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Der Schatz von Franchard - Robert Louis Stevenson, Viertes Kapitel - Die Erziehung zum Philosophen - 02

Viertes Kapitel - Die Erziehung zum Philosophen - 02

»Ich führe dich,« pflegte er zu sagen, »durch grüne Triften. Mein System, mein Glaube, meine Medizin lassen sich in einen einzigen Satz zusammenfassen – meide den Exzeß. Natur, die göttliche, gesunde, mäßige Natur verabscheut und vernichtet den Exzeß. Die menschlichen Gesetze eisern, wenn auch in großen Abständen, darin ihren Bestimmungen nach, und an uns ist es, die Gesetze in ihren Bestrebungen zu unterstützen. Jawohl, Junge, wir müssen uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber das Gesetz darstellen – lex armata – das bewaffnete, gebieterische, tyrannische Gesetz. Siehst du ein gebrechliches menschliches Wesen Schnupftabak nehmen, so schlage ihm die Dose aus der Hand! Der Richter ist mir, obwohl er gleichfalls eine Konzession an das Übel darstellt, doch ein geringeres Greuel als der Arzt oder der Priester. Vor allem der Arzt – der Arzt und der ganze faule Plunder und Trödel seiner Pharinacopoea! Reine Luft – vorzüglich aus der Nähe eines Fichtenhaines, wegen des Terpentins, – unverschnittenen Wein und die Betrachtungen eines arglosen Gemütes angesichts der Werke der Natur – diese, mein Junge, sind die besten Medikamente – und die trefflichste Erbauung. Ihnen gib dich hin. Horch! Sind das nicht die Glocken von Bourron? (Der Wind steht im Norden, es wird also schönes Wetter werden). Welch klarer, luftiger Ton! Die Nerven legen sich zur Ruhe; der Geist ist auf Schweigen gestimmt. Bemerke nur, wie leicht und regelmäßig dein Herz klopft! Der unaufgeklärte Arzt würde diesen Empfindungen zwar nichts entnehmen; du selbst jedoch erkennst sie als die Zeichen der Gesundheit. – Hast du übrigens heute morgen an deine Chinarinde gedacht? Gut! Chinarinde ist gleichfalls ein Werk der Natur; es ist schließlich nur ein Teil eines Baumes, und wir könnten sie uns selbst sammeln, wenn wir in jenen Gegenden lebten. – Welch eine wunderbare Welt! Mir als überzeugtem Atheisten ist es dennoch eine Freude, für die Welt Zeugnis ablegen zu können. Denk an die Heilmittel und Genüsse, die kostenlos unsern Pfad umgeben! Am Saume unseres Gartens fließt der Fluß vorbei, unser Bad, unser Fischteich, unsere natürliche Drainageanlage. Im Hofe ist ein Brunnen, der funkelndes Wasser in Hülle und Fülle aus dem Herzen der Erde emporschickt, sauberes, kühles Wasser, das mit ein wenig Wein vermischt äußerst zuträglich ist. Der Bezirk ist als gesund berühmt; Rheumatismus ist das einzige endemische Übel, und ich selbst habe bisher nicht das geringste davon gespürt. Ich sage dir – und meine Ansicht stützt sich auf die kühlsten, klarsten Schlüsse der Logik – solltest du oder ich je diesen Ort der Freude verlassen wollen – es wäre die Pflicht, ja das Vorrecht unseres besten Freundes, uns daran zu hindern, und wenn er uns eine Kugel in die Brust schösse.«

