×

We use cookies to help make LingQ better. By visiting the site, you agree to our cookie policy.


image

yazovs stuff, Im Visier der Stasi

Im Visier der Stasi

Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin.

Hier residiert Erich Mielke – als Chef einer der erfolgreichsten Geheimdienste der Welt. Sein Auftrag: Die DDR am Leben erhalten.

Dafür soll die „Stasi“ das eigene Volk kontrollieren und beeinflussen. Das bedeutet:

Menschen zu bespitzeln und scheinbar „feindlich-negative“ Kräfte auszuschalten - Psychokrieg gegen alle, die das Regime für gefährlich hält.

Wie genau ist die „Firma“ vorgegangen? Hier kommen drei Geschichten von Menschen, die zu Opfern der Stasi wurden.

Überall in der DDR arbeiten die „Hauptamtlichen“ der Staatssicherheit. Über 91.000 Mitarbeiter sind 1989 fest angestellt.

Ein enges Netz von rund 230 „Dienststellen“ zieht sich über das Land. Dazu kommen fast 200.000 inoffizielle Mitarbeiter.

Auch die Kirchen hat das Ministerium für Staatssicherheit im Visier. Die christliche Botschaft wird als Konkurrenz zur sozialistischen Ideologie gesehen.

In den überwiegend protestantischen Gemeinden der DDR vermutet die Staatsführung Widerstand.

Man fürchtet, die Kirche könne in „Konfrontation zum sozialistischen Staat“ stehen und im „politischen Untergrund“ aktiv sein.

Geistliche werden hartnäckig observiert. Einer von ihnen ist Markus Meckel. Der Pastor arbeitet in Vipperow in Mecklenburg-Vorpommern.

Dass er später einmal ein hohes politisches Amt bekleiden wird, ahnt damals noch niemand.

In den 1980er Jahren ist er Teil der Friedensbewegung in der Evangelischen Kirche. Die Aktivisten beunruhigt das atomare Wettrüsten des Kalten Krieges.

Und Meckel gibt dem Westfernsehen Interviews: „Dass Verständigung und Dialog das innergesellschaftliche Geschehen bestimmen, ist uns ein wichtiges Anliegen

und dazu gehört in der Bundesrepublik wie man merkt, aber eben auch bei uns, vielleicht sogar besonders bei uns, Zivilcourage und Mut.“

Mehrere Stasi-Agenten werden auf den Pastor angesetzt. Diese Fotos von Markus Meckel schießen sie 1983 bei einem Treffen einer Friedensgruppe – mit versteckter Kamera.

Manchmal filmen und fotografieren Stasi-Agenten aber auch ganz offen, um ihre „Zielpersonen“ zu verunsichern.

Der Kampf gegen vermeintliche politische Gegner steht in den 1980er Jahren ganz oben auf der Agenda der Stasi. Es gibt dafür ein geheimes Konzept.

Die Richtlinie 1/76. Eine Anleitung zur „Zersetzung“. Ein Plan, wie man feindliche Gruppen „zersplittert, lähmt, desorganisiert und isoliert“.

„Zersetzung ist eine Form des Psychoterrors, die darauf abzielte, das soziale Umfeld von Menschen zu zerstören,

Unsicherheit in ihrem privaten Umfeld zu entwickeln, Enttäuschungen zu produzieren.

Letztlich mit dem Ziel, die Personen psychisch so weit zu zerstören, dass sie als Gegner nicht mehr in Frage kamen.“

Der Kampf gegen das eigene Volk. Kritische Bürger werden nicht einfach verhaftet, sondern heimlich diskreditiert und als Persönlichkeit geschädigt.

Wie so etwas funktioniert, lernt man auf der Stasi-Hochschule in Golm-Eiche bei Potsdam. Sie taucht in keinem Hochschulverzeichnis der DDR auf.

Mehr als 4.200 hauptamtliche Mitarbeiter erwerben hier einen Abschluss in Jura, obwohl sie sich überwiegend mit Spionagetätigkeiten beschäftigen. 376 promovieren sogar.

Bei Markus Meckel beginnt die Zersetzung mit dem Einsatz von Inoffiziellen Mitarbeitern – kurz IMs.

Sie sollen den Pastor beobachten, Informationen sammeln. Auch ein befreundeter Pfarrer von Markus Meckel ist IM.

„Da der sich mit technischen Dingen gut auskannte, habe ich den zum Beispiel mal gebeten, mein Pfarrhaus zu untersuchen, mit einem Stromstoß, damit so kleine Mikrofone damit kaputtgehen.

