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2020-2 Video lessons from YouTube, Die Geschichte der Russlanddeutschen I Geschichte

Die Geschichte der Russlanddeutschen I Geschichte

Russen mit deutschen Vorfahren?

Oder Deutsche, die seit Generationen in Russland leben?

Wenn wir von den Russlanddeutschen sprechen,

wen meinen wir damit eigentlich?

Eine Antwort auf diese Frage jetzt in diesem Video.

Starten wir mal mit dem 15. Jh.

Das russische Reich wächst seit dieser Zeit

in atemberaubender Geschwindigkeit.

Bis zum 18. Jh. entsteht ein riesiges Territorium.

Es mangelt an nichts.

Außer an Siedlern, die den Boden beackern und das Land nutzbar machen.

Die Kaiserin Katharina II, die man auch Katharina die Große nennt,

veröffentlicht im Jahr 1763 einen Kolonistenbrief

in mehreren europäischen Sprachen.

Darin wirbt sie um ausländische Siedler,

die sich in Russland niederlassen sollen.

Damit die Menschen kommen, verspricht sie Vergünstigungen.

Das Land steht kostenfrei zur Verfügung.

Einige Jahre müssen die Siedler keine Steuern zahlen,

dürfen ihre Gemeinschaften selbst verwalten und organisieren,

werden nicht zum Militärdienst herangezogen,

dürfen ihre Religion frei wählen und, wenn sie denn wollen,

auch jederzeit in ihre alte Heimat zurückkehren.

In den deutschen Kleinstaaten damals

finden viele Leute das Angebot attraktiv.

Aus Westfalen, Hessen, Preußen, Sachsen und Württemberg

wanderten Familien nach Russland aus.

Die russischen Behörden lenkten die Zuwanderer gezielt in die Gebiete

rund um Saratow.

Das liegt an der Wolga.

Das ist ein ziemlich großes Gebiet für die neuen Siedler.

Für das Russische Reich ist es ein winziger Fleck.

Die Gegend ist so groß wie Belgien.

Spätere Einwanderer aus Deutschland lassen sich dann in Wolyn,

oder auf Deutsch Wolhynien, nieder.

Das liegt westlich von Kiew in der Ukraine.

Andere finden ihre neue Heimat in der Schwarzmeergegend

zwischen Bessarabien, wo die Donau mündet,

oder auch in Rostow.

Bis Ende der 1770er Jahre wandern ungefähr 30.000 Menschen ein

und siedeln sich in 66 evangelischen und 38 katholischen Kolonien an.

In der zweiten Einwanderungswelle im frühen 19. Jh.

unter Zar Alexander I

kommen noch einmal über 50.000 Menschen,

die sich weiter im Süden niederlassen.

Hauptsächlich Bauern und Handwerker mit ihren Familien.

Die Russlanddeutschen gelten als zarentreu und religiös.

Vor dem Ersten Weltkrieg leben über 2 Mio. Deutsche im Zarenreich.

Die meisten, jeweils etwas mehr als eine halbe Million Menschen,

an der Wolga und in der Schwarzmeergegend.

Fast ebenso viele aber auch im Baltikum

und in den Städten St. Petersburg und Moskau.

Mit Gründung des Deutschen Kaiserreichs werden die Deutschen

von den russischen Behörden genauer beobachtet.

Man fürchtet,

sie könnten sich vom nationalen Hochgefühl anstecken lassen.

Nach und nach verlieren die Russlanddeutschen ihre Privilegien,

ihre Vorrechte.

Sie müssen z.B. zum Wehrdienst antreten.

Tausende wandern daraufhin nach Kanada oder Argentinien aus.

1891 wird auch in den deutschen Schulen im Zarenreich

Russisch als Pflichtsprache eingeführt.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs

gelten die Deutschen als unzuverlässig.

Hunderttausende werden zwangsweise umgesiedelt,

z.B. ins Altaigebiet in Westsibirien.

In Moskau kommt es zu Pogromen gegen Deutsche.

Nach der Oktoberrevolution 1917

wird eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen,

ASSR gegründet.

Als dann 1933 Adolf Hitler an die Macht gelangt,

wird die Lage für die Deutschen in der Sowjetunion schwieriger.

Weil sie als Agenten verdächtigt werden,

siedelt man sie brutal um.

Aber warum kommt das so plötzlich?

Die Deutschen bilden in Russland eine nationale Minderheit.

Minderheiten legen meist sehr viel Wert auf ihre Traditionen,

auf ihre Kultur, ihre Feste, ihre Sprache.