Eines schönen Junitages saßen sie auf dem Hügel außerhalb des Dorfes. Der Fluß schimmerte, blau wie der Himmel, hier und dort zwischen den Zweigen hindurch. Die unermüdlichen Vögel kreisten und flatterten um den Gretzer Kirchturm. Vom Walde her blies ein gesunder Wind, und das Geräusch abertausender von grünen Wipfeln und Millionen und Millionen grüner Blätter schwirrte durch die Luft und füllte das Ohr mit einem Klang, der zwischen Flüstern und Singen schwankte. Es war, als wenn jeder Grashalm ein Heimchen verborgen hielte, die Felder sangen ihr lustiges Lied, klingelten weit und breit wie das Schlittengeläut der Feenkönigin. Von ihrem Platze am Bergesabhang umfaßte das Auge auf der einen Seite ein großes Stück der pappelumsäumten Ebene und auf der anderen Seite die welligen Waldhügel zwischen beiden lag Gretz, eine Handvoll Dächer. Unter dem weiten blauen Himmelsbogen war das Dorf wie zu Spielzeuggröße zusammengeschrumpft. Es fehlen kaum glaublich, daß in diesem winzigen Erdenwinkel tatsächlich Menschen hausen und Raum zum Atmen finden könnten. Dieser Gedanke kam dem Jungen vielleicht zum erstenmal, und er verlieh ihm Worte.

»Wie klein es aussieht!« seufzte er.

»Jawohl,« erwiderte der Doktor, »heute sieht es recht klein aus. Und doch war es einmal eine blühende Stadt mit Mauern, voll pelzgekleideter Bürger und waffentragender Männer, voll geschäftigen Treibens, mit hohen Türmen und festen Zinnen und was weiß ich. Tausend Schornsteine hörten beim Abendläuten zu rauchen auf. Vor den Toren standen die Galgen so dicht wie Vogelscheuchen. In Kriegszeiten rannten die Stürmenden mit Leitern gegen die Wälle an, die Pfeile schwirrten dicht wie Blätter, die Verteidiger machten stürmische Ausfälle über die Zugbrücke hinaus, jede Partei ließ während des Ringens ihren Kampfruf erschallen. Weißt du, daß die Wälle sich bis zu der Commanderie erstreckten? Die Sage will es. Ach, wie fern liegt dies Getümmel heute – nichts ist davon übrig geblieben, die paar stillen Worte ausgenommen, die ich dir jetzt sage – und die Stadt selbst ist zu jenem Dörfchen zu unseren Füßen zusammengeschrumpft. Dann kamen die englischen Kriege – von den Engländern wirst du später noch mehr erfahren, ein dummes Volk, das indes mitunter trotz aller Tolpatschigkeit einiges Gute geschaffen hat – und Gretz wurde erobert, geplündert und gebrandschatzt. Das ist so die Geschichte vieler Städte, aber Gretz hat sich niemals davon erholt. Es wurde nicht wieder aufgebaut; seine Ruinen dienten aufstrebenden rivalisierenden Städten als Steinbruch; die Steine von Gretz stehen jetzt aufrecht entlang den Straßen von Nemours. Es freut mich, daß unser altes Haus als erstes aus dem Staub aufblühte; nach dem Fall der Stadt wurde es der Grundstein zu dem Dorfe.«

»Ich bin auch froh darüber,« sagte Jean-Marie.

»Es müßte zum Tempel aller schlichten Tugenden werden,« entgegnete der Doktor mit feinschmeckerischem Behagen. »Vielleicht liebe ich den kleinen Ort nur darum so, weil er die gleiche Geschichte hat wie ich. Habe ich dir schon erzählt, daß ich früher einmal reich war?«

»Ich glaube, nein,« antwortete Jean-Marie. »Ich glaube, das hätte ich nicht vergessen. Es tut mir leid, daß Sie Ihr Vermögen verloren haben.«

»Leid?« rief der Doktor. »Ich sehe, daß ich trotz allem nicht einmal die Anfangsgründe zu deiner Erziehung gelegt habe. Achte auf das, was ich sage. Würdest du lieber in dem alten Gretz oder in dem neuen wohnen, ohne die Schrecken des Krieges, umgeben von grünen Wiesen, ohne Lärm und Pässe, ohne die Erhebungen der Soldateska und das Gebimmel der Abendglocken, die uns schon bei Sonnenuntergang ins Bett schicken würden?«

»Wahrscheinlich lieber in dem neuen,« war des Jungen Antwort.

