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YouTube | Y-Kollektiv - kurze Videodokumentationen und Reportagen, Indisches Studenten-Leben in Chemnitz: Von Tradition bis Integration

Indisches Studenten-Leben in Chemnitz: Von Tradition bis Integration

Dieses Mythos in Sachsen, dass es Ausländer-feindlichkeiten gibt und sowas, gibt es bestimmt,

aber ich hab die noch nie erfahren.

Eine der größten indischen Communities Ostdeutschlands lebt in Chemnitz.

77% davon studieren an der Technischen Universität.

Eine wirkliche Durchmischung mit den deutschen Studis gibt es aber nicht.

Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dement-sprechend sind nur sehr wenige da, ich glaube-

Vier. Vier davon. Vier Deutsche? Ja, nur vier.

Wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet,

die auch nur 50% so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.

verbundenen Augen heiraten. Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt

Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt aus süßem Tee,

religiösen Minderheiten und unerwarteten Konflikten.

Wenn du mich fragst, sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht mit ihr teilen,

weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.

Ich hab hier in Chemnitz die letzten 3,5 Jahre studiert und an der Uni auch selber verschiedene

Workshops für Internationals gegeben. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, dass mein

Studium so komplett an dem der indischen Studierenden vorbeigelaufen ist. Aber warum eigentlich?

Für diesen Film interessiert mich wer die indische Community in Chemnitz ist, warum

ich als deutsche Studentin so wenig Kontakt mit der Community hatte und vor allem aber

auch wie diese Menschen hier in Chemnitz leben.

Aus meiner Zeit in Chemnitz verbinde ich die indische Community vor allem mit dem Cricketspielen.

An schönen Sommerwochenenden waren die Rasenflächen vom Campus immer voll

mit Cricket spielenden Indern. Selbst einen Cricketverein gibt es.

Erster Stopp ist der indische Supermarkt in der Nähe vom Unicampus. Gleich hier um die

Ecke habe ich gewohnt, eingekauft habe ich im Bollywoodshop aber nicht. Der Laden ist

ein Treffpunkt der gesamten südasiatischen Community.

Meine Mission heute: Süßigkeiten kaufen,

weil ich gleich bei einem indischen Pärchen zum Teetrinken eingeladen bin.

Ich glaube es war ohne Füllung. Ich glaube dann war das, in der dunkleren Version war das das hier.

Amrit ist kein Student, er ist der Sohn vom Ladenbesitzer und soll den Supermarkt irgendwann übernehmen.

Das geht aufs Haus, das geht aufs Haus.

Ich weiß nicht wie die Mentalität bei Deutschen ist, aber ich kann doch keine Preise verlangen oder sowas.

Komm wir machen einen zahlen wir, einen- Achso, aber ich dachte wir wollen die mitnehmen-

zum Teetrinken. Jaja genau.

Also zahlen wir quasi die Hälfte. Genau. Wir machen Hälfte Hälfte.

Okay. Kommt gar nicht in Frage.

Wir einigen uns auf 50/50 und einen gemeinsamen Tee im Hinterzimmer.

Zack: Erste unverhoffte Begegnung mit der indischen Gastfreundschaft. Oha. Ist das alles Reis?

Genau, das ist alles Reis. Ah ist ganz schön hart. Okay.

Die klebriger Kugeln heißen Gulab Jamun. Zuckerschock pur.

Was ist das für ein Gesicht?

Wenn man es isst ist es nicht mehr so hart

und schmeckt ein bisschen wie Baklava, finde ich so ölig auch. Oder?

Ja ist wie Baklava.

Amrit werden wir morgen wiedertreffen.

Weiter zu unserem eigentlichen Tee-Date bei Ila und Aaditya. Hallo?

Hi, hier ist Mira. Ja, hi Mira.

Die beiden sind für ihren Master nach Chemnitz gekommen, sind seit knapp einem Jahr verheiratet

und wohnen gemeinsam in einer Zweier-WG im Wohnheim, wie fast alle Inder*innen.