Hat der auch alles schön gemacht. Aber später konnte ich das dann alles in den Akten nachlesen, weil er selber derjenige war, der mich bespitzelt hat.“

Markus Meckels Haus ist in den 1980ern verwanzt. Die Stasi hört mit, wenn der Friedenskreis Vipperow sich hier mit anderen politischen Aktivisten trifft.

„Für die Abhörmaßnahmen hat die Stasi über die Jahrzehnte immer wieder neue Möglichkeiten entwickelt sogenannte Raumkontrollsender, Wanzen im umgänglichen Sprachgebrauch, zu entwickeln.

Es wurde also ein sehr dünnes Loch gebohrt in die Dielen oder in die Wand und dort wird letztendlich diese Wanze hindurchgeführt

und auf der anderen Seite der Wand kommt nur dieses Millimeter große Mikrofon zum Vorschein, das sich dann natürlich ideal verstecken lässt.

Das Kabel ist dann mit einer Aufnahmeeinheit, also einem Tonbandgerät beispielsweise, oder einer Sendeeinheit verbunden.

Zwischen ein bis vier Stunden hat das gedauert, so eine Wanze zu installieren.“

Als Markus Meckel auf Reisen ist, leitet die Stasi den nächsten Schritt der Zersetzung ein.

„Ich bekam da einen Anruf, dass ich möglichst schnell nach Hause kommen sollte, denn es würden Bilder von mir, nackt, verteilt,

wo ich in voller nackter Schönheit drauf war und unten drunter stand: „Datt is uns Passte.“

„Das ist unser Pastor“. Mielkes Männer hängen die Fotos im Dorf auf, werfen sie in Briefkästen.

„Drei Tage später die gleiche Aktion mit mir, also gleiches Bild von mir, aber dann eben mit einer Frau am Ufer. Auch nackt.

Und darunter stand dann: „Datt es uns Passte und sind Frindin.“ Es sollte natürlich meinen Ruf zerstören in diesem Dorf. „Der hat eine Geliebte und so.“

Markus Meckel spricht die Angelegenheit offen an. Die Dorfbevölkerung bleibt an seiner Seite.

Sieben Jahre lang drangsaliert die Stasi den Pastor. Aber er lässt sich nicht unterkriegen.

Markus Meckel bleibt in der DDR-Opposition politisch aktiv und wird 1990 Außenminister der ersten frei gewählten Regierung der DDR.

In den 80er Jahren nimmt der Protest der Bevölkerung zu. In beiden deutschen Staaten.

Immer mehr Deutsche gehen gegen Aufrüstung und Nuklearwaffen auf die Straße.

Zentrum der Friedensbewegung in der DDR ist der Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg – aus Sicht der Staatsführung ein Gefahrenherd.

Die Stasi entdeckt ein neues Feindbild – kritische Frauen in der Friedensbewegung.

Auch Beate Harembski gerät ins Visier. Sie ist Mitglied in der Gruppe „Frauen für den Frieden“. Sie lehnen den Militärdienst für Frauen ab.

Über das Vorgehen der Stasi machen sich die Aktivistinnen keine Illusionen.

„Wir sind davon ausgegangen, ja es kann sein, es gibt Postkontrolle, das Telefon wird abgehört, es kann sein, dass die Wohnung verwanzt ist.

Repressionen, Benachteiligung, Beobachtung musste man einkalkulieren.“

Die Staatssicherheit hört die junge Frau tatsächlich zuhause ab. Ein Stockwerk unter ihr richten Agenten eine so genannte konspirative Wohnung ein.

Konspirativ im Sinne von geheim oder verschwörerisch. So bezeichnet die Stasi viele ihrer Operationen.

Ende der 80er Jahre nutzt sie fast 26.000 private Wohnungen in der DDR für konspirative Zwecke.

Oft treffen hier Führungsoffiziere ihre Inoffiziellen Mitarbeiter. Nachbarn werden beobachtet und abgehört.

Allein im Stadtteil Prenzlauer Berg unterhält die Stasi damals 77 konspirative Wohnungen.

Die Spione haben im Fall Beate Harembski einen ausgeklügelten Plan entwickelt. Das MfS will über sie an Informationen über die ganze Gruppe gelangen.

Dafür tritt Stasi-Mann Mario Wetzky auf den Plan. Deckname: IM „Martin“. Er ist ein Kollege von Beate Harembski. Jetzt soll er ihr näher kommen.