In einem großen Reich, in einem Imperium,

gibt es immer eine ganze Reihe von nationalen Minderheiten.

Im heutigen Deutschland gibt es vier nationale Minderheiten.

Die Friesen, die Dänen, die Sorben und die Sinti & Roma. Im Zarenreich Russland und in der Sowjetunion

gibt es sehr viel mehr Minderheiten.

Diese Minderheiten sind den Herrschenden oft verdächtig.

Sie lassen sich nicht so einfach kontrollieren.

Minderheiten sind immer sehr wachsam, dass sie keiner unterdrückt.

Jetzt ist es so, dass Diktaturen gerne alles Schlechte

auf irgendwelche Sündenböcke abwälzen.

Das kennen wir in Deutschland zur Genüge.

Hier in Deutschland suchte man sich keine nationale Minderheit raus,

sondern eine religiöse, die Juden.

Die Juden sind an diesem und jenem schuld.

Sie verbünden sich mit dem Feind, um der Mehrheit zu schaden.

Das kennt ihr.

Genauso läuft das auch in Russland, in der Sowjetunion, ab.

Hintergrund ist natürlich die Feindschaft von Nazis und Sowjets

und der Überfall auf die Sowjetunion.

Menschen werden deportiert,

müssen ihre Häuser, Dörfer, Felder verlassen.

Sie bekommen einen Stempel in den Pass.

Wer einen solchen Stempel im Pass hat, erleidet viele Nachteile.

Er darf z.B. in vielen Berufen gar nicht arbeiten.

Um die Minderheit von ihrer Tradition abzuschneiden,

wird den Menschen verboten, deutsch zu sprechen.

Die Autonome Republik wird aufgelöst.

Die Russlanddeutschen werden zu Personen minderen Rechts gemacht.

Sie haben also weniger Rechte als ihre russischen Mitbürger.

Stalin will sie aber besonders hart treffen.

Er will die Minderheit loswerden.

Das bedeutet, dass ihre Dörfer umbenannt werden

und nun russische Namen tragen,

ihre Kunstgegenstände und Bücher vernichtet werden.

Ihr Vermögen wird ihnen weggenommen, sie müssen Zwangsarbeit leisten.

Solche Maßnahmen treffen auch die deutschen Siedler

im Schwarzmeergebiet und der Ukraine.

Diejenigen, die in ihren Dörfern bleiben dürfen,

empfangen die deutsche Wehrmacht dann als Befreier

und teilweise rächen sie sich nun.

Zum Ende des Krieges fliehen viele in den Westen.

Aber eben längst nicht alle.

Stalin schickt die Deutschen in die Wälder zum Holzfällen,

zum Graben in die Stollen der Bergwerke,

zum Pflücken in die Baumwollplantagen von Tadschikistan.

Erst Ende des Jahres 1955

verbessern sich die diplomatischen Beziehungen

der BRD und der Sowjetunion.

Aber die Russlanddeutschen dürfen nicht

in ihre alten Siedlungsgebiete zurückkehren.

Sie bekommen auch keine Entschädigung für das, was man ihnen genommen hat.

Und sie dürfen ihre Traditionen nicht pflegen.

Alles, was deutsch ist, ist in der Sowjetunion Langezeit nichts wert.

Nach dem schrecklichen Krieg auch ein wenig verständlich.

Viele derjenigen, die zwangsumgesiedelt wurden,

wollen jetzt nur noch eines: weg.

Ausreisen, in den Westen ziehen.

Denn nun haben sie kein Zuhause mehr.

Aber bis zum Jahr 1986

dürfen nur knapp 100.000 Menschen

die Sowjetunion in Richtung Bundesrepublik verlassen.

Die, die bleiben wollen oder müssen,

hoffen darauf, dass ihnen Gerechtigkeit zuteilwird,

dass anerkannt wird, dass ihnen zu Unrecht Leid zugefügt wurde.

Aber daraus wird nichts.

Sie erleben weiter Feindseligkeiten.

Das führt dazu, dass die Menschen,

so gut es eben geht, ihr Deutschtum pflegen.

Die Sprache und die Bräuche.

Viele sind sehr religiös.

Das wird nachher noch mal wichtig.

Dieser Zusammenhalt einer kleinen Gruppe,

dieses Ausgestoßensein, weil man deutsch ist,

was auch immer das bedeuten soll.