Ich habe hier auch mal gewohnt. Aber wie alle meine deutschen Freund*innen bin ich nach einem Jahr

wieder ausgezogen. Insgesamt kommen ganze 8% der Studis in Chemnitz aus Indien,

viele sind für ihren Master hier. Die meisten von ihnen studieren Informatik.

Ila und Aaditya kenne ich schon länger. Wir haben an der Uni zusammen gearbeitet.

Viel miteinander zu tun hatten wir aber nicht; ich habe Workshops gegeben,

Ila und Aaditya haben die App fürs Projekt programmiert. Hi, wie geht es euch?

Herzlich willkommen. Das ist Toni.

Hast du Süßigkeiten mitgebracht? Ja, hab ich.

Hi Toni. Kommt rein.

Der geschäftige Typ im Hintergrund ist Karan, ein Freund von den beiden.

Während Ila denTee kocht, erzählen sie mir, dass sie über soziale Medien schon aus der Heimat Kontakt

zu anderen indischen Studis hier hatten. Wir haben auch mit Alumnis gesprochen. Wir

haben in Facebookgruppen oder über LinkedIn nach Leuten gesucht, die hier studiert haben

und haben mit denen gesprochen. So haben wir die Uni am Ende festgelegt.

Und mit deutschen Studis, ist es leicht mit denen in Kontakt zu kommen?

Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dementsprechend sind nur sehr wenige da, sehr

wenige, ich glaube Vier. Vier davon.

Vier Deutsche? Ja, nur vier.

In einem Kurs von ca. 80 Studierenden sind es nur vier.

Warum glaubt ihr, dass ich nie sonderlich viel Kontakt zu indischen Studierenden hatte?

Lass mich dir eine Frage stellen: Wie viele indische Studierende waren in deinem Kurs?

Keine. Keine. Das ist einer der Gründe.

Dann hattest du den Hiwi-Job, wo wir uns getroffen haben.

Also hast du zwei indische Freunde kennengelernt.

Und dann dein nächster Job, den du hattest, wie viele indische Leute gab es da?

Keine. Siehst du, es gibt keinen gemeinsamen Ort.

Gemeinsame Orte, wie das Wohnheim oder die Mensa gab es ja aber trotzdem. Aber klar,

ich bin selten in die Mensa gegangen, um neue Leute kennenzulernen. Die meisten meiner Freund*innen

haben tatsächlich mit mir zusammen studiert. Zum süßen Chai präsentieren die beiden

mir dann ein bisschen Real-Life-Bollywood-Romantik und zeigen mir ihr Hochzeitsvideo.

Sie sieht so wunderschön aus. Aus Liebe zu heiraten, so wie Ila und Aaditya

ist in Indien noch immer eher die Ausnahme, arrangierte Hochzeiten sind die Regel. Bisschen

ein Indien-Klischee und für mich ehrlich gesagt komplett unvorstellbar. Deshalb nutze

ich die Chance, Karan zu fragen, wie er dazu steht.

Ich hoffe auf eine Ehe, die funktioniert. Es spielt keine Rolle, ob es eine Liebeshochzeit

ist oder eine arrangierte Ehe. Wenn meine Mutter mich jemandem vorstellt, dann braucht

es ein bisschen Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Was sind die Aspekte, nach denen deine Mutter

die perfekte Partnerin für dich aussucht? Kurz gesagt: Meine Mutter wird ein Mädchen

suchen, die exakt so ist, wie sie selbst. Und das ist etwas Gutes?

Das ist etwas sehr Gutes. Er liebt seine Mutter.

Für mich ist meine Mutter das Ideal aller Frauen. Ich habe so eine Verbindung, dass

wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet, die auch nur 50%

so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.

Würde für dich den auch ein deutsches Mädchen infrage kommen? Und was würden deine Eltern

dazu sagen? Ich glaube es wäre ein sehr langer Prozess,

wenn ich ein deutsches Mädchen heiraten wollte. Da sind so viele Dinge, die die Kompatibilität

beeinflussen. Also ich denke, dass es schon passieren könnte, aber ich denke die Wahrscheinlichkeit

liegt so bei 25%. Wo ich schonmal bei indischen Klischees bin.