„So wurde die Beziehung immer enger und eine Liebesbeziehung. Irgendwann zog er bei mir ein.

Wie ich aus den Unterlagen seit 1992 weiß, hat Herr Mario Wetzky vom ersten Tag an Schriftproben meiner Schreibmaschine genommen,

er hat einen Schlüsselabdruck meines Wohnungsschlüssels gemacht, er hat meine Wohnung durchsucht.“

1,5 Jahre lang bleiben die beiden ein Paar.

Regelmäßig trifft Mario Wetzky seinen Führungsoffizier und reicht alles weiter, was er über seine Partnerin in Erfahrung bringt.

„Das ist dann der IMB Mario Wetzky gewesen, der Inoffizielle Mitarbeiter mit Feindberührung. Und der Feind war ich.“

Mit einem kopierten Schlüssel dringen Stasi-Mitarbeiter in die Wohnung von Beate Harembski ein.

Ein Schulungsfilm des MfS zeigt, wie dabei vorgegangen wird. Technisch ist die Stasi für Einbrüche bestens vorbereitet.

„Dieser Dokumentationskoffer wurde bei konspirativen Wohnungsdurchsuchungen eingesetzt. Im Prinzip ein Fotostudio im Kofferformat.

Es ist genau auf das Format DinA4 eingestellt, also eins der Standartformate.

Die Kamera für 1.300 Bilder befindet sich hier oben drin und ausgelöst wurde das Ganze durch den Auslöser, den wir hier an der Seite finden,

der auch als Fußtaster einsetzbar war, sodass man die Hände letztendlich frei hatte.

Wichtig war es, die Dokumente abzulichten, die man fand. Weil man in der Regel vor Ort nicht die Zeit hatte alle Ordner in Ruhe durchzulesen.

Man konnte sie dann letztendlich in der Zentrale in aller Ruhe auswerten.“

Die Stasi interessiert nicht, welche seelischen Schäden sie ihren Opfern zufügt, wenn sogenannte „Romeo-Agenten“ Liebe vorgaukeln und ins Private vordringen.

„Wenn Sie in einer solchen gerade emotional besonderen Situation sind, da geben Sie doch alles preis, da ist doch jemand plötzlich Teil Ihres Lebens.

Und der ist dann plötzlich weg, weil sich das alles als Lüge darstellt. Alles organisiert, konstruiert, nichts davon war wahr.

Das ist, glaube ich, eine massive Schädigung, ein massives Trauma.“

Beate Harembski wird schließlich mehrmals stundenlang von der Stasi verhört, doch sie verrät nichts über die Friedensgruppe.

Wäre es nicht besser gewesen, auf die Protestierenden zuzugehen? Späte Einsichten eines Stasioffiziers.

„Die wollten ja nicht die DDR vernichten, die wollten eine veränderte DDR.

So und mit ihnen darüber zu reden, was sie für Vorstellungen, was werden soll, wie man das machen kann und, und, und...

Das wäre der richtige Weg gewesen. Haben wir nicht gemacht. War ein großer Fehler. Müssen wir selbst die Schuld, müssen wir schon auf uns nehmen.“

Für ihre Ideen ist in der DDR kein Platz. Auch bei unserem dritten Fall geht es um eine geplante Romeo-Falle.

Die Stasi will auch an Informationen aus Westdeutschland gelangen. Manche Orte eignen sich dafür besonders gut. Zum Beispiel das Nachtleben in Ostberlin.

Hierher kommen auch Homosexuelle aus der Bundesrepublik. Internationale Diplomaten und hohe Offiziere sind darunter. Sie hoffen, hier unerkannt feiern zu können.

Mario Röllig gerät Mitte der 80er Jahre ins Visier der Staatssicherheit. Der 18-Jährige lebt in Ost-Berlin.

Sein älterer Freund aus West-Berlin, ein Politiker, besucht ihn jede Woche. Das interessiert die Stasi.

Mario Röllig wird einbestellt. Er soll IM, Inoffizieller Mitarbeiter, werden. Doch über sein Privatleben will der junge Mann nicht reden.

„Und dann sagten die sehr laut und sehr bestimmt: Was privat ist oder nicht, das überlassen Sie bitte schön mal uns.

Es ist Ihre Pflicht als DDR-Bürger mit den staatlichen Organen zusammenzuarbeiten.

Wir sind vom Ministerium für Staatssicherheit und wir möchten über Ihren Freund in West-Berlin Informationen.“

Die Männer schüchtern Mario Röllig ein. Dennoch lehnt er jede Kooperation ab.