Erst als Michail Gorbatschow 1985 als Generalsekretär des ZK der KPDSU

mit seinen Prinzipien Glasnost und Perestroika,

also Offenheit und Umgestaltung, Reformen ankündigt,

gibt es wieder Hoffnung.

Das Parlament erklärt,

dass viele Minderheiten und Völker in der Sowjetunion

ungesetzlich und verbrecherisch behandelt wurden.

Jetzt hat sich die Lage vieler Russlanddeutscher aber geändert.

Sie leben gar nicht mehr in der Sowjetunion.

Die ist seit Ende 1991 aufgelöst.

Sie leben nicht mal mehr in Russland.

Jetzt leben sie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Kasachstan, Ukraine, Kirgisistan,

Tadschikistan und Usbekistan.

Auch dort sind sie eine Minderheit.

In diesen jungen Staaten herrscht oft ein rauer Nationalismus.

Es gibt Nationalitätenkonflikte,

die in Kriegen ausgetragen werden.

Oft blüht der Islamismus.

Viele wollen weg, und wer die Chance bekommt,

der zieht jetzt in die Heimat seiner Vorfahren zurück.

In das nun wiedervereinigte Deutschland.

Einem demokratischen Rechtsstaat,

der Frieden und Gleichberechtigung verspricht.

Und Deutschland ist ein reiches Land

mit einem gut funktionierenden Sozialstaat.

Wenn man das mal mit der Lage in den Nachfolgestaaten

der Sowjetunion in den 1990er Jahren vergleicht.

Die Zuwanderung der Russlanddeutschen erstreckt sich

vom Ende der 1980er Jahre bis in die beginnenden 2000er Jahre.

Verlässliche Zahlen gibt es nicht.

Aber wenn ihr euch merkt, dass etwa 3 Mio. Russlanddeutsche

in dieser Zeit nach Deutschland einwandern,

dann liegt ihr nicht so verkehrt.

Diese Zuwanderung stößt bei der einheimischen Bevölkerung

nicht immer auf große Gegenliebe.

Wie immer.

Da fliehen Menschen vor Anfeindungen

und werden im Ankunftsland gleich wieder angefeindet.

In Deutschland sagen viele Menschen:

"Da darf ja jeder kommen, der mal 'nen Schäferhund hatte."

Gemeint ist,

das sind ja gar keine richtigen Deutschen.

Oder es wird gesagt: "Typisch!

Können kein Wort Deutsch, aber wollen Sozialhilfe abgreifen."

Stimmt das denn?

Na ja, an der Sache mit der Sprache ist teilweise schon etwas dran.

Viele derer, die nach Deutschland kommen und Russlanddeutsche sind,

sprechen Deutsch entweder kaum

oder gar nicht und müssen es erst mal lernen.

Auch die Kultur ist teilweise eine andere als die hier in Deutschland.

Zunächst mal ist eines ganz wichtig.

Dass sie gekommen sind, geschieht auf Grundlage des Grundgesetzes

sowie des Bundesvertriebenengesetzes.

Sie geben den russlanddeutschen Spätaussiedlern das Recht,

nach Deutschland zu kommen.

Vereinfacht gesagt, die BRD hat die Tür für diejenigen offengehalten,

die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht fliehen konnten.

Sie haben auch ein Recht auf Eingliederungshilfen und Sprachkurse.

Leider meinen manche Einheimische, ihnen wird was weggenommen.

Natürlich gibt es Probleme,

wenn viele Menschen kommen und keine Wohnungen oder Häuser haben,

keine Arbeit usw.

Der Bundestag schränkt die Gesetze dann sogar ein.

Es wird eine Obergrenze eingeführt.

Zuwanderer bekommen einen Wohnsitz zugewiesen,

den sie nicht verlassen dürfen.

Hinterbliebene dürfen nur unter strengen Bedingungen nachziehen.

Die Russlanddeutschen haben dagegen nicht protestiert.

Die meisten arbeiten sogar in Jobs, für die sie überqualifiziert sind.

Ihre Abschlüsse werden meist nicht anerkannt.

Dass viele nicht gut Deutsch sprechen, kommt daher,

dass Deutschsprechen in der Sowjetunion schlicht verboten war.

Ein ganz anderer Aspekt:

viele russlanddeutsche Familien sind sehr gläubig.

V.a. evangelische Gemeinden haben davon profitiert,

dass neue Mitglieder gekommen sind.

Überhaupt haben Sportvereine in den 1990er Jahren

sich wahnsinnig über die Neuankömmlinge gefreut.

