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Frankenstein - Mary W. Shelley, 16. Kapitel - 03

16. Kapitel - 03

Einige Wochen führte ich ein elendes Dasein in den Wäldern, bemüht, meine Wunde zu kurieren. Die Kugel war in die Schulter eingedrungen und ich wußte nicht, saß sie da noch fest oder war sie hindurchgegangen. Jedenfalls hatte ich keine Möglichkeit sie zu entfernen. Am meisten schmerzte es mich, daß es Undank und Ungerechtigkeit waren, denen ich diese Leiden zu verdanken hatte. Mein Wunsch nach Rache, nach furchtbarer, tödlicher Rache wuchs von Tag zu Tag. Umsonst wollte ich diese Kränkungen und Qualen nicht erduldet haben.

Es dauerte einige Wochen, bis meine Wunde geheilt war; dann setzte ich meine Wanderung fort. Auch die liebliche Sonne und das milde Wehen des Frühlingswindes waren nicht mehr imstande, die Glut meiner Rachegefühle zu besänftigen. Alles Liebliche schien mir wie ein Hohn, der mich mit Verzweiflung erfüllte und mich nur noch mehr fühlen ließ, daß ich nicht zur Freude auf dieser Erde war.

Allmählich näherte ich mich meinem ersehnten Ziele. Nach etwa zwei Monaten hatte ich Genf erreicht.

Es war Abend, als ich ankam, und ich suchte mir sogleich ein Versteck, in dem ich darüber nachdachte, wie ich mich dir am besten bemerkbar machen könnte. Ich litt Hunger und Durst und war viel zu müde und elend, um mich an dem schönen Abend und der Pracht des Sonnenunterganges zu erfreuen.

Ein wohltuender Schlummer hatte sich meiner bemächtigt und mich von meinen qualvollen Gedanken erlöst, als ich plötzlich wieder aufgeschreckt wurde. Ein hübsches Kind kam auf den Platz zugelaufen, wo ich mich verborgen hielt. Als ich es erblickte, tauchte in mir eine Idee auf. Das Kind war noch ohne Vorurteil und hatte noch zu kurz gelebt, um meine Mißgestalt als etwas Schreckliches aufzufassen. Wenn es mir also gelänge, den Kleinen zu ergreifen und ihn mir als Genossen und Freund heranzuziehen, würde mein Dasein nicht mehr so traurig und ich nicht mehr so allein sein auf der Erde.

Ich ergriff deshalb den Knaben, als er an meinem Versteck vorbeiging, und zog ihn an mich. Kaum hatte er mich erblickt, schlug er die Hände vor das Gesicht und stieß einen schrillen Schrei aus. Ich riß ihm die Hände mit Gewalt von den Augen und sagte: »Mein Kind, was soll das bedeuten? Ich will dir nichts tun; höre mich an!«

Doch er wehrte sich aus Leibeskräften. »Laß mich, du Ungeheuer!« schrie er. »Du häßlicher Mann! Du willst mich auffressen und mich in Stücke zerreißen, du bist ein Menschenfresser laß mich, oder ich sage es Papa!«

»Aber, mein Liebling, du wirst deinen Vater nie wieder sehen, du kommst mit mir.«

»Du greulicher Mensch, laß mich. Papa ist Richter. Er heißt Frankenstein. Er wird dich bestrafen. Du mußt mich loslassen!«

»Frankenstein heißt du? Dann gehörst du also zu meinen Feinden, zu dem, dem ich ewige Rache geschworen. Du wirst mein erstes Opfer sein.«

Das Kind wehrte sich verzweifelt und schleuderte mir Schimpfnamen ins Gesicht, daß mein Herz erstarrte. Ich drückte ihm die Kehle zu, um es zum Schweigen zu bringen, und im nächsten Augenblick taumelte es tot zu meinen Füßen nieder.

Ich sah auf mein Opfer und mein Herz klopfte in höllischem Triumph. Ich klatschte in die Hände und rief: »Auch ich kann Verzweiflung säen; meine Feinde sind nicht unverletzlich. Dieser Mord wird ihnen nahe gehen und mit tausend anderen Dingen werde ich sie quälen und vernichten.«

Ich blickte noch einmal auf den kleinen Leichnam und sah an seinem Halse etwas Glitzerndes hängen. Ich griff danach. Es war das Bildnis eines wunderschönen Weibes, dessen Liebreiz mich trotz meiner Wut bestrickte. Einige Augenblicke starrte ich auf die dunklen Augen, die von langen Wimpern beschattet wurden, und auf die frischen, roten Lippen. Ich wußte, daß ich für immer des Glückes entbehren mußte, das solch liebliche Geschöpfe gewähren, und daß das reizende Gesicht, hätte die Trägerin mich sehen können, im nächsten Augenblick den Ausdruck der Angst und des Ekels angenommen hätte.

