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Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku, Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (2)

Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (2)

Thomas Nagl besucht mehr als 200 Arbeitslose im Jahr.

Heute ist Stephanie wieder dran.

Der Familienberater will ihr zeigen,

wie sie am besten nach einer Arbeit sucht.

Kann es doch noch klappen? Ohne Umschulung?

Thomas Nagl will, dass Stephanie es versucht.

Es soll gleich losgehen.

Also, die Idee für heute war ja, was wir vereinbart haben:

Wir gucken zusammen nach Jobs.

Ob da was dabei ist.

Und wenn dich das anspricht, formulieren wir dazu die Bewerbung.

Okay, ist aufgebaut.

Doch die Internetleitung im Dorf ist zu langsam,

auch die kostenlose Webseite des Jobcenters lädt nicht.

Mit dem Laptop kommt sie nicht weiter.

Vielleicht klappt es ja mit dem Smartphone.

Arbeitsamt, Stellenangebote.

Guck mal, was hat er draus gemacht?

Arbeit, äh, warte mal, das sind alles diese Anzeigen.

Die Stellenangebote sind das eine,

das Andere ist:

Stephanie soll selbstständiger werden und alleine klar kommen.

Du wirst immer wieder in Situationen kommen,

wo du einen Job suchen muss, das ist einfach so.

Dieser Traum, ich kriege einen Job bis zur Rente,

das gibt es nicht mehr.

Und in der Branche, in der du arbeitest,

wirst du öfter Wechsel haben, okay?

Das heißt, du kannst dir immer einen Berater suchen,

der dir hilft, diesen Job zu bekommen,

oder du lernst einmal richtig, wie es funktioniert, einen zu suchen

und dann auch zu bekommen.

Was ist eigentlich mit dem Führerscheinkurs geworden?

Hast du schon eine definitive Absage,

oder es ist ein Vielleicht, oder gucken wir, wie Corona ist,

was läuft da gerade? - Ich weiß es nicht.

Sie hat zu mir gemeint, das wäre beendet.

Die Sachbearbeiterin in dem Sonder- jobvermittlungsteam oder so?

Genau. - Und die weiß auch nicht?

Dann meinte sie, wir werden alle auf die Warteliste gesetzt.

Ja, das Komische, wenn ich auf Warteliste gesetzt werd,

dann kann ich mir normalerweise eine Auskunft holen beim Jobcenter.

Aber ich kriege keine Auskunft. - Hast du eine Idee?

Ja, ich war kurz davor zu sagen, hier, die sollen mir Kredit geben.

Wenn ich den Job eventuell bei der Diakonie anfangen könnte,

weil die suchen ja immer Leute.

Da hätte ich auch nicht das Problem, ein Auto zu kaufen,

weil da kriege ich eins gestellt.

Warte mal, jetzt, wo du sagst Kredit, mir fällt noch ein,

wenn du einen Arbeitgeber findest, der sagt,

wenn du den Führerschein hast, dann stellen wir dich ein,

das auch schriftlich dir gibt, dann zahlen sie dir, glaube ich,

müssen sogar den Führerschein beziehungsweise den Kurs bezahlen.

Das heißt, die Herausforderung ist,

wir müssen einen Arbeitgeber finden, der sich auf so was einlässt.

Aber würde ihr ein Arbeitgeber wirklich eine Jobgarantie geben,

bevor sie den Führerschein hat?

Stephanies Situation kennt man im Jobcenter Calw recht gut.

Zu den normalen Tageszeiten,

zwischen morgens sieben und Abends 18 Uhr

ist fast stündlich jeder Ort erreichbar.

Viele Arbeitsstellen sind aber außerhalb dieser abgedeckten Zeit,

Frühschicht, Spätschicht,

das heißt, die sind nicht erreichbar mit der üblichen Fahrt.

Da gibt es aber dann die Möglichkeit, dass wir,

wenn wirklich eine Arbeitsstelle da wäre,

den Führerschein

und bei Bedarf sogar ein Teil des Autokaufes finanzieren können.

Stattdessen finanziert das Jobcenter für Stephanie

aber erst einmal den Kreativitätskurs.

