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YouTube | GERMANIA, Patrick Esume über American Football, den Mythos Amerika und Rassismus

Patrick Esume über American Football, den Mythos Amerika und Rassismus

"Ja, das passiert irgendwo im Osten".

Oder: "Dir geht es doch gut hier drüben im Westen".

Nee, nee, Rassismus ist überall, jeden Tag.

Und wenn du ihn einmal selbst körperlich erfahren hast,

hat er auch eine andere Qualität für dich.

* Titelmelodie *

Mein Name ist Patrick Esume.

Ich bin 45 Jahre alt, komme aus Hamburg, bin hier geboren.

Meine Mutter ist deutsch, mein Papa kommt aus Nigeria.

Und meine Profession ist American Football.

Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen.

Mein Papa ist als Student hier rübergekommen aus Nigeria,

hat hier studiert.

Studenten sind chronisch pleite.

Und insofern sind wir sehr bescheiden und einfach aufgewachsen,

aber nicht unglücklich.

Die nigerianische Kultur, die ganze Lebensfreude und Lebensart

war immer in meinem Leben in meiner Kindheit.

Es waren permanent Freunde, Bekannte da,

es wurde lange und laut Musik gehört,

es wurde was getrunken, es wurde gelacht, zusammen gegessen.

Daran erinnere ich mich sehr gerne.

Und natürlich auch, wenn Verwandte aus Nigeria gekommen sind,

wenn die Oma da war,

komische Wurzeln mitgebracht hat und Schnecken,

komische Sachen in unserer Küche gekocht haben,

die ekelhaft gerochen haben, das ist immer noch da.

Das nigerianische Lebensgefühl war immer bei uns im Haus,

ganz genauso wie das deutsche.

Wenn man als einfaches Kind aus der Hamburger Innenstadt

oder aus Altona, Pauli

auf einmal aufs Wilhelm-Gymnasium hier in Hamburg kommt,

ist das schon 'ne krasse Veränderung.

Der ein oder andere wird mit dem Fahrer abgesetzt

oder die Nanny holt ihn ab.

Natürlich wird dann das Thema Hautfarbe ein Thema.

Dann bist du im wahrsten Sinne des Wortes das schwarze Schaf.

Und ich bin eher ein extrovertierter Mensch, der nach vorne geht.

Deshalb bin ich dementsprechend damit umgegangen in meiner Kindheit.

Wenn ich dann mal beleidigt wurde,

dann gab es auch mal ein paar an die Backen. Es ist, wie es ist.

Ich war damals, wie alt war ich, 19,

bin nachts am Strand lang gegangen mit 'nem Kumpel zusammen.

Das war in Scharbeutz, oben an der Ostsee.

Er läuft los, ich höre ein Knirschen im Sand,

will mich umdrehen,

seh' noch im Augenwinkel einen großen, glatzköpfigen Typen.

Und dann waren die Lichter aus,

weil er mir mit 'ner Baseballkeule ins Genick geschlagen hat.

Wenn du dann im Krankenhaus wieder zur Besinnung kommst,

kaum ein Gespür hast,

das Einzige, woran ich mich noch erinnere, dass ich das Gefühl hatte,

mir platzen die Fingerkuppen auf.

Weil da, wo die Nervenenden sind natürlich,

wenn du sowas da hinten drauf bekommst,

dann ist das schon schmerzhaft.

Das war das Letzte, was ich noch erinnere.

Dann war ich im Krankenhaus

und konnte meine Hände nicht richtig bewegen.

Sie haben den Typen gefasst.

Und der hat dann 'ne Geldstrafe, dreimal Parkputzen bekommen.

Da war ich schon außer mir, würde ich mal dezent sagen.

Weil für mich ist es klar,

wenn ich mit 'ner Baseballkeule jemandem auf den Kopf schlage,

nehme ich in Kauf, dass er stirbt. Für mich ist es versuchter Totschlag.

Das ist der Punkt, wo du als junger Mensch mit Migrationshintergrund

dann auch sagst: "Was ist hier los?

Musst du es vielleicht selbst in die Hand nehmen?"

Das ist auch der Punkt, wo du ganz schnell,

jetzt mit 45 sage ich das, auf 'ne schiefe Bahn geraten kannst.

Wo du dann auf diesen Trip kommst zu sagen, was ich öfter höre:

"Ja, Deutschland ist scheiße, ist blöd hier, alles Nazis".