Brauche ich dir zu sagen, daß dieser Gedanke meinen Zorn von neuem anstachelte? Ich wundere mich selbst, daß ich nicht, anstatt meinen Schmerz durch lautes Brüllen hinauszuschreien, mich auf die Menschheit stürzte, um sie zu vernichten.

Ich verließ die Stelle, auf der der Mord geschehen war, und suchte nach einem anderen Versteck, wo ich vor Entdeckung sicher war. Ich kam zu einem Stall, der mir leer schien. Als ich eintrat, erblickte ich ein Mädchen, das auf einem Strohhaufen schlief. Sie war jung und schön, wenn auch nicht so schön wie das Weib, dessen Bild ich noch in der Hand trug. Aber sie blühte in der ganzen Schönheit und Frische der Jugend. Hier lag eines der beglückenden Geschöpfe, beglückend für alle außer mir. Ich beugte mich über sie und flüsterte: »Wach auf, Süße, dein Liebster ist da, dein Liebster, der sein Leben dafür gäbe, um einen Liebesblick aus deinen Augen zu empfangen, – wach auf.«

Die Schläferin bewegte sich und ein Schauer überrieselte meinen Leib. Sollte ich sie wirklich wecken? Sie hätte jedenfalls bei meinem Anblick furchtbar geschrieen und man hätte den Mörder gefaßt. Der Gedanke machte mich rasend; nicht ich sollte leiden, sondern sie. Ich habe den Mord begangen, weil ich das für immer missen mußte, was sie zu gewähren hatte. Sie selbst ist an meinem Verbrechen mitschuldig und soll die gerechte Strafe dafür erleiden! Aus Felix' Unterricht an seine Geliebte hatte ich von den blutigen Gesetzen der Menschen erfahren und wußte, wie ich Unheil säen konnte. Ich steckte der Schläferin vorsichtig das Porträt in eine ihrer Kleidertaschen, und als sie sich bewegte, floh ich.

Einige Tage trieb ich mich noch in der Umgebung des Platzes umher, wo sich das alles ereignet hatte. Ich wußte nicht, sollte ich es noch versuchen mit dir zusammenzukommen oder meinem elenden Dasein ein Ende bereiten. Schließlich suchte ich Zuflucht in diesen Bergen und durchstreifte ihre tiefsten Schluchten, verzehrt von einer brennenden Leidenschaft, die nur du allein befriedigen kannst. Du wirst diesen Platz nicht verlassen, ehe du mir versprochen hast, meine Bitte zu erfüllen. Ich bin allein und unglücklich. Mit Menschen werde ich nie verkehren können, das habe ich gesehen; aber ein Wesen, das ebenso häßlich und mißgestaltet ist wie ich, wird mir seine Neigung nicht versagen. Meine Genossin muß von derselben Art sein wie ich und dieselben Mängel haben. Dieses Wesen mußt du mir schaffen.


16. Kapitel - 03 16. chapter - 03 Capítulo 16 - 03 Capitolo 16 - 03

Einige Wochen führte ich ein elendes Dasein in den Wäldern, bemüht, meine Wunde zu kurieren. Die Kugel war in die Schulter eingedrungen und ich wußte nicht, saß sie da noch fest oder war sie hindurchgegangen. Jedenfalls hatte ich keine Möglichkeit sie zu entfernen. Am meisten schmerzte es mich, daß es Undank und Ungerechtigkeit waren, denen ich diese Leiden zu verdanken hatte. It pained me most that it was ingratitude and injustice to which I owed these sufferings. Mein Wunsch nach Rache, nach furchtbarer, tödlicher Rache wuchs von Tag zu Tag. Umsonst wollte ich diese Kränkungen und Qualen nicht erduldet haben. I would not have endured these insults and torments in vain.