Man kann nähen, man kann Geschenke basteln,

man kann mit Holz arbeiten, das wäre eine Möglichkeit der Tagesstruktur.

Aber eine Tagesstruktur hat Stephanie ja eigentlich schon.

Für sie stellt sich die Frage, ob sie Zeit hat, putzen zu gehen,

wenn sie kreativ sein soll.

Zu uns kommen Menschen, die lange ohne Arbeit waren,

langzeitarbeitslose Menschen.

Und die auch manchmal diesen Tages- rhythmus, den man normalerweise hat,

nicht mehr so haben.

Und dann eben hier das wieder kennenlernen,

dass man einer Beschäftigung nachgeht,

und in diesem Fall ist es eben eine kreative Beschäftigung.

Und es kommen zu uns Teilnehmende aus dem Jobcenter,

die in eine Arbeitsgelegenheit,

so nennt sich diese Maßnahme, zugewiesen werden.

Möchtest du mal probieren? - Kann ich machen. Klar.

Du kannst das ja schon!

Klar, wenn man in einer halben Werkstatt groß wird.

Feilen für die minimale Grundsicherung.

Sie bekommt keinen Lohn hier, nur weiterhin ihr Arbeitslosengeld II.

Solange das Jobcenter das bezahlt, sind die Maßnahmen verpflichtend.

Den Teilnehmern geht es genauso.

Sie machen das Beste daraus und immerhin:

Ölfarben und Pinsel werden gestellt.

Aber selbst wenn Stephanie auch so gut malen könnte wie er,

sie wird keine Bilder verkaufen.

Und wenn doch, dürfte sie das Geld ja auch nicht behalten.

(Tragische Musik)

Look.

Das ist schön.

Holzskulpturen kreieren kann Spaß machen und auch wichtig sein,

gerade wenn man lange nicht gearbeitet hat.

Aber ist das auch etwas für Stephanie?

Eigentlich will sie ja Geld verdienen.

Aber jetzt muss sie mindestens drei Stunden am Tag

handwerklich oder künstlerisch tätig werden.

In der Zeit kann sie weder putzen gehen,

noch für den Führerschein lernen.

Ich würd das zwar vielleicht so als Freizeit, Freizeitgestaltung

so würde ich das eigentlich machen.

Direkt jetzt als Beruf würde ich selber persönlich nicht unbedingt,

weil einfach - ich bin ein Mensch, ich muss was zum Anpacken haben.

Habe ich nichts zum Anpacken, fühl ich mich nicht wohl.

Und es gibt viele Menschen, die hier ihre Kreativität entdecken,

aber es ist sicherlich kein Beruf, wo man mit Geld verdienen kann.

Klar, ich kann mich hier hinstellen, ich kann vielleicht auch was machen,

das mag sein.

Allerdings wird es mich nicht

jahrelang oder monatelang glücklich machen.

Friederike Schröder will zeigen,

wo ihre Schützlinge noch mitmachen können: beim Kochen in der Großküche.

Klar, sie sind alle gemeldet beim Jobcenter,

man macht ein Coaching mit ihnen, dass sie sich bewerben können.

Man guckt, dass sie Bewerbungsgespräche haben.

Das eine oder andere findet statt, wird auch was,

dass sie einen Job bekommen.

Bei vielen ist es so, dass sie nichts kriegen,

immer wieder auf der Suche sind.

Kochen ist auch so eine Maßnahme vom Jobcenter,

um Arbeitslose zu beschäftigen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Immerhin: Man kann umsonst essen, das ist gut für sie.

Und für das Jobcenter ist gut: Solange sie hier kochen,

tauchen sie nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf,

denn sie stehen dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung.

Okay, guten Appetit, gell.

Und es könnte ja sein, dass einer der Teilnehmenden doch auch mal

über das Kochen dem Arbeitsmarkt noch näher kommt.

Das hoffen sie zumindest hier in der Bundesagentur für Arbeit

und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB.