Denn Sport war in der sowjetischen Schule sehr wichtig.

Also es ist eine Frage der Perspektive.

Das eigentlich Problem in den 1990ern ist,

dass die Politikerinnen und Politiker nicht erklärt haben,

wieso die Russlanddeutschen kommen.

Vielleicht hat man geglaubt,

das wäre nicht nötig, schließlich handelt es sich um Deutsche.

Aber um Deutsche, deren Familien jahrhundertelang

als Minderheit außerhalb Deutschlands gelebt haben.

Ich hab mal gelesen,

sie sind zweimal durch das Wort "kein" definiert.

Keine Russen.

Aber auch keine Deutschen.

Die Geschichte der Russlanddeutschen ist noch nicht zu Ende.

Deshalb hab ich auch was zu aktuellen Fragen gesagt.

Aber vielmehr interessiert mich da natürlich eure Meinung.

Wie funktioniert das Zusammenleben der Russlanddeutschen

und schon immer hier lebenden deutschen Familien aus eurer Sicht?

Habt ihr selbst einen entsprechenden Hintergrund?

Sind eure Familien aus der ehemaligen Sowjetunion geflohen?

Was haben eure Familien, was habt ihr erlebt?

Schreibt's gern unten in die Kommentare.

Und ihr wisst, wenn ihr kein Video mehr verpassen wollt,

abonniert den Kanal einfach.

Danke fürs Zuschauen. Bis zum nächsten Mal.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)


Die Geschichte der Russlanddeutschen I Geschichte The history of the Russian Germans I History A história dos alemães russos I História

Russen mit deutschen Vorfahren? Russians with German ancestors?

Oder Deutsche, die seit Generationen in Russland leben? Or Germans who have lived in Russia for generations?

Wenn wir von den Russlanddeutschen sprechen, When we speak of the Russian Germans

wen meinen wir damit eigentlich? who do we mean by that?

Eine Antwort auf diese Frage jetzt in diesem Video.

Starten wir mal mit dem 15. Jh. Let's start with the 15th century.

Das russische Reich wächst seit dieser Zeit The Russian Empire grows since that time

in atemberaubender Geschwindigkeit. at breathtaking speed.

Bis zum 18. Jh. entsteht ein riesiges Territorium. By the 18th century, a huge territory is created.

Es mangelt an nichts. Nothing is lacking. Ничего не пропало.

Außer an Siedlern, die den Boden beackern und das Land nutzbar machen. Except for settlers who cultivate the soil and make the land usable. За исключением поселенцев, которые возделывают землю и делают землю пригодной для использования.

Die Kaiserin Katharina II, die man auch Katharina die Große nennt,

veröffentlicht im Jahr 1763 einen Kolonistenbrief published a letter to colonists in 1763

in mehreren europäischen Sprachen. in several European languages.

Darin wirbt sie um ausländische Siedler, In it she advertises for foreign settlers,

die sich in Russland niederlassen sollen.

Damit die Menschen kommen, verspricht sie Vergünstigungen. So that people come, she promises discounts.

Das Land steht kostenfrei zur Verfügung. The country is available free of charge.

Einige Jahre müssen die Siedler keine Steuern zahlen, For a few years the settlers do not have to pay taxes,

dürfen ihre Gemeinschaften selbst verwalten und organisieren, are allowed to manage and organize their communities themselves,

werden nicht zum Militärdienst herangezogen, are not used for military service,

dürfen ihre Religion frei wählen und, wenn sie denn wollen, are free to choose their religion and, if they want,

auch jederzeit in ihre alte Heimat zurückkehren. return to their old home at any time.

In den deutschen Kleinstaaten damals In the small German states at that time

finden viele Leute das Angebot attraktiv. many people find the offer attractive.

Aus Westfalen, Hessen, Preußen, Sachsen und Württemberg

wanderten Familien nach Russland aus.

Die russischen Behörden lenkten die Zuwanderer gezielt in die Gebiete The Russian authorities specifically directed immigrants into the areas

rund um Saratow. around Saratov.

Das liegt an der Wolga. This is due to the Volga.

Das ist ein ziemlich großes Gebiet für die neuen Siedler.

Für das Russische Reich ist es ein winziger Fleck. It is a tiny spot for the Russian Empire.

Die Gegend ist so groß wie Belgien. The area is as big as Belgium.

Spätere Einwanderer aus Deutschland lassen sich dann in Wolyn, Later immigrants from Germany then settle in Wolyn,

oder auf Deutsch Wolhynien, nieder. or in German Wolhynien, down.