Das ist dann einfach, wenn du sowas mal erlebt hast.

Das Gute ist, meine Mutter hat mir schnell klargemacht:

"Hey, schlechte Menschen gibt es in allen Farben und Formen."

Und Gott sei Dank hatte ich Football,

da konnte ich meine überschüssige Energie kanalisieren.

Zum Football bin ich eigentlich gekommen,

Ich hab in meiner Kindheit jemanden in meiner Nachbarschaft gehabt,

Andrew Jordan, der sah aus wie ich,

auch groß, riesengroßer, brauner Junge.

Und der hat Football gespielt.

Und da bin ich auf Football gekommen.

Und dann irgendwann mit 18 bin ich direkt eingestiegen.

Da hat mich ein Kumpel mitgenommen zum Training.

Und ich hatte das 1. Mal den Helm auf, die Pads an,

hab sofort gewusst: Das ist mein Ding.

Der schlechte Geruch des Helms, das Shoulderpad, was gedrückt hat,

Die Tatsache, dass ich da in jedem Training

ein paar an den Hals bekommen hab, aber es war nicht böse gemeint.

Wenn ich aufgestanden bin und wieder gekommen bin,

haben die älteren, großen Spieler immer anerkennend genickt:

"Oh, shit, der dünne, schwarze Bruder ist schon wieder da, verdammt".

Die Spieler kamen aus allen möglichen verschiedenen sozialen Schichten.

Wir hatten Studenten, Berufssöhne, stadtbekannte Schläger, Türsteher,

es war alles in dieser Mannschaft dabei.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Football so besonders ist,

weil es jedem 'ne Möglichkeit gibt, Teil eines Großen zu werden.

Egal, wo du herkommst, egal, wie groß, wie schwer du bist.

Bei uns findet man alle Gesellschaftsgruppen,

weil Football für ganz spezielle Menschen und Charaktere gemacht ist.

Und die gibt es halt in jeder Gesellschaftsgruppe.

Zum Beispiel, wenn du in der Defence spielst,

bist du ihr ein Typ, der gerne jagt und erlegt

und dir das holst, was du haben willst.

Und dafür musst du ein ganz bestimmter Charakter sein.

Und da findest du dann halt auch Jungs,

die teilweise eher aus schlechten Verhältnissen kommen

und sich das erarbeiten und das holen wollen,

was sie jetzt in ihrem Leben noch nicht haben.

Auch eine Möglichkeit, ihre Aggressionen auszuleben,

anstatt sie irgendwo an der Bushaltestelle oder am Corner

oder im Einkaufszentrum auszulassen,

ist das 'ne Möglichkeit auf ganz legale Weise

jemandem weh zu tun, ihn zu jagen und zu erlegen.

Und so finden sich die verschiedenen Charaktere in unserer Gesellschaft

alle im Football wieder.

Die Frage, "würdest du noch mal zurückgehen und in der NFL coachen?",

würde ich jetzt immer mit Nein beantworten.

Ich war da, hab darin gearbeitet, hab es wenigstens einmal gemacht,

aber jetzt, denke ich mir, ist auch der Reiz und dieser Mythos Amerika,

wenn du mittendrin warst, ist der auch irgendwann verschwunden.

Jetzt hab ich Kinder. Jetzt ist was anderes.

Wo sollen meine Kinder aufwachsen? In Amerika? Bei Trump?

Auf gar keinen Fall.

Hier in Deutschland leben wir ein traumhaftes Leben.

In keinem Land kriegst du solche Chancen wie hier in Deutschland.

Du kannst wirklich vom Tellerwäscher zum Millionär werden.

Das geht hier noch.

In Amerika ist es unmöglich, außer du wirst Rapper oder Sportler.

Hier kannst du wirklich mit harter Arbeit noch was erreichen.

Und du bist sicher. Es ist sauberer als in Amerika.

Die Menschen in Hamburg sind ein bisschen unterkühlter,

aber wenn du sie erst mal hast,

sind wir echt ganz nette Typen, würde ich sagen.

* Titelmelodie *

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)

Ja, das war Germania mit Patrick Esume.

Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Ich habe noch 'ne Frage an euch:

Darf jemand mit Migrationshintergrund stolz sein Deutscher zu sein?

Kommentiere doch einfach mal hier drunter.

Ich bin gespannt, bis dann. Reingehauen.