Wie ist das eigentlich mit dem Kastensystem? Offiziell wurde es in den 50er Jahren abgeschafft,

trotzdem spielt es im sozialen Leben in Indien noch immer eine Rolle. Ich frage ihn, wie

wichtig Kasten bei der Partnerwahl sind. Es sind Grenzen. Wenn es nach den Eltern geht,

dann liegen die Grenzen innerhalb der eigenen Sektion oder Kaste. Also wenn meine Eltern

jemanden für mich suchen, dann liegt deren Suchradius innerhalb der gleichen Kaste.

Hier in Chemnitz spielt das Kastensytem keine Rolle, sagen die drei. Nur was das Heiraten

angeht sei es für die Eltern noch wichtig. Trotzdem tauchen während meiner Recherche

immer wieder Andeutungen auf. Ein ehemaliger Sozialberater aus Chemnitz bestätigt, dass

auch er mit Konflikten mit dem Kastensystem zu tun hatte. Ich suche nach jemandem, der

vor der Kamera mit mir darüber spricht. Nach unzähligen Telefonaten, finde ich dann Vikarna,

so nenne ich ihn, weil er anonym bleiben will. Hi.

Mir schnell klar, dass das Problem noch viel komplexer ist, als das Kastensystem mit seinen

vier Kategorien, wie ich es aus dem Geografieunterricht kenne. Vikarna erklärt mir, dass dahinter

ein kompliziertes Zusammenspiel aus regionalen Zugehörigkeiten, Religion, Sprache und den

klassischen Kasten steckt. Mich interessiert, was er hierin Chemnitz erlebt hat.

Wenn du mich fragst sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht

mit ihr teilen, weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.

Und die zweite Situation ist, dass ich bald in eine andere Stadt ziehe und wenn ich mich

auf ein Zimmer bewerbe, dann sehen die Leute meinen Nachnamen und fragen, ob ich aus dieser

Region bin oder zu dieser Kaste gehöre und dass sie mir das Zimmer gerne anbieten würden.

Wenn du mit Leuten zusammen bist und da jemand dabei ist, der nicht gewollt ist, was passiert

dann? Wie verhalten sich die anderen? Wie reagiert die Person, die diskriminiert wird?

Stell es dir wie diese Teenage Hollywood Filme vor. Es gibt einen Tisch, der einer bestimmten

Clique vorbehalten ist, so wie in Girls Club, hast du das gesehen?

Ja, ja. Genau. Es gibt dann böse Blicke und dieses

unangenehme Gefühl, aber niemand würde direkt sagen „Wir wollen dich hier nicht.“

Ich hab dir ja erzählt, dass ich mit vielen anderen indischen Menschen gesprochen habe

und ich habe die auch gefragt, ob es Diskriminierungen aufgrund der Kaste oder des sozialen Status

in der indischen Community gibt. Die haben das alle verneint, weil sie meinten, dass

Menschen, die hierherkommen alle sehr offen sind. Glaubst du die bekommen das einfach

nicht mit? Oder wollen sie nicht darüber reden? Warum sagen sie, dass es das nicht

gibt? Es zu akzeptieren ist hier ein Problem. Meine

Freunde sagen, dass sie verstehen, dass es existiert, aber es nach draußen zu tragen

oder mit den Deutschen darüber zu reden, das ist etwas, das man vermeiden sollte.

Okay. Tschüss. Also ich hatte ja echt ein bisschen Schiss,

dass er nicht kommt, weil irgendwie kam er ja zu spät und es kam so ein Bus nach dem

nächsten und er ist nicht ausgestiegen. Ich hatte Angst, dass er mir am Ende doch noch

spontan abspringt, weil irgendwie scheint das gar nicht so normal zu sein da so offen

drüber zu reden. Und ich hätte auch als Außenstehende gar nicht gedacht, dass die

indische Community nicht so eine Community ist, wie man sie wahrnimmt, sondern dass es

da so extrem viele Gruppierungen gibt, die sich auch untereinander so ein bisschen diskriminieren.

Am nächsten Morgen geht es für mich dann weiter zum Gurdwara.

