Lass es doch klingeln
Kein Haushalt mehr ohne Anrufbeantworter. Aber die Kommunikation verläuft nicht immer reibungslos. Merkwürdige Ansagen, knappe Texte – es gibt nichts, was man vom Band nicht hört.
Und wieder hat jemand den Mund aufgemacht. Diesmal war es ein Freund auf seinem Anrufbeantworter: „Guten Tag. Hier spricht Gott. Leider bin ich derzeit außer Haus. Bitte sprechen sie nach dem ‚Piep‘.“ Mäßig amüsiert sprach ich dann nicht.
Angst vor dem Anrufbeantworter
Leider sind Sprüche wie dieser längst Alltag. Da die meisten Menschen außer Haus sind und zwar grundsätzlich, müssen sich Millionen Deutsche täglich mehrfach möglichst individuelle, möglichst witzige Botschaften anhören. Und dann auch noch etwas sagen. Aber wie spricht man Gott aufs Band?
Untersuchungen haben gezeigt, dass die wenigsten Menschen nach dem ‚Piep‘ gerne etwas sagen. Vielmehr gilt den meisten der seelenlose Sprechapparat als Gegner. Woran das liegt? Es ist wohl schlicht und ergreifend Angst. Angst, vor dem Gerät zu versagen und nichts als blödsinnige Stammelei dort zu hinterlassen, wo flüssiges, druckreifes Deutsch erwartet wird.
Stottern und Stammeln
Nur selten bleibt dem geplagten Anrufer genügend Zeit, einen klaren Gedanken zu formulieren. Das Problem: Nach oft weniger als 20 Sekunden lauert der unbarmherzige Signalton und fordert seinen Tribut.
Es piept oder pfeift, und siehe da, Diktion und Inhalt, alles ist wie weggeblasen und hastig bestottert man die Maschine. „Du, ja, wenn ich morgen, also, nicht kann, weißt du, dass wir, wie immer, klar ... .“ Spätestens jetzt ist gar nichts mehr klar und man fühlt sich elend und verflucht die modernen Zeiten.
Knapp daneben
Am nervigsten, ärgerlichsten, unangenehmsten, leidigsten oder kurz: absolut unerträglich ist es, wenn Anrufbeantworter auf den Humor ihrer Besitzer treffen. Wird mir eine Ansage zu lustig, lege ich inzwischen sofort auf.
Aus Protest und weil ich es einfach nicht mehr hören kann: originell, individuell quillt die Persönlichkeit des Sprechers – oder das, was er dafür hält – aus jeder Silbe. „Richtige Nummer, falscher Zeitpunkt. Sprechen sie jetzt!“ – häufiger werden nur Bibelsätze wiederholt.
Unentdeckte Talente
Unentdeckte Popstars bringen sich selbst ganz groß raus mit ihren Songs aufs Band und verkannte Dichter langweilen die Anrufer mit Lyrik: „Weile gerade nicht im Land, sprich mir deshalb schnell aufs Band!“.
Oder noch ambitionierter: „Das Band ist vom Vorübergehen der Töne so voll geworden, dass es nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Töne gäbe, nur keinen, der ihm auch gefällt.“ Das ist Folter. Und Rilke dreht im Grabe Pirouetten.
Der kleine Schelm
Ganz besonders lustig kommen die Sprüche daher, die einem vorgaukeln, der Angerufene nähme den Hörer ab. Na, da ist man ja wieder so richtig aufs Kreuz gelegt worden. Dieser Witz ist beinahe so alt wie das Telefon selbst, aber der wahre Schelm schreckt vor keinem Anachronismus zurück.
Besonders beliebt bei jungen Familien ist die Variante Kleinkindgequatsche. Der kleine Max darf dann ein paar Worte brabbeln und voller Elternstolz liefern Mama und Papa die fehlenden Informationen nach – zum Beispiel, wen man eigentlich angerufen hat. Warum bloß muss jeder, der ein Kind hat, das jedem anderen auf die Nase beziehungsweise um die Ohren binden?
Der „AB“ als sozialer Schutzwall
Und wenn wir schon von Grausamkeiten reden: Für manche dient der auch verniedlichend genannte „AB“ als sozialer Schutzwall. Und an dem muss man als Anrufer erstmal vorbei.
Ich habe da so einen Freund, von dem ich genau weiß: er wartet ab und hört sich zuerst an, wer anruft, um dann gnädig das Telefonat anzunehmen oder abzulehnen. Hilflos ist man dem Erbarmen seines gewünschten Gesprächspartners ausgeliefert und reiht Wort an Wort, um ihr oder ihm doch noch die Gelegenheit zu geben, den Hörer abzunehmen.
Gott hat keinen „AB“
Aber oft brät man im Desinteresse des Angerufenen und gibt nach fünf Minuten sinnlosen Selbstgespräches dann schließlich auf. Doch ob wirklich jemand zu Hause ist, das weiß dann wohl nur Gott. – Aber der ist ja nicht da.