Wir wollen von den Wissenschaftlern wissen: Warum verordnen die Jobcenter

Langzeitarbeitslosen so viele Coachingmaßnahmen,

Kreativangebote und Kochkurse und was bringen sie?

Ja, es gibt viele Möglichkeiten natürlich,

auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Manchmal geht es darum, schlichtweg auch eine Tagesstruktur zu schaffen,

dass man zusammenkommt.

Ich habe beispielsweise selbst in einem Jobcenter mal erlebt,

da war es ein Kochkurs, der Menschen einfach gezeigt hat,

die können mit Erfolg auch etwas abschließen.

Das schafft Selbstvertrauen und das stärkt später auch das Auftreten

dann auch in Unternehmen.

Also genau solche Dinge, es können auch Sportkurse sein,

es geht vor allem darum, dass die Menschen auch Kontakte haben

und dann Stück für Stück an den Arbeitsmarkt herangeführt werden.

Die Beschäftigungsmaßnahmen

sieht man beim Institut der deutschen Wirtschaft etwas kritischer.

Diese ganzen Maßnahmen, die da gemacht werden, die ...

Erfolg auf dem Blindflug.

Da denkt sich irgendjemand im Jobcenter was aus,

was man machen könnte, und dann wird das gemacht,

das geht auch gar nicht anders,

weil man kann nicht jede Einzelmaß- nahme wissenschaftlich evaluieren,

viel zu aufwendig.

Das kostet ein Heidengeld, so eine Evaluationsstudie,

weil viele Wissenschaftler da lange Zeit beschäftigt sind.

Und deswegen wird vieles ein bisschen hemdsärmelig gemacht.

Natürlich gibt es Controllingverfahren und so weiter

innerhalb der Jobcenter, die sicherstellen sollen,

dass das alles eine gute Qualität hat,

was man dort an Maßnahmen veranlasst.

Aber das kann eben schiefgehen.

Wissen Sie warum die Arbeitslosen nicht mehr arbeitslos sind,

wenn sie an einer Maßnahme vom Jobcenter teilnehmen?

Ja, das ist eine statistische Konvention, die gar nicht neu ist,

die's schon immer gab und die auch international gebräuchlich ist:

Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen

wie zum Beispiel eine Weiterbildung, gelten nicht als arbeitslos.

Das tun sie deshalb nicht, weil sie in dem Moment,

wo sie diese Weiterbildung machen,

dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen

und das ist eine der Voraussetzungen für Arbeitslosigkeit.

Der Bundesrechnungshof hat schon vor fünf Jahren viele Maßnahmen

beziehungsweise Beschäftigungen für Arbeitslose

untersucht und kritisiert:

Wir gewinnen knapp 70 Prozent der Prozesse,

die wir führen müssen aufgrund der Einwürfe der Kunden.

Die gewinnen wir.

Die Fälle, die wir verlieren, sind teilweise, man muss ehrlich sein,

berechtigt, teilweise liegt es daran,

dass im Prinzip Formfehler gelaufen sind von uns,

dass Bescheide nicht korrekt waren,

dass Termine nicht eingehalten worden sind.

Oder dass wir zu spät reagiert haben.

Da geht es nicht um inhaltliche Entscheidungen,

sondern um formale Dinge.

Das Hauptproblem des SGB II ist, dass hier sehr viel unklare,

nicht eindeutige Bestimmungen drin liegen,

Ermessensbestimmungen drin liegen,

wo logischerweise der Kunde zu anderer Meinung kommen kann,

aber auch der Richter zu einer anderen Meinung kommen kann.

Ermessen heißt, ich muss auslegen, muss überlegen, was ...

ordne ich darunter, was ordne ich nicht darunter,

da kann ein Richter

durchaus zu anderer Meinung kommen als das Jobcenter.

Ich finde das nicht weiter dramatisch, so lange es Quoten sind,

wie sie bei uns beispielsweise sind,

das es knapp ein Drittel der Fälle ist.

Wenn es so wäre, wie Sie sagen, dass es sehr viele Fälle,

dann wäre es kritisch, aber das denke ich nicht.

