×

We use cookies to help make LingQ better. By visiting the site, you agree to our cookie policy.


image

Frankenstein - Mary W. Shelley, 24. Kapitel - 03

24. Kapitel - 03

26. August 17..

Du hast diesen seltsamen und furchtbaren Bericht gelesen, und fühlst Du nicht Dein Blut erstarren? Oftmals ergriff den Erzähler die Todesangst, sodaß er aufhören mußte. Dann fuhr er wieder fort mit bebender Stimme das Weh zu schildern, das sein Teil geworden auf Erden. Bald glühten seine schönen Augen vor Zorn, bald wurden sie trüb oder schwammen in Tränen, wenn er so seine Hoffnungslosigkeit und sein Elend schilderte. Zumeist war er Herr seiner Stimme und seiner Geberden; manchmal aber kam doch seine Wut zum Ausbruch und er schleuderte mit den Ausdrucke des wildesten Hasses furchtbare Verwünschungen gegen seinen Feind.

Die Geschichte ist zusammenhängend und wurde mit aller Schlichtheit, wie sie nur der Wahrheit innewohnt, erzählt. Ich gestehe Dir aber, daß mir die Briefe von Felix und Safie und der Anblick des Ungeheuers, das wir ja vom Schiffe aus gesehen hatten, mehr für die Wahrheit bewiesen als alle seine Beteuerungen, denen ich unter anderen Umständen ohne weiteres Vertrauen geschenkt hätte. Also ein solches Ungeheuer trug wirklich die Erde? Ich kann nicht mehr daran zweifeln. Aber staunen muß ich darüber. Oftmals versuchte ich, von Frankenstein Details über seine Entdeckung zu erfahren, aber in dieser Hinsicht war er unerbittlich.

»Sie sind ja wahnsinnig, mein Freund,« sagte er, »oder sind Sie so neugierig? Wollen Sie auch sich und der Welt einen solchen satanischen Feind schaffen? Denken Sie daran, was ich darunter zu leiden hatte, und versuchen Sie nicht, sich selbst solches Elend aufzubürden.«

Frankenstein hatte bemerkt, daß ich mir Aufzeichnungen über seine Erzählung machte. Er bat mich, sie ihm zu zeigen und verbesserte und ergänzte sie an manchen Stellen, besonders wo es sich um das Leben des Dämons und um seine Gespräche mit ihm handelte. »Ich möchte nicht,« sagte er, »nachdem Sie nun doch einmal meine Geschichte der Nachwelt überliefern wollen, daß sie verstümmelt an diese gelangt.«

Eine Woche hatte es gedauert, bis diese Geschichte, die seltsamste, die ich je gehört, ganz erzählt war. Mein Gast hatte mir mit seinen Worten, aber auch durch sein vornehmes Wesen hohes Interesse eingeflößt und ich versuchte ihn zu beruhigen. Doch was half das, wenn ich einem tief Unglücklichen und jeglicher Hoffnung Beraubten Freude am Leben predigte? Nichts; er hatte auch gar keinen anderen Wunsch mehr, als sich in Ruhe und Frieden auf den Tod vorzubereiten. In seinen Träumen hält er Zwiesprache mit seinen lieben Toten und ist fest überzeugt, daß sie selbst es sind, die aus den unsichtbaren Welten herüberschweben und ihm Trost zusprechen. Dies gibt seinen Phantasien einen Schimmer von Wahrheit, der zugleich erhebt und rührt.

Unsere Gespräche beschränken sich aber nicht auf seine Lebens- und Leidensgeschichte. Er ist auf allen Gebieten außergewöhnlich bewandert und von hoher Intelligenz. Er spricht überzeugend und klar. Was für ein prächtiger Mensch muß er in den Tagen des Glückes und der Jugend gewesen sein! Er scheint sich seines einstigen Wertes und der Tiefe seines Sturzes wohl bewußt zu sein.