Das ist ein Gotteshaus der Sikh People, das ist eine Glaubensrichtung in Indien und es

gibt so bestimmte Regeln, die man befolgen muss und deswegen werden wir jetzt erstmal

eine Kopfbedeckung suchen und unsere Füße waschen. Die Schuhe und Socken ausgezogen

haben wir schon. Die Sikhs sind eine Glaubensminderheit in

Indien, das ansonsten stark hinduistisch geprägt ist. Eigentlich streben die Sikhs ein eigenes

Land an. Man erkennt sie meist an ihrem langen Bart und dem Turban. Wichtig ist im Tempel

vor allem, dass der Oberkopf bedeckt ist. Nach ganzen drei Stunden Mantras und Musik

gibt es dann - natürlich - Tee und Essen. Aufgrund von Corona tu ich mich hier gerade

etwas schwer. Normalerweise kommen für das gemeinsame Essen auch hinduistische Studis

in den Tempel. Aber weil wir mit der Kamera da sind, entschieden sich einige davon heute

nicht zu kommen. Ich merke, dass ein Dreh im Sikh Tempel für eine Reportage über die

indische Community hier und da gemischte Gefühle auslöst. In Indien kam es in den 80er Jahren

zu gewalttätigen Konflikten zwischen der indischen Regierung und der Sikhs. Offen darüber

reden, will hier in Chemnitz aber niemand. Wir treffen Amrit wieder. Er zeigt uns noch

einmal den Gebetsraum. Weil für die Sikh ihr heiliges Buch selbst als der 10. Prophet

gilt, wird es wie ein König behandelt. Also hier wäre das zum Beispiel, man könnte

quasi sagen das wäre ein Thron von unserem heiligen Buch. Hier beispielsweise wäre,

also wie man das damals bei den Königen gemacht hat, man tut ihm so respektvoll mit dem Fächer

quasi, man kann auch nicht sagen Respekt zollen, aber dass es symbolisch einfach eine hohe

Präsenz hat für uns. Also rituell wird zum Beispiel auch das Buch auf dem Kopf dann getragen,

ne Runde gelaufen und dann also mit Runde meine ich bis hierhin und dann in den Raum


Indisches Studenten-Leben in Chemnitz: Von Tradition bis Integration Indian Student Life in Chemnitz: From Tradition to Integration Індійське студентське життя в Хемніці: від традицій до інтеграції

Dieses Mythos in Sachsen, dass es Ausländer-feindlichkeiten gibt und sowas, gibt es bestimmt,

aber ich hab die noch nie erfahren.

Eine der größten indischen Communities Ostdeutschlands lebt in Chemnitz.

77% davon studieren an der Technischen Universität.

Eine wirkliche Durchmischung mit den deutschen Studis gibt es aber nicht.

Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dement-sprechend sind nur sehr wenige da, ich glaube-

Vier. Vier davon. Vier Deutsche? Ja, nur vier.

Wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet,

die auch nur 50% so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.

verbundenen Augen heiraten. Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt

Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt aus süßem Tee,

religiösen Minderheiten und unerwarteten Konflikten.

Wenn du mich fragst, sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht mit ihr teilen,

weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.

Ich hab hier in Chemnitz die letzten 3,5 Jahre studiert und an der Uni auch selber verschiedene

Workshops für Internationals gegeben. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, dass mein

Studium so komplett an dem der indischen Studierenden vorbeigelaufen ist. Aber warum eigentlich?

Für diesen Film interessiert mich wer die indische Community in Chemnitz ist, warum

ich als deutsche Studentin so wenig Kontakt mit der Community hatte und vor allem aber

auch wie diese Menschen hier in Chemnitz leben.

Aus meiner Zeit in Chemnitz verbinde ich die indische Community vor allem mit dem Cricketspielen.

An schönen Sommerwochenenden waren die Rasenflächen vom Campus immer voll

mit Cricket spielenden Indern. Selbst einen Cricketverein gibt es.

Erster Stopp ist der indische Supermarkt in der Nähe vom Unicampus. Gleich hier um die

Ecke habe ich gewohnt, eingekauft habe ich im Bollywoodshop aber nicht. Der Laden ist

ein Treffpunkt der gesamten südasiatischen Community.