Das war zu einer gewissen Zeit,

als im SGB II noch relativ viel unsicher war, deutlich höher,

aber mittlerweile ist das SGB II so stabil

und es gibt so viele höchstrichterliche Urteile,

die klarmachen, was läuft,

dass ich das Problem gar nicht so gravierend sehe.

In Bremen haben sich dutzende Rechtsanwälte

aus mehreren Kanzleien vor fünf Jahren zusammengeschlossen

und die Webseite "Hartz4widerspruch" ins Leben gerufen.

Allein diese Kanzlei

führt monatlich bundesweit über 2.000 Verfahren gegen Jobcenter.

In den letzten fünf Jahren hat sie 100.000 Verfahren geführt.

Die Verfahren kommen immer zu uns,

wenn das Jobcenter eine Sanktion ausspricht,

weil ein ALG-II-Empfänger, eine ALG-II-Empfängerin

diese Maßnahme nicht weiter besucht, gar nicht hingeht, sie abbricht,

weil sie sinnlos ist.

Dann sanktioniert das Jobcenter die Empfängerin.

Man kann die Bescheide mit Sanktionen vom Jobcenter abfotografieren

und einfach auf der Seite hochladen, kostenlos.

Da kommen seltsame Bescheide.

Dann gibt es Beispiele, die wirklich einfach absurd sind.

Ich erinnere mich an einen Fall, da war die Beschreibung:

Wir unterstützen dich, also den ALG II-Empfänger, dabei,

Selbstbewusstsein zu schöpfen für die Bewerbungsphase,

und der hat drei verschiedene Dinge gemacht.

Der hat ein kleines Blumenbeet ange- legt, wo er Blumen pflegen sollte.

Der sollte kleine Bauarbeiterarbeiten machen,

die nie zustande gekommen sind, weil's kein Werkzeug gab.

Und es gehörten, glaube ich, Waldspaziergänge dazu,

um sich zu befreien, was ihn stark frustriert hat,

dass er diese Dinge machen sollte.

Die hat er nicht gemacht, wurde deswegen sanktioniert.

Wenn wir von den Sanktionen ausgehen,

ist die Abhilfequote bei Sanktionen bei knapp 80 Prozent.

Abhilfequote bedeutet, dass das Jobcenter selber sagt:

"Ja, Entschuldigung, das war falsch."

Aber da man fast jede ... jeden Wi- derspruch gegen Sanktionen gewinnt,

kann man sagen, dass der über- wiegende Großteil von Maßnahmen ...

rechtswidrig ist.

(Klopfen)

Ja!

Für Stephanie ist heute der Tag, an dem sich entscheidet,

ob das Jobcenter ihr eine Ganztagsbetreuung vermitteln kann.

Stephanies Führerscheinförderung

muss nicht unbedingt an eine Fortbildung gebunden werden.

Die Fallmanagerin hat das so entschieden.

Das größte Problem ist jetzt, eine Tagesmutter zu finden.

Ich war ganz intensiv im Gespräch mit dem Landkreis Calw.

Dort mit der Fachstelle, die sich um Tagesmütter kümmert.

Da muss ich sagen, sind wir nicht zum Entscheidenden ...

ja, zur Zusage gekommen.

Die Tagesmutter, die dort vor Ort ist, hat keine Kapazitäten mehr.

Jetzt steht es also fest: Keine Tagesmutter! Was jetzt?

Weil ich grad drei Stellen gleichzeitig machen soll

und alle drei Sachen am besten

zwischen 16 und 20 Uhr fertig haben soll.

Das funktioniert aber nicht,

wenn die eine Stelle vier Stunden braucht.

Bisschen schwierig.

Was schlägt die Fallmanagerin jetzt vor?

Wir haben im Kreis Calw dieses Gesundheitsprojekt,

dass ich Ihnen gerne als Angebot unterbreite,

mit verschiedenen Kursen, unter anderem Yoga, Rückenfit.

Wie heißt das andere? Bodypump.

Bodypump statt Führerschein.