Das liegt westlich von Kiew in der Ukraine. It is located west of Kiev in the Ukraine.

Andere finden ihre neue Heimat in der Schwarzmeergegend Others find their new home in the Black Sea region

zwischen Bessarabien, wo die Donau mündet, between Bessarabia, where the Danube flows,

oder auch in Rostow.

Bis Ende der 1770er Jahre wandern ungefähr 30.000 Menschen ein By the late 1770s, approximately 30,000 people immigrated

und siedeln sich in 66 evangelischen und 38 katholischen Kolonien an.

In der zweiten Einwanderungswelle im frühen 19. Jh. In the second wave of immigration in the early 19th century

unter Zar Alexander I under Tsar Alexander I

kommen noch einmal über 50.000 Menschen, come again over 50,000 people

die sich weiter im Süden niederlassen.

Hauptsächlich Bauern und Handwerker mit ihren Familien. Mainly farmers and artisans with their families.

Die Russlanddeutschen gelten als zarentreu und religiös. The Russian Germans are considered loyal to the tsar and religious.

Vor dem Ersten Weltkrieg leben über 2 Mio. Deutsche im Zarenreich. Before the First World War over 2 million Germans lived in the Tsarist Empire.

Die meisten, jeweils etwas mehr als eine halbe Million Menschen, Most, just over half a million people each, Большинство, чуть более полумиллиона человек одновременно,

an der Wolga und in der Schwarzmeergegend.

Fast ebenso viele aber auch im Baltikum Almost as many, however, also in the Baltic States

und in den Städten St. Petersburg und Moskau. and in the cities of St. Petersburg and Moscow.

Mit Gründung des Deutschen Kaiserreichs werden die Deutschen With the establishment of the German Empire, the Germans

von den russischen Behörden genauer beobachtet. closely watched by the Russian authorities. более пристально наблюдались российскими властями.

Man fürchtet,

sie könnten sich vom nationalen Hochgefühl anstecken lassen. they could be infected by national elation.

Nach und nach verlieren die Russlanddeutschen ihre Privilegien, Little by little, the Russian Germans lose their privileges

ihre Vorrechte. their prerogatives.

Sie müssen z.B. zum Wehrdienst antreten. For example, you have to start military service.

Tausende wandern daraufhin nach Kanada oder Argentinien aus. Thousands then emigrate to Canada or Argentina.

1891 wird auch in den deutschen Schulen im Zarenreich 1891 is also in the German schools in the Tsarist Empire

Russisch als Pflichtsprache eingeführt. Russian introduced as a mandatory language.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs With the outbreak of the First World War

gelten die Deutschen als unzuverlässig. the Germans are considered unreliable.

Hunderttausende werden zwangsweise umgesiedelt, Hundreds of thousands are forcibly relocated

z.B. ins Altaigebiet in Westsibirien. eg to the Altai region in western Siberia.

In Moskau kommt es zu Pogromen gegen Deutsche.

Nach der Oktoberrevolution 1917

wird eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, becomes an Autonomous Socialist Soviet Republic of the Volga Germans,

ASSR gegründet.

Als dann 1933 Adolf Hitler an die Macht gelangt, Then when Adolf Hitler came to power in 1933,

wird die Lage für die Deutschen in der Sowjetunion schwieriger. the situation for the Germans in the Soviet Union becomes more difficult.

Weil sie als Agenten verdächtigt werden, Because they are suspected of being agents

siedelt man sie brutal um. you brutally relocate them.

Aber warum kommt das so plötzlich? But why does it come so suddenly?

Die Deutschen bilden in Russland eine nationale Minderheit. The Germans form a national minority in Russia.

Minderheiten legen meist sehr viel Wert auf ihre Traditionen, Minorities usually attach great importance to their traditions,

auf ihre Kultur, ihre Feste, ihre Sprache.

In einem großen Reich, in einem Imperium,

gibt es immer eine ganze Reihe von nationalen Minderheiten. there are always a number of national minorities. всегда есть целый ряд национальных меньшинств.

Im heutigen Deutschland gibt es vier nationale Minderheiten.

Die Friesen, die Dänen, die Sorben und die Sinti & Roma. The Frisians, the Danes, the Sorbs and the Sinti & Roma. Im Zarenreich Russland und in der Sowjetunion In the Russian Empire and in the Soviet Union

gibt es sehr viel mehr Minderheiten.