Die Stasi zieht Konsequenzen: Röllig verliert seinen Job als Restaurantfachmann. Er muss stattdessen in einem Imbiss Teller waschen.

Die Stasi setzt ihn weiter unter Druck und observiert ihn unverhohlen.

„Für mich war die Flucht der letzte Ausweg. Ich wollte nicht mehr in dem System leben, das für mich mein Leben bestimmt,

wo, wie und mit wem ich zu leben habe. Und jeder Tag war verschenkt.“

Mario Röllig will über Ungarn in den Westen fliehen. Doch er wird an der ungarisch-jugoslawischen Grenze von einem Kopfgeldjäger erwischt.

Mario Röllig wird nach Berlin-Hohenschönhausen gebracht. In diesem Stasi-Gefängnis sitzen vor allem politische Gefangene.

Schikane ist hier an der Tagesordnung. Röllig steht in seiner Zelle unter ständiger Beobachtung, darf sich tagsüber nicht mal aufs Bett setzen.

„Es gab schon manchmal Momente, wo ich gedacht habe, sterben wäre jetzt besser, aber dass im Westen jemand auf mich wartet, das hat mich durchhalten lassen.“

Die Häftlinge sollen in Hohenschönhausen mürbe gemacht werden – mit seelischer Folterung wie Einzelhaft und Schlafentzug. Immer wieder muss Mario Röllig zum Verhör.

„Als sie mir ein Foto meiner kleinen Nichte zeigten, die gerade zwei Jahre alt geworden war und dann sagten:

„Sie wollen doch, dass es der Kleinen weiterhin gut geht“, ich sagte „Ja“ und dann sagte der Stasioffizier:

„Naja also, wenn es hier so weitergeht und Sie keine Aussagen machen, dann verhaften wir Ihre Schwester und das Kind muss dann leider ins Heim“.

Und das war wirklich, als wenn ich verprügelt werde. Und dann habe ich wirklich Aussagen gemacht über Menschen, die mir nahestanden und habe mich wahnsinnig dafür geschämt.“

Die Stasi weiß genau, wie sie Gefangene zu Aussagen zwingt. Manche werden so zu Mittätern.

„Tatsächlich, wenn man in die DDR-Gefängnisse schaut, und hier vielleicht insbesondere in die MFS-Untersuchungshaftanstalten,

hat das MfS immer wieder versucht auch dort inoffizielle Mitarbeiter anzuwerben. Das klingt ein wenig paradox:

Das MFS als Repressionsinstrument, das jemanden in die Haft gesteckt hat, will dort jemanden anwerben mit ihm selbst zusammenzuarbeiten.“

Die Staatssicherheit verfügt über 17 eigene Untersuchungshaftanstalten. Mehr als 200.000 Menschen werden hier aus politischen Gründen inhaftiert.

Die Gefangenen werden hier nicht nur für angeblich politische Vergehen bestraft oder dienen der Stasi als Informationsquelle – sie sind auch Mittel zur Devisenbeschaffung.

Denn die Bundesrepublik kauft seit Ende 1962 Häftlinge gegen D-Mark frei.

So wie auch Mario Röllig: Nach drei Monaten Untersuchungshaft darf er das Gefängnis im September 1987 verlassen, Ost-Berlin allerdings erst im Jahr danach.

Die Freude über die Freiheit ist groß, doch in Sachen Liebe wird er enttäuscht: Sein Freund führt ein Doppelleben, wohnt mit Frau und Kind zusammen.

Ein Stasi-Mitarbeiter hat Mario Röllig eine deutliche Warnung mit auf den Weg gegeben.

„Hören Sie zu, wenn Sie über das, was Sie hier erlebt haben, irgendwo öffentlich im Westen reden, denken Sie daran, wir finden Sie überall.

Ein Autounfall kann auch eben in Stuttgart, in München und in West-Berlin passieren“.

Die „Stasi“, 1950 gegründet, entwickelt sich zu einem Überwachungsapparat, der in alle Lebensbereiche der DDR-Bürger eingreift.

Kein anderes Volk in Europa wird damals so kontrolliert und überwacht.

Hunderttausende Menschen werden in Operationen bespitzelt und bedroht, um das Regime zu erhalten.

Doch der Psychoterror kann den Untergang der der DDR nicht aufhalten.

Was denkt ihr – war die Stasi eine mächtige Geheimpolizei – oder wird ihre Rolle übertrieben?

Schreibt es gerne in die Kommentare und wenn Euch das Video gefallen hat, lasst ein Abo da.