Arbeitslos - Die seltsamen Kurse vom Jobcenter | SWR Doku (2) Unemployed - The strange courses from the Jobcenter | SWR Doku (2) Desempleados - Los extraños cursos de la oficina de empleo | SWR Doku (2) Desempregados - Os estranhos cursos do centro de emprego | SWR Doku (2) Безработные - странные курсы от центра занятости | SWR Doku (2)

Thomas Nagl besucht mehr als 200 Arbeitslose im Jahr.

Heute ist Stephanie wieder dran.

Der Familienberater will ihr zeigen,

wie sie am besten nach einer Arbeit sucht.

Kann es doch noch klappen? Ohne Umschulung?

Thomas Nagl will, dass Stephanie es versucht.

Es soll gleich losgehen.

Also, die Idee für heute war ja, was wir vereinbart haben:

Wir gucken zusammen nach Jobs.

Ob da was dabei ist.

Und wenn dich das anspricht, formulieren wir dazu die Bewerbung.

Okay, ist aufgebaut.

Doch die Internetleitung im Dorf ist zu langsam,

auch die kostenlose Webseite des Jobcenters lädt nicht.

Mit dem Laptop kommt sie nicht weiter.

Vielleicht klappt es ja mit dem Smartphone.

Arbeitsamt, Stellenangebote.

Guck mal, was hat er draus gemacht?

Arbeit, äh, warte mal, das sind alles diese Anzeigen.

Die Stellenangebote sind das eine,

das Andere ist:

Stephanie soll selbstständiger werden und alleine klar kommen.

Du wirst immer wieder in Situationen kommen,

wo du einen Job suchen muss, das ist einfach so.

Dieser Traum, ich kriege einen Job bis zur Rente,

das gibt es nicht mehr.

Und in der Branche, in der du arbeitest,

wirst du öfter Wechsel haben, okay?

Das heißt, du kannst dir immer einen Berater suchen,

der dir hilft, diesen Job zu bekommen,

oder du lernst einmal richtig, wie es funktioniert, einen zu suchen

und dann auch zu bekommen.

Was ist eigentlich mit dem Führerscheinkurs geworden?

Hast du schon eine definitive Absage,

oder es ist ein Vielleicht, oder gucken wir, wie Corona ist,

was läuft da gerade? - Ich weiß es nicht.

Sie hat zu mir gemeint, das wäre beendet.

Die Sachbearbeiterin in dem Sonder- jobvermittlungsteam oder so?

Genau. - Und die weiß auch nicht?

Dann meinte sie, wir werden alle auf die Warteliste gesetzt.

Ja, das Komische, wenn ich auf Warteliste gesetzt werd,

dann kann ich mir normalerweise eine Auskunft holen beim Jobcenter.

Aber ich kriege keine Auskunft. - Hast du eine Idee?

Ja, ich war kurz davor zu sagen, hier, die sollen mir Kredit geben.

Wenn ich den Job eventuell bei der Diakonie anfangen könnte,

weil die suchen ja immer Leute.

Da hätte ich auch nicht das Problem, ein Auto zu kaufen,

weil da kriege ich eins gestellt.

Warte mal, jetzt, wo du sagst Kredit, mir fällt noch ein,

wenn du einen Arbeitgeber findest, der sagt,

wenn du den Führerschein hast, dann stellen wir dich ein,

das auch schriftlich dir gibt, dann zahlen sie dir, glaube ich,

müssen sogar den Führerschein beziehungsweise den Kurs bezahlen.

Das heißt, die Herausforderung ist,

wir müssen einen Arbeitgeber finden, der sich auf so was einlässt.

Aber würde ihr ein Arbeitgeber wirklich eine Jobgarantie geben,

bevor sie den Führerschein hat?

Stephanies Situation kennt man im Jobcenter Calw recht gut.

Zu den normalen Tageszeiten,

zwischen morgens sieben und Abends 18 Uhr

ist fast stündlich jeder Ort erreichbar.

Viele Arbeitsstellen sind aber außerhalb dieser abgedeckten Zeit,

Frühschicht, Spätschicht,

das heißt, die sind nicht erreichbar mit der üblichen Fahrt.