Diese Minderheiten sind den Herrschenden oft verdächtig. These minorities are often suspect of the rulers.

Sie lassen sich nicht so einfach kontrollieren. They are not so easy to control.

Minderheiten sind immer sehr wachsam, dass sie keiner unterdrückt. Minorities are always very vigilant that nobody suppresses them. Меньшинства всегда очень бдительны, чтобы их никто не притеснял.

Jetzt ist es so, dass Diktaturen gerne alles Schlechte Now dictatorships like to do everything bad

auf irgendwelche Sündenböcke abwälzen. to roll on some scapegoats. передать его какому-то козлу отпущения.

Das kennen wir in Deutschland zur Genüge. We know that well enough in Germany.

Hier in Deutschland suchte man sich keine nationale Minderheit raus, No national minority was selected here in Germany,

sondern eine religiöse, die Juden. but a religious one, the Jews.

Die Juden sind an diesem und jenem schuld. The Jews are to blame for this and that.

Sie verbünden sich mit dem Feind, um der Mehrheit zu schaden. They ally themselves with the enemy to harm the majority.

Das kennt ihr. You know that.

Genauso läuft das auch in Russland, in der Sowjetunion, ab. It is the same in Russia, in the Soviet Union.

Hintergrund ist natürlich die Feindschaft von Nazis und Sowjets The background is of course the enmity of Nazis and Soviets

und der Überfall auf die Sowjetunion.

Menschen werden deportiert,

müssen ihre Häuser, Dörfer, Felder verlassen. have to leave their houses, villages, fields.

Sie bekommen einen Stempel in den Pass. You will get a stamp in your passport.

Wer einen solchen Stempel im Pass hat, erleidet viele Nachteile. Those who have such a stamp in their passport suffer many disadvantages.

Er darf z.B. in vielen Berufen gar nicht arbeiten. For example, he is not allowed to work in many professions.

Um die Minderheit von ihrer Tradition abzuschneiden, To cut the minority off from their tradition,

wird den Menschen verboten, deutsch zu sprechen. is forbidden to people to speak German.

Die Autonome Republik wird aufgelöst. The Autonomous Republic is dissolved.

Die Russlanddeutschen werden zu Personen minderen Rechts gemacht. The Russian Germans are made into persons of lesser right.

Sie haben also weniger Rechte als ihre russischen Mitbürger.

Stalin will sie aber besonders hart treffen.

Er will die Minderheit loswerden.

Das bedeutet, dass ihre Dörfer umbenannt werden This means that their villages will be renamed

und nun russische Namen tragen,

ihre Kunstgegenstände und Bücher vernichtet werden.

Ihr Vermögen wird ihnen weggenommen, sie müssen Zwangsarbeit leisten. Their property is taken from them and they have to do forced labor.

Solche Maßnahmen treffen auch die deutschen Siedler The German settlers also take such measures

im Schwarzmeergebiet und der Ukraine.

Diejenigen, die in ihren Dörfern bleiben dürfen, Those who are allowed to stay in their villages

empfangen die deutsche Wehrmacht dann als Befreier

und teilweise rächen sie sich nun. and some of them are now taking revenge.

Zum Ende des Krieges fliehen viele in den Westen.

Aber eben längst nicht alle. But by no means all.

Stalin schickt die Deutschen in die Wälder zum Holzfällen, Stalin sends the Germans into the woods to cut wood, Сталин посылает немцев в леса рубить дрова,

zum Graben in die Stollen der Bergwerke, to dig in the tunnels of the mines,

zum Pflücken in die Baumwollplantagen von Tadschikistan. for picking in the cotton plantations of Tajikistan.

Erst Ende des Jahres 1955 Not until the end of 1955

verbessern sich die diplomatischen Beziehungen

der BRD und der Sowjetunion.

Aber die Russlanddeutschen dürfen nicht

in ihre alten Siedlungsgebiete zurückkehren.

Sie bekommen auch keine Entschädigung für das, was man ihnen genommen hat. Nor do they get any compensation for what has been taken from them.

Und sie dürfen ihre Traditionen nicht pflegen.

Alles, was deutsch ist, ist in der Sowjetunion Langezeit nichts wert. Everything that is German is worth nothing in the Soviet Union for a long time.

Nach dem schrecklichen Krieg auch ein wenig verständlich.

Viele derjenigen, die zwangsumgesiedelt wurden, Many of those who have been forcibly relocated

wollen jetzt nur noch eines: weg. now only want one thing: away.