Im Visier der Stasi In the sights of the Stasi En el punto de mira de la Stasi Nel mirino della Stasi Под прицелом Штази Під прицілом Штазі

Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin.

Hier residiert Erich Mielke – als Chef einer der erfolgreichsten Geheimdienste der Welt. Sein Auftrag: Die DDR am Leben erhalten.

Dafür soll die „Stasi“ das eigene Volk kontrollieren und beeinflussen. Das bedeutet:

Menschen zu bespitzeln und scheinbar „feindlich-negative“ Kräfte auszuschalten - Psychokrieg gegen alle, die das Regime für gefährlich hält.

Wie genau ist die „Firma“ vorgegangen? Hier kommen drei Geschichten von Menschen, die zu Opfern der Stasi wurden.

Überall in der DDR arbeiten die „Hauptamtlichen“ der Staatssicherheit. Über 91.000 Mitarbeiter sind 1989 fest angestellt.

Ein enges Netz von rund 230 „Dienststellen“ zieht sich über das Land. Dazu kommen fast 200.000 inoffizielle Mitarbeiter.

Auch die Kirchen hat das Ministerium für Staatssicherheit im Visier. Die christliche Botschaft wird als Konkurrenz zur sozialistischen Ideologie gesehen.

In den überwiegend protestantischen Gemeinden der DDR vermutet die Staatsführung Widerstand.

Man fürchtet, die Kirche könne in „Konfrontation zum sozialistischen Staat“ stehen und im „politischen Untergrund“ aktiv sein.

Geistliche werden hartnäckig observiert. Einer von ihnen ist Markus Meckel. Der Pastor arbeitet in Vipperow in Mecklenburg-Vorpommern.

Dass er später einmal ein hohes politisches Amt bekleiden wird, ahnt damals noch niemand.

In den 1980er Jahren ist er Teil der Friedensbewegung in der Evangelischen Kirche. Die Aktivisten beunruhigt das atomare Wettrüsten des Kalten Krieges.

Und Meckel gibt dem Westfernsehen Interviews: „Dass Verständigung und Dialog das innergesellschaftliche Geschehen bestimmen, ist uns ein wichtiges Anliegen

und dazu gehört in der Bundesrepublik wie man merkt, aber eben auch bei uns, vielleicht sogar besonders bei uns, Zivilcourage und Mut.“

Mehrere Stasi-Agenten werden auf den Pastor angesetzt. Diese Fotos von Markus Meckel schießen sie 1983 bei einem Treffen einer Friedensgruppe – mit versteckter Kamera.

Manchmal filmen und fotografieren Stasi-Agenten aber auch ganz offen, um ihre „Zielpersonen“ zu verunsichern.

Der Kampf gegen vermeintliche politische Gegner steht in den 1980er Jahren ganz oben auf der Agenda der Stasi. Es gibt dafür ein geheimes Konzept.

Die Richtlinie 1/76. Eine Anleitung zur „Zersetzung“. Ein Plan, wie man feindliche Gruppen „zersplittert, lähmt, desorganisiert und isoliert“.

„Zersetzung ist eine Form des Psychoterrors, die darauf abzielte, das soziale Umfeld von Menschen zu zerstören,

Unsicherheit in ihrem privaten Umfeld zu entwickeln, Enttäuschungen zu produzieren.

Letztlich mit dem Ziel, die Personen psychisch so weit zu zerstören, dass sie als Gegner nicht mehr in Frage kamen.“

Der Kampf gegen das eigene Volk. Kritische Bürger werden nicht einfach verhaftet, sondern heimlich diskreditiert und als Persönlichkeit geschädigt.

Wie so etwas funktioniert, lernt man auf der Stasi-Hochschule in Golm-Eiche bei Potsdam. Sie taucht in keinem Hochschulverzeichnis der DDR auf.

Mehr als 4.200 hauptamtliche Mitarbeiter erwerben hier einen Abschluss in Jura, obwohl sie sich überwiegend mit Spionagetätigkeiten beschäftigen. 376 promovieren sogar.

Bei Markus Meckel beginnt die Zersetzung mit dem Einsatz von Inoffiziellen Mitarbeitern – kurz IMs.

Sie sollen den Pastor beobachten, Informationen sammeln. Auch ein befreundeter Pfarrer von Markus Meckel ist IM.

„Da der sich mit technischen Dingen gut auskannte, habe ich den zum Beispiel mal gebeten, mein Pfarrhaus zu untersuchen, mit einem Stromstoß, damit so kleine Mikrofone damit kaputtgehen.