Es dauerte einige Wochen, bis meine Wunde geheilt war; dann setzte ich meine Wanderung fort. Auch die liebliche Sonne und das milde Wehen des Frühlingswindes waren nicht mehr imstande, die Glut meiner Rachegefühle zu besänftigen. Even the lovely sun and the gentle breeze of spring were no longer able to soothe the ardor of my revengeful feelings. Alles Liebliche schien mir wie ein Hohn, der mich mit Verzweiflung erfüllte und mich nur noch mehr fühlen ließ, daß ich nicht zur Freude auf dieser Erde war. Everything lovely seemed to me like a mockery, which filled me with despair and made me feel even more that I was not on this earth for joy.

Allmählich näherte ich mich meinem ersehnten Ziele. Nach etwa zwei Monaten hatte ich Genf erreicht.

Es war Abend, als ich ankam, und ich suchte mir sogleich ein Versteck, in dem ich darüber nachdachte, wie ich mich dir am besten bemerkbar machen könnte. Ich litt Hunger und Durst und war viel zu müde und elend, um mich an dem schönen Abend und der Pracht des Sonnenunterganges zu erfreuen.

Ein wohltuender Schlummer hatte sich meiner bemächtigt und mich von meinen qualvollen Gedanken erlöst, als ich plötzlich wieder aufgeschreckt wurde. A soothing slumber had taken hold of me and freed me from my torturous thoughts when I was suddenly startled again. Ein hübsches Kind kam auf den Platz zugelaufen, wo ich mich verborgen hielt. Als ich es erblickte, tauchte in mir eine Idee auf. Das Kind war noch ohne Vorurteil und hatte noch zu kurz gelebt, um meine Mißgestalt als etwas Schreckliches aufzufassen. Wenn es mir also gelänge, den Kleinen zu ergreifen und ihn mir als Genossen und Freund heranzuziehen, würde mein Dasein nicht mehr so traurig und ich nicht mehr so allein sein auf der Erde.

Ich ergriff deshalb den Knaben, als er an meinem Versteck vorbeiging, und zog ihn an mich. So I grabbed the boy as he passed my hiding place and pulled him to me. Kaum hatte er mich erblickt, schlug er die Hände vor das Gesicht und stieß einen schrillen Schrei aus. As soon as he saw me, he covered his face with his hands and let out a high-pitched scream. Ich riß ihm die Hände mit Gewalt von den Augen und sagte: »Mein Kind, was soll das bedeuten? Ich will dir nichts tun; höre mich an!«

Doch er wehrte sich aus Leibeskräften. But he fought back with all his might. »Laß mich, du Ungeheuer!« schrie er. »Du häßlicher Mann! Du willst mich auffressen und mich in Stücke zerreißen, du bist ein Menschenfresser laß mich, oder ich sage es Papa!«

»Aber, mein Liebling, du wirst deinen Vater nie wieder sehen, du kommst mit mir.«

»Du greulicher Mensch, laß mich. "You horrible person, leave me. Papa ist Richter. Er heißt Frankenstein. Er wird dich bestrafen. Du mußt mich loslassen!«

»Frankenstein heißt du? Dann gehörst du also zu meinen Feinden, zu dem, dem ich ewige Rache geschworen. Then you belong to my enemies, to the one on whom I swore eternal vengeance. Du wirst mein erstes Opfer sein.«

Das Kind wehrte sich verzweifelt und schleuderte mir Schimpfnamen ins Gesicht, daß mein Herz erstarrte. Ich drückte ihm die Kehle zu, um es zum Schweigen zu bringen, und im nächsten Augenblick taumelte es tot zu meinen Füßen nieder. I squeezed its throat to silence it, and the next moment it fell dead at my feet.

Ich sah auf mein Opfer und mein Herz klopfte in höllischem Triumph. I looked at my victim and my heart pounded in hellish triumph. Ich klatschte in die Hände und rief: »Auch ich kann Verzweiflung säen; meine Feinde sind nicht unverletzlich. I clapped my hands and cried, 'I too can sow despair; my enemies are not invulnerable. Dieser Mord wird ihnen nahe gehen und mit tausend anderen Dingen werde ich sie quälen und vernichten.« This murder will affect them and with a thousand other things I will torment and destroy them.«