Ausreisen, in den Westen ziehen. Leave, move to the west.

Denn nun haben sie kein Zuhause mehr. Because now they no longer have a home.

Aber bis zum Jahr 1986

dürfen nur knapp 100.000 Menschen

die Sowjetunion in Richtung Bundesrepublik verlassen.

Die, die bleiben wollen oder müssen, Those who want or have to stay

hoffen darauf, dass ihnen Gerechtigkeit zuteilwird, hope that justice will be done

dass anerkannt wird, dass ihnen zu Unrecht Leid zugefügt wurde. that it is recognized that they have been wrongly harmed.

Aber daraus wird nichts. But nothing will come of it.

Sie erleben weiter Feindseligkeiten. They continue to experience hostilities. Вы продолжаете испытывать военные действия.

Das führt dazu, dass die Menschen, This means that the people

so gut es eben geht, ihr Deutschtum pflegen. Maintain your Germanness as best you can.

Die Sprache und die Bräuche. The language and the customs.

Viele sind sehr religiös.

Das wird nachher noch mal wichtig.

Dieser Zusammenhalt einer kleinen Gruppe, This cohesion of a small group

dieses Ausgestoßensein, weil man deutsch ist, this being outcast because one is German,

was auch immer das bedeuten soll. whatever that is supposed to mean.

Erst als Michail Gorbatschow 1985 als Generalsekretär des ZK der KPDSU

mit seinen Prinzipien Glasnost und Perestroika, with its principles glasnost and perestroika,

also Offenheit und Umgestaltung, Reformen ankündigt, that means openness and transformation, announcing reforms,

gibt es wieder Hoffnung. there is hope again.

Das Parlament erklärt,

dass viele Minderheiten und Völker in der Sowjetunion

ungesetzlich und verbrecherisch behandelt wurden. were treated illegally and criminally.

Jetzt hat sich die Lage vieler Russlanddeutscher aber geändert. But now the situation of many Russian Germans has changed.

Sie leben gar nicht mehr in der Sowjetunion.

Die ist seit Ende 1991 aufgelöst.

Sie leben nicht mal mehr in Russland. You don't even live in Russia anymore.

Jetzt leben sie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Now they live in the successor states of the Soviet Union.

Kasachstan, Ukraine, Kirgisistan,

Tadschikistan und Usbekistan.

Auch dort sind sie eine Minderheit. There, too, they are a minority.

In diesen jungen Staaten herrscht oft ein rauer Nationalismus.

Es gibt Nationalitätenkonflikte,

die in Kriegen ausgetragen werden. that are fought in wars.

Oft blüht der Islamismus. Islamism often flourishes.

Viele wollen weg, und wer die Chance bekommt, Many want to leave, and whoever gets the chance

der zieht jetzt in die Heimat seiner Vorfahren zurück.

In das nun wiedervereinigte Deutschland.

Einem demokratischen Rechtsstaat,

der Frieden und Gleichberechtigung verspricht.

Und Deutschland ist ein reiches Land And Germany is a rich country

mit einem gut funktionierenden Sozialstaat.

Wenn man das mal mit der Lage in den Nachfolgestaaten If you think about the situation in the successor states

der Sowjetunion in den 1990er Jahren vergleicht. compares the Soviet Union in the 1990s.

Die Zuwanderung der Russlanddeutschen erstreckt sich The immigration of Germans from Russia extends

vom Ende der 1980er Jahre bis in die beginnenden 2000er Jahre.

Verlässliche Zahlen gibt es nicht.

Aber wenn ihr euch merkt, dass etwa 3 Mio. Russlanddeutsche

in dieser Zeit nach Deutschland einwandern,

dann liegt ihr nicht so verkehrt. then you are not so wrong.

Diese Zuwanderung stößt bei der einheimischen Bevölkerung This immigration is bumping into the local population

nicht immer auf große Gegenliebe. not always on great love.

Wie immer.

Da fliehen Menschen vor Anfeindungen People flee from hostility

und werden im Ankunftsland gleich wieder angefeindet.

In Deutschland sagen viele Menschen:

"Da darf ja jeder kommen, der mal 'nen Schäferhund hatte." "Anyone who has ever had a German Shepherd can come." «Любой, у кого когда-то была немецкая овчарка, может прийти».

Gemeint ist, Is meant,

das sind ja gar keine richtigen Deutschen. they're not really Germans at all.

Oder es wird gesagt: "Typisch!

Können kein Wort Deutsch, aber wollen Sozialhilfe abgreifen."

