

Jede Kleinigkeit ist getaktet für etwas ganz Großes.

Ein neues Amerika im Dreisprung:

Das Corona-Paket,

ein Infrastrukturprogramm mit Kampf gegen den Klimawandel,

nun noch der Plan für amerikanische Familien mit Kindergeld,

teils kostenloser Kinderbetreuung und Fachhochschulbildung.

Gesamtpreisschild sechs Billionen Dollar,

bezahlt vor allem aus Steuererhöhungen für die Reicheren.

Biden werfe das Geld zum Fenster raus, meint Scott Wagner.

Es gebe drängendere Problem, z.B. die illegale Einwanderung.

Die kümmern sich gar nicht drum, was an der Südgrenze passiert.

Die Vizepräsidentin soll den Mist aufräumen,

aber war bisher nicht dort, auch der Präsident nicht.

Eine schlimme Lage.

Es ist die größte Schwachstelle der neuen Regierung.

Allein im März kamen 170.000 illegale Einwanderer,

darunter viele unbegleitete Kinder.

Die Aufnahmelager sind überfüllt.

Fast 60 % der Amerikaner

sehen Bidens unentschlossenes Einwanderungsmanagement kritisch.

Kamala Harris soll das Problem lösen,

sie spricht direkt mit den Präsidenten von Guatemala,

Mexiko und Honduras.

Im Juni wird sie auch dort hin reisen.

Die Vizepräsidentin ist die engste Beraterin von Joe Biden.

Auch bei seiner Entscheidung für den Abzug aus Afghanistan.

Manche warnen vor den Risiken, aber die,

so signalisiert Biden mit seinem Besuch

auf dem Arlington Friedhof, rechtfertigen nicht mehr,

das Leben von US-Soldaten zu riskieren.

Er wendet sich globaleren Problemen zu.

Beim Klimagipfel bringt er auch Widersacher an den Tisch,

mit denen Amerika und seine Verbündeten

auch schnell in militärische Konflikte schlittern könnten.

Er ziehe seinen Hut, so der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz,

wie viel Biden in 100 Tagen schon erreicht habe,

auch im Umgang mit China.

Dies wird eine der großen Herausforderungen,

nicht nur in 2021, sondern in den nächsten drei, fünf, zehn

und mehr Jahren sein.

Die europäisch-amerikanische Abstimmung über China.

Hoffentlich nicht eine kritische, streitige Auseinandersetzun,

hoffentlich finden wir hinreichend Felder der Überlappung

und Felder gemeinsamer Interessen.

Dass die liberale Demokratie stärker ist als der Autoritarismus,

dass sie noch liefern kann für die Menschen, Freiheit,

Sicherheit und Wohlstand, das wollen,

ja müssen diese beiden beweisen.

Das wird dann gehen, wenn er sagen kann:

"Ich habe tatsächlich eine Politik erfolgreich

für den amerikanischen Normalbürger führen können."

Das wird er umso leichter nachweisen können,

je stärker er zeigen kann,

dass Amerika nicht mehr die gesamte Last der Verteidigung,

der Sicherheitspolitik Europas tragen muss.

Auch hier in St. Michaels,

tief gespalten zwischen Demokraten und Republikanern,

muss Biden die Mitte der Gesellschaft gewinnen.

Nicht jeden Republikaner wird er überzeugen können, aber einige.

Er macht sich ans Werk wie ein Arbeiter.

Und umgibt sich mit hochkompetenten, fähigen und anständigen Menschen.

Jeder hat sein Ruder und rudert und macht seine Arbeit.

Amerikas Kurs scheint ruhiger mit dem neuen Mann am Steuer.

Doch Stürme können jederzeit entstehen –

das weiß man an der Chesapeake Bay in Maryland.

Heute Nacht stellt Präsident Biden seine Pläne für Amerika vor.

Die Rede zur Lage der Nation übertragen wir live ab 2:50 Uhr -

Elmar Theveßen ist für uns mit dabei.

Wie Demokratiefeinde versuchen,

die Wut auf der Straße und den digitalen Plattformen

für ihre Zwecke zu nutzen,

darum geht es jetzt gleich auch in "ZDFZoom".

Unsere Kollegen waren in der Corona-Skeptiker-Szene

monatelang auf Spurensuche.

Einen schönen Abend noch, auf Wiedersehen.