Meine Mission heute: Süßigkeiten kaufen,

weil ich gleich bei einem indischen Pärchen zum Teetrinken eingeladen bin.

Ich glaube es war ohne Füllung. Ich glaube dann war das, in der dunkleren Version war das das hier.

Amrit ist kein Student, er ist der Sohn vom Ladenbesitzer und soll den Supermarkt irgendwann übernehmen.

Das geht aufs Haus, das geht aufs Haus.

Ich weiß nicht wie die Mentalität bei Deutschen ist, aber ich kann doch keine Preise verlangen oder sowas.

Komm wir machen einen zahlen wir, einen- Achso, aber ich dachte wir wollen die mitnehmen-

zum Teetrinken. Jaja genau.

Also zahlen wir quasi die Hälfte. Genau. Wir machen Hälfte Hälfte.

Okay. Kommt gar nicht in Frage.

Wir einigen uns auf 50/50 und einen gemeinsamen Tee im Hinterzimmer.

Zack: Erste unverhoffte Begegnung mit der indischen Gastfreundschaft. Oha. Ist das alles Reis?

Genau, das ist alles Reis. Ah ist ganz schön hart. Okay.

Die klebriger Kugeln heißen Gulab Jamun. Zuckerschock pur.

Was ist das für ein Gesicht?

Wenn man es isst ist es nicht mehr so hart

und schmeckt ein bisschen wie Baklava, finde ich so ölig auch. Oder?

Ja ist wie Baklava.

Amrit werden wir morgen wiedertreffen.

Weiter zu unserem eigentlichen Tee-Date bei Ila und Aaditya. Hallo?

Hi, hier ist Mira. Ja, hi Mira.

Die beiden sind für ihren Master nach Chemnitz gekommen, sind seit knapp einem Jahr verheiratet

und wohnen gemeinsam in einer Zweier-WG im Wohnheim, wie fast alle Inder*innen.

Ich habe hier auch mal gewohnt. Aber wie alle meine deutschen Freund*innen bin ich nach einem Jahr

wieder ausgezogen. Insgesamt kommen ganze 8% der Studis in Chemnitz aus Indien,

viele sind für ihren Master hier. Die meisten von ihnen studieren Informatik.

Ila und Aaditya kenne ich schon länger. Wir haben an der Uni zusammen gearbeitet.

Viel miteinander zu tun hatten wir aber nicht; ich habe Workshops gegeben,

Ila und Aaditya haben die App fürs Projekt programmiert. Hi, wie geht es euch?

Herzlich willkommen. Das ist Toni.

Hast du Süßigkeiten mitgebracht? Ja, hab ich.

Hi Toni. Kommt rein.

Der geschäftige Typ im Hintergrund ist Karan, ein Freund von den beiden.

Während Ila denTee kocht, erzählen sie mir, dass sie über soziale Medien schon aus der Heimat Kontakt

zu anderen indischen Studis hier hatten. Wir haben auch mit Alumnis gesprochen. Wir

haben in Facebookgruppen oder über LinkedIn nach Leuten gesucht, die hier studiert haben

und haben mit denen gesprochen. So haben wir die Uni am Ende festgelegt.

Und mit deutschen Studis, ist es leicht mit denen in Kontakt zu kommen?

Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dementsprechend sind nur sehr wenige da, sehr

wenige, ich glaube Vier. Vier davon.

Vier Deutsche? Ja, nur vier.

In einem Kurs von ca. 80 Studierenden sind es nur vier.

Warum glaubt ihr, dass ich nie sonderlich viel Kontakt zu indischen Studierenden hatte?

Lass mich dir eine Frage stellen: Wie viele indische Studierende waren in deinem Kurs?

Keine. Keine. Das ist einer der Gründe.

Dann hattest du den Hiwi-Job, wo wir uns getroffen haben.

Also hast du zwei indische Freunde kennengelernt.

Und dann dein nächster Job, den du hattest, wie viele indische Leute gab es da?

Keine. Siehst du, es gibt keinen gemeinsamen Ort.