Patrick Esume über American Football, den Mythos Amerika und Rassismus Patrick Esume on American football, the myth of America and racism Patrick Esume sobre el fútbol americano, el mito de América y el racismo Patrick Esume sul football americano, il mito dell'America e il razzismo Patrick Esume sobre o futebol americano, o mito da América e o racismo

"Ja, das passiert irgendwo im Osten".

Oder: "Dir geht es doch gut hier drüben im Westen".

Nee, nee, Rassismus ist überall, jeden Tag.

Und wenn du ihn einmal selbst körperlich erfahren hast,

hat er auch eine andere Qualität für dich.

* Titelmelodie *

Mein Name ist Patrick Esume.

Ich bin 45 Jahre alt, komme aus Hamburg, bin hier geboren.

Meine Mutter ist deutsch, mein Papa kommt aus Nigeria.

Und meine Profession ist American Football.

Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen.

Mein Papa ist als Student hier rübergekommen aus Nigeria,

hat hier studiert.

Studenten sind chronisch pleite.

Und insofern sind wir sehr bescheiden und einfach aufgewachsen,

aber nicht unglücklich.

Die nigerianische Kultur, die ganze Lebensfreude und Lebensart

war immer in meinem Leben in meiner Kindheit.

Es waren permanent Freunde, Bekannte da,

es wurde lange und laut Musik gehört,

es wurde was getrunken, es wurde gelacht, zusammen gegessen.

Daran erinnere ich mich sehr gerne.

Und natürlich auch, wenn Verwandte aus Nigeria gekommen sind,

wenn die Oma da war,

komische Wurzeln mitgebracht hat und Schnecken,

komische Sachen in unserer Küche gekocht haben,

die ekelhaft gerochen haben, das ist immer noch da.

Das nigerianische Lebensgefühl war immer bei uns im Haus,

ganz genauso wie das deutsche.

Wenn man als einfaches Kind aus der Hamburger Innenstadt

oder aus Altona, Pauli

auf einmal aufs Wilhelm-Gymnasium hier in Hamburg kommt,

ist das schon 'ne krasse Veränderung.

Der ein oder andere wird mit dem Fahrer abgesetzt

oder die Nanny holt ihn ab.

Natürlich wird dann das Thema Hautfarbe ein Thema.

Dann bist du im wahrsten Sinne des Wortes das schwarze Schaf.

Und ich bin eher ein extrovertierter Mensch, der nach vorne geht.

Deshalb bin ich dementsprechend damit umgegangen in meiner Kindheit.

Wenn ich dann mal beleidigt wurde,

dann gab es auch mal ein paar an die Backen. Es ist, wie es ist.

Ich war damals, wie alt war ich, 19,

bin nachts am Strand lang gegangen mit 'nem Kumpel zusammen.

Das war in Scharbeutz, oben an der Ostsee.

Er läuft los, ich höre ein Knirschen im Sand,

will mich umdrehen,

seh' noch im Augenwinkel einen großen, glatzköpfigen Typen.

Und dann waren die Lichter aus,

weil er mir mit 'ner Baseballkeule ins Genick geschlagen hat.

Wenn du dann im Krankenhaus wieder zur Besinnung kommst,

kaum ein Gespür hast,

das Einzige, woran ich mich noch erinnere, dass ich das Gefühl hatte,

mir platzen die Fingerkuppen auf.

Weil da, wo die Nervenenden sind natürlich,

wenn du sowas da hinten drauf bekommst,

dann ist das schon schmerzhaft.

Das war das Letzte, was ich noch erinnere.

Dann war ich im Krankenhaus

und konnte meine Hände nicht richtig bewegen.

Sie haben den Typen gefasst.

Und der hat dann 'ne Geldstrafe, dreimal Parkputzen bekommen.

Da war ich schon außer mir, würde ich mal dezent sagen.

Weil für mich ist es klar,

wenn ich mit 'ner Baseballkeule jemandem auf den Kopf schlage,

nehme ich in Kauf, dass er stirbt. Für mich ist es versuchter Totschlag.

Das ist der Punkt, wo du als junger Mensch mit Migrationshintergrund

dann auch sagst: "Was ist hier los?

Musst du es vielleicht selbst in die Hand nehmen?"

Das ist auch der Punkt, wo du ganz schnell,

jetzt mit 45 sage ich das, auf 'ne schiefe Bahn geraten kannst.