»Als ich noch jung war,« sagte er, »glaubte ich für etwas Hohes, Erhabenes ausersehen zu sein. Ich hatte eine tiefe Empfindung, dabei aber doch eine Ruhe des Urteils, wie sie nicht alltäglich ist. Dieses Gefühl meines eigenen Wertes stützte mich da, wo andere längst unterlegen waren. Und ich hielt es für ein Verbrechen, in fruchtlosem Grübeln die Talente verkümmern zu lassen, die meinen Mitmenschen vielleicht von Nutzen sein konnten. Wenn ich darüber nachdachte, was ich vollbracht, nämlich die Schöpfung eines lebenden, denkenden Wesens, dann glaubte ich ein Recht zu haben, mich über den großen Haufen der sogenannten Entdecker zu erheben. Aber gerade dieser Umstand ist es, der mich heute am tiefsten niederdrückt. All mein Sinnen und Hoffen war umsonst; und wie jener Erzengel, der dem Allmächtigen Trotz zu bieten wagte, bin ich in eine brennende, ewige Hölle verbannt. Ich trug den Himmel in mir, ich jubelte über meine Erfolge und glühte vor Eifer, noch weiter zu schreiten auf der einmal betretenen Bahn. Von meiner Kindheit an war ich voll stolzer Hoffnungen und voll zügellosen Ehrgeizes. Wie tief aber bin ich heute gesunken! Mein Freund, wenn Sie mich noch gekannt hätten, wie ich früher war, Sie würden mich nicht mehr erkennen. Verzweiflung war mir fremd, und ein großes, hohes Geschick schien mir Flügel zu verleihen, bis ich tief, so tief fiel, daß ich mich nicht mehr erheben kann.«

Muß ich also wirklich dieses liebenswerte Geschöpf verlieren? Ich habe mich so lange nach einem Freunde gesehnt, nach einem Menschen, der mir in Liebe zugetan ist und mich versteht. Sieh, in diesen endlosen Eiswüsten habe ich ihn gefunden; aber ich fürchte, ich habe ihn nur gefunden, um seinen Wert zu erkennen und ihn dann zu verlieren. Ich habe alles versucht, um ihn das Leben wieder lieben zu lehren, aber er will nichts davon wissen.

»Ich danke Ihnen, Walton,« sagte er, » für Ihre freundlichen Bemühungen um mich Armen. Aber glauben Sie nicht, daß mir neue Bande und neue Liebe das zu ersetzen vermöchten, was ich verloren. Kann mir ein Mann je noch das sein, was mir Clerval, oder ein Weib das, was mir Elisabeth war? An den Genossen unserer Jugend hängen wir so fest, daß die Neigungen späterer Jahre sie nicht aus unseren Herzen zu verdrängen vermögen. Und ich habe Freunde gehabt, die mir nicht nur durch Gewohnheit lieb geworden waren, sondern um ihrer selbst willen. Wo immer ich weile, flüstern mir die Stimmen Elisabeths und Clervals an das Ohr. Sie sind tot, und nur eines ist es, was mich in dieser Öde noch an das Leben kettet. Hätte ich noch ein Ziel, das, hoch und erhaben, der Menschheit von Nutzen sein könnte, dann, ja dann könnte ich mich entschließen weiter zu leben. Aber das ist mir nicht beschieden! Ich habe nichts mehr weiter zu tun, als das Ungeheuer, das ich schuf, zu verfolgen und zu vernichten. Dann ist mein Erdenzweck erfüllt und ich kann mich schlafen legen.«


24. Kapitel - 03 24. chapter - 03 24 Chapitre - 03 Capitolo 24 - 03 Глава 24 - 03 Bölüm 24 - 03

26. August 17..

Du hast diesen seltsamen und furchtbaren Bericht gelesen, und fühlst Du nicht Dein Blut erstarren? Oftmals ergriff den Erzähler die Todesangst, sodaß er aufhören mußte. Often the fear of death seized the narrator, so that he had to stop. Dann fuhr er wieder fort mit bebender Stimme das Weh zu schildern, das sein Teil geworden auf Erden. Bald glühten seine schönen Augen vor Zorn, bald wurden sie trüb oder schwammen in Tränen, wenn er so seine Hoffnungslosigkeit und sein Elend schilderte. Zumeist war er Herr seiner Stimme und seiner Geberden; manchmal aber kam doch seine Wut zum Ausbruch und er schleuderte mit den Ausdrucke des wildesten Hasses furchtbare Verwünschungen gegen seinen Feind.