Stimmt das denn?

Na ja, an der Sache mit der Sprache ist teilweise schon etwas dran.

Viele derer, die nach Deutschland kommen und Russlanddeutsche sind, Many of those who come to Germany and are Russian Germans

sprechen Deutsch entweder kaum

oder gar nicht und müssen es erst mal lernen.

Auch die Kultur ist teilweise eine andere als die hier in Deutschland. The culture is also partly different from that here in Germany.

Zunächst mal ist eines ganz wichtig.

Dass sie gekommen sind, geschieht auf Grundlage des Grundgesetzes The fact that they came is based on the Basic Law

sowie des Bundesvertriebenengesetzes. as well as the Federal Expellees Act.

Sie geben den russlanddeutschen Spätaussiedlern das Recht, They give the Russian-German repatriates the right

nach Deutschland zu kommen.

Vereinfacht gesagt, die BRD hat die Tür für diejenigen offengehalten, Put simply, the FRG has kept the door open for those

die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht fliehen konnten. who could not escape after the Second World War.

Sie haben auch ein Recht auf Eingliederungshilfen und Sprachkurse. You also have the right to integration assistance and language courses.

Leider meinen manche Einheimische, ihnen wird was weggenommen. Unfortunately, some locals think that something is being stolen from them. К сожалению, некоторые местные жители думают, что у них что-то отнимают.

Natürlich gibt es Probleme,

wenn viele Menschen kommen und keine Wohnungen oder Häuser haben,

keine Arbeit usw.

Der Bundestag schränkt die Gesetze dann sogar ein. The Bundestag then even restricts the laws.

Es wird eine Obergrenze eingeführt. An upper limit will be introduced. Вводится верхний предел.

Zuwanderer bekommen einen Wohnsitz zugewiesen,

den sie nicht verlassen dürfen. which they are not allowed to leave.

Hinterbliebene dürfen nur unter strengen Bedingungen nachziehen. Surviving dependents are only allowed to move under strict conditions.

Die Russlanddeutschen haben dagegen nicht protestiert.

Die meisten arbeiten sogar in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. Most even work in jobs for which they are overqualified.

Ihre Abschlüsse werden meist nicht anerkannt. Most of your qualifications are not recognized.

Dass viele nicht gut Deutsch sprechen, kommt daher,

dass Deutschsprechen in der Sowjetunion schlicht verboten war. that speaking German was simply forbidden in the Soviet Union.

Ein ganz anderer Aspekt:

viele russlanddeutsche Familien sind sehr gläubig. many Russian-German families are very religious.

V.a. evangelische Gemeinden haben davon profitiert, Especially evangelical congregations have benefited from

dass neue Mitglieder gekommen sind.

Überhaupt haben Sportvereine in den 1990er Jahren

sich wahnsinnig über die Neuankömmlinge gefreut. is really happy about the newcomers.

Denn Sport war in der sowjetischen Schule sehr wichtig.

Also es ist eine Frage der Perspektive.

Das eigentlich Problem in den 1990ern ist,

dass die Politikerinnen und Politiker nicht erklärt haben,

wieso die Russlanddeutschen kommen.

Vielleicht hat man geglaubt,

das wäre nicht nötig, schließlich handelt es sich um Deutsche. that would not be necessary, after all, they are Germans.

Aber um Deutsche, deren Familien jahrhundertelang But about Germans, whose families have been around for centuries

als Minderheit außerhalb Deutschlands gelebt haben. have lived as a minority outside Germany.

Ich hab mal gelesen,

sie sind zweimal durch das Wort "kein" definiert.

Keine Russen.

Aber auch keine Deutschen.

Die Geschichte der Russlanddeutschen ist noch nicht zu Ende.

Deshalb hab ich auch was zu aktuellen Fragen gesagt.

Aber vielmehr interessiert mich da natürlich eure Meinung. But of course I'm more interested in your opinion.

Wie funktioniert das Zusammenleben der Russlanddeutschen

und schon immer hier lebenden deutschen Familien aus eurer Sicht?

Habt ihr selbst einen entsprechenden Hintergrund?

Sind eure Familien aus der ehemaligen Sowjetunion geflohen?

Was haben eure Familien, was habt ihr erlebt?

Schreibt's gern unten in die Kommentare.

Und ihr wisst, wenn ihr kein Video mehr verpassen wollt,

abonniert den Kanal einfach.

Danke fürs Zuschauen. Bis zum nächsten Mal.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)