Da gibt es aber dann die Möglichkeit, dass wir,

wenn wirklich eine Arbeitsstelle da wäre,

den Führerschein

und bei Bedarf sogar ein Teil des Autokaufes finanzieren können.

Stattdessen finanziert das Jobcenter für Stephanie

aber erst einmal den Kreativitätskurs.

Man kann nähen, man kann Geschenke basteln,

man kann mit Holz arbeiten, das wäre eine Möglichkeit der Tagesstruktur.

Aber eine Tagesstruktur hat Stephanie ja eigentlich schon.

Für sie stellt sich die Frage, ob sie Zeit hat, putzen zu gehen,

wenn sie kreativ sein soll.

Zu uns kommen Menschen, die lange ohne Arbeit waren,

langzeitarbeitslose Menschen.

Und die auch manchmal diesen Tages- rhythmus, den man normalerweise hat,

nicht mehr so haben.

Und dann eben hier das wieder kennenlernen,

dass man einer Beschäftigung nachgeht,

und in diesem Fall ist es eben eine kreative Beschäftigung.

Und es kommen zu uns Teilnehmende aus dem Jobcenter,

die in eine Arbeitsgelegenheit,

so nennt sich diese Maßnahme, zugewiesen werden.

Möchtest du mal probieren? - Kann ich machen. Klar.

Du kannst das ja schon!

Klar, wenn man in einer halben Werkstatt groß wird.

Feilen für die minimale Grundsicherung.

Sie bekommt keinen Lohn hier, nur weiterhin ihr Arbeitslosengeld II.

Solange das Jobcenter das bezahlt, sind die Maßnahmen verpflichtend.

Den Teilnehmern geht es genauso.

Sie machen das Beste daraus und immerhin:

Ölfarben und Pinsel werden gestellt.

Aber selbst wenn Stephanie auch so gut malen könnte wie er,

sie wird keine Bilder verkaufen.

Und wenn doch, dürfte sie das Geld ja auch nicht behalten.

(Tragische Musik)

Look.

Das ist schön.

Holzskulpturen kreieren kann Spaß machen und auch wichtig sein,

gerade wenn man lange nicht gearbeitet hat.

Aber ist das auch etwas für Stephanie?

Eigentlich will sie ja Geld verdienen.

Aber jetzt muss sie mindestens drei Stunden am Tag

handwerklich oder künstlerisch tätig werden.

In der Zeit kann sie weder putzen gehen,

noch für den Führerschein lernen.

Ich würd das zwar vielleicht so als Freizeit, Freizeitgestaltung

so würde ich das eigentlich machen.

Direkt jetzt als Beruf würde ich selber persönlich nicht unbedingt,

weil einfach - ich bin ein Mensch, ich muss was zum Anpacken haben.

Habe ich nichts zum Anpacken, fühl ich mich nicht wohl.

Und es gibt viele Menschen, die hier ihre Kreativität entdecken,

aber es ist sicherlich kein Beruf, wo man mit Geld verdienen kann.

Klar, ich kann mich hier hinstellen, ich kann vielleicht auch was machen,

das mag sein.

Allerdings wird es mich nicht

jahrelang oder monatelang glücklich machen.

Friederike Schröder will zeigen,

wo ihre Schützlinge noch mitmachen können: beim Kochen in der Großküche.

Klar, sie sind alle gemeldet beim Jobcenter,

man macht ein Coaching mit ihnen, dass sie sich bewerben können.

Man guckt, dass sie Bewerbungsgespräche haben.

Das eine oder andere findet statt, wird auch was,

dass sie einen Job bekommen.

Bei vielen ist es so, dass sie nichts kriegen,

immer wieder auf der Suche sind.

Kochen ist auch so eine Maßnahme vom Jobcenter,

um Arbeitslose zu beschäftigen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Immerhin: Man kann umsonst essen, das ist gut für sie.

Und für das Jobcenter ist gut: Solange sie hier kochen,

tauchen sie nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf,

denn sie stehen dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung.

Okay, guten Appetit, gell.

Und es könnte ja sein, dass einer der Teilnehmenden doch auch mal

über das Kochen dem Arbeitsmarkt noch näher kommt.