Gemeinsame Orte, wie das Wohnheim oder die Mensa gab es ja aber trotzdem. Aber klar,

ich bin selten in die Mensa gegangen, um neue Leute kennenzulernen. Die meisten meiner Freund*innen

haben tatsächlich mit mir zusammen studiert. Zum süßen Chai präsentieren die beiden

mir dann ein bisschen Real-Life-Bollywood-Romantik und zeigen mir ihr Hochzeitsvideo.

Sie sieht so wunderschön aus. Aus Liebe zu heiraten, so wie Ila und Aaditya

ist in Indien noch immer eher die Ausnahme, arrangierte Hochzeiten sind die Regel. Bisschen

ein Indien-Klischee und für mich ehrlich gesagt komplett unvorstellbar. Deshalb nutze

ich die Chance, Karan zu fragen, wie er dazu steht.

Ich hoffe auf eine Ehe, die funktioniert. Es spielt keine Rolle, ob es eine Liebeshochzeit

ist oder eine arrangierte Ehe. Wenn meine Mutter mich jemandem vorstellt, dann braucht

es ein bisschen Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Was sind die Aspekte, nach denen deine Mutter

die perfekte Partnerin für dich aussucht? Kurz gesagt: Meine Mutter wird ein Mädchen

suchen, die exakt so ist, wie sie selbst. Und das ist etwas Gutes?

Das ist etwas sehr Gutes. Er liebt seine Mutter.

Für mich ist meine Mutter das Ideal aller Frauen. Ich habe so eine Verbindung, dass

wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet, die auch nur 50%

so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.

Würde für dich den auch ein deutsches Mädchen infrage kommen? Und was würden deine Eltern

dazu sagen? Ich glaube es wäre ein sehr langer Prozess,

wenn ich ein deutsches Mädchen heiraten wollte. Da sind so viele Dinge, die die Kompatibilität

beeinflussen. Also ich denke, dass es schon passieren könnte, aber ich denke die Wahrscheinlichkeit

liegt so bei 25%. Wo ich schonmal bei indischen Klischees bin.

Wie ist das eigentlich mit dem Kastensystem? Offiziell wurde es in den 50er Jahren abgeschafft,

trotzdem spielt es im sozialen Leben in Indien noch immer eine Rolle. Ich frage ihn, wie

wichtig Kasten bei der Partnerwahl sind. Es sind Grenzen. Wenn es nach den Eltern geht,

dann liegen die Grenzen innerhalb der eigenen Sektion oder Kaste. Also wenn meine Eltern

jemanden für mich suchen, dann liegt deren Suchradius innerhalb der gleichen Kaste.

Hier in Chemnitz spielt das Kastensytem keine Rolle, sagen die drei. Nur was das Heiraten

angeht sei es für die Eltern noch wichtig. Trotzdem tauchen während meiner Recherche

immer wieder Andeutungen auf. Ein ehemaliger Sozialberater aus Chemnitz bestätigt, dass

auch er mit Konflikten mit dem Kastensystem zu tun hatte. Ich suche nach jemandem, der

vor der Kamera mit mir darüber spricht. Nach unzähligen Telefonaten, finde ich dann Vikarna,

so nenne ich ihn, weil er anonym bleiben will. Hi.

Mir schnell klar, dass das Problem noch viel komplexer ist, als das Kastensystem mit seinen

vier Kategorien, wie ich es aus dem Geografieunterricht kenne. Vikarna erklärt mir, dass dahinter

ein kompliziertes Zusammenspiel aus regionalen Zugehörigkeiten, Religion, Sprache und den

klassischen Kasten steckt. Mich interessiert, was er hierin Chemnitz erlebt hat.

Wenn du mich fragst sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht

mit ihr teilen, weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.

Und die zweite Situation ist, dass ich bald in eine andere Stadt ziehe und wenn ich mich

auf ein Zimmer bewerbe, dann sehen die Leute meinen Nachnamen und fragen, ob ich aus dieser

Region bin oder zu dieser Kaste gehöre und dass sie mir das Zimmer gerne anbieten würden.

Wenn du mit Leuten zusammen bist und da jemand dabei ist, der nicht gewollt ist, was passiert

dann? Wie verhalten sich die anderen? Wie reagiert die Person, die diskriminiert wird?