»Sehr richtig,« entgegnete der Doktor, »ich auch. Und ebenso ziehe ich mein bescheidenes Vermögen von heute meinem früheren Reichtum vor. Goldene Mittelmäßigkeit! riefen die bewunderungswürdigen Alten; und ich teile ihre Begeisterung. Habe ich nicht guten Wein, gutes Essen, gute Luft, Wald und Feld zum Spazierengehen, ein Haus, eine ausgezeichnete Frau und einen Jungen, den ich buchstäblich wie einen Sohn liebe? Wäre ich indes noch reich, so würde ich meinen Wohnort ganz zweifellos in Paris aufschlagen – du kennst natürlich Paris – Paris und Paradies sind nicht ein und dasselbe Wort. Das angenehme Geräusch des Windes in den Zweigen verwandelt in das geisttötende babylonische Stimmengewirr der Straße, ödes grelles Pflaster anstelle dieses ruhigen Musters in Grün und Grau, kaputte Nerven, gestörte Verdauung – welch ein Sturz! Du siehst bereits die Konsequenzen; der Geist wird aufgepeitscht, das Herz klopft nach einem anderen Rhythmus, der Mensch hört auf, er selbst zu sein. Ich habe mich selbst mit Hingebung studiert – das ist das wahre Studium des Philosophen. Ich kenne meinen Charakter wie der Musiker die Griffe auf seiner Flöte. Sollte ich nach Paris zurückkehren, ich würde mich durch das Spiel ruinieren; mehr noch – meiner Anastasie durch meine Untreue das Herz brechen.«

Viertes Kapitel - Die Erziehung zum Philosophen - 02 Fourth Chapter - Education to become a Philosopher - 02 Capítulo cuarto - La educación como filósofo - 02 Hoofdstuk Vier - Onderwijs als filosoof - 02 Capítulo IV - A educação como filósofo - 02 Kapitel fyra - Utbildning som filosof - 02

