×

We use cookies to help make LingQ better. By visiting the site, you agree to our cookie policy.


image

2020-2 Video lessons from YouTube, Wolfgang Looß: "Du warst immer Gefangener." - GULAG und Zwangsarbeit nach 1945

Wolfgang Looß: "Du warst immer Gefangener." - GULAG und Zwangsarbeit nach 1945

Wenn ich ganz ehrlich sein muss, dann kann ich sagen,

dass die ersten zwei Jahre

– angefangen hier vom Kaßberg bis dann in dem ersten Lager in Sibirien –

schlimm waren.

Das war aber nicht nur darauf zu beziehen.

Das hing auch damit zusammen, dass die Temperaturunterschiede

– und ich geh mal noch weiter - die Fresserei, wir ja gar nicht gekannt haben.

Brot, Kascha und Grütze und das Zeug, was wir da alles gegessen haben,

dass das schlecht war.

Selbstverständlich hat sich das im Laufe der Jahre zum Positiven geändert.

Muss man sagen.

Es war nicht so, dass man sagen konnte, jetzt ist es Bombe.

Du warst immer Gefangener.

Aber du konntest dich mit dem Posten unterhalten.

Der Posten hat auch die Zeit gefunden, ist zu dir gekommen, hat dir eine Zigarette angeboten.

Erst habe ich gar nicht geraucht, die ersten zwei Jahre,

nee, die ersten vier Jahre habe ich gar nicht geraucht.

Da hab ich meine Zigaretten immer, was wir gekriegt haben, vertauscht.

Das ist schon ein großer Unterschied gewesen.

Man kann das Lager 1946/47 nicht mit 1952 vergleichen.

Es wäre ein Frevel!

Aber wir waren eben immer Gefangene.

Wir mussten immer sehen, wie wir – auf deutsch gesagt – mit dem Arsch an die Wand kommen.

Und das haben wir gemacht, indem wir die Füllfederhalter gebaut haben.

Oder ich hab die Fingerringe gemacht.

Oder die Vorhängeschlösser.

Viel haben die Soldaten von uns geholt.

Da brachten sie immer eine Schachtel Marokka mit.

Die wollten gerne solche Absatzeisen auf die Stiefel,

damit das so klappert wie bei der Deutschen Wehrmacht.

Die U-Form.

Es war nichts zu erfahren.

Sie sind aus dem einem Lager raus, sind losmarschiert und wo Sie hingekommen sind, wussten Sie nicht.

Wir haben auch nie den Unterschied zwischen dort und dort gemerkt.

Warum?

Das ist wieder begründet dadurch, weil wir immer noch unter diesem Begriff

„Faschisten“ bezeichnet wurden.

Also es hieß eben: "Das sind Faschisten."

Und wenn Sie woanders hingekommen sind: „Na, ihr kriegt jetzt wieder frische.

Andere Faschisten.

Die kommen von dort und dort her.“

Bis sich das dann nach einer gewissen Zeit eingepegelt hat oder eingelaufen hatte.

Dann gab es keine großen Diskussionen mehr.

Aber die erste Zeit, die körperlichen Schikanen...

Ich kann da kein Wort drüber verlieren.

Da muss ich mich schämen, dass überhaupt ein Mensch in der Lage ist, so was zu machen.


Wolfgang Looß: "Du warst immer Gefangener." - GULAG und Zwangsarbeit nach 1945 Wolfgang Looß: "You were always a prisoner." - GULAG and forced labor after 1945 Wolfgang Looß: "Sempre foste um prisioneiro". - O GULAG e os trabalhos forçados depois de 1945

Wenn ich ganz ehrlich sein muss, dann kann ich sagen,

dass die ersten zwei Jahre

– angefangen hier vom Kaßberg bis dann in dem ersten Lager in Sibirien –

schlimm waren.

Das war aber nicht nur darauf zu beziehen. But that wasn't just related to that.

Das hing auch damit zusammen, dass die Temperaturunterschiede That was also due to the fact that the temperature differences

– und ich geh mal noch weiter - die Fresserei, wir ja gar nicht gekannt haben.

Brot, Kascha und Grütze und das Zeug, was wir da alles gegessen haben, Bread, Kascha and grits and the stuff we ate there

dass das schlecht war. that that was bad.

Selbstverständlich hat sich das im Laufe der Jahre zum Positiven geändert. Of course, that has changed for the better over the years.

Muss man sagen.

Es war nicht so, dass man sagen konnte, jetzt ist es Bombe. It wasn't that you could say it's a bomb now.

Du warst immer Gefangener. You were always a prisoner.

Aber du konntest dich mit dem Posten unterhalten. But you were able to talk to the guard.

Der Posten hat auch die Zeit gefunden, ist zu dir gekommen, hat dir eine Zigarette angeboten.

Erst habe ich gar nicht geraucht, die ersten zwei Jahre,

nee, die ersten vier Jahre habe ich gar nicht geraucht.

Da hab ich meine Zigaretten immer, was wir gekriegt haben, vertauscht. I always swapped my cigarettes for what we got.

Das ist schon ein großer Unterschied gewesen. That was a big difference.

Man kann das Lager 1946/47 nicht mit 1952 vergleichen.

Es wäre ein Frevel! It would be a sacrilege!

Aber wir waren eben immer Gefangene. But we were always prisoners.

Wir mussten immer sehen, wie wir – auf deutsch gesagt – mit dem Arsch an die Wand kommen. We always had to see how we - in German - hit the wall with our asses.

Und das haben wir gemacht, indem wir die Füllfederhalter gebaut haben. And we did that by building the fountain pens.

Oder ich hab die Fingerringe gemacht.

Oder die Vorhängeschlösser. Or the padlocks.

Viel haben die Soldaten von uns geholt. The soldiers took a lot from us.

Da brachten sie immer eine Schachtel Marokka mit. They always brought a box of Morocco with them.

Die wollten gerne solche Absatzeisen auf die Stiefel, They wanted such heels on their boots

damit das so klappert wie bei der Deutschen Wehrmacht.

Die U-Form.

Es war nichts zu erfahren. There was nothing to be learned.

Sie sind aus dem einem Lager raus, sind losmarschiert und wo Sie hingekommen sind, wussten Sie nicht. You got out of one camp, marched off and you didn't know where you got to.

Wir haben auch nie den Unterschied zwischen dort und dort gemerkt. We also never noticed the difference between there and there.

Warum?

Das ist wieder begründet dadurch, weil wir immer noch unter diesem Begriff This is again justified because we are still under this term

„Faschisten“ bezeichnet wurden.

Also es hieß eben: "Das sind Faschisten." So it was said: "They are fascists."

Und wenn Sie woanders hingekommen sind: „Na, ihr kriegt jetzt wieder frische. And if you have gone somewhere else: “Well, you can get fresh ones now.

Andere Faschisten.

Die kommen von dort und dort her.“ They come from here and there. "

Bis sich das dann nach einer gewissen Zeit eingepegelt hat oder eingelaufen hatte. Until that has leveled itself or has run in after a certain time.

Dann gab es keine großen Diskussionen mehr.

Aber die erste Zeit, die körperlichen Schikanen... But the first time, the physical harassment ...

Ich kann da kein Wort drüber verlieren. I can't say a word about it.

Da muss ich mich schämen, dass überhaupt ein Mensch in der Lage ist, so was zu machen. I have to be ashamed that a person is able to do something like that.