Stell es dir wie diese Teenage Hollywood Filme vor. Es gibt einen Tisch, der einer bestimmten

Clique vorbehalten ist, so wie in Girls Club, hast du das gesehen?

Ja, ja. Genau. Es gibt dann böse Blicke und dieses

unangenehme Gefühl, aber niemand würde direkt sagen „Wir wollen dich hier nicht.“

Ich hab dir ja erzählt, dass ich mit vielen anderen indischen Menschen gesprochen habe

und ich habe die auch gefragt, ob es Diskriminierungen aufgrund der Kaste oder des sozialen Status

in der indischen Community gibt. Die haben das alle verneint, weil sie meinten, dass

Menschen, die hierherkommen alle sehr offen sind. Glaubst du die bekommen das einfach

nicht mit? Oder wollen sie nicht darüber reden? Warum sagen sie, dass es das nicht

gibt? Es zu akzeptieren ist hier ein Problem. Meine

Freunde sagen, dass sie verstehen, dass es existiert, aber es nach draußen zu tragen

oder mit den Deutschen darüber zu reden, das ist etwas, das man vermeiden sollte.

Okay. Tschüss. Also ich hatte ja echt ein bisschen Schiss,

dass er nicht kommt, weil irgendwie kam er ja zu spät und es kam so ein Bus nach dem

nächsten und er ist nicht ausgestiegen. Ich hatte Angst, dass er mir am Ende doch noch

spontan abspringt, weil irgendwie scheint das gar nicht so normal zu sein da so offen

drüber zu reden. Und ich hätte auch als Außenstehende gar nicht gedacht, dass die

indische Community nicht so eine Community ist, wie man sie wahrnimmt, sondern dass es

da so extrem viele Gruppierungen gibt, die sich auch untereinander so ein bisschen diskriminieren.

Am nächsten Morgen geht es für mich dann weiter zum Gurdwara.

Das ist ein Gotteshaus der Sikh People, das ist eine Glaubensrichtung in Indien und es

gibt so bestimmte Regeln, die man befolgen muss und deswegen werden wir jetzt erstmal

eine Kopfbedeckung suchen und unsere Füße waschen. Die Schuhe und Socken ausgezogen

haben wir schon. Die Sikhs sind eine Glaubensminderheit in

Indien, das ansonsten stark hinduistisch geprägt ist. Eigentlich streben die Sikhs ein eigenes

Land an. Man erkennt sie meist an ihrem langen Bart und dem Turban. Wichtig ist im Tempel

vor allem, dass der Oberkopf bedeckt ist. Nach ganzen drei Stunden Mantras und Musik

gibt es dann - natürlich - Tee und Essen. Aufgrund von Corona tu ich mich hier gerade

etwas schwer. Normalerweise kommen für das gemeinsame Essen auch hinduistische Studis

in den Tempel. Aber weil wir mit der Kamera da sind, entschieden sich einige davon heute

nicht zu kommen. Ich merke, dass ein Dreh im Sikh Tempel für eine Reportage über die

indische Community hier und da gemischte Gefühle auslöst. In Indien kam es in den 80er Jahren

zu gewalttätigen Konflikten zwischen der indischen Regierung und der Sikhs. Offen darüber

reden, will hier in Chemnitz aber niemand. Wir treffen Amrit wieder. Er zeigt uns noch

einmal den Gebetsraum. Weil für die Sikh ihr heiliges Buch selbst als der 10. Prophet

gilt, wird es wie ein König behandelt. Also hier wäre das zum Beispiel, man könnte

quasi sagen das wäre ein Thron von unserem heiligen Buch. Hier beispielsweise wäre,

also wie man das damals bei den Königen gemacht hat, man tut ihm so respektvoll mit dem Fächer

quasi, man kann auch nicht sagen Respekt zollen, aber dass es symbolisch einfach eine hohe

Präsenz hat für uns. Also rituell wird zum Beispiel auch das Buch auf dem Kopf dann getragen,

ne Runde gelaufen und dann also mit Runde meine ich bis hierhin und dann in den Raum