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DW - Top-Thema 2021, Seenotrettung führt nicht zu mehr Migration

Seenotrettung führt nicht zu mehr Migration

Die Behauptung gibt es seit Jahren: Angeblich zieht Seenotrettung auf dem Mittelmeer mehr Migranten nach Europa. Studien kommen zu anderen Ergebnissen: Wesentlicher sind die Probleme in den Heimatländern der Migranten.

Aktuell fährt auf dem Mittelmeer kein einziges Seenotrettungsschiff der EU. Ein Grund dafür ist die Angst einiger Länder, dass mehr Menschen nach Europa kommen, wenn sie hoffen können, auf dem Meer gerettet zu werden. Seit Jahren behaupten vor allem konservative Politikerinnen und Politiker, dass NGOs wie Sea-Watch oder Sea-Eye durch die Seenotrettung einen Pull-Faktor für die Flucht nach Europa schaffen – also einen Grund, der die Menschen nach Europa „zieht“. Doch die meisten Studien bestätigen das nicht.

2017 verglich eine Studie der University of London Zahlen zu Flucht und Rettung und stellte keinen Zusammenhang fest. Eine weitere Studie von 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass „die Abwesenheit von Seenotrettern nicht von Überfahrten abhält.“ Und auch eine dritte Studie aus dem Jahr 2019 hat „keinen Zusammenhang zwischen der Präsenz von NGOs auf See und der Anzahl der Migranten finden können.“

Eleanor Gordon und Henrik Larsen von der australischen Monash University betonen, dass vor allem Push-Faktoren wie Krieg, Verfolgung und Armut die Menschen dazu zwingen, ihre Heimatländer zu verlassen. Safa Msehli von der Internationalen Organisation für Migration der UN (IOM) sieht das ähnlich: „Unserer Einschätzung nach sind die Push-Faktoren wichtiger als alles andere“, meint sie, denn die Menschen hätten in ihren Ländern oft existenzielle Not erlebt.

Der italienische Politikwissenschaftler Matteo Villa sagt, dass die Seenotrettung als Pull-Faktor vielen auch ohne Beweise einleuchtend erscheint. Die bisherigen Erkenntnisse legen jedoch nahe: Es können mehr Menschenleben gerettet werden, „ohne zu riskieren, dass sich sehr viel mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen”, so der Wissenschaftler. Das entspricht auch internationalem Seerecht: Demnach müssen Menschen in Seenot gerettet und an einen sicheren Ort gebracht werden.


Seenotrettung führt nicht zu mehr Migration لا يؤدي الإنقاذ في البحر إلى مزيد من الهجرة Rescue at sea does not lead to more migration

Die Behauptung gibt es seit Jahren: Angeblich zieht Seenotrettung auf dem Mittelmeer mehr Migranten nach Europa. كان هذا الادعاء موجودًا منذ سنوات: يُزعم أن عمليات الإنقاذ البحري في البحر الأبيض المتوسط تجذب المزيد من المهاجرين إلى أوروبا. The claim has been around for years: Allegedly, sea rescue in the Mediterranean is attracting more migrants to Europe. Studien kommen zu anderen Ergebnissen: Wesentlicher sind die Probleme in den Heimatländern der Migranten. Studies come to different conclusions: the problems in the migrants' home countries are more important.

Aktuell fährt auf dem Mittelmeer kein einziges Seenotrettungsschiff der EU. لا توجد حاليًا سفينة إنقاذ واحدة تابعة للاتحاد الأوروبي في البحر الأبيض المتوسط. There is currently not a single EU rescue ship in the Mediterranean. Ein Grund dafür ist die Angst einiger Länder, dass mehr Menschen nach Europa kommen, wenn sie hoffen können, auf dem Meer gerettet zu werden. One reason for this is the fear in some countries that more people will come to Europe if they can hope to be saved at sea. Seit Jahren behaupten vor allem konservative Politikerinnen und Politiker, dass NGOs wie Sea-Watch oder Sea-Eye durch die Seenotrettung einen Pull-Faktor für die Flucht nach Europa schaffen – also einen Grund, der die Menschen nach Europa „zieht“. For years, conservative politicians in particular have been claiming that NGOs like Sea-Watch or Sea-Eye create a pull factor for people to flee to Europe through rescue at sea - a reason that “draws” people to Europe. Doch die meisten Studien bestätigen das nicht. But most studies do not confirm this.

2017 verglich eine Studie der University of London Zahlen zu Flucht und Rettung und stellte keinen Zusammenhang fest. في عام 2017 ، قارنت دراسة أجرتها جامعة لندن أرقام عمليات الهروب والإنقاذ ولم تجد أي صلة. In 2017, a study by the University of London compared escape and rescue figures and found no connection. Eine weitere Studie von 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass „die Abwesenheit von Seenotrettern nicht von Überfahrten abhält.“ Und auch eine dritte Studie aus dem Jahr 2019 hat „keinen Zusammenhang zwischen der Präsenz von NGOs auf See und der Anzahl der Migranten finden können.“ Another study from 2018 came to the conclusion that “the absence of sea rescuers does not prevent crossings.” And a third study from 2019 also found “no connection between the presence of NGOs at sea and the number of migrants. "

Eleanor Gordon und Henrik Larsen von der australischen Monash University betonen, dass vor allem Push-Faktoren wie Krieg, Verfolgung und Armut die Menschen dazu zwingen, ihre Heimatländer zu verlassen. Eleanor Gordon and Henrik Larsen from Monash University in Australia emphasize that it is above all push factors such as war, persecution and poverty that force people to leave their home countries. Safa Msehli von der Internationalen Organisation für Migration der UN (IOM) sieht das ähnlich: „Unserer Einschätzung nach sind die Push-Faktoren wichtiger als alles andere“, meint sie, denn die Menschen hätten in ihren Ländern oft existenzielle Not erlebt. Safa Msehli from the UN's International Organization for Migration (IOM) has a similar view: “In our opinion, the push factors are more important than anything else,” she says, because people in their countries have often experienced existential hardship.

Der italienische Politikwissenschaftler Matteo Villa sagt, dass die Seenotrettung als Pull-Faktor vielen auch ohne Beweise einleuchtend erscheint. يقول عالم السياسة الإيطالي ماتيو فيلا إن الإنقاذ البحري كعامل جذب يبدو مقبولًا للكثيرين حتى بدون دليل. The Italian political scientist Matteo Villa says that sea rescue as a pull factor seems plausible to many even without evidence. Die bisherigen Erkenntnisse legen jedoch nahe: Es können mehr Menschenleben gerettet werden, „ohne zu riskieren, dass sich sehr viel mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen”, so der Wissenschaftler. The findings so far suggest, however, that more human lives can be saved "without the risk that many more people will make their way to Europe," said the scientist. Das entspricht auch internationalem Seerecht: Demnach müssen Menschen in Seenot gerettet und an einen sicheren Ort gebracht werden. This also corresponds to international maritime law: According to this, people in distress at sea must be rescued and brought to a safe place.