Das hoffen sie zumindest hier in der Bundesagentur für Arbeit

und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB.

Wir wollen von den Wissenschaftlern wissen: Warum verordnen die Jobcenter

Langzeitarbeitslosen so viele Coachingmaßnahmen,

Kreativangebote und Kochkurse und was bringen sie?

Ja, es gibt viele Möglichkeiten natürlich,

auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Manchmal geht es darum, schlichtweg auch eine Tagesstruktur zu schaffen,

dass man zusammenkommt.

Ich habe beispielsweise selbst in einem Jobcenter mal erlebt,

da war es ein Kochkurs, der Menschen einfach gezeigt hat,

die können mit Erfolg auch etwas abschließen.

Das schafft Selbstvertrauen und das stärkt später auch das Auftreten

dann auch in Unternehmen.

Also genau solche Dinge, es können auch Sportkurse sein,

es geht vor allem darum, dass die Menschen auch Kontakte haben

und dann Stück für Stück an den Arbeitsmarkt herangeführt werden.

Die Beschäftigungsmaßnahmen

sieht man beim Institut der deutschen Wirtschaft etwas kritischer.

Diese ganzen Maßnahmen, die da gemacht werden, die ...

Erfolg auf dem Blindflug.

Da denkt sich irgendjemand im Jobcenter was aus,

was man machen könnte, und dann wird das gemacht,

das geht auch gar nicht anders,

weil man kann nicht jede Einzelmaß- nahme wissenschaftlich evaluieren,

viel zu aufwendig.

Das kostet ein Heidengeld, so eine Evaluationsstudie,

weil viele Wissenschaftler da lange Zeit beschäftigt sind.

Und deswegen wird vieles ein bisschen hemdsärmelig gemacht.

Natürlich gibt es Controllingverfahren und so weiter

innerhalb der Jobcenter, die sicherstellen sollen,

dass das alles eine gute Qualität hat,

was man dort an Maßnahmen veranlasst.

Aber das kann eben schiefgehen.

Wissen Sie warum die Arbeitslosen nicht mehr arbeitslos sind,

wenn sie an einer Maßnahme vom Jobcenter teilnehmen?

Ja, das ist eine statistische Konvention, die gar nicht neu ist,

die's schon immer gab und die auch international gebräuchlich ist:

Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen

wie zum Beispiel eine Weiterbildung, gelten nicht als arbeitslos.

Das tun sie deshalb nicht, weil sie in dem Moment,

wo sie diese Weiterbildung machen,

dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen

und das ist eine der Voraussetzungen für Arbeitslosigkeit.

Der Bundesrechnungshof hat schon vor fünf Jahren viele Maßnahmen

beziehungsweise Beschäftigungen für Arbeitslose

untersucht und kritisiert:

Wir gewinnen knapp 70 Prozent der Prozesse,

die wir führen müssen aufgrund der Einwürfe der Kunden.

Die gewinnen wir.

Die Fälle, die wir verlieren, sind teilweise, man muss ehrlich sein,

berechtigt, teilweise liegt es daran,

dass im Prinzip Formfehler gelaufen sind von uns,

dass Bescheide nicht korrekt waren,

dass Termine nicht eingehalten worden sind.

Oder dass wir zu spät reagiert haben.

Da geht es nicht um inhaltliche Entscheidungen,

sondern um formale Dinge.

Das Hauptproblem des SGB II ist, dass hier sehr viel unklare,

nicht eindeutige Bestimmungen drin liegen,

Ermessensbestimmungen drin liegen,

wo logischerweise der Kunde zu anderer Meinung kommen kann,

aber auch der Richter zu einer anderen Meinung kommen kann.

Ermessen heißt, ich muss auslegen, muss überlegen, was ...

ordne ich darunter, was ordne ich nicht darunter,

da kann ein Richter

durchaus zu anderer Meinung kommen als das Jobcenter.

Ich finde das nicht weiter dramatisch, so lange es Quoten sind,

wie sie bei uns beispielsweise sind,

das es knapp ein Drittel der Fälle ist.