Die Geschichte ist zusammenhängend und wurde mit aller Schlichtheit, wie sie nur der Wahrheit innewohnt, erzählt. Ich gestehe Dir aber, daß mir die Briefe von Felix und Safie und der Anblick des Ungeheuers, das wir ja vom Schiffe aus gesehen hatten, mehr für die Wahrheit bewiesen als alle seine Beteuerungen, denen ich unter anderen Umständen ohne weiteres Vertrauen geschenkt hätte. Also ein solches Ungeheuer trug wirklich die Erde? Yani dünyayı gerçekten böyle bir canavar mı taşıdı? Ich kann nicht mehr daran zweifeln. Aber staunen muß ich darüber. Oftmals versuchte ich, von Frankenstein Details über seine Entdeckung zu erfahren, aber in dieser Hinsicht war er unerbittlich.

»Sie sind ja wahnsinnig, mein Freund,« sagte er, »oder sind Sie so neugierig? Wollen Sie auch sich und der Welt einen solchen satanischen Feind schaffen? Denken Sie daran, was ich darunter zu leiden hatte, und versuchen Sie nicht, sich selbst solches Elend aufzubürden.«

Frankenstein hatte bemerkt, daß ich mir Aufzeichnungen über seine Erzählung machte. Er bat mich, sie ihm zu zeigen und verbesserte und ergänzte sie an manchen Stellen, besonders wo es sich um das Leben des Dämons und um seine Gespräche mit ihm handelte. »Ich möchte nicht,« sagte er, »nachdem Sie nun doch einmal meine Geschichte der Nachwelt überliefern wollen, daß sie verstümmelt an diese gelangt.« "I don't want," he said, "since you want to pass on my story to posterity for once, for it to reach them in a mutilated form." "Madem hikâyemi gelecek kuşaklara aktarmak istiyorsun, o zaman onlara sakatlanmış olarak ulaşmasını istemiyorum," dedi.

Eine Woche hatte es gedauert, bis diese Geschichte, die seltsamste, die ich je gehört, ganz erzählt war. Mein Gast hatte mir mit seinen Worten, aber auch durch sein vornehmes Wesen hohes Interesse eingeflößt und ich versuchte ihn zu beruhigen. Doch was half das, wenn ich einem tief Unglücklichen und jeglicher Hoffnung Beraubten Freude am Leben predigte? But of what use was it if I preached joy in life to a deeply unhappy person who was bereft of any hope? Ama tüm umutlardan yoksun, son derece mutsuz bir insana yaşam sevinci vaaz ettiğimde bunun ne yararı oldu? Nichts; er hatte auch gar keinen anderen Wunsch mehr, als sich in Ruhe und Frieden auf den Tod vorzubereiten. In seinen Träumen hält er Zwiesprache mit seinen lieben Toten und ist fest überzeugt, daß sie selbst es sind, die aus den unsichtbaren Welten herüberschweben und ihm Trost zusprechen. In his dreams he communes with his beloved dead and is firmly convinced that they themselves are the ones floating over from the invisible worlds and offering him comfort. Dies gibt seinen Phantasien einen Schimmer von Wahrheit, der zugleich erhebt und rührt. This gives his fantasies a glimpse of truth that is both uplifting and moving.

Unsere Gespräche beschränken sich aber nicht auf seine Lebens- und Leidensgeschichte. Er ist auf allen Gebieten außergewöhnlich bewandert und von hoher Intelligenz. Er spricht überzeugend und klar. Was für ein prächtiger Mensch muß er in den Tagen des Glückes und der Jugend gewesen sein! Er scheint sich seines einstigen Wertes und der Tiefe seines Sturzes wohl bewußt zu sein.