Hat der auch alles schön gemacht. Aber später konnte ich das dann alles in den Akten nachlesen, weil er selber derjenige war, der mich bespitzelt hat.“

Markus Meckels Haus ist in den 1980ern verwanzt. Die Stasi hört mit, wenn der Friedenskreis Vipperow sich hier mit anderen politischen Aktivisten trifft.

„Für die Abhörmaßnahmen hat die Stasi über die Jahrzehnte immer wieder neue Möglichkeiten entwickelt sogenannte Raumkontrollsender, Wanzen im umgänglichen Sprachgebrauch, zu entwickeln.

Es wurde also ein sehr dünnes Loch gebohrt in die Dielen oder in die Wand und dort wird letztendlich diese Wanze hindurchgeführt

und auf der anderen Seite der Wand kommt nur dieses Millimeter große Mikrofon zum Vorschein, das sich dann natürlich ideal verstecken lässt.

Das Kabel ist dann mit einer Aufnahmeeinheit, also einem Tonbandgerät beispielsweise, oder einer Sendeeinheit verbunden.

Zwischen ein bis vier Stunden hat das gedauert, so eine Wanze zu installieren.“

Als Markus Meckel auf Reisen ist, leitet die Stasi den nächsten Schritt der Zersetzung ein.

„Ich bekam da einen Anruf, dass ich möglichst schnell nach Hause kommen sollte, denn es würden Bilder von mir, nackt, verteilt,

wo ich in voller nackter Schönheit drauf war und unten drunter stand: „Datt is uns Passte.“

„Das ist unser Pastor“. Mielkes Männer hängen die Fotos im Dorf auf, werfen sie in Briefkästen.

„Drei Tage später die gleiche Aktion mit mir, also gleiches Bild von mir, aber dann eben mit einer Frau am Ufer. Auch nackt.

Und darunter stand dann: „Datt es uns Passte und sind Frindin.“ Es sollte natürlich meinen Ruf zerstören in diesem Dorf. „Der hat eine Geliebte und so.“

Markus Meckel spricht die Angelegenheit offen an. Die Dorfbevölkerung bleibt an seiner Seite.

Sieben Jahre lang drangsaliert die Stasi den Pastor. Aber er lässt sich nicht unterkriegen.

Markus Meckel bleibt in der DDR-Opposition politisch aktiv und wird 1990 Außenminister der ersten frei gewählten Regierung der DDR.

In den 80er Jahren nimmt der Protest der Bevölkerung zu. In beiden deutschen Staaten.

Immer mehr Deutsche gehen gegen Aufrüstung und Nuklearwaffen auf die Straße.

Zentrum der Friedensbewegung in der DDR ist der Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg – aus Sicht der Staatsführung ein Gefahrenherd.

Die Stasi entdeckt ein neues Feindbild – kritische Frauen in der Friedensbewegung.

Auch Beate Harembski gerät ins Visier. Sie ist Mitglied in der Gruppe „Frauen für den Frieden“. Sie lehnen den Militärdienst für Frauen ab.

Über das Vorgehen der Stasi machen sich die Aktivistinnen keine Illusionen.

„Wir sind davon ausgegangen, ja es kann sein, es gibt Postkontrolle, das Telefon wird abgehört, es kann sein, dass die Wohnung verwanzt ist.

Repressionen, Benachteiligung, Beobachtung musste man einkalkulieren.“

Die Staatssicherheit hört die junge Frau tatsächlich zuhause ab. Ein Stockwerk unter ihr richten Agenten eine so genannte konspirative Wohnung ein.

Konspirativ im Sinne von geheim oder verschwörerisch. So bezeichnet die Stasi viele ihrer Operationen.

Ende der 80er Jahre nutzt sie fast 26.000 private Wohnungen in der DDR für konspirative Zwecke.

Oft treffen hier Führungsoffiziere ihre Inoffiziellen Mitarbeiter. Nachbarn werden beobachtet und abgehört.

Allein im Stadtteil Prenzlauer Berg unterhält die Stasi damals 77 konspirative Wohnungen.

Die Spione haben im Fall Beate Harembski einen ausgeklügelten Plan entwickelt. Das MfS will über sie an Informationen über die ganze Gruppe gelangen.

Dafür tritt Stasi-Mann Mario Wetzky auf den Plan. Deckname: IM „Martin“. Er ist ein Kollege von Beate Harembski. Jetzt soll er ihr näher kommen.