»Ich führe dich,« pflegte er zu sagen, »durch grüne Triften. "I will lead you," he used to say, "through green meadows." Mein System, mein Glaube, meine Medizin lassen sich in einen einzigen Satz zusammenfassen – meide den Exzeß. My system, my belief, my medicine can be summed up in a single sentence - avoid excess. Natur, die göttliche, gesunde, mäßige Natur verabscheut und vernichtet den Exzeß. is the story of many cities, but Gretz never recovered from it. Die menschlichen Gesetze eisern, wenn auch in großen Abständen, darin ihren Bestimmungen nach, und an uns ist es, die Gesetze in ihren Bestrebungen zu unterstützen. I told you that I was once rich?" Jawohl, Junge, wir müssen uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber das Gesetz darstellen – __lex armata__ – das bewaffnete, gebieterische, tyrannische Gesetz. Indeed, boy, we must present the law to ourselves and our fellow human beings - lex armata - the armed, imperative, tyrannical law. Siehst du ein gebrechliches menschliches Wesen Schnupftabak nehmen, so schlage ihm die Dose aus der Hand! If you see a fragile human being taking snuff, knock the box out of their hand! Der Richter ist mir, obwohl er gleichfalls eine Konzession an das Übel darstellt, doch ein geringeres Greuel als der Arzt oder der Priester. The judge, although he also concedes to evil, is to me a lesser evil than the doctor or the priest. Vor allem der Arzt – der Arzt und der ganze faule Plunder und Trödel seiner Pharinacopoea! Above all the doctor - the doctor and all the rotten junk and trinkets of his pharmacy! Reine Luft – vorzüglich aus der Nähe eines Fichtenhaines, wegen des Terpentins, – unverschnittenen Wein und die Betrachtungen eines arglosen Gemütes angesichts der Werke der Natur – diese, mein Junge, sind die besten Medikamente – und die trefflichste Erbauung. Fresh air - especially from the vicinity of a pine grove, because of the turpentine - unadulterated wine, and the contemplation of an innocent mind in view of the works of nature - these, my boy, are the best medicines - and the most excellent edification. Ihnen gib dich hin. Indulge in them. Horch! Listen! Sind das nicht die Glocken von Bourron? Are those not the bells of Bourron? (Der Wind steht im Norden, es wird also schönes Wetter werden). (The wind is from the north, so the weather will be fine). Welch klarer, luftiger Ton! What a clear, airy sound! Die Nerven legen sich zur Ruhe; der Geist ist auf Schweigen gestimmt. The nerves calm down; the mind is tuned to silence. Bemerke nur, wie leicht und regelmäßig dein Herz klopft! Just notice how light and regular your heart beats! Der unaufgeklärte Arzt würde diesen Empfindungen zwar nichts entnehmen; du selbst jedoch erkennst sie als die Zeichen der Gesundheit. The unenlightened doctor may not discern anything from these sensations; but you yourself recognize them as signs of health. – Hast du übrigens heute morgen an deine Chinarinde gedacht? - By the way, did you remember your cinchona bark this morning? Gut! Good! Chinarinde ist gleichfalls ein Werk der Natur; es ist schließlich nur ein Teil eines Baumes, und wir könnten sie uns selbst sammeln, wenn wir in jenen Gegenden lebten. Cinchona bark is likewise a work of nature; after all, it is just a part of a tree, and we could gather it ourselves if we lived in those regions. – Welch eine wunderbare Welt! - What a wonderful world! Mir als überzeugtem Atheisten ist es dennoch eine Freude, für die Welt Zeugnis ablegen zu können. As a convinced atheist, it still brings me joy to bear witness for the world. Denk an die Heilmittel und Genüsse, die kostenlos unsern Pfad umgeben! Think of the remedies and delights that surround our path for free! Am Saume unseres Gartens fließt der Fluß vorbei, unser Bad, unser Fischteich, unsere natürliche Drainageanlage. At the edge of our garden flows the river, our bath, our fish pond, our natural drainage system. Im Hofe ist ein Brunnen, der funkelndes Wasser in Hülle und Fülle aus dem Herzen der Erde emporschickt, sauberes, kühles Wasser, das mit ein wenig Wein vermischt äußerst zuträglich ist. In the courtyard there is a well that sends sparkling water abundantly from the heart of the earth, clean, cool water, extremely beneficial when mixed with a little wine. Der Bezirk ist als gesund berühmt; Rheumatismus ist das einzige endemische Übel, und ich selbst habe bisher nicht das geringste davon gespürt. The district is famous for its health; rheumatism is the only endemic evil, and I myself have not felt the slightest bit of it so far. Ich sage dir – und meine Ansicht stützt sich auf die kühlsten, klarsten Schlüsse der Logik – solltest du oder ich je diesen Ort der Freude verlassen wollen – es wäre die Pflicht, ja das Vorrecht unseres besten Freundes, uns daran zu hindern, und wenn er uns eine Kugel in die Brust schösse.« I tell you - and my view is based on the coolest, clearest logic - if you or I ever wanted to leave this place of joy, it would be the duty, indeed the privilege of our best friend to stop us, even if he shot a bullet into our chest."

Eines schönen Junitages saßen sie auf dem Hügel außerhalb des Dorfes. On a beautiful day in June, they sat on the hill outside the village. Der Fluß schimmerte, blau wie der Himmel, hier und dort zwischen den Zweigen hindurch. The river shimmered, blue as the sky, here and there between the branches. Die unermüdlichen Vögel kreisten und flatterten um den Gretzer Kirchturm. The tireless birds circled and fluttered around the Gretzer church tower. Vom Walde her blies ein gesunder Wind, und das Geräusch abertausender von grünen Wipfeln und Millionen und Millionen grüner Blätter schwirrte durch die Luft und füllte das Ohr mit einem Klang, der zwischen Flüstern und Singen schwankte. From the forest blew a healthy wind, and the sound of thousands of green treetops and millions and millions of green leaves rustled through the air, filling the ear with a sound that oscillated between whispering and singing. Es war, als wenn jeder Grashalm ein Heimchen verborgen hielte, die Felder sangen ihr lustiges Lied, klingelten weit und breit wie das Schlittengeläut der Feenkönigin. It was as if every blade of grass held a cricket hidden, the fields sang their cheerful song, ringing far and wide like the sleigh bells of the fairy queen. Von ihrem Platze am Bergesabhang umfaßte das Auge auf der einen Seite ein großes Stück der pappelumsäumten Ebene und auf der anderen Seite die welligen Waldhügel zwischen beiden lag Gretz, eine Handvoll Dächer. From their place on the mountainside, the eye embraced on one side a large stretch of poplar-lined plain and on the other side the rolling forested hills between which lay Gretz, a handful of roofs. Unter dem weiten blauen Himmelsbogen war das Dorf wie zu Spielzeuggröße zusammengeschrumpft. Under the wide blue sky, the village had shrunk to the size of a toy. Es fehlen kaum glaublich, daß in diesem winzigen Erdenwinkel tatsächlich Menschen hausen und Raum zum Atmen finden könnten. It was hardly believable that in this tiny corner of the earth, people could actually live and find room to breathe. Dieser Gedanke kam dem Jungen vielleicht zum erstenmal, und er verlieh ihm Worte. Perhaps this thought came to the boy for the first time, and he put it into words.

