Museum
Das Bezirksmuseum in meiner Heimatstadt Stockerau bei Wien war das erste Museum, das ich als solches wahrnahm und lange Zeit regelmäßig besuchte.
Fast jeden Sonntag Vormittag ging ich in dieses Museum, das wie eine kleine Ausgabe der großen Wiener Museen, vor allem des Naturhistorischen Museums, aufgebaut war. Es begann mit einem Saal voll von ausgestopften Tieren, die es in unserer Gegend gibt, zusammen mit Informationen über die Auen, also die Wälder entlang der Donau, die Wiesen und die Altarme der Donau sowie die Hügelketten nördlich der Donau, die sogenannte Klippenzone des Weinviertels in Niederösterreich.
Besonders gefielen mir die Greifvögel: der Mäusebussard, der Habicht, der Milan und der Turmfalke. Der Seeadler war damals ausgestorben; er ist erst seit 2001 wieder in Österreich heimisch. Im nächsten Saal folgten Funde aus der Frühzeit der Erdgeschichte.
Die Eiszeiten hinterließen entlang der Donau Schotterterrassen, in denen Knochen von Mammuts und anderen ausgestorbenen Tieren konserviert wurden. Noch früher war hier ein warmes, flaches Meer, in dem sich Korallenbänke und Kalkklippen bildeten. Daraus entstanden die niedrigen Berge oder Hügel nördlich von Wien, auf denen man versteinerte Austernbänke und andere Meeresfossilien gefunden hat. Durch diese Funde angeregt wurde ich fast zu einem Hobby-Paläontologen. Als nächstes kamen die Funde der Stein- und Bronzezeit: Tontöpfe und Metallgegenstände, Spinnwirteln und Schmuck.
In unserer Region gibt es künstlich aufgeschüttete Erdhügel, in denen man bronzezeitliche Grabbeigaben gefunden hat. So ein Hügelgrab heißt Tumulus. Ich erfuhr, dass es hier einmal eine Urnenfelderkultur und eine Bandkeramikerkultur gegeben hat, Illyrer, Kelten und Germanen. Hier, nördlich der Donau, war keine römische Provinz; es war "Barbarenland", aber der Handel brachte natürlich auch Gebrauchsgegenstände und Juwelen aus südlichen Gegenden hierher. Das alles weckte meine Neugier und mein Interesse für die Archäologie. In weiteren Ausstellungsräumen ging es dann noch um die Geschichte meiner Heimatstadt, vom Dorf, über den Markt, bis zur Stadterhebung im Jahre 1893.
Die Leute, die hier als Bauern und Holzfäller (mittelhochdeutsch Stocker genannt) lebten sollen angeblich den Märtyrertod des Heiligen Koloman auf dem Gewissen haben. Er soll ein irischer Königssohn gewesen sein, der 1012 auf einer Pilgerreise ins Heilige Land hier aufgegriffen, als Spion des böhmischen Königs verdächtigt und aufgehängt wurde (Wikipedia). Kaiser Friedrich III. verlieh dem Dorf 1465 das Marktrecht und Kaiser Maximilian I. 1514 das Wappen. Viele Dokumente und Gebrauchsgegenstände des Alltags, vom Mittelalter bis ins 20 Jahrhundert gaben Einblick in das Leben und die wechselvolle Geschichte und Zeitgeschichte des Ortes.
Da waren kaiserliche Heere einquartiert, Schweden, Franzosen und Preußen durchgezogen und hatten Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen. Im 20. Jahrhundert erlebte die Stadt schließlich zwei Weltkriege, die Zeit des Anschlusses und das Dritte Reich und danach die zehnjährige Besatzungszeit, was hier die Anwesenheit von russischen Soldaten bedeutete. Also wenn das nicht Anlass genug war, sich für Geschichte, Sprachen und fremde Länder und Kulturen zu interessieren! Zu Hause hatte ich mein eigenes kleines Museum: Steine, beziehungsweise Mineralien, so manche Fossilien und Tonscherben, die ich auf Äckern, bei Spaziergängen und Wanderungen gefunden hatte sammelte ich auf einem Regal, das für mich diesen Namen verdiente.
Besuche der großen Wiener Museen, des Naturhistorischen, des Kunsthistorischen und des Völkerkundemuseums sowie Ausflüge zu Ausgrabungsstätten, wie Carnuntum, dem Hauptort der römischen Provinz Pannonien, Burgen und Schlössern ergänzten, was ich im Bezirksmuseum aufgenommen hatte. Heutzutage ist das Museum in ein anderes Gebäude übersiedelt und ich besuche es kaum noch, weiß ich doch, was dort aufbewahrt wird! Es ist in meinem Kopf gespeichert. Offizielle Seite: http://www.stockerau.at/system/web/zusatzseite.aspx?menuonr=220337746&detailonr=220340002 Bild: gemeinfrei, 12:05, 10.
Juli 2007 (original upload time); Quelle: http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.data.image.s/s872214a.jpg Datei: Wappen Stockerau.jpg; User: Partyhead (original uploader)