„So wurde die Beziehung immer enger und eine Liebesbeziehung. Irgendwann zog er bei mir ein.

Wie ich aus den Unterlagen seit 1992 weiß, hat Herr Mario Wetzky vom ersten Tag an Schriftproben meiner Schreibmaschine genommen,

er hat einen Schlüsselabdruck meines Wohnungsschlüssels gemacht, er hat meine Wohnung durchsucht.“

1,5 Jahre lang bleiben die beiden ein Paar.

Regelmäßig trifft Mario Wetzky seinen Führungsoffizier und reicht alles weiter, was er über seine Partnerin in Erfahrung bringt.

„Das ist dann der IMB Mario Wetzky gewesen, der Inoffizielle Mitarbeiter mit Feindberührung. Und der Feind war ich.“

Mit einem kopierten Schlüssel dringen Stasi-Mitarbeiter in die Wohnung von Beate Harembski ein.

Ein Schulungsfilm des MfS zeigt, wie dabei vorgegangen wird. Technisch ist die Stasi für Einbrüche bestens vorbereitet.

„Dieser Dokumentationskoffer wurde bei konspirativen Wohnungsdurchsuchungen eingesetzt. Im Prinzip ein Fotostudio im Kofferformat.

Es ist genau auf das Format DinA4 eingestellt, also eins der Standartformate.

Die Kamera für 1.300 Bilder befindet sich hier oben drin und ausgelöst wurde das Ganze durch den Auslöser, den wir hier an der Seite finden,

der auch als Fußtaster einsetzbar war, sodass man die Hände letztendlich frei hatte.

Wichtig war es, die Dokumente abzulichten, die man fand. Weil man in der Regel vor Ort nicht die Zeit hatte alle Ordner in Ruhe durchzulesen.

Man konnte sie dann letztendlich in der Zentrale in aller Ruhe auswerten.“

Die Stasi interessiert nicht, welche seelischen Schäden sie ihren Opfern zufügt, wenn sogenannte „Romeo-Agenten“ Liebe vorgaukeln und ins Private vordringen.

„Wenn Sie in einer solchen gerade emotional besonderen Situation sind, da geben Sie doch alles preis, da ist doch jemand plötzlich Teil Ihres Lebens.

Und der ist dann plötzlich weg, weil sich das alles als Lüge darstellt. Alles organisiert, konstruiert, nichts davon war wahr.

Das ist, glaube ich, eine massive Schädigung, ein massives Trauma.“

Beate Harembski wird schließlich mehrmals stundenlang von der Stasi verhört, doch sie verrät nichts über die Friedensgruppe.

Wäre es nicht besser gewesen, auf die Protestierenden zuzugehen? Späte Einsichten eines Stasioffiziers.

„Die wollten ja nicht die DDR vernichten, die wollten eine veränderte DDR.

So und mit ihnen darüber zu reden, was sie für Vorstellungen, was werden soll, wie man das machen kann und, und, und...

Das wäre der richtige Weg gewesen. Haben wir nicht gemacht. War ein großer Fehler. Müssen wir selbst die Schuld, müssen wir schon auf uns nehmen.“

Für ihre Ideen ist in der DDR kein Platz. Auch bei unserem dritten Fall geht es um eine geplante Romeo-Falle.

Die Stasi will auch an Informationen aus Westdeutschland gelangen. Manche Orte eignen sich dafür besonders gut. Zum Beispiel das Nachtleben in Ostberlin.

Hierher kommen auch Homosexuelle aus der Bundesrepublik. Internationale Diplomaten und hohe Offiziere sind darunter. Sie hoffen, hier unerkannt feiern zu können.

Mario Röllig gerät Mitte der 80er Jahre ins Visier der Staatssicherheit. Der 18-Jährige lebt in Ost-Berlin.

Sein älterer Freund aus West-Berlin, ein Politiker, besucht ihn jede Woche. Das interessiert die Stasi.

Mario Röllig wird einbestellt. Er soll IM, Inoffizieller Mitarbeiter, werden. Doch über sein Privatleben will der junge Mann nicht reden.

„Und dann sagten die sehr laut und sehr bestimmt: Was privat ist oder nicht, das überlassen Sie bitte schön mal uns.

Es ist Ihre Pflicht als DDR-Bürger mit den staatlichen Organen zusammenzuarbeiten.

Wir sind vom Ministerium für Staatssicherheit und wir möchten über Ihren Freund in West-Berlin Informationen.“

Die Männer schüchtern Mario Röllig ein. Dennoch lehnt er jede Kooperation ab.