»Wie klein es aussieht!« seufzte er. "How small it looks!" he sighed.

»Jawohl,« erwiderte der Doktor, »heute sieht es recht klein aus. "Indeed," replied the doctor, "today it does look quite small. Und doch war es einmal eine blühende Stadt mit Mauern, voll pelzgekleideter Bürger und waffentragender Männer, voll geschäftigen Treibens, mit hohen Türmen und festen Zinnen und was weiß ich. And yet, it was once a flourishing city with walls, citizens in fur, armed men, bustling activity, high towers, and strong battlements, and who knows what else. Tausend Schornsteine hörten beim Abendläuten zu rauchen auf. Thousand chimneys stopped smoking when the evening bells rang. Vor den Toren standen die Galgen so dicht wie Vogelscheuchen. Galloes stood outside the gates as close together as scarecrows. In Kriegszeiten rannten die Stürmenden mit Leitern gegen die Wälle an, die Pfeile schwirrten dicht wie Blätter, die Verteidiger machten stürmische Ausfälle über die Zugbrücke hinaus, jede Partei ließ während des Ringens ihren Kampfruf erschallen. In times of war, the attackers ran with ladders against the walls, arrows flew as densely as leaves, the defenders made stormy sorties beyond the drawbridge, each party sounded their battle cry during the struggle. Weißt du, daß die Wälle sich bis zu der Commanderie erstreckten? Do you know that the walls extended all the way to the Commanderie? Die Sage will es. Legend has it. Ach, wie fern liegt dies Getümmel heute – nichts ist davon übrig geblieben, die paar stillen Worte ausgenommen, die ich dir jetzt sage – und die Stadt selbst ist zu jenem Dörfchen zu unseren Füßen zusammengeschrumpft. Oh, how far away that tumult is today—nothing of it remains except for the few quiet words I am telling you now—and the city itself has shrunk into that little village at our feet. Dann kamen die englischen Kriege – von den Engländern wirst du später noch mehr erfahren, ein dummes Volk, das indes mitunter trotz aller Tolpatschigkeit einiges Gute geschaffen hat – und Gretz wurde erobert, geplündert und gebrandschatzt. Then came the English Wars—later on you will learn more about the English, a foolish people who, however, have sometimes created some good despite all their clumsiness—and Gretz was conquered, plundered, and burned. Das ist so die Geschichte vieler Städte, aber Gretz hat sich niemals davon erholt. That is the story of many cities, but Gretz never recovered from it. Es wurde nicht wieder aufgebaut; seine Ruinen dienten aufstrebenden rivalisierenden Städten als Steinbruch; die Steine von Gretz stehen jetzt aufrecht entlang den Straßen von Nemours. It was not rebuilt; its ruins served as a quarry for aspiring rival cities; the stones of Gretz now stand upright along the roads of Nemours. Es freut mich, daß unser altes Haus als erstes aus dem Staub aufblühte; nach dem Fall der Stadt wurde es der Grundstein zu dem Dorfe.« I am pleased that our old house was the first to emerge from the dust; after the fall of the city, it became the cornerstone of the village."

»Ich bin auch froh darüber,« sagte Jean-Marie. "I am also glad," said Jean-Marie.