Wo du dann auf diesen Trip kommst zu sagen, was ich öfter höre:

"Ja, Deutschland ist scheiße, ist blöd hier, alles Nazis".

Das ist dann einfach, wenn du sowas mal erlebt hast.

Das Gute ist, meine Mutter hat mir schnell klargemacht:

"Hey, schlechte Menschen gibt es in allen Farben und Formen."

Und Gott sei Dank hatte ich Football,

da konnte ich meine überschüssige Energie kanalisieren.

Zum Football bin ich eigentlich gekommen,

Ich hab in meiner Kindheit jemanden in meiner Nachbarschaft gehabt,

Andrew Jordan, der sah aus wie ich,

auch groß, riesengroßer, brauner Junge.

Und der hat Football gespielt.

Und da bin ich auf Football gekommen.

Und dann irgendwann mit 18 bin ich direkt eingestiegen.

Da hat mich ein Kumpel mitgenommen zum Training.

Und ich hatte das 1. Mal den Helm auf, die Pads an,

hab sofort gewusst: Das ist mein Ding.

Der schlechte Geruch des Helms, das Shoulderpad, was gedrückt hat,

Die Tatsache, dass ich da in jedem Training

ein paar an den Hals bekommen hab, aber es war nicht böse gemeint.

Wenn ich aufgestanden bin und wieder gekommen bin,

haben die älteren, großen Spieler immer anerkennend genickt:

"Oh, shit, der dünne, schwarze Bruder ist schon wieder da, verdammt".

Die Spieler kamen aus allen möglichen verschiedenen sozialen Schichten.

Wir hatten Studenten, Berufssöhne, stadtbekannte Schläger, Türsteher,

es war alles in dieser Mannschaft dabei.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Football so besonders ist,

weil es jedem 'ne Möglichkeit gibt, Teil eines Großen zu werden.

Egal, wo du herkommst, egal, wie groß, wie schwer du bist.

Bei uns findet man alle Gesellschaftsgruppen,

weil Football für ganz spezielle Menschen und Charaktere gemacht ist.

Und die gibt es halt in jeder Gesellschaftsgruppe.

Zum Beispiel, wenn du in der Defence spielst,

bist du ihr ein Typ, der gerne jagt und erlegt

und dir das holst, was du haben willst.

Und dafür musst du ein ganz bestimmter Charakter sein.

Und da findest du dann halt auch Jungs,

die teilweise eher aus schlechten Verhältnissen kommen

und sich das erarbeiten und das holen wollen,

was sie jetzt in ihrem Leben noch nicht haben.

Auch eine Möglichkeit, ihre Aggressionen auszuleben,

anstatt sie irgendwo an der Bushaltestelle oder am Corner

oder im Einkaufszentrum auszulassen,

ist das 'ne Möglichkeit auf ganz legale Weise

jemandem weh zu tun, ihn zu jagen und zu erlegen.

Und so finden sich die verschiedenen Charaktere in unserer Gesellschaft

alle im Football wieder.

Die Frage, "würdest du noch mal zurückgehen und in der NFL coachen?",

würde ich jetzt immer mit Nein beantworten.

Ich war da, hab darin gearbeitet, hab es wenigstens einmal gemacht,

aber jetzt, denke ich mir, ist auch der Reiz und dieser Mythos Amerika,

wenn du mittendrin warst, ist der auch irgendwann verschwunden.

Jetzt hab ich Kinder. Jetzt ist was anderes.

Wo sollen meine Kinder aufwachsen? In Amerika? Bei Trump?

Auf gar keinen Fall.

Hier in Deutschland leben wir ein traumhaftes Leben.

In keinem Land kriegst du solche Chancen wie hier in Deutschland.

Du kannst wirklich vom Tellerwäscher zum Millionär werden.

Das geht hier noch.

In Amerika ist es unmöglich, außer du wirst Rapper oder Sportler.

Hier kannst du wirklich mit harter Arbeit noch was erreichen.

Und du bist sicher. Es ist sauberer als in Amerika.

Die Menschen in Hamburg sind ein bisschen unterkühlter,

aber wenn du sie erst mal hast,

sind wir echt ganz nette Typen, würde ich sagen.

* Titelmelodie *

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)

Ja, das war Germania mit Patrick Esume.

Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Ich habe noch 'ne Frage an euch:

Darf jemand mit Migrationshintergrund stolz sein Deutscher zu sein?

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Ich bin gespannt, bis dann. Reingehauen.