Wenn es so wäre, wie Sie sagen, dass es sehr viele Fälle,

dann wäre es kritisch, aber das denke ich nicht.

Das war zu einer gewissen Zeit,

als im SGB II noch relativ viel unsicher war, deutlich höher,

aber mittlerweile ist das SGB II so stabil

und es gibt so viele höchstrichterliche Urteile,

die klarmachen, was läuft,

dass ich das Problem gar nicht so gravierend sehe.

In Bremen haben sich dutzende Rechtsanwälte

aus mehreren Kanzleien vor fünf Jahren zusammengeschlossen

und die Webseite "Hartz4widerspruch" ins Leben gerufen.

Allein diese Kanzlei

führt monatlich bundesweit über 2.000 Verfahren gegen Jobcenter.

In den letzten fünf Jahren hat sie 100.000 Verfahren geführt.

Die Verfahren kommen immer zu uns,

wenn das Jobcenter eine Sanktion ausspricht,

weil ein ALG-II-Empfänger, eine ALG-II-Empfängerin

diese Maßnahme nicht weiter besucht, gar nicht hingeht, sie abbricht,

weil sie sinnlos ist.

Dann sanktioniert das Jobcenter die Empfängerin.

Man kann die Bescheide mit Sanktionen vom Jobcenter abfotografieren

und einfach auf der Seite hochladen, kostenlos.

Da kommen seltsame Bescheide.

Dann gibt es Beispiele, die wirklich einfach absurd sind.

Ich erinnere mich an einen Fall, da war die Beschreibung:

Wir unterstützen dich, also den ALG II-Empfänger, dabei,

Selbstbewusstsein zu schöpfen für die Bewerbungsphase,

und der hat drei verschiedene Dinge gemacht.

Der hat ein kleines Blumenbeet ange- legt, wo er Blumen pflegen sollte.

Der sollte kleine Bauarbeiterarbeiten machen,

die nie zustande gekommen sind, weil's kein Werkzeug gab.

Und es gehörten, glaube ich, Waldspaziergänge dazu,

um sich zu befreien, was ihn stark frustriert hat,

dass er diese Dinge machen sollte.

Die hat er nicht gemacht, wurde deswegen sanktioniert.

Wenn wir von den Sanktionen ausgehen,

ist die Abhilfequote bei Sanktionen bei knapp 80 Prozent.

Abhilfequote bedeutet, dass das Jobcenter selber sagt:

"Ja, Entschuldigung, das war falsch."

Aber da man fast jede ... jeden Wi- derspruch gegen Sanktionen gewinnt,

kann man sagen, dass der über- wiegende Großteil von Maßnahmen ...

rechtswidrig ist.

(Klopfen)

Ja!

Für Stephanie ist heute der Tag, an dem sich entscheidet,

ob das Jobcenter ihr eine Ganztagsbetreuung vermitteln kann.

Stephanies Führerscheinförderung

muss nicht unbedingt an eine Fortbildung gebunden werden.

Die Fallmanagerin hat das so entschieden.

Das größte Problem ist jetzt, eine Tagesmutter zu finden.

Ich war ganz intensiv im Gespräch mit dem Landkreis Calw.

Dort mit der Fachstelle, die sich um Tagesmütter kümmert.

Da muss ich sagen, sind wir nicht zum Entscheidenden ...

ja, zur Zusage gekommen.

Die Tagesmutter, die dort vor Ort ist, hat keine Kapazitäten mehr.

Jetzt steht es also fest: Keine Tagesmutter! Was jetzt?

Weil ich grad drei Stellen gleichzeitig machen soll

und alle drei Sachen am besten

zwischen 16 und 20 Uhr fertig haben soll.

Das funktioniert aber nicht,

wenn die eine Stelle vier Stunden braucht.

Bisschen schwierig.

Was schlägt die Fallmanagerin jetzt vor?

Wir haben im Kreis Calw dieses Gesundheitsprojekt,

dass ich Ihnen gerne als Angebot unterbreite,

mit verschiedenen Kursen, unter anderem Yoga, Rückenfit.

Wie heißt das andere? Bodypump.

Bodypump statt Führerschein.