»Es müßte zum Tempel aller schlichten Tugenden werden,« entgegnete der Doktor mit feinschmeckerischem Behagen. "It should become the temple of all simple virtues," replied the doctor with epicurean delight. »Vielleicht liebe ich den kleinen Ort nur darum so, weil er die gleiche Geschichte hat wie ich. "Perhaps I love the small place only because it has the same history as I do. Habe ich dir schon erzählt, daß ich früher einmal reich war?« Have I told you that I was once rich?"

»Ich glaube, nein,« antwortete Jean-Marie. "I think not," Jean-Marie replied. »Ich glaube, das hätte ich nicht vergessen. "I think I would not have forgotten that. Es tut mir leid, daß Sie Ihr Vermögen verloren haben.« I am sorry that you have lost your fortune."

»Leid?« rief der Doktor. "Sorry?" exclaimed the doctor. »Ich sehe, daß ich trotz allem nicht einmal die Anfangsgründe zu deiner Erziehung gelegt habe. "I see that despite everything, I have not even laid the foundations for your education. Achte auf das, was ich sage. Pay attention to what I say." Würdest du lieber in dem alten Gretz oder in dem neuen wohnen, ohne die Schrecken des Krieges, umgeben von grünen Wiesen, ohne Lärm und Pässe, ohne die Erhebungen der Soldateska und das Gebimmel der Abendglocken, die uns schon bei Sonnenuntergang ins Bett schicken würden?« "Would you rather live in the old Gretz or in the new one, without the horrors of war, surrounded by green meadows, without noise and passes, without the disturbances of the soldiery and the chiming of the evening bells that would send us to bed at sunset?"

»Wahrscheinlich lieber in dem neuen,« war des Jungen Antwort. "Probably in the new one," the boy replied.

»Sehr richtig,« entgegnete der Doktor, »ich auch. "Very true," the doctor replied, "I would too. Und ebenso ziehe ich mein bescheidenes Vermögen von heute meinem früheren Reichtum vor. And I prefer my humble wealth of today to my former riches. Goldene Mittelmäßigkeit! Golden mediocrity! riefen die bewunderungswürdigen Alten; und ich teile ihre Begeisterung. exclaimed the venerable elders; and I share their enthusiasm. Habe ich nicht guten Wein, gutes Essen, gute Luft, Wald und Feld zum Spazierengehen, ein Haus, eine ausgezeichnete Frau und einen Jungen, den ich buchstäblich wie einen Sohn liebe? Do I not have good wine, good food, good air, woods and fields for walking, a house, an excellent wife, and a boy whom I love literally like a son? Wäre ich indes noch reich, so würde ich meinen Wohnort ganz zweifellos in Paris aufschlagen – du kennst natürlich Paris – Paris und Paradies sind nicht ein und dasselbe Wort. However, if I were still rich, I would undoubtedly set up my residence in Paris – you know Paris of course – Paris and paradise are not the same word. Das angenehme Geräusch des Windes in den Zweigen verwandelt in das geisttötende babylonische Stimmengewirr der Straße, ödes grelles Pflaster anstelle dieses ruhigen Musters in Grün und Grau, kaputte Nerven, gestörte Verdauung – welch ein Sturz! The pleasant sound of the wind in the branches transformed into the mind-numbing babble of the street, bleak glaring pavement instead of this peaceful pattern in green and gray, shattered nerves, disrupted digestion – what a fall! Du siehst bereits die Konsequenzen; der Geist wird aufgepeitscht, das Herz klopft nach einem anderen Rhythmus, der Mensch hört auf, er selbst zu sein. You already see the consequences; the mind becomes agitated, the heart beats to a different rhythm, the person ceases to be themselves. Ich habe mich selbst mit Hingebung studiert – das ist das wahre Studium des Philosophen. I have studied myself with dedication – that is the true study of the philosopher. Ich kenne meinen Charakter wie der Musiker die Griffe auf seiner Flöte. I know my character like the musician knows the notes on his flute. Sollte ich nach Paris zurückkehren, ich würde mich durch das Spiel ruinieren; mehr noch – meiner Anastasie durch meine Untreue das Herz brechen.« If I were to return to Paris, I would ruin myself through gambling; even more - I would break Anastasie's heart with my infidelity."