Ich blickte noch einmal auf den kleinen Leichnam und sah an seinem Halse etwas Glitzerndes hängen. Ich griff danach. Es war das Bildnis eines wunderschönen Weibes, dessen Liebreiz mich trotz meiner Wut bestrickte. It was the portrait of a beautiful woman whose charm captivated me in spite of my anger. Einige Augenblicke starrte ich auf die dunklen Augen, die von langen Wimpern beschattet wurden, und auf die frischen, roten Lippen. Ich wußte, daß ich für immer des Glückes entbehren mußte, das solch liebliche Geschöpfe gewähren, und daß das reizende Gesicht, hätte die Trägerin mich sehen können, im nächsten Augenblick den Ausdruck der Angst und des Ekels angenommen hätte. I knew that I must forever be deprived of the happiness that such lovely creatures afford, and that had the wearer been able to see me, her lovely face would have taken on the expression of fear and disgust the next moment.

Brauche ich dir zu sagen, daß dieser Gedanke meinen Zorn von neuem anstachelte? Do I need to tell you that this thought incited my anger anew? Ich wundere mich selbst, daß ich nicht, anstatt meinen Schmerz durch lautes Brüllen hinauszuschreien, mich auf die Menschheit stürzte, um sie zu vernichten. I amaze myself that instead of screaming out my pain in a loud roar, I did not pounce on humanity to destroy it.

Ich verließ die Stelle, auf der der Mord geschehen war, und suchte nach einem anderen Versteck, wo ich vor Entdeckung sicher war. Ich kam zu einem Stall, der mir leer schien. Als ich eintrat, erblickte ich ein Mädchen, das auf einem Strohhaufen schlief. Sie war jung und schön, wenn auch nicht so schön wie das Weib, dessen Bild ich noch in der Hand trug. Aber sie blühte in der ganzen Schönheit und Frische der Jugend. But she blossomed in all the beauty and freshness of youth. Hier lag eines der beglückenden Geschöpfe, beglückend für alle außer mir. Here lay one of the happy creatures, happy for everyone but me. Ich beugte mich über sie und flüsterte: »Wach auf, Süße, dein Liebster ist da, dein Liebster, der sein Leben dafür gäbe, um einen Liebesblick aus deinen Augen zu empfangen, – wach auf.« I bent over her and whispered, "Wake up, sweetheart, your lover is here, your lover who would give his life to have a look of love in your eyes - wake up."

Die Schläferin bewegte sich und ein Schauer überrieselte meinen Leib. The sleeper moved and a shiver ran down my body. Sollte ich sie wirklich wecken? Sie hätte jedenfalls bei meinem Anblick furchtbar geschrieen und man hätte den Mörder gefaßt. Der Gedanke machte mich rasend; nicht ich sollte leiden, sondern sie. Ich habe den Mord begangen, weil ich das für immer missen mußte, was sie zu gewähren hatte. I committed the murder because I had to miss forever what she had to grant. Sie selbst ist an meinem Verbrechen mitschuldig und soll die gerechte Strafe dafür erleiden! Aus Felix' Unterricht an seine Geliebte hatte ich von den blutigen Gesetzen der Menschen erfahren und wußte, wie ich Unheil säen konnte. Ich steckte der Schläferin vorsichtig das Porträt in eine ihrer Kleidertaschen, und als sie sich bewegte, floh ich.

Einige Tage trieb ich mich noch in der Umgebung des Platzes umher, wo sich das alles ereignet hatte. Ich wußte nicht, sollte ich es noch versuchen mit dir zusammenzukommen oder meinem elenden Dasein ein Ende bereiten. I didn't know if I should still try to get together with you or put an end to my miserable existence. Schließlich suchte ich Zuflucht in diesen Bergen und durchstreifte ihre tiefsten Schluchten, verzehrt von einer brennenden Leidenschaft, die nur du allein befriedigen kannst. Finally I took refuge in these mountains and roamed their deepest chasms, consumed by a burning passion that only you can satisfy. Du wirst diesen Platz nicht verlassen, ehe du mir versprochen hast, meine Bitte zu erfüllen. You will not leave this place until you have promised to grant my request. Ich bin allein und unglücklich. Mit Menschen werde ich nie verkehren können, das habe ich gesehen; aber ein Wesen, das ebenso häßlich und mißgestaltet ist wie ich, wird mir seine Neigung nicht versagen. I'll never be able to associate with people, I've seen that; but a creature as ugly and misshapen as I am will not fail me in affection. Meine Genossin muß von derselben Art sein wie ich und dieselben Mängel haben. Dieses Wesen mußt du mir schaffen.