»Als ich noch jung war,« sagte er, »glaubte ich für etwas Hohes, Erhabenes ausersehen zu sein. 'When I was young,' he said, 'I thought I was destined for something high, sublime. Ich hatte eine tiefe Empfindung, dabei aber doch eine Ruhe des Urteils, wie sie nicht alltäglich ist. I had a deep feeling, but at the same time a calmness of judgment that is not commonplace. Dieses Gefühl meines eigenen Wertes stützte mich da, wo andere längst unterlegen waren. This sense of my own worth sustained me where others had long since fallen short. Und ich hielt es für ein Verbrechen, in fruchtlosem Grübeln die Talente verkümmern zu lassen, die meinen Mitmenschen vielleicht von Nutzen sein konnten. And I considered it a crime to waste away in fruitless brooding the talents that might be of use to those around me. Wenn ich darüber nachdachte, was ich vollbracht, nämlich die Schöpfung eines lebenden, denkenden Wesens, dann glaubte ich ein Recht zu haben, mich über den großen Haufen der sogenannten Entdecker zu erheben. When I thought about what I had accomplished, namely the creation of a living, thinking being, I felt I had a right to rise above the great crowd of so-called discoverers. Aber gerade dieser Umstand ist es, der mich heute am tiefsten niederdrückt. All mein Sinnen und Hoffen war umsonst; und wie jener Erzengel, der dem Allmächtigen Trotz zu bieten wagte, bin ich in eine brennende, ewige Hölle verbannt. All my thinking and hoping was in vain; and like that archangel who dared to defy the Almighty, I am banished to a burning eternal hell. Ich trug den Himmel in mir, ich jubelte über meine Erfolge und glühte vor Eifer, noch weiter zu schreiten auf der einmal betretenen Bahn. I carried heaven within me, I rejoiced at my successes and glowed with eagerness to go even further on the path I had once trodden. Von meiner Kindheit an war ich voll stolzer Hoffnungen und voll zügellosen Ehrgeizes. Wie tief aber bin ich heute gesunken! Mein Freund, wenn Sie mich noch gekannt hätten, wie ich früher war, Sie würden mich nicht mehr erkennen. Verzweiflung war mir fremd, und ein großes, hohes Geschick schien mir Flügel zu verleihen, bis ich tief, so tief fiel, daß ich mich nicht mehr erheben kann.«

Muß ich also wirklich dieses liebenswerte Geschöpf verlieren? So do I really have to lose this lovable creature? Ich habe mich so lange nach einem Freunde gesehnt, nach einem Menschen, der mir in Liebe zugetan ist und mich versteht. I've longed for a friend for so long, for someone who loves me and understands me. Sieh, in diesen endlosen Eiswüsten habe ich ihn gefunden; aber ich fürchte, ich habe ihn nur gefunden, um seinen Wert zu erkennen und ihn dann zu verlieren. Behold, in these endless deserts of ice I have found him; but I'm afraid I found it only to realize its worth and then lose it. Ich habe alles versucht, um ihn das Leben wieder lieben zu lehren, aber er will nichts davon wissen. I've tried everything to make him love life again, but he doesn't want to have any of it.

»Ich danke Ihnen, Walton,« sagte er, » für Ihre freundlichen Bemühungen um mich Armen. Aber glauben Sie nicht, daß mir neue Bande und neue Liebe das zu ersetzen vermöchten, was ich verloren. But don't think that new bonds and new love can make up for what I've lost. Kann mir ein Mann je noch das sein, was mir Clerval, oder ein Weib das, was mir Elisabeth war? Clerval'in benim için olduğu gibi bir erkek ya da Elisabeth'in benim için olduğu gibi bir kadın olabilir mi? An den Genossen unserer Jugend hängen wir so fest, daß die Neigungen späterer Jahre sie nicht aus unseren Herzen zu verdrängen vermögen. We are so attached to the comrades of our youth that the affections of later years are unable to drive them out of our hearts. Und ich habe Freunde gehabt, die mir nicht nur durch Gewohnheit lieb geworden waren, sondern um ihrer selbst willen. Wo immer ich weile, flüstern mir die Stimmen Elisabeths und Clervals an das Ohr. Sie sind tot, und nur eines ist es, was mich in dieser Öde noch an das Leben kettet. They are dead, and there is only one thing that still binds me to life in this wasteland. Hätte ich noch ein Ziel, das, hoch und erhaben, der Menschheit von Nutzen sein könnte, dann, ja dann könnte ich mich entschließen weiter zu leben. Aber das ist mir nicht beschieden! But that is not my destiny! Ich habe nichts mehr weiter zu tun, als das Ungeheuer, das ich schuf, zu verfolgen und zu vernichten. Dann ist mein Erdenzweck erfüllt und ich kann mich schlafen legen.«