Die Stasi zieht Konsequenzen: Röllig verliert seinen Job als Restaurantfachmann. Er muss stattdessen in einem Imbiss Teller waschen.

Die Stasi setzt ihn weiter unter Druck und observiert ihn unverhohlen.

„Für mich war die Flucht der letzte Ausweg. Ich wollte nicht mehr in dem System leben, das für mich mein Leben bestimmt,

wo, wie und mit wem ich zu leben habe. Und jeder Tag war verschenkt.“

Mario Röllig will über Ungarn in den Westen fliehen. Doch er wird an der ungarisch-jugoslawischen Grenze von einem Kopfgeldjäger erwischt.

Mario Röllig wird nach Berlin-Hohenschönhausen gebracht. In diesem Stasi-Gefängnis sitzen vor allem politische Gefangene.

Schikane ist hier an der Tagesordnung. Röllig steht in seiner Zelle unter ständiger Beobachtung, darf sich tagsüber nicht mal aufs Bett setzen.

„Es gab schon manchmal Momente, wo ich gedacht habe, sterben wäre jetzt besser, aber dass im Westen jemand auf mich wartet, das hat mich durchhalten lassen.“

Die Häftlinge sollen in Hohenschönhausen mürbe gemacht werden – mit seelischer Folterung wie Einzelhaft und Schlafentzug. Immer wieder muss Mario Röllig zum Verhör.

„Als sie mir ein Foto meiner kleinen Nichte zeigten, die gerade zwei Jahre alt geworden war und dann sagten:

„Sie wollen doch, dass es der Kleinen weiterhin gut geht“, ich sagte „Ja“ und dann sagte der Stasioffizier:

„Naja also, wenn es hier so weitergeht und Sie keine Aussagen machen, dann verhaften wir Ihre Schwester und das Kind muss dann leider ins Heim“.

Und das war wirklich, als wenn ich verprügelt werde. Und dann habe ich wirklich Aussagen gemacht über Menschen, die mir nahestanden und habe mich wahnsinnig dafür geschämt.“

Die Stasi weiß genau, wie sie Gefangene zu Aussagen zwingt. Manche werden so zu Mittätern.

„Tatsächlich, wenn man in die DDR-Gefängnisse schaut, und hier vielleicht insbesondere in die MFS-Untersuchungshaftanstalten,

hat das MfS immer wieder versucht auch dort inoffizielle Mitarbeiter anzuwerben. Das klingt ein wenig paradox:

Das MFS als Repressionsinstrument, das jemanden in die Haft gesteckt hat, will dort jemanden anwerben mit ihm selbst zusammenzuarbeiten.“

Die Staatssicherheit verfügt über 17 eigene Untersuchungshaftanstalten. Mehr als 200.000 Menschen werden hier aus politischen Gründen inhaftiert.

Die Gefangenen werden hier nicht nur für angeblich politische Vergehen bestraft oder dienen der Stasi als Informationsquelle – sie sind auch Mittel zur Devisenbeschaffung.

Denn die Bundesrepublik kauft seit Ende 1962 Häftlinge gegen D-Mark frei.

So wie auch Mario Röllig: Nach drei Monaten Untersuchungshaft darf er das Gefängnis im September 1987 verlassen, Ost-Berlin allerdings erst im Jahr danach.

Die Freude über die Freiheit ist groß, doch in Sachen Liebe wird er enttäuscht: Sein Freund führt ein Doppelleben, wohnt mit Frau und Kind zusammen.

Ein Stasi-Mitarbeiter hat Mario Röllig eine deutliche Warnung mit auf den Weg gegeben.

„Hören Sie zu, wenn Sie über das, was Sie hier erlebt haben, irgendwo öffentlich im Westen reden, denken Sie daran, wir finden Sie überall.

Ein Autounfall kann auch eben in Stuttgart, in München und in West-Berlin passieren“.

Die „Stasi“, 1950 gegründet, entwickelt sich zu einem Überwachungsapparat, der in alle Lebensbereiche der DDR-Bürger eingreift.

Kein anderes Volk in Europa wird damals so kontrolliert und überwacht.

Hunderttausende Menschen werden in Operationen bespitzelt und bedroht, um das Regime zu erhalten.

Doch der Psychoterror kann den Untergang der der DDR nicht aufhalten.

Was denkt ihr – war die Stasi eine mächtige Geheimpolizei – oder wird ihre Rolle übertrieben?

Schreibt es gerne in die Kommentare und wenn Euch das Video gefallen hat